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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 08.02.2006
Aktenzeichen: 12 W 185/05
Rechtsgebiete: AktG, UMAG, UmwG


Vorschriften:

AktG § 243
AktG § 245
UMAG Art. 16 III
UmwG § 16 III
1. Durch das UMAG eingeführte Änderungen des Aktiengesetzes (hier §§ 243 Abs. 4, 245 Nr. 1 und 3 AktG) sind auch in laufenden Freigabe- und Anfechtungsverfahren zu berücksichtigen (sog. unechte Rückwirkung).

2. Offensichtlich unbegründet im Sinne des § 16 Abs. 3 UmwG ist eine aktienrechtliche Anfechtungsklage, wenn sich unter den Bedingungen des Eilverfahrens ihre Unbegründet mit hoher Sicherheit vorhersagen lässt, ohne dass es auf den hierfür erforderlichen Prüfungsaufwand ankommt.

3. Verschmelzungsbeschlüsse unterliegen als unternehmerische Grundentscheidung keiner Inhaltskontrolle auf ihre sachliche Rechtfertigung hin.

4. Gesetzlich vorgesehene Folgen der Verschmelzung sind in der Regel kein Sondervorteil gemäß § 243 Abs. 2 AktG. Es ist nicht entscheidend, ob überwiegend oder ausschließlich der Mehrheitsaktionär von der Verschmelzung profitiert. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Verschmelzung zur Durchsetzung sachfremder Ziele instrumentalisiert wird.

5. Ein gezieltes Ausnutzen kapitalmarkrechtlicher Mechanismen durch den Mehrheitsaktionär zum Nachteil der Minderheitsaktionäre kann eine gesellschaftsrechtliche Treuepflichtverletzung beinhalten.

6. Der sogenannte "Top-Down" Ansatz ist bei der Darstellung von Unternehmensgruppen im Verschmelzungsbericht zulässig. Neben den Angaben zur Gruppe sind weitere Angaben zu verbundenen Unternehmen der nachgeordneten Konzerngruppe - unabhängig von dem Wert in Relation zum Wert des Mutterunternehmens - erforderlich, soweit sie für die Verschmelzung von wesentlicher Bedeutung sind.

7. Im Freigabeverfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG ist die Rechtsbeschwerde statthaft.


Gründe:

A.

1983 führte die Q, Rechtsvorgängerin der X AG (nachfolgend X1), den Informations- und E-Commerce Dienst Bildschirmtext (Btx) am Markt ein. Dieser 1992 weiterentwickelte Online-Dienst wurde an die wachsende Zahl der PC-Nutzer vermarktet und 1995 der Internetzugang "Y" eingeführt. Ende 1995 gründete die X1 die Z GmbH und mit dieser zusammen die Z GmbH & Co. KG, auf die sie alle Vermögenswerte einschließlich Kundenstamm und Know-How übertrug und den Sitz nach ... verlegte. Ende 1997 wurden durch Austritt der X1 aus der Kommanditgesellschaft sämtliche Aktiva und Passiva der KG durch Anwachsung auf die GmbH übertragen und diese in X2 GmbH umfirmiert. Zwischen ihr und ihrer Alleingesellschafterin X1 bestand bis Ende 1999 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, als sie in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und in Y1 AG umfirmiert wurde. Das auf 1.000.000.000 € erhöhte Grundkapital hielt allein die X1, als die auf den Namen lautenden Aktien (§ 4 Abs. 2 der Satzung) am 17. April 2000 zum Börsenhandel zugelassen wurden.

Im Zuge des Börsengangs wurden 114.100.000 Aktien zu je 1 € (davon 7.800.000 an Mitarbeiter) ausgegeben und 92.200.000 und 14.100.000 zu einem im sog. Bookbuilding-Verfahren ermittelten Kurs von 27 € am Kapitalmarkt verkauft. Im Verkaufsprospekt der Antragstellerin vom 14. April 2000 wurde neben allgemeinen Risiken (Seite 15 - 21) auf solche sich aus dem Konzernverbund mit der X1 ergebende (Seite 21 - 23) hingewiesen. U.a. heißt es:

"Da die X1 über die erforderliche Stimmenmehrheit für sämtliche Beschlüsse der Hauptversammlung, wie etwa Beschlüsse über die Wahl der Aufsichtsratsmitglieder (die die Vorstandsmitglieder bestellen) und Ausschüttung von Dividenden, verfügt, wird die X1 in der Lage sein, erheblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit und Strategie von Y zu nehmen. Die Anleger selbst werden nur sehr begrenzten Einfluss (im Wesentlichen das Auskunfts-, Gegenantrags- und Rederecht) auf die Beschlüsse der Hauptversammlung haben."(Seite 21)

Der Kurs der um das 20fache überzeichneten Aktie stieg am 2. Mai 2000 auf 48 € und sank im September 2000 unter den Ausgabepreis. Heute liegt er nach einem zwischenzeitlichen Tief von 6 € bei etwa 9 €.

Die Antragstellerin und die X1, die nach wie vor mit rund 75 % der Aktien Mehrheitsaktionärin geblieben war (zur Entwicklung ihres Beteiligungsanteils im Einzelnen - Verschmelzungsbericht Seite 197), beabsichtigen die Verschmelzung beider Unternehmen unter Übertragung des Vermögens der Antragstellerin auf die X1. Diese Entscheidung wurde zusammen mit einem öffentlichen Kaufangebot der X1, Aktien der Antragstellerin zum Börsenpreis vom Vortag zu erwerben, am 9. Oktober 2004 bekannt gegeben. Auf Grund dessen konnte die X1 ihre Beteiligung auf 90,14 % ausbauen.

Am 8. März 2005 wurde der Verschmelzungsvertrag notariell beurkundet, in dem als Gegenleistung für die Übertragung des Vermögens vorgesehen ist, dass die Aktionäre für 25 Stückaktien der Antragstellerin 13 Stückaktien der X1 erhalten sollen. Die durch Beschluss des Landgerichts Frankfurt am Main vom 15. November 2004 ausgewählte und bestellte Verschmelzungsprüferin, die A... GmbH ..., ..., hat in ihrem Prüfungsbericht vom 9. März 2005 erklärt, dass das auf der Basis der Ertragswerte beider Unternehmen errechnete Umtauschverhältnis angemessen sei.

Die Antragstellerin hat mit Bekanntmachung im Bundesanzeiger vom 15. März 2005 zu einer Hauptversammlung am 28. und gegebenenfalls 29. April 2005 in O1 geladen. Mit Bekanntmachung im Bundesanzeiger vom 17. März 2005 hat die Antragstellerin die Einladung vom 15. März 2005 berichtigt. Am 28. April (10.02 Uhr bis 21.37 Uhr) und 29. April (10.00 Uhr bis 22.12 Uhr) 2005 fand die Hauptversammlung der Antragstellerin statt, auf der die X1 mit 1.103.255.613 der anwesenden 1.113.746.265 Stimmen vertreten war. Als Abstimmungsergebnis zu Tagesordnungspunkt 9 (Beschlussfassung über die Zustimmung zum Verschmelzungsvertrag mit der X1) wurde niedergelegt, dass eine Mehrheit von 99,46 % der abgegebenen Stimmen dem Vorschlag des Vorstands und Aufsichtsrats der Antragstellerin zugestimmt hat.

Die Antragsgegner sind Aktionäre der Antragstellerin. Sie waren auf der Hauptversammlung vertreten, stimmten gegen den Verschmelzungsvertrag und erklärten jeweils ihren Widerspruch zur Niederschrift. Sie haben bis 30. Mai 2005 beim Landgericht Darmstadt gegen den Verschmelzungsbeschluss Anfechtungs- (hilfsweise Nichtigkeits-) klagen eingereicht. Eine mündliche Verhandlung hat in den unter dem Aktenzeichen 12 0 301/05 verbundenen Rechtsstreiten bislang nicht stattgefunden.

Die Antragstellerin hat mit am 12. August 2005 beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz das Freigabeverfahren zur Überwindung der Registersperre eingeleitet. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Anfechtungsklagen unzulässig bzw. offensichtlich unbegründet seien. Der Beschluss sei wirksam zustande gekommen. Auch bei Vornahme einer Interessenabwägung sei dem Antrag gem. § 16 Abs. 3 Satz 2 Fall 3 UmwG stattzugeben.

Die Antragstellerin hat beantragt,

festzustellen, dass die von den Antragsgegnern vor dem Landgericht Darmstadt erhobenen und unter den Aktenzeichen 12 0 301/05, 12 0 302/05, 12 0 311/05, 12 0 312/05, 12 0 321/05, 12 0 322/05, 12 0 323/05, 12 0 331/05, 12 0 332/05, 12 0 341/05, 12 0 342/05, 12 0 343/05, 12 0 352/05, 12 0 361/05, 12 0 362/05, 12 0 363/05, 12 0 371/05, 12 0 372/05, 12 0 381/05, 12 0 382/05, 12 0 383/05, 12 0 391/05, 12 0 392/05 und 12 0 412/05 geführten Klagen gegen die Wirksamkeit des Beschlusses der Hauptversammlung der Antragstellerin vom 28. April und 29. April 2005 zu Tagesordnungspunkt 9, mit dem die Hauptversammlung die Zustimmung zum Verschmelzungsvertrag vom 8. März 2005 zwischen der Antragstellerin und der X AG beschlossen hat, der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des Sitzes der Antragstellerin sowie der Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister des Sitzes der X AG nicht entgegenstehen.

Die Antragsgegner und die ihnen beigetretenen Streithelfer haben beantragt, den Antrag zurückzuweisen.

Die Antragsgegner und ihre Streithelfer halten den Verschmelzungsbeschluss für anfechtbar, so dass er auf ihre Anfechtungsklagen hin für nichtig erklärt werden müsse.

Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und die in erster Instanz zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Durch am 29. November 2005 verkündeten Beschluss hat die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, der gemäß § 16 Abs. 3 UmwG zulässige Antrag habe keinen Erfolg, da die Klagen der Antragsgegner nicht offensichtlich unbegründet seien. Eine Benachteiligung durch die Wahl des Verschmelzungszeitpunkts sei nicht ganz fern liegend. Zweifelhaft könne erscheinen, ob der Verschmelzungsbericht ausreichende Angaben zu den verbundenen Unternehmen enthalte. Zweifelhaft könne auch sein, welche der als unrichtig, unvollständig oder unzureichend in der Hauptversammlung beantworteten Fragen als bewertungsbezogen zu qualifizieren seien. Ein die Aufhebung der Registersperre rechtfertigendes Vollzugsinteresse ergebe die Abwägung nicht. Wegen der Einzelheiten wird ergänzend auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.

Gegen den ihr am 29. November 2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 9. Dezember sofortige Beschwerde eingelegt und begründet. Sie hält den angefochtenen Beschluss für unzutreffend, da die Klagen sämtlicher Antragsgegner offensichtlich unbegründet seien. Das Landgericht habe bei seiner Abwägung rechtsfehlerhaft nicht das Interesse der an der Verschmelzung beteiligten Unternehmen und Anteilsinhaber am Wirksamwerden der Verschmelzung einbezogen.

Die Antragstellerin beantragt,

unter Abänderung des landgerichtlichen Beschlusses ihrem erstinstanzlichen Antrag gemäß zu erkennen.

Die Antragsgegner und ihre Streithelfer beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen den angefochtenen Beschluss.

Zu den Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen. Die Akten der zu 12 O 301/05 verbundenen Anfechtungsklagen lagen vor.

B.

Die nach § 16 Abs. 3 Satz 5 UmwG statthafte sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat Erfolg.

Die von den Antragsgegnern erhobenen Anfechtungsklagen stehen der Eintragung des Verschmelzungsbeschlusses in die Handelsregister des Sitzes der Antragstellerin und der X1 nicht entgegen (§ 16 Abs. 3 Satz 1 UmwG). Die zulässigen Anfechtungsklagen einzelner Antragsgegner sind offensichtlich unbegründet (I.), gegenüber den zulässigen und nicht offensichtlich unbegründeten Anfechtungsklagen der übrigen Antragsgegner ist der Senat nach Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass das alsbaldige Wirksamwerden der Verschmelzung für die Antragstellerin und die X1 sowie deren Aktionäre vorrangig erscheint (II.).

Das Beschwerdegericht entscheidet hier wegen Eilbedürftigkeit selbst in der Sache. Der vorherigen Herbeiführung einer Abhilfeentscheidung des Landgerichts, wie sie § 572 Abs. 1 ZPO für die Fälle der sofortigen Beschwerde vorsieht und von verschiedenen Antragsgegnern beantragt wurde, bedurfte es nicht (OLG Frankfurt, OLGR 2002, 250, 251; Zöller/Gummer, ZPO, 25. Auflage, RN 3 m.w.N.). Die Durchführung des Abhilfeverfahrens ist weder für das Beschwerdeverfahren noch für die Beschwerdeentscheidung selbst eine Verfahrensvoraussetzung, zumal die Beschwerde - wie es hier der Fall war - unmittelbar beim Beschwerdegericht eingelegt werden kann. Die Antragsgegner können hierdurch nicht beschwert sein, weil sie eine Abänderung der sie begünstigenden Entscheidung durch das Landgericht im Wege der Abhilfe ausweislich ihrer Anträge gerade nicht wollen.

Der Senat entscheidet ohne mündliche Verhandlung. Das Beschwerdeverfahren ist entscheidungsreif. Der Streitfall ist in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausgeschrieben. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine mündliche Verhandlung vor dem Senat zu einer weiteren Klärung sollte führen können, nachdem das Landgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt hat. Die Verfahrensvorschriften der Zivilprozessordnung über die Beschwerde sind im Verfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG (sog. Unbedenklichkeits- oder Freigabeverfahren) anzuwenden (OLG Hamm, AG 2005, 361 - 364, zitiert nach JURIS, dort Seite 2; OLG Frankfurt, ZIP 2003, 1654, 1655 m.w.N.). Für dieses Beschwerdeverfahren ist eine mündliche Verhandlung nicht notwendig, sondern freigestellt (§§ 572 Abs. 2, 128 Abs. 4 ZPO). Abgesehen davon wird für das durch das Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts vom 22. September 2005 (UMAG) unter Hinweis auf das "bewährte gerichtliche Freigabeverfahren aus dem Umwandlungsgesetz" in § 246a AktG eingeführte Freigabeverfahren in der Begründung zum Gesetzentwurf darauf hingewiesen, dass im Beschwerdeverfahren eine mündliche Verhandlung grundsätzlich nicht stattfinde (BT-Drucksache 15/5092, Seite 28 re. Sp.).

Eine mündliche Verhandlung war hier auch nicht ausnahmsweise aufgrund der von der Antragstellerin mit der Beschwerdeschrift überreichten neuen "Beweismittel" erforderlich. Die Antragsgegner hatten hierzu rechtliches Gehör und Gelegenheit, diese zu widerlegen.

Einwände gegen die "Statthaftigkeit" des Freigabeverfahrens allgemein oder in diesem Fall gehen fehl. Zusätzliche negative Voraussetzungen für diesen eigenständigen Rechtsbehelf (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts, Begründung zu § 16, BT-Drucksache 12/6699, Seite 89 und 90) wie die geforderten ("keine Komplexität des Falles, keine Schwere der geltend gemachten Rechtsverletzungen, kein hoher Streitwert, keine Signalwirkung") kennt das Gesetz nicht. Es fordert auch der "Justizgewährleistungsanspruch" nicht, dass im Freigabeverfahren keine irreversiblen Fakten geschaffen werden dürfen, weil es nicht geeignet sei, Rechtsfrieden zu schaffen. Genau dies ordnet § 16 Abs. 3 UmwG an, indem er unter den dort bestimmten Voraussetzungen die durch Anfechtungsklagen eingetretene Registersperre aufheben lässt. "Mit diesem Verfahren versucht der Gesetzgeber einem vor allem in der Verschmelzungspraxis der 80er Jahre bedrohlich angewachsenen Erpressungsgeschehen Einhalt zu gebieten: In zahlreichen Fällen hatten Minderheitsaktionäre gegen Verschmelzungsbeschlüsse mit dem offenkundigen Ziel geklagt, sich unter dem Drohpotential der Registersperre den "Lästigkeitswert" ihrer Klagen abkaufen zu lassen" (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage , § 13/7, Seite 392).

I.

Die Klagen 12 O 302/05, 12 O 311/05 und 12 O 391/05 (des Klägers B) sind offensichtlich unbegründet. Die Kläger dieser Verfahren sind nicht anfechtungsbefugt, weil sie ihre Aktien erst nach Bekanntmachung der Tagesordnung erworden haben (1.). Hierauf kommt es gemäß § 245 Nr. 1 und 3 AktG an, dessen heute geltende Fassung dieser Entscheidung zu Grunde zu legen ist (2.).

1. Die Antragsgegner zu 1., 3. und 32. haben nach eigenem Vorbringen in den Anfechtungsverfahren an der Hauptversammlung teilgenommen und Widerspruch gegen den Verschmelzungsbeschluss erhoben. Maßgeblich für ihre Anfechtungsbefugnis ist danach § 245 Nr. 1 AktG, der voraussetzt, dass der eine Anfechtungsklage erhebende Aktionär seine Aktien schon vor Bekanntmachung der Tagesordnung erworden hatte. An dieser Voraussetzung fehlt es hier.

Die Antragstellerin hat mit der eidesstattlichen Versicherung des C (Anlage Ast 51) glaubhaft gemacht, dass die betroffenen Antragsgegner erst in das Aktienregister eingetragen wurden, nachdem die Einladung der Antragstellerin zur Hauptversammlung am 15. März 2005 im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht worden war. Zum Antragsgegner zu 3. hatte die Antragstellerin bereits mit ihrer Klageerwiderung in den Anfechtungsverfahren vorgetragen, dass er die Aktien erst am 19. März 2005 von Dritten erworben habe (Klageerwiderung, Seite 29). Dem sind die betroffenen Antragsgegner nicht entgegengetreten und haben keinen früheren Erwerbszeitpunkt ihrer Aktien dargetan, obwohl sie hierzu auf Grund des Hinweises des Senats vom 11. Januar 2006 Gelegenheit hatten.

2. Nach Auffassung des Senats ist die am 1. November 2005 in Kraft getretene (Art. 3 UMAG) Neuregelung des § 245 AktG mangels Übergangsregelung auf das anhängige, von ihm zu entscheidende Freigabeverfahren anzuwenden, auch wenn es bereits vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung rechtshängig geworden ist, denn das Berufungs- oder Beschwerdegericht hat das im Zeitpunkt seiner Entscheidung geltende Recht anzuwenden (Zöller/Vollkommer, 25. Auflage, § 300 ZPO RN 3; BGH, NJW 2005, 1428 - 1429 zitiert nach JURIS RN 7 m.w.N.; hierzu auch OLG Hamm, NJW-Spezial 2005, 511-512; Leuering, NZG 2005, 999, 1000 m.w.N. in FN 7 und 8; Simon/Leuering, NJW-Spezial, 2005, 315, 316).

Die Anwendung der gesetzlichen Neuregelung, durch die eine weitere Voraussetzung für die Begründetheit einer aktienrechtlichen Anfechtungsklage eingeführt wurde, auf bereits erhobene, aber noch nicht rechtskräftig beschiedene Anfechtungsklagen, führt nicht zu einer verfassungsrechtlich unzulässigen echten Rückwirkung, die auf einen gegenwärtigen, noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt einwirkt. Es handelt sich vielmehr um eine unechte Rückwirkung, die verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig ist (BVerfGE 95, 64, 86; 30, 392, 402). Zwar werden durch die neue Norm die betroffenen Rechtspositionen nachträglich entwertet, dies wirkt sich jedoch nur für die Zukunft aus, weil gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen betroffen sind (BVerfGE 101, 239, 263).

Es kann offen bleiben, ob die vorbezeichneten Antragsgegner nach der seinerzeit geltenden Fassung des § 245 AktG bei Erhebung der Anfechtungsklagen anfechtungsbefugt waren, denn weder die bloße Anfechtungsbefugnis noch deren Ausübung durch Erhebung einer Anfechtungsklage konnte einen Vertrauenstatbestand im Sinne eines endgültig abgeschlossenen Sachverhalts begründen. Es handelt sich bei der aktienrechtlichen Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen nicht um ein eigenes Gestaltungsrecht der Anfechtungskläger, weil die begehrte Rechtsfolge erst mit einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung eintritt. Auf Grund ihrer Anfechtungsklage erwächst den Antragsgegnern eine abschließende Rechtsposition erst mit Rechtskraft der auf ihren Anfechtungsantrag ergehenden Entscheidung. Gesetzliche Änderungen bis zu diesem Zeitpunkt entfalten deswegen nur eine unechte Rückwirkung (vgl. zum vergleichbaren Fall der Vaterschaftsanfechtung BGH, NJW 2005 a.a.O., RN 14).

Aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip folgt nichts anderes. Denn diese vom Gesetzgeber angeordnete unechte Rückwirkung ist zur Erreichung des Gesetzeszweckes geeignet und erforderlich, und die Bestandsinteressen der Betroffenen überwiegen die Veränderungsgründe des Gesetzgebers nicht (BVerfGE 101, 239, 263). Das Vertrauen auf den Fortbestand einer gesetzlichen Vorschrift ist regelmäßig nicht geschützt. Die bisherige Regelung zur Anfechtungsbefugnis - Zulässigkeit auch in Fällen des Erwerbs der Aktien nach Bekanntmachung der Tagesordnung einer Hauptversammlung - lief dem gesetzgeberischen Ziel zuwider, zum einen das für die Aktionäre wichtige Schutzinstrument der Anfechtungsklage zu bewahren, aber zugleich eine missbräuchliche Ausnutzung des Anfechtungsrecht zu unterbinden und Schaden von den betreffenden Gesellschaften abzuwenden. Deshalb knüpft § 245 Nr. 1 und 3 AktG in der neuen Fassung an die Bekanntmachung der Tagesordnung an. Wer nach deren Bekanntmachung Aktien kauft, weiß, welche Beschlüsse zu erwarten sind und ist weniger schutzbedürftig. Das bisherige Gesetz konnte dagegen zu Fehlanreizen führen, da es die Möglichkeit eröffnet hatte, nach Bekanntmachung der Tagesordnung gezielt Aktien zu kaufen, um damit Anfechtungsklagen zu betreiben (BT-Drucksache 15/5092, Seite 26 f.).

Im Übrigen ist das Vertrauen der betroffenen Antragsgegner auf eine ihnen auf Grund kurzfristig erworbener Aktien verbleibende Anfechtungsbefugnis auch deshalb begrenzt, weil die Gesetzesänderung seit dem Jahre 2001 in der Diskussion ist. Der am 16. Juni 2005 verabschiedete Text des UMAG folgt dem Regierungsentwurf vom 14. März 2005, der auf Empfehlungen des Abschlussberichts der Regierungskommission Corporate Governance vom Juli 2001 (BT-Drucksache 14/7517 vom 14. August 2001) beruht.

Die Antragsgegner zu 5., zu 14., zu 15., zu 20. und zu 29. haben nach dem Hinweis des Senats den Aktienerwerb vor Bekanntmachung der Tagesordnung dargelegt und glaubhaft gemacht. Dem ist die Antragstellerin nicht entgegen getreten.

II.

Gegenüber den übrigen Anfechtungsklagen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das alsbaldige Wirksamwerden der Verschmelzung für die Antragstellerin und die X1 sowie deren Aktionäre vorrangig erscheint (§ 16 Abs. 3 Satz 2 UmwG). Hierzu hat der Senat die Schwere der nicht offensichtlich unbegründeten Rügen (2.) gegenüber den aus der Verzögerung entstehenden Nachteilen (3.) abgewogen (4.).

1. Folgende in den Anfechtungsklagen gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses vorgebrachte Rügen (1.1. Nichtigkeitsgründe, 1.2. Verfahrensfehler, 1.3. Inhaltsmängel) sind unberücksichtigt gelassen, weil sie offensichtlich unbegründet sind.

Nicht vorhandene Rechtsverletzungen nämlich sind von vorneherein auszuscheiden, weil sie ebenso wie im Ganzen offensichtlich unbegründete Klagen nicht ins Gewicht fallen können (vgl. OLG Düsseldorf, ZIP 1999, 793 - zitiert nach JURIS RN 14; Lutter/Bork, § 16 RN 20; Kallmeyer/Marsch-Barner, § 16 RN 44).

Der Senat folgt der Definition des Merkmals der "offensichtlichen Unbegründetheit" in der Erläuterung der Regierungsbegründung zum UMAG (BT-Drucksache 15/5092, Seite 29):

"Für die Freigabekriterien gilt bei allen Freigabeverfahren folgendes: Bei der Auslegung des Kriteriums "offensichtlich unbegründet" kommt es nicht darauf an, welcher Prüfungsaufwand erforderlich ist, um die Unbegründetheit der Anfechtungsklage festzustellen. Maßgeblich ist das Maß an Sicherheit, mit der sich die Unbegründetheit der Anfechtungsklage unter den Bedingungen des Eilverfahrens prognostizieren lässt. Offensichtlich unbegründet ist eine Anfechtungsklage dann, wenn sich mit hoher Sicherheit die Unbegründetheit der Klage vorhersagen lässt, der für diese Prognose erforderliche Prüfungsaufwand des Prozessgerichts ist nicht entscheidend."

Dieses Verständnis wird von der überwiegenden Auffassung in der neueren Rechtsprechung und Literatur geteilt. Weil für kursorische Rechtsprüfungen auch im summarischen Verfahren kein Raum ist, muss das Ergebnis der Prüfung so eindeutig sein, dass eine andere Beurteilung nicht oder kaum vertretbar erscheint (OLG Hamm, a.a.O., Seite 3; OLG Stuttgart, DB 2003, 33-36, zitiert nach JURIS, dort RN 36; OLG Stuttgart, ZIP 2003, 2363; OLG Hamburg AG 2003, 696; OLG Hamburg, ZIP 2003, 1344; OLG Köln, ZIP 2004, 760; OLG Düsseldorf ZIP 2004, 359; Kallmeyer/Marsch-Barner, a.a.O., § 16 RN 41, dort m.w.N. in FN 2; Hüffer, a.a.O. § 319 RN 18; a.A. Lutter/Bork, a.a.O., § 16 RN 19 a, dort in FN 1 m.w.N.).

Für die folgenden Positionen ist das Prüfungsergebnis in diesem Sinne eindeutig:

1.1. Nichtigkeitsgründe nach § 241 AktG

Der Verschmelzungsbeschluss ist nicht nichtig.

1.1.1. Die sich auf die Verschmelzung beziehenden Vorschriften des Umwandlungsgesetzes sind verfassungsgemäß und die Anerkennung auf ihnen beruhender Rechtsakte begründet keinen Grundrechtsverstoß. Das Bundesverfassungsgericht hat Einschränkungen der aus der mitgliedschaftlichen Stellung des Aktionärs erwachsenden Leitungsbefugnisse durch gesellschaftsformändernde Konzernbildungsmaßnahmen seit jeher für verfassungsrechtlich zulässig erachtet, sofern der Gesetzgeber die Interessen der gegen ihren Willen zum Ausscheiden gezwungenen oder eingegliederten Minderheitsaktionäre wahrt (BVerfGE 14, 263 - Feldmühle; bestätigt durch BVerfGE 100, 289 - DAT/Atlanta). Der Gesetzgeber hat im Aktienrecht und Umwandlungsrecht Rechtsbehelfe gegen Missbrauch wirtschaftlicher Macht geschaffen und Entschädigungsregelungen für den Verlust von Rechtspositionen vorgesehen. Das hat das Landgericht mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, ausgeführt.

1.1.2. Die Hauptversammlung ist nicht unter Verstoß gegen § 121 Abs. 2, 3, oder 4 AktG einberufen worden (§ 241 Nr. 1 AktG). Der Vorstand hat die Einberufung ausgesprochen und sie ist mit Angabe von Zeit, Ort, Teilnahme- und Stimmrechtsbedingungen in dem elektronischen Bundesanzeiger (§ 25 Abs. 1 AktG, § 3 der Satzung) bekannt gemacht worden.

1.1.3. Die Beurkundungsvorschriften des § 130 Abs. 1, 2, 4 AktG sind eingehalten (§ 241 Nr. 2 AktG).

Der Verschmelzungsbeschluss ist in einer Niederschrift beurkundet, die notariell aufgenommen ist. Die ... Notarin hatte - obwohl es nach §§ 11 Abs. 3 BNotO, 2 BeurkG unerheblich ist - für ihr Tätigwerden in O1 die Ausnahmegenehmigung des Präsidenten des Oberlandesgerichts Köln (XVI D 48 - 7) gemäß § 11 Abs. 2 BNotO. Das Abstimmungsergebnis darf - wie geschehen - in einer in Bezug genommenen Anlage festgehalten werden (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BeurkG). Dies hat das Landgericht zutreffend entschieden, der Senat nimmt hierauf Bezug.

Die Niederschrift (Seite 42 in Verbindung mit Anlage 21) enthält die Feststellung des - rechtmäßigen - Vorsitzenden der Hauptversammlung über die Beschlussfassung. Den Vorsitz in der Hauptversammlung (Versammlungsleitung) führte satzungsgemäß (§ 16 Abs. 1) der Vorsitzende des Aufsichtsrats D. Auch der in der Satzung und nicht von der Hauptversammlung bestimmte Versammlungsleiter kann wegen grober Verletzung seiner Pflichten bei der Versammlungsleitung durch die Hauptversammlung abberufen werden (Fischer in Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Auflage 2004, § 11 RN 22). D ist jedoch nicht von der Hauptversammlung abberufen worden, ein Antrag auf seine Abwahl erreichte nur 0,17 % der Stimmen (Seite 17 der Niederschrift).

Ob über diesen Antrag fehlerhaft abgestimmt worden ist, weil die Stimmen der Hauptaktionärin, deren Vorstandsvorsitzender D zugleich ist, nicht hätten mitgezählt werden dürfen, kann dahinstehen. Zwar wären trotz Stimmverbots abgegebene Stimmen nach § 134 BGB nichtig. Der aus diesem Grunde falsch festgestellte Hauptversammlungsbeschluss wäre jedoch nicht seinerseits nichtig, sondern lediglich anfechtbar (Hüffer, Aktiengesetz, 6. Auflage, § 136 RN 24; Fischer a.a.O. § 13 RN 111). Anfechtbare Beschlüsse, die nicht angefochten wurden, sind wirksam. Dass gegen den die Abwahl des Versammlungsleiters ablehnenden Hauptversammlungsbeschluss - fristgemäß - Anfechtungsklage erhoben worden sei, trägt keine Partei vor. Aus dem selben Grund kann dahinstehen, ob der - nicht notwendig gewesene - Beschlussvorschlag der Verwaltung einem rechtmäßig zustande gekommenen Aufsichtsratsbeschluss entsprach.

Im Übrigen hat das Landgericht zutreffend entschieden, dass kein Fall des Stimmverbots nach § 136 AktG vorliegt und eine erweiternde Auslegung dieser Vorschrift ausscheidet. Hierauf nimmt der Senat Bezug.

1.1.4. Der auf Verschmelzung durch Übertragung gerichtete Verschmelzungsbeschluss ist, weil ausdrücklich vom Gesetz vorgesehen (§§ 2 Nr. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2, 13 Abs. 1 UmwG), mit dem Wesen einer Aktiengesellschaft vereinbar und verletzt durch seinen Inhalt weder Gläubigerschutzvorschriften noch sonstige öffentliche Interessen (§ 241 Nr. 3 AktG).

1.1.5. Der Verschmelzungsbeschluss verstößt nicht durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten (§ 241 Nr. 4 AktG). Er ist lediglich darauf gerichtet, dem Verschmelzungsvertrag zuzustimmen, was sittlich indifferent ist. Auch der Verschmelzungsvertrag selbst verstößt nicht gegen das "Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden" (RGZ 48, 114, 124; BGHZ 10, 228, 232), also im öffentlichen Interesse bestehende, jedoch nicht als Rechtsnormen geltende Schutzregeln (K. Schmidt in Großkommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage, § 241 RN 66). Soweit Aktionäre Eingriffe in ihre Positionen geltend machen, sind sie auf ihr Anfechtungsrecht verwiesen (K. Schmidt a.a.O.), was im Folgenden geprüft werden wird.

1.2. Verfahrensfehler nach § 243 Abs. 1 AktG

1.2.1. Der Verschmelzungsbeschluss verstößt nicht gegen § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG, weil mit der Tagesordnung die Anlagen 6 und 7 bekannt gemacht worden sind, in denen sich jeweils in § 6 Nr. 3 eine fehlerhafte bzw. unsinnige Formel befand und in Anlage 7 § 5 kein 4. Absatz enthalten war.

Zu Recht hat das Landgericht einen solchen Verstoß verneint, weil die Formel für die Entscheidungsfindung der Aktionäre über den Verschmelzungsvertrag nicht von wesentlicher Bedeutung war; hierauf wird Bezug genommen.

§ 124 Abs. 2 Satz 2 AktG verlangt lediglich, bei der Einberufung der Hauptversammlung mit der Tagesordnung den wesentlichen Inhalt des Vertrages, dem die Hauptversammlung ihre Zustimmung geben soll, bekannt zu machen (vgl. BGH NJW 1992, 2760, 2763). Die beanstandete Formel in den Anlagen 6 und 7 zur Ermittlung des relativen Erfolgsziels als Voraussetzung zur Ausübung von Aktienoptionsrechten gehört nicht zum wesentlichen Inhalt des Verschmelzungsvertrages. Zum Einen dienen die Anlagen 6 und 7 nur dazu, in Ausführung des § 23 UmwG eine bereits bestehende Regelung unverändert auf die nach der Verschmelzung wirksam werdenden Verhältnisse zu übertragen, zum Anderen ist diese Formel nach § 4 Abs. 2 d. des Vertrages in Verbindung mit § 17 Abs. 2 der Optionsbedingungen (Verzicht auf die Erfüllung der Erfolgsziele) völlig ohne Bedeutung.

Redaktionelle Versehen wie ein Nummerierungsfehler der Absätze, sei es im Ursprungsexemplar und/oder im Bekanntmachungstext der genannten Anlage 6, liefern keinen Anfechtungsgrund, sondern können - entsprechend § 319 ZPO - jederzeit berichtigt werden.

1.2.2. Die jedem Aktionär schriftlich vorliegende Tagesordnung musste nicht zu Beginn der Hauptversammlung als Ganzes verlesen werden. Für ein solches Erfordernis findet sich weder im Gesetz noch in der Satzung eine Grundlage. Es war ausreichend, dass der Vorsitzende jeden Tagesordnungspunkt aufrief. Im Übrigen trifft die Argumentation des Landgerichts zu.

1.2.3. Der Verschmelzungsbeschluss ist nicht wegen Verletzung der §§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG, 64 Abs. 2 UmwG durch Nicht- oder Falschbeantwortung folgender Fragen in der Hauptversammlung anfechtbar.

Zu Recht hat das Landgericht ausgesprochen, dass die Anfechtungsklagen nach dem nunmehr geltenden § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG (zur Anwendbarkeit des neuen Rechts vgl. oben I.2.) in Verbindung mit § 15 UmwG nicht auf in der Hauptversammlung erteilte unrichtige, unvollständige oder unzureichende Informationen über das Umtauschverhältnis der Aktien und der sie bestimmenden Faktoren gestützt werden können. Man mag das als rückwirkende Änderung der "Spielregeln" empfinden. Der Gesetzgeber hat jedoch in Aufnahme der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht das Auskunftsrecht des Aktionärs als solches eingeschränkt, sondern lediglich die prozessuale Behandlung der Folgen diesbezüglicher Verletzungen in das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren verwiesen. Soweit ihm zusätzliche Auskünfte zu Bewertungsfragen unrichtig, unvollständig oder unzureichend erteilt wurden, kann er diesen Umstand ergänzend in seiner Antragsbegründung nach § 4 Abs. 2 SpruchG anführen (Begründung des UMAG-Entwurfs zu Nr. 20, BT-Drucksache 15/5092 Seite 26 re. Sp.). Missbräuchliche Auskunftsverweigerung kann weiterhin im Verfahren nach § 132 AktG verfolgt werden, um genauere Grundlagen für Einwendungen im Spruchverfahren zu gewinnen.

Dieser Ausschluss des Anfechtungsrechts nach § 243 Abs. 4 Satz 2 AktG betrifft alle auf bewertungsrelevante Umstände bezogenen Fragen. Es handelt sich hierbei um die weitgehend identischen Fragestellungen aus den Anfechtungsklagen 12 O 343/05, 12 O 371/05, 12 O 391/05 und 12 O 392/05, die auf Finanzkennzahlen der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger und ihrer Tochtergesellschaften zielen. Ob und in welchem Umfang sie unbeantwortet oder nur "haarscharf vorbei" beantwortet sind, kann deshalb dahinstehen.

Das in der Klage 12 O 312/05 als unbeantwortet gerügte Auskunftsverlangen nach § 131 Abs. 4 AktG ist dadurch hinreichend beantwortet worden, dass der Vorstand der Antragstellerin mitteilte, bei Gesprächen im Vorfeld der Hauptversammlung habe er keine Fragen beantwortet, sondern jenen Aktionärsvertretern mitgeteilt, er werde dies auf der Hauptversammlung tun. Damit ist das auf Informationsgleichstand gerichtete Begehren erfüllt.

Die in der Klage 12 O 323/05 (ebenso in 12 O 312/05) als unbeantwortet gerügte Frage nach den Auswirkungen der erwarteten Wachstumssynergien auf das ausschüttungsfähige Ergebnis der X1 (c./Seite 15) brauchte nicht beantwortet zu werden, weil sie ein zukünftiges Ereignis zum Gegenstand hatte, das von unbekannten Faktoren abhängt. Die Frage (e./Seite 15) wurde erst nach dem rechtmäßigen (siehe unten 1.2.4.) Schluss der Debatte gestellt.

Die in der Klage 12 O 381/05 als unbeantwortet gerügte Frage nach dem wesentlichen Inhalt der Darlehensverträge ist unstreitig beantwortet worden. Die gegebene Antwort genügte den Anforderungen des § 131 Abs. 2 AktG. Die Anforderungen an die Genauigkeit der Antwort hängen von der Genauigkeit der Frage ab. Allgemein gehaltene Fragen können allgemein beantwortet werden. Wenn ein Aktionär mit der Antwort nicht zufrieden ist, muss er nachfragen (Hüffer, § 131 RN 21).

1.2.4. Der Verschmelzungsbeschluss verstößt nicht gegen §§ 118 Abs. 1, 131 Abs. 1 Satz 1 AktG, 64 Abs. 2 UmwG wegen unzulässiger Beschränkung des Frage- und Rederechts in der Hauptversammlung. Durch die Maßnahmen des Versammlungsleiters in der fast 24stündigen Hauptversammlung sind keine Rechte der klagenden Aktionäre verletzt worden.

Die technische Abwicklung der Hauptversammlung ist ausschließlich Angelegenheit des Versammlungsleiters (Henn, Handbuch des Aktienrechts, 7. Auflage RN 818). Er übt - und zwar ohne Kontrolle durch die Hauptversammlung - die üblicherweise Hausrecht genannte Ordnungsgewalt nach den Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit aus (Henn, a.a.O. RN 811; Semler/Volhard, Arbeitshandbuch für die Hauptversammlung, 2. Auflage, § 11 RN 71). Der Leiter einer Hauptversammlung hat alle Rechte, die er braucht, um einen ordnungsmäßigen Ablauf der Hauptversammlung herbeizuführen. Typische Bestandteile der Ordnungsgewalt sind die Beschränkung der Redezeit, die Entziehung des Wortes, der Verweis aus dem Saal und die Anordnung des Schlusses der Debatte (BGHZ 44, 245, 248; Henn a.a.O.). Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG NJW 2000, 349).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze zeigen die Antragsgegner in ihren Anfechtungsklagen keine Rechtsverstöße auf:

Die Redezeitbegrenzung gegen 13.15 Uhr des zweiten Hauptversammlungstages auf 10 Minuten war verhältnismäßig. Der Versammlungsleiter war verpflichtet, für die Erledigung aller ausstehenden Tagesordnungspunkte zu sorgen und dabei mögliche weitere Verzögerungen einzukalkulieren.

Ebenfalls verhältnismäßig im Sinne einer gleichmäßigen Verteilung der knappen verbleibenden Zeit und damit notwendig war die Redezeitbegrenzung gegen 14.30 Uhr des zweiten Hauptversammlungstages auf 5 Minuten.

Dasselbe gilt für die Schließung der Rednerliste um 14.30 Uhr. Sie war 30 Minuten zuvor angekündigt worden, so dass jeder anwesende Aktionär ausreichend Zeit hatte, sich zu überlegen, ob er noch einen Redebeitrag leisten und sich vorsorglich auf die Rednerliste setzen lassen wollte.

Die Anordnung des Schlusses der Debatte um 17.35 Uhr war rechtmäßig. Dies folgt schon daraus, dass alle auf der Rednerliste eingetragenen Aktionäre ihre Beiträge geleistet hatten. Deshalb kann keine Rede davon sein, dass ein Teil der Aktionäre daran gehindert wurde, zu Wort zu kommen.

Die Rechtmäßigkeit des Saalverweises des Aktionärs E ist für die Frage der Rechtmäßigkeit des Zustandekommens des Verschmelzungsbeschlusses ohne Bedeutung, weil nur er sich auf eine Verletzung seiner Teilnahmerechte berufen kann. Er hat mit seiner Klage (12 O 351/05) den Verschmelzungsbeschluss jedoch nicht angefochten und ist aus diesem Grund auch nicht am Freigabeverfahren beteiligt.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass an den Versammlungsleiter einer Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft hinsichtlich seiner "Befangenheit" nicht die von den Prozessordnungen für Richter und Sachverständige geforderte strenge Unparteilichkeit gilt, denn er trifft keine Sachentscheidungen. Dass der von der Satzung als Versammlungsleiter bestimmte Vorsitzende des Aufsichtsrats vom Mehrheitsaktionär ausgesucht wird, ist Folge des Mehrheitsprinzips.

1.2.5. Der Verschmelzungsbeschluss ist nicht in Folge der Art der Behandlung der Sonderprüfungsanträge rechtsfehlerhaft.

1.2.5.1. Der Sonderprüfungsantrag der Aktionärin F GmbH ist zu Recht nicht zur Abstimmung gestellt worden. Er enthielt mit dem Auftrag an den Sonderprüfer zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen einen unzulässigen Inhalt. Die Rüge, der Versammlungsleiter habe keinen rechtlichen Hinweis darauf gegeben, dass der im Antrag enthaltene Zusatz unzulässig sei, geht fehl. Das Gegenteil ergibt sich aus der notariellen Niederschrift (Seite 39 - 41).

1.2.5.2. Der Sonderprüfungsantrag des Aktionärs G ist zur Abstimmung gestellt und mit Mehrheit abgelehnt worden. Da dieser ablehnende Beschluss nicht angefochten wurde, ist er bestandskräftig. Auf sein möglicherweise fehlerhaftes Zustandekommen kann deshalb ein Angriff auf den Verschmelzungsbeschluss nicht gestützt werden.

1.2.5.3. Der Sonderprüfungsantrag des Aktionärs H ist zur Abstimmung gestellt und mit Mehrheit abgelehnt worden. Dieser Beschluss ist mit der Klage 12 O 362/05 angefochten worden.

Die Rüge, die Hauptaktionärin hätte bei der Abstimmung sich nicht beteiligen dürfen, weil sie einem Abstimmungsverbot unterlag, geht jedoch fehl. Ein Fall des Stimmrechtsverbots nach § 136 AktG lag nicht vor. Sicherlich wird eine erweiternde Auslegung des Stimmrechtsverbots für den Fall in Betracht zu ziehen sein, dass der Mehrheitsaktionär die Rechte der Minderheitsaktionäre auf Sonderprüfung nach § 142 AktG vollends vereiteln kann. Dies ist hier jedoch nicht der Fall gewesen. Für den Sonderprüfungsantrag sind 1.892.417 Stimmen abgegeben worden, so dass der gesetzlich vorgesehene Weg (§ 142 Abs. 2 AktG), trotz Mehrheitsablehnung mit einem anteiligen Grundkapital von 1.000.000 € eine Sonderprüfung über das Gericht einzuleiten, möglich gewesen ist.

1.2.6. Die Rüge falscher Zahlen auf Stimmblöcken hat das Landgericht zutreffend zurückgewiesen, hierauf nimmt der Senat Bezug.

1.2.7. Mögliche technische Defekte bei der Beschallung der Nasszellen des Ortes der Hauptversammlung berühren die Rechtmäßigkeit des Verschmelzungsbeschlusses nicht.

1.2.8. Der Verschmelzungsbeschluss verstößt nicht wegen fehlerhafter Bestellung der Verschmelzungsprüfer gegen das Gesetz. Die Prüferbestellung erfolgte im Verfahren 3-05 O 282/04 durch Beschluss der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main. Dieser ist rechtskräftig und deshalb zu Grunde zu legen.

1.2.9. Ebensowenig berührt die durch die Verschmelzungsprüfer vorgenommene Parallelprüfung die Rechtmäßigkeit des Verschmelzungsbeschlusses.

Eine solche Parallelprüfung ist zulässig. Durch die Verweisung in § 11 Abs. 1 UmwG u. a. auf § 320 Abs. 2 Satz 2 HGB sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass der gerichtlich bestellte Prüfer bereits vor Abschluss der Arbeiten an dem Prüfungsgegenstand das Recht hat, Prüfungshandlungen vorzunehmen.

Das vermutete kollusive Zusammenwirken der Bewerter und Prüfer zu Lasten der Minderheitsaktionäre lässt sich allein auf den möglicherweise engeren Kontakt bei einer Parallelprüfung nicht stützen. Die Richtigkeit der Prüfung hängt nicht von deren Zeitpunkt ab, sondern von der Kompetenz und Unabhängigkeit der Prüfer (OLG Stuttgart, NZG 2004, 146, 148). Dass es bei einer parallelen Prüfung zu Besprechungen zwischen dem Prüfer und dem Bewertungsgutachter kommen kann, steht der Unabhängigkeit des Prüfers und damit der Verwendbarkeit seines Berichts ebenfalls nicht entgegen (OLG Stuttgart, a.a.O.; OLG Düsseldorf, NZG 2004, 328, 333; OLG Hamm, OLGR 2005, 418, 419)

1.3. Inhaltsmängel nach § 243 Abs. 1 AktG

1.3.1. Der Verschmelzungsbeschluss unterliegt als unternehmerische Grundentscheidung (Kallmeyer/Marsch-Barner, a.a.O. § 8 RN 8) keiner Inhaltskontrolle auf seine sachliche Rechtfertigung hin.

Das Landgericht hat deshalb diese Überprüfung zutreffend abgelehnt. Das entspricht der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung (Kallmayer/Marsch-Barner, a.a.O., § 13 RN 12 m. w. N.; Lutter/Drygalla, UmwG, 3. Auflage, § 13 RN 32 ff. m.w.N.; Hüffer, AktG, 6. Auflage, § 243 RN 27), der sich der Senat anschließt. Die Vorstellung, ein Verschmelzungsbeschluss könne daraufhin überprüft werden, ob überhaupt, mit wem und in welchem Umfang und zu welchen Bedingungen eine Verschmelzung durchgeführt werden soll, ist unzutreffend (Lutter/Drygala, a.a.O. RN 37).

Auch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Aktionäre untereinander, die eine unverhältnismäßige Benachteiligung der schwächeren Partei vermeiden soll, gebietet keine generelle materielle Kontrolle von Verschmelzungsbeschlüssen auf Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit. Der Gesetzgeber hat den Ausgleich typischer Konfliktsituationen in den Verschmelzungsvorschriften im Umwandlungsgesetz abstrakt vorweggenommen und unter Abwägung der Interessen der Minderheitsaktionäre gegenüber den Interessen der Mehrheitsaktionäre differenzierte Maßnahmen zum Minderheitenschutz (Mehrheitserfordernis, Verschmelzungsbericht, Verschmelzungsprüfung durch gerichtlich bestellte Prüfer unter Strafdrohung, Spruchverfahren für Angemessenheit des Umtauschverhältnisses) vorgesehen. Durch eine zusätzliche Inhaltskontrolle würde die Möglichkeit der Gesellschafter, der Gesellschaft das investierte Vermögen wieder zu entziehen, unzulässigerweise gebunden werden (vgl. BGH - II ZR 75/87 - ... - BGHZ 103, 184 ff, wonach Beschlüsse über die Auflösung von Kapitalgesellschaften keiner Inhaltskontrolle unterliegen).

1.3.2. Zutreffend hat das Landgericht auch diejenigen Rügen als offensichtlich unbegründet abgelehnt, die geltend machen, die X1 als Hauptaktionärin erstrebe mit der Verschmelzung einen unzulässigen Sondervorteil im Sinne des § 243 Abs. 2 AktG. Hierauf nimmt der Senat Bezug.

In der gerügten "Verschaffung des Emissionserlöses" bzw. der "Befreiung von Darlehensrückzahlungspflichten" liegt kein Sondervorteil. Diese Folgen ergeben sich unmittelbar aus dem gesetzlich angeordneten Vermögensübergang (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG) und fließen dadurch jedem Gesellschafter entsprechend seiner Beteiligung an dem übernehmenden Rechtsträger zu (OLG Düsseldorf, ZIP 2001, 1717, 1720; vgl. auch die ausdrückliche Regelung bei der Mehrheitseingliederung - § 320 b Abs. 2 Satz 1 AktG und dem sog. "Squeeze-out" - § 327 f Abs. 1 Satz 1 AktG). Die Durchsetzung der Mehrheitsherrschaft oder der Egoismus des damit verfolgten Zieles macht allein noch keinen verbotenen Sondervorteil (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage, § 28 I 4b).

Dies steht auch in Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Auflösungsbeschlüssen (BGHZ 103, 184 ff - Linotype), bei denen es für einen Sondervorteil nicht genügt, dass einer der Gesellschafter wirtschaftlich stärker profitiert als ein anderer, solange die Auflösung gesetzeskonform verläuft. Dies ist auf die Umwandlung durch Verschmelzung übertragbar. Danach ist es rechtlich nicht entscheidend, ob im Ergebnis überwiegend oder ausschließlich der Mehrheitsaktionär von einer Maßnahme profitiert. Es kommt vielmehr darauf an, ob die Maßnahme zur Durchsetzung sachfremder Ziele instrumentalisiert wird. Das Landgericht hat hier zutreffend eine sachwidrige Bevorzugung oder Zweckentfremdung abgelehnt, da den Aktionären Aktien der X1 in einem angemessenen Verhältnis angeboten werden müssen, so dass diese nach der Verschmelzung weiterhin und zwar als Aktionäre der übernehmenden X1 beteiligt sind. Bei den gerügten Vorteilen in Bezug auf die Mehrheitsaktionäre handelt es sich um Folgen des Verschmelzungsvorgangs, die Resultat der Verschmelzung und nicht Sondervorteil im Sinne des § 243 Abs. 2 AktG sind.

Soweit die Rügen auf eine Unterbewertung, eine "Verwässerung" der Aktien oder ein fehlerhaftes Umtauschverhältnis abzielen, sind diese im Spruchverfahren gerichtlich zu überprüfen (vgl. hierzu auch BT-Drucksache 15/5092, Seite 26).

1.3.3. Der Verschmelzungsbeschluss ist nicht wegen Missbrauchs bzw. Verletzung von gesellschaftsrechtlichen Treupflichten der Mehrheitsaktionärin X1 gegenüber den Minderheitsaktionären rechtswidrig.

Zwar ist das Bestehen solcher Treuepflichten zwischen den Gesellschaftern einer Aktiengesellschaft inzwischen anerkannt (BGHZ 103, 184, 194 - Linotype. Denn auch bei der Aktiengesellschaft hat ein Mehrheitsgesellschafter die Möglichkeit, durch Einflussnahme auf die Geschäftsführung die gesellschaftsbezogenen Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, so dass auch hier als Gegengewicht die gesellschaftsrechtliche Pflicht zu fordern ist, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen (BGH a.a.O. Seite 195).

1.3.3.1. In der Verschmelzung als solcher liegt keine Treuwidrigkeit, weil es sich um eine vom Gesetzgeber akzeptierte Form der konzernrechtlichen Integration handelt, wie § 62 UmwG gerade für Verschmelzungen des abhängigen auf das herrschende Unternehmen zeigt. Konzernverschmelzungen sind im Grundsatz zulässig und rechtmäßig (Lutter/Grunewald, UmwG, 3. Auflage, § 27 RN 7). Das Aktieneigentum der Minderheitsaktionäre ist von Anfang an mit der Möglichkeit belastet gewesen, durch Mehrheitsentschlüsse eine Entwicklung zu nehmen, die den Wünschen und vielleicht auch den Interessen der einzelnen Aktionäre nicht entspricht (BGHZ 82, 188, 192). Aus der Größe der Mehrheitsgesellschafterin oder dem Umstand, dass deren Mehrheitsgesellschafterin die Bundesrepublik Deutschland ist, lassen sich keine gesteigerten Pflichten ableiten. Ein Missbrauch muss deshalb durch andere Umstände als die typischen Folgen der Umwandlung der Gesellschaft begründet sein. Die beschlossene Verschmelzung muss von der Mehrheit dazu benutzt werden, weitere - nicht durch die Umwandlung bedingte oder ihre Gründe veranlasste - Veränderungen der bestehenden Gesellschaftsstruktur durchzusetzen und die Minderheitsaktionäre in nicht erforderlicher oder unverhältnismäßiger Weise zu beeinträchtigen (Lutter/Grunewald, a.a.O, RN 39; BGH II ZR 189/90, AG 1992, 58).

1.3.3.2. Der auf einen solchen Missbrauch der Mehrheitsmacht zielende Vorwurf, die X1 habe die Antragstellerin "unter Ausnutzung einer euphorischen Stimmung" nur zu dem Zweck an die Börse gebracht, sich den Emissionserlös zu verschaffen und sie bei niedrigem Börsenkurs wieder zu integrieren ("perfider Gesamtplan", "verwerfliches Szenario"), würde zwar das Tatbestandsmerkmal erfüllen, er beruht aber auf keinen tatsächlichen Anhaltspunkten. Die Antragstellerin hat zu Recht die Unsubstantiiertheit dieses Vortrags gerügt, da keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte vorgetragen und glaubhaft gemacht werden.

Der Senat vermag einen solchen treuwidrigen Gesamtplan auch nicht aus den unstreitigen und offenkundigen Tatsachen herzuleiten. Die wirtschaftlichen Rahmendaten in den Jahren 1999/2000, bevor die sog. "..." platzte, waren vollkommen andere als in den Jahren 2004/2005. Es ist abwegig anzunehmen, die X1 habe ihre Strategieplanungen gezielt auf der Reduzierung des Börsenkurses ihrer 80%igen Internettochter aufgebaut. Der starke Einbruch der Börsenkurse (vgl. die Kurseinbrüche anderer deutscher Großunternehmen nach unstreitigem Vortrag der Antragstellerin Seite 27 ihrer Klageerwiderung im Anfechtungsverfahren) hat alle Aktionäre getroffen. Der Kurseinbruch der Aktien der Antragstellerin von 27 € auf 9 € ist bedauerlich, aber nicht Folge einer treuwidrigen Handlung der X1.

Gegen einen solchen Gesamtplan spricht im übrigen auch, dass die X1 im Dezember 2002 ca. 10 % des Grundkapitals (120.000.000 Aktien) zu einem Preis von 6,10 € je Aktie verkaufte, so dass sich ihre Beteiligung von 81,7 % auf 71,9 % reduzierte (Verschmelzungsbericht, Seite 197).

1.3.3.3. Ein Missbrauch der Verschmelzung lässt sich auch nicht aus den Umständen des Börsengangs im Jahre 2000 herleiten. Sie ergeben keine gewollte treuwidrige Gewinnmaximierung zum Nachteil der Kleinaktionäre.

Einige Antragsgegner haben argumentiert, das Risiko einer Rückverschmelzung mit der X1 sei nicht erkennbar gewesen, hätte aber kommuniziert werden müssen, da mit dem Börsengang ein Vertrauenstatbestand in die Eigenständigkeit der Antragstellerin geschaffen worden wäre. Sie zielen darauf ab, dass auch das Ausnutzen kapitalmarktrechtlicher Mechanismen zum Nachteil der Minderheit eine Treupflichtverletzung zu Lasten des Minderheitsaktionärs beinhalten könne (hierzu Hofmann/Krolop, AG 2005, 866 ff.). In diese Richtung zielt auch der Einwand, der Wert der Aktie der Antragstellerin habe sich in einer Talsohle befunden und sei gerade im Anstieg begriffen, weshalb der Verschmelzungszeitpunkt treuwidrig sei. Auch diese Argumente vermögen den Senat nicht zu überzeugen.

Der Zeitablauf von 4 1/2 Jahren zwischen dem Börsengang und der Ankündigung der Verschmelzungsabsicht reicht nicht dafür aus, den Strategiewechsel von "going public" zu "going private" als gezielte Benachteiligung der Minderheitsaktionäre erscheinen zu lassen. In der Literatur wird zwar der Missbrauch für den Fall eines sog. "Squeeze-out" diskutiert, wenn der Hauptaktionär die Minderheitsaktionäre erst kurz zuvor zum Ankauf der Aktien veranlasst hat (vgl. Fundstellen bei OLG Düsseldorf WM 2004, 727 ff., zitiert nach JURIS, dort Seite 5). In Zeiten rasanter Entwicklungen in der Informationstechnologie kann jedoch bei 4 1/2 Jahren von einem "kurz zuvor", das ein widersprüchliches Verhalten indizieren würde, nicht die Rede sein. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (a. a. O.) hat denn auch im Fall eines "Squeeze-out" 4 Jahre nach dem Börsengang keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Treuepflichtverletzung oder einen Rechtsmissbrauch gesehen, so auch das Landgericht Düsseldorf im Fall eines "Squeeze-out" 5 Jahre nach dem Börsengang (LG Düsseldorf, ZIP 2004, 1755, 1757).

Gegen ein gezieltes Ausnutzen von Kapitalmarktschwankungen zu Lasten der Minderheitsaktionäre sprechen auch die von der Antragstellerin für ihre Reintegration in die Muttergesellschaft vorgetragenen und glaubhaft gemachten plausiblen Gründe, wobei zu beachten ist, dass die Missbrauchskontrolle keine weitere Ebene für eine materielle Beschlusskontrolle eröffnet und ein weiter unternehmerischer Entscheidungsspielraum besteht.

Die Antragstellerin begründet die Verschmelzungsabsicht mit Veränderungen des Telekommunikationsmarktes. Das Wettbewerbsumfeld sei mit der Ausgangssituation zum Zeitpunkt des Börsengangs nicht mehr vergleichbar, zu der man die klassischen Produkte der Telekommunikationsunternehmen und das Internet als weitgehend getrennte Märkte betrachtet habe. Im Jahr 2000 sei aus Kundensicht selbstverständlich gewesen, dass die Internet-Nutzung auf einem gesonderten Vertrag mit der Beklagten beruhe. Diese Kundensicht habe sich grundlegend verändert. Der Anteil der privaten Haushalte mit Internet-Anschluss sei in Westeuropa zwischen Dezember 2001 und Dezember 2004 von 33 % auf 50 %, der Anteil der Internet-Breitbandanschlüsse von 3 % auf 19 % gestiegen, ein weiteres Ansteigen sei zu erwarten. Aus diesem Grund hätten europaweit auch zahlreiche andere Telekommunikationsunternehmen ihre früher selbständigen Internettöchter integriert, da der Kunde erwarte, dass Telefonie und Internet "aus einer Hand" angeboten würden (Verschmelzungsbericht Seite 209 f.). In Deutschland solle aus den gleichen Überlegungen die I... AG im Wege der Verschmelzung mit der J... AG zusammengeführt werden (Anlagen B 10 und B 11). Ebenso wie die Konkurrenten (zu K... S.A. und zu L... S.A. vgl. zur Glaubhaftmachung Anlagen B 8, B 9, B 12 und B 13) habe sich die X1 zur Verschmelzung entschieden, um durch Reintegration der Online-Sparten auf die veränderte Situation zu reagieren. Durch die Verschmelzung werde eine Wachstumssynergie der X-Gruppe (Verschmelzungsbericht Seite 213) erwartet. Gründe für die Verschmelzung seien im wesentlichen die verbesserte Nutzung von Geschäftschancen durch die fortschreitende Verzahnung der Leistungen der X1 und der Antragstellerin, die Steigerung der Effizienz durch die Zusammenführung der Geschäftsmodelle, die Verbesserung der Kundenansprache, effektivere Bearbeitung des Marktes und Erhöhung der Kundenbindung und Zufriedenheit sowie Vereinfachung von Organisation und Geschäftsprozessen (Verschmelzungsbericht, Seite 211 f). Es solle eine bessere Aufstellung am Markt, insbesondere in dem Bereich DSL-Kunden, erreicht werden (Anlagen Ast 66, 67).

Die Richtigkeit der unternehmerischen Einschätzungen ist an dieser Stelle nicht zu prüfen. Dass sie der Entscheidung zur Rückverschmelzung zu Grunde lagen, haben die Antragsgegner zwar angezweifelt, aber nicht widerlegt.

1.3.4. Die Anfechtbarkeit des Verschmelzungsbeschlusses folgt nicht aus den gerügten Mängeln des Verschmelzungsvertrages.

Es kann offen bleiben, ob der Verschmelzungsvertrag formwirksam beurkundet worden ist, da die formwirksame Beurkundung nicht Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit des Verschmelzungsbeschlusses ist. Dieser kann gemäß § 4 Abs. 2, § 13 Abs. 3 Satz 2 UmwG gefasst werden, bevor der Verschmelzungsvertrag wirksam abgeschlossen wurde. Es genügt, wenn ein Entwurf vorliegt. Eine Beurkundung könnte erforderlichenfalls nachgeholt werden (Kallmeyer/Zimmermann, § 6 RN 2).

Eine gesetzeswidrige Einflussnahme der X1 gemäß § 311 AktG ist nicht gegeben. Der Verschmelzungsvertrag wird nur mit Zustimmung der Anteilsinhaber wirksam, § 13 Abs. 1 UmwG (Kallmeyer/Marsch-Barner, § 5 RN 73). Er legt, gegebenenfalls als Entwurf, fest, mit welchem Inhalt den Anteilsinhabern vorgeschlagen wird, der Verschmelzung zuzustimmen. Auch mit der Ausübung ihres Stimmrechts hat die X1 keine nachteilige Maßnahme veranlasst. Dagegen spricht, dass der Verschmelzungsbeschluss nicht der Inhaltskontrolle auf seine sachliche Rechtfertigung unterliegt. Auch ist der Minderheitenschutz im Umwandlungsgesetz gesondert geregelt. Dieses sieht die Möglichkeit der Überprüfung des Ausgleichs (vgl. § 2 Abs. 1 und Abs. 3 des Verschmelzungsvertrages) gem. § 15 UmwG vor.

Der Verschmelzungsvertrag ist der Antragstellerin nicht von der X1 "diktiert" worden. Soweit dies von einigen Antragsgegnern gerügt worden ist, enthält ihre Behauptung "es sei davon auszugehen, dass der Verschmelzungsvertrag nicht ausgehandelt worden sei", keinen substantiierten Vortrag.

Der Verschmelzungsvertrag verstößt nicht gegen § 5 Abs. 1 Nr. 8 UmwG. Die erforderlichen Angaben sind in den §§ 3, 4, 7 und 8 des Verschmelzungsvertrages enthalten.

1.3.5. Der Verschmelzungsbeschluss verstößt nicht gegen das Gesetz, weil der Verschmelzungsvertrag kein Barabfindungsangebot enthält.

Ein Barabfindungsangebot ist für den vorliegenden Fall der Verschmelzung zweier Aktiengesellschaften nicht erforderlich, weil § 29 Abs. 1 Satz 1 UmwG dies nur für die Verschmelzung unter Beteiligung von Rechtsträgern verschiedener Rechtsformen (sog. Mischverschmelzungen) verlangt. Auch der Fall des § 29 Abs. 1 Satz 2 UmwG ist nicht einschlägig, denn die als Ausgleich zu gewährenden Aktien der X1 unterliegen unstreitig keinen Verfügungsbeschränkungen.

2. Folgende mit den Klagen geltend gemachte Rechtsverletzungen fließen in die Abwägung ein:

2.1. Fragen

Ob die in den Klagen 12 O 323/05 und 12 O 312/05 als unbeantwortet gerügten Fragen des Aktionärs G nach den strategischen Effekten der Neuausrichtung und den Wachstumssynergien zureichend beantwortet sind, ist streitig. Ob insoweit eine Verletzung des § 131 Abs. 1 AktG vorliegt, konnte im Eilverfahren nicht geklärt werden.

2.2. Verschmelzungsbericht

Nicht offensichtlich unbegründet sind verschiedene gegen den Verschmelzungsbericht erhobene Rügen.

Die genauen Anforderungen an Verschmelzungsberichte sind nicht abschließend geklärt. Die Formulierung in § 8 Abs. 1 UmwG regelt keinen festen Berichtsstandard. Die Erweiterung der Berichtspflicht in Satz 3 dieser Vorschrift ist problematisch, da unklar ist, welche Angelegenheiten wesentlich sind. Diese Offenheit der gesetzlichen Regelung erschwert die rechtssichere Anwendung (Semler/Gehling, a.a.O., § 8 RN 11).

2.2.1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass die Rügen hinsichtlich der Angaben zu verbundenen Unternehmen und aus der ...-Beteiligung der X1 nicht offensichtlich unbegründet sind. Die Antragstellerin wendet sich im Ergebnis erfolglos gegen diese Ansicht des Landgerichts.

Der Aktionär muss bei der Abstimmung wissen, was auf ihn als künftigen Aktionär der X1 zukommen kann. Welcher Umfang der Pflicht zur Berichterstattung bei der Bewertung von Unternehmensgruppen hieraus folgt, ist strittig. Nach einer Auffassung sollen bei der Verschmelzung von Unternehmensgruppen grundsätzlich die Vergangenheitsergebnisse, die Planzahlen und die dazugehörigen Erläuterungen für die einzelnen Tochtergesellschaften anzugeben sein. Eine Begrenzung dieser Berichtspflicht wird aus § 8 Abs. 1 Satz 3 UmwG abgeleitet, wonach diese Angaben auf die "wesentlichen Angelegenheiten" der verbundenen Unternehmen zu beschränken seien. Nähere Ausführungen zum Ertragswert der verbundenen Tochtergesellschaften sollen dann erforderlich sein, wenn ihr Wert mehr als 10 % der Aktiva des Mutterunternehmens ausmacht oder wenn sie mit mehr als 10 % zum durchschnittlichen Ergebnis des Mutterunternehmens beitragen (Lutter/Drygala, § 8 RN 41). Aus dem Wortlaut der Regelung lassen sich diese Anforderungen an die Berichtspflicht ab einer bestimmten Größenordnung verbundener Unternehmen allerdings nicht ableiten. Ob dies zur weiteren Plausibilität des Berichts bei Konzernverschmelzungen führt, ist fraglich.

Eine andere Auffassung vertritt, dass es bei der Berichterstattung zu Unternehmensgruppen nicht erforderlich sei, die Planzahlen zu den einzelnen Gesellschaften oder Unternehmensbereichen gesondert anzugeben. Bei Unternehmensgruppen mit mehreren hundert Gesellschaften sei eine Berichterstattung über die einzelnen Gesellschaften der Gruppe im Rahmen eines Verschmelzungsberichts regelmäßig weder möglich noch erforderlich. Eine Darstellung der einzelnen Gesellschaften und ihrer wesentlichen Kennzahlen sei auch nicht zweckmäßig, weil die Unternehmensbewertung keine Addition von Einzelzahlen, sondern ein bewertender und auswertender Vorgang sei. Eine nach Unternehmensbereichen getrennte Darstellung von Kennzahlen sei nur dann erforderlich, wenn eine Darstellung der Gesamtzahlen keine ausreichende Plausibilisierung der Gesamtbewertung ermögliche. Neben den Angaben zur Gruppe seien weitere Angaben zu verbundenen Unternehmen der nachgeordneten Konzerngruppe nur erforderlich, soweit sie für die Verschmelzung von wesentlicher Bedeutung sind. Dies sei gleichzusetzen mit "Gruppenwesentlichkeit", z. B. wenn die Inanspruchnahme aus der Verlustausgleichspflicht in Betracht komme (Semler/Gehling, a.a.O., § 8 RN 42-44 und RN 59 f.; Meyer, a.a.O., § 8 RN 34 und 43-46, wohl unentschieden Kallmeyer/Marsch-Barner, a.a.O. § 8, RN 27).

Der Senat schließt sich der letztgenannten Ansicht an. In der Rechtsprechung wird zu § 8 Abs. 1 UmwG die Zulässigkeit dieses sog. "Top-down" Ansatzes bei der von der Berichtspflicht zu unterscheidenden Unternehmensbewertung vertreten. Eine Konzernbewertung wird dabei "von oben herab" vorgenommen, wobei die erforderlichen Zahlen der einzelnen Berichtseinheiten vorgelegt und zusammengefasst werden (OLG Düsseldorf, AG 2003, 688, 691 zu "Veba AG").

Die zum Verständnis der hier vorgenommenen Top-Down Unternehmensbewertung erforderlichen Angaben sind in dem Bericht enthalten, gegliedert nach den operativen Einheiten der X1 und zwar M (Seite 278, 279), N (Seite 285 f.), Y (Seite 263, 268, 272) und P (Seite 292) sowie Q (Seite 296).

Der Bericht enthält auf Seite 300 ff. eine konsolidierte Planungsrechnung, die aus den Planungsrechnungen dieser einzelnen Divisionen hergeleitet wurde. Vorab ist in dem Bericht auf Seiten 174 ff. die Struktur der X1 dargestellt und erläutert, an der sich der Bericht zur Bewertung orientiert hat.

Bedenken bestehen aber hinsichtlich der nach § 8 Abs. 1 Satz 3 UmwG geforderten weiteren Angaben zu den wesentlichen Angelegenheiten verbundener Unternehmen. Konkrete Rügen hierzu sind insbesondere in der Klage 12 O 332/05 von den Antragsgegnern zu 12. und 13. vorgetragen und im Beschwerdeverfahren nochmals präzisiert worden. Gerügt wurde, dass zu dem verbundenen Unternehmen N USA Inc. Angaben

- zu den besonderen Risiken aufgrund der Verlustsituation, insbesondere dem Erfordernis von Verlustausgleichszahlungen,

- zum Risiko einer Steuerzahlung in Höhe von 406.000.000 US$,

- zur Notwendigkeit weiterer außerplanmäßiger Abschreibungen auf UMTS- und US-Mobilfunk Lizenzen nach entsprechenden Abschreibungen von 2.476.000.000 € in 2004

fehlen. Zur ... GmbH wurden fehlende Angaben zum negativen Eigenkapital von 934.000.000 €, Verbindlichkeiten von ca. 1.500.000.000 € und eine Höchstbetragsgarantie der X1 von 600.000.000 € gerügt.

Die Antragstellerin ist den vorgenannten tatsächlichen Angaben nicht entgegen getreten, so dass sie als unstreitig zu bewerten waren. Ihr glaubhaft gemachter Vortrag, sämtliche wirtschaftlich relevanten Daten im Zusammenhang mit ... seien - wie alle anderen relevanten wirtschaftlichen Daten beider beteiligter Unternehmen - bei der Bewertung berücksichtigt worden (Anlage Ast 64), betrifft die Frage der ordnungsgemäßen Bewertung der beteiligten Rechtsträger, nicht aber die hiervon zu unterscheidende Berichtspflicht hierzu. Der Verschmelzungsbericht erwähnt beispielsweise N USA (Seite 286) hinsichtlich des gestiegenen Umsatzes und der gestiegenen Umsatzkosten (Seite 288). Es werden Sonderabschreibungen erwähnt sowie (Seite 290) erhöhte Abschreibungen der N USA um rund 18 %. Zu ... erwähnt der Bericht die Höhe der geltend gemachten Schadensersatzforderungen sowie der geforderten Vertragsstrafe (Seite 189).

Dass auch nach Auffassung der Antragstellerin beide Unternehmen für die Verschmelzung von wesentlicher Bedeutung waren, dokumentiert ihre gesonderte Erwähnung in dem Verschmelzungsbericht. Die Forderung, dass darüber hinaus die o. g. Angaben erforderlich gewesen seien, kann deshalb zumindest nicht mit der erforderlichen Sicherheit als unbegründet bewertet werden.

2.2.2. Der Einwand einiger Antragsgegner, der Verschmelzungsbericht enthalte nicht alle erforderlichen Angaben zu den Risiken aus der Beteiligung an der ... GmbH und aus den Prospekthaftungsklagen, ist ebenfalls nicht offensichtlich unbegründet.

Die Sachverhalte sind im Verschmelzungsbericht nicht in einem dem Risiko angemessenen Umfang dargestellt. In dem Bericht sind die wesentlichen Auswirkungen der Verschmelzung zu erläutern Maßgebend für den Umfang der Berichtspflicht sind die Umstände der Verschmelzung im Einzelfall. In besonderen Fällen kann daher auch die Darstellung von Rechtsstreitigkeiten, an denen einer der Rechtsträger beteiligt ist, geboten sein, wenn es sich um wesentliche Belastungen oder Auswirkungen handelt. Daraus kann zwar nicht die Pflicht ableitet werden, Angaben zu jedem Rechtsstreit, der von einer der beteiligten Aktiengesellschaften geführt wird, zu machen. Wann eine Darstellung von Rechtsstreitigkeiten geboten ist, ist - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung entschieden, noch Gegenstand einer Diskussion in der Literatur. Der Senat teilt die Auffassung der Antragstellerin, dass die Einzeldarstellung eines jeden Risikos nicht erforderlich ist. Ein Kriterium für eine Berichtspflicht ist das Verhältnis der Forderung zum Unternehmenswert, was bei einer einzelnen Forderung von beispielsweise 5.000.000 € bei einem ermittelten Unternehmenswert von 118.771.000.000 € gegen eine Pflicht zur Unterrichtung spricht. Auch die Antragstellerin hat hier aber die Berichterstattung über die wesentlichen Risiken aus der Beteiligung ... und den Prospekthaftungsklagen für erforderlich gehalten. Diese Einschätzung ist angesichts der Schadensersatzforderungen im Fall ... von ca. 4.590.000.000 € zuzüglich Zinsen und gegebenenfalls zeitabhängiger Vertragstrafen zutreffend. Bei den Prospekthaftungsklagen ergibt sich die Bedeutung bereits aus der umfangreichen Zahl von Klägern (laut Verschmelzungsbericht allein in Deutschland ca. 12.500) und ca. 14.000 weiteren Käufern, die Güteverfahren beantragt haben. Soweit eine Berichtspflicht besteht, muss die Darstellung aus der Sicht eines verständigen Aktionärs eine geeignete Informationsgrundlage bieten (Semler-Gehling, § 8 RN 11). Dazu gehört, dass die für erforderlich gehaltenen Rückstellungen beziffert werden. Angaben dazu enthält der Verschmelzungsbericht nicht. Zu den amerikanischen Sammelklagen, den deutschen Prospekthaftungsklagen und den beantragten Güteverfahren fehlen darüber hinaus Angaben zur Höhe der Ansprüche, die geltend gemacht werden. Zu den amerikanischen Sammelklagen fehlt auch eine Einschätzung des Prozessrisikos. Die Angabe, dass die noch nicht genehmigte Vergleichsvereinbarung über 120.000.000 US$ ohne Anerkennung eines Fehlverhaltens der X1 geschlossen worden sei, lässt keinen Rückschluss zu, und dürfte angesichts der Vergleichssumme nur die für den Vergleich gewählte Formulierung wiedergeben.

Soweit die X1 die Ansprüche laut Verschmelzungsbericht für unbegründet hält, hat sie diese Einschätzung durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht (Anlagen Ast 62, 63). Die Richtigkeit dieser Einschätzung ist auch von dem Verschmelzungsprüfer nachvollzogen worden. Eine weiter gehende Auskunftspflicht, z. B. durch rechtliche Begründung der Angaben zum Prozessrisiko, bestand nicht. Der Verschmelzungsbericht muss den Aktionären nicht die Möglichkeit bieten, diese Rechtseinschätzung wie ein Sachverständiger zu kontrollieren (Semler-Gehling, § 8 RN 12).

Soweit in diesem Zusammenhang auch gerügt wurde, mangels gerichtlicher Entscheidung hätte das Risiko in voller Höhe abgesichert werden müssen, ist dieser Einwand allerdings als Bewertungsrüge dem Spruchverfahren vorbehalten.

2.2.3. Bedenken bestehen auch im Hinblick auf die Darstellung der Bedeutung des Börsenkurses für das Umtauschverhältnis.

Einige Antragsgegner haben gerügt, in dem Verschmelzungsbericht hätte die Gefahr aufgezeigt werden müssen, dass die Aktionäre der Antragstellerin aufgrund der ermittelten Verschmelzungswertrelation möglicherweise den für sie maßgeblichen Börsenkurs der Antragstellerin nicht werden realisiere können, es werde den Aktionären der Antragstellerin eine für sie günstige Wertrelation suggeriert. Mit diesen Einwendungen rügen die Antragsgegner die Unzulänglichkeit des Verschmelzungsberichts bei der Begründung des Umtauschverhältnisses, was im Gegensatz zur Angemessenheit des Umtauschverhältnis im Anfechtungsverfahren zu prüfen ist. Hier liegt der Schwerpunkt der Berichtspflicht, denn für die Gesellschafter der Antragstellerin ist vor allem wichtig zu wissen, in welchem Verhältnis sich ihre Beteiligung an der X1 fortsetzt (Verschmelzungswertrelation).

Der Verschmelzungsbericht führt unter dem Punkt "Börsenwert" u. a. aus:

"Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom ....entschieden, dass bei einigen speziellen Unternehmensbewertungsanlässen der Börsenkurs bei der Ermittlung der Barabfindung für Minderheitsaktionäre als Mindestwertwert zu berücksichtigen sei....Im vorliegenden Fall liegen die nach dem Ertragswertverfahren ermittelten Unternehmenswerte sowohl der Y als auch der X deutlich über den aus den jeweiligen Marktkapitalisierungen ermittelten Werten Daher kommt im vorliegenden Fall dem Börsenkurs als Mindestwert keine Relevanz für die Festlegung des Umtauschverhältnisses zu" (Verschmelzungsbericht Seite 256).

Diese Ausführungen sind zumindest geeignet, bei Kleinaktionären den Eindruck zu erwecken, dass die nach dem Ertragswertverfahren ermittelte Verschmelzungsrelation über dem am Kapitalmarkt für Kleinanleger erzielbaren Umtauschverhältnis liegen wird. Im konkreten Fall bestand anhand der Aktienkurse der beteiligten Rechtsträger jedoch die Gefahr, dass dies nicht der Fall sein wird, das Umtauschverhältnis aus Sicht der Aktionäre mithin ungünstiger ausfallen könnte, als das Verhältnis der Börsenkurse beider Unternehmen zueinander, worauf die X1 in ihrem öffentlichen Erwerbsangebot am 9. Oktober 2004 auch hingewiesen hatte. Ohne diesen Hinweis ist nur unter Heranziehung und Vergleich des Verhältnisses der Börsenkurse mit der im Bericht genannten Verschmelzungsrelation ermittelbar, dass das Umtauschverhältnis ungünstiger sein könnte. Dem Aktionär sind aber zur Plausibilitätskontrolle alle erforderlichen Informationen zu erteilen. Die Auffassung einiger Antragsgegner, dass dazu auch ein Hinweis auf das aus Sicht der Aktionäre möglicherweise ungünstige Umtauschverhältnis zählt, ist jedenfalls nicht offensichtlich unbegründet, da diese Frage bislang in der Rechtsprechung nicht entschieden wurde.

2.3. Verschmelzungsprüfungsbericht

In welchem Umfang sich die möglicherweise herausstellenden Fehler des Verschmelzungsberichts auf die Verschmelzungsprüfung und den hierüber abzugebenden Bericht auswirkt, kann ebenfalls nicht abschließend beurteilt werden.

3. Folgende Umstände sind als aus der Verzögerung der Eintragung der Verschmelzung resultierende wesentliche Nachteile zu berücksichtigen.

3.1. Bei der Feststellung der drohenden Nachteile sind nicht lediglich solche Umstände zu berücksichtigen, die die Antragstellerin selbst betreffen würden, sondern auch diejenigen, die die Antragstellerin für die X1 als nachteilig reklamiert. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut geht es - wie auch das Landgericht zutreffend betont hat - nicht nur um die Nachteile des Rechtsträgers, dessen Anteilsinhaber sich klageweise gegen die Verschmelzung gewandt haben, sondern um Nachteile aller an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger und deren Anteilsinhaber. Mithin sind also gerade auch die Nachteile zu berücksichtigen, die die X1 aus der verzögerten Verschmelzung als übernehmende Rechtsträgerin treffen würden.

Soweit verschiedene Antragsgegner unter Hinweis auf Presseberichte über aktuelle positive Geschäftszahlen der Antragstellerin geltend machen, die Antragstellerin erleide bei Nichteintragung des Verschmelzungsbeschlusses und Beibehaltung ihrer rechtlichen Selbständigkeit keine Nachteile, so mag dies zutreffen, es besagt jedoch nichts über die Nachteile der X1.

3.2. Als Dauer der voraussichtlichen Verzögerung ist der von der Antragstellerin genannte Zeitraum zugrunde zu legen. Die Annahme, dass bis zum rechtskräftigen Abschluss der Anfechtungsklagen der 37 durch 104 Streithelfer unterstützten Antragsgegner noch ca. 5 Jahre vergehen werden, ist realistisch. Der Rechtsstreit kann regulär drei Instanzen durchlaufen, wobei - unabhängig davon, wer erst- oder zweitinstanzlich obsiegen würde - eine Zurückverweisung in die zweite Instanz zum Zwecke der Wiederholung des Berufungsverfahrens mit der erneuten Möglichkeit der Revision nicht auszuschließen ist. Nimmt man die Möglichkeit hinzu, dass eine Beweisaufnahme - etwa durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (nach Erfahrungen des Senats kann sich bei mangelnder Kooperation der Parteien und/oder ihrer Bevollmächtigten allein die Suche nach geeigneten Sachverständigen monatelang hinziehen) - durchzuführen sein mag, könnte sich dieser Zeitraum verdoppeln.

3.3. Als wesentliche Nachteile der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger sind in Rechtsprechung und Literatur insbesondere das Ausbleiben einer aufgrund der Marktsituation zur Vermeidung wesentlicher Entwicklungsnachteile erforderlichen Umstrukturierung, ausbleibende Synergie- und Rationalisierungseffekte und die Abwanderung qualifizierten Personals, anerkannt (vgl. Kallmeyer/Marsch-Barner, a.a.O., § 16 RN 46 m.w.N. zu Lit. und Rspr. in FN 4 - 6, Seite 220 und FN 1 - 4 Seite 221). Dass derartige Nachteile bei der X1 im kommenden Jahrfünft zu erwarten sind, hat die Antragstellerin glaubhaft dargelegt:

3.3.1. Die Verzögerung der Verschmelzung um ca. 5 Jahre beeinträchtigt die beabsichtigte bessere Aufstellung der beteiligten Rechtsträger am Breitbandmarkt. Der Handlungsspielraum und die Gestaltungsmöglichkeit der X1, sich am Breitbandmarkt jetzt durch ein vollständig integriertes Produkt besser zu positionieren, wird eingeschränkt. Dies beeinträchtigt insbesondere die Wettbewerbsfähigkeit der X1.

Entscheidend stellt die Antragstellerin darauf ab, dass die angestrebte Positionierung am Breitbandmarkt "jetzt" erfolgen müsse. Dazu sei es notwendig, das Produktportfolio mit vollständig integrierten Produkten bestehend aus Festnetztelefon und Internet zu optimieren. Das Landgericht hat diesen Vortrag für unsubstantiiert gehalten. Dem folgt der Senat nicht.

Die Antragstellerin hat schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sich in den letzten Jahren die Internetnutzung über Breitbandtechnik (DSL) verstärkt hat (Anlage Ast 3 und 4). Breitbandanschlüsse ermöglichen neue Kommunikations- und Entertainmentangebote, wie Voice over IP und Video on demand (Anlage Ast 5). Dies führt zu einer zunehmenden Überschneidung der Produkte von Internet Service Providern mit klassischen Telekommunikationsunternehmen. Zum Wachstumspotential des DSL-Marktes hat die Antragstellerin vorgetragen und glaubhaft gemacht, (Anlage B 7 zu Ast 1), dass sich der Breitbandmarkt in den Jahren 2004 bis 2007 von ca. 5,2 Mio. DSL-Haushalten auf ca. 9,7 Mio. DSL-Haushalte in Deutschland verdoppeln werde. DSL setzt für den Endverbraucher einen Vertrag über einen DSL-Anschluss und einen DSL-Tarif für den Internetzugang voraus. Dieser Markt eröffnet sich gegenwärtig und in den kommenden Jahren dem Wettbewerb. Die bereits gegebene Intensität des Wettbewerbs lässt sich an dem rasanten Preisverfall für DSL-Flatrates ablesen (Anlage Ast 8). In Konkurrenz zu den bisherigen DSL-Anbietern sind in jüngerer Zeit u. a. Mobilfunkanbieter mit dem Angebot von Kombiprodukten getreten sowie Kabelnetzbetreiber, die nunmehr auch Telefon- und Internetdienstleistungen anbieten, was die Antragstellerin durch eidesstattliche Versicherungen glaubhaft gemacht hat (Ast 13, Ast 16). Nach der Einschätzung der Antragstellerin sind Anbieter von Internet- und Onlinedienstleistungen, die in diesem sich stetig ändernden Markt bestehen wollen, gezwungen, kombinierte Produkte anzubieten. Nach der glaubhaft gemachten Erwartung der beteiligten Rechtsträger erreichen diejenigen Anbieter die meisten Kundensegmente, welche die Wahl zwischen verschiedenen Formen der Telefonie anbieten (Anlage Ast 22). Diese Einschätzung wird durch die Marktentwicklung und die Strategie der Wettbewerber bestätigt, die aktuell verstärkt integrierte Produkte bewerben oder anstreben (Anlagen Ast 23 - 25, Ast 14). Nach der nachvollziehbaren und glaubhaft gemachten Erwartung der beteiligten Rechtsträger können nach der Verschmelzung Produktinnovationen, insbesondere von vollständig integrierten Produkten, schneller und mit weniger Aufwand gestaltet werden. Auch die inhaltliche Ausgestaltung vollständig integrierter Produkte werde einfacher, da ein einheitliches Unternehmensziel unter Ausschluss gegebenenfalls gegenläufiger unternehmerischer Ziele verfolgt werde (Anlage Ast 29), denn bei dem gewollten Fortbestehen der Antragstellerin als organisatorischer Einheit könnten widerstreitende Interessen durch Weisung des zuständigen Vorstandsmitglieds überwunden werden können (vgl. hierzu auch Hüffer, a.a.O., § 76 RN 10).

Einige Antragsgegner haben dagegen eingewandt, die Antragstellerin biete bereits jetzt vollständig integrierte Produkte an. Dies ist nicht zutreffend. Richtig ist, dass bereits Produktbündel angeboten werden, d. h. Produkte bei denen der Internettarif und die Festnetztelefonie in einem Angebot kombiniert werden. Diese Produkte werden allerdings nicht "aus einer Hand" angeboten. Der DSL-Tarif für den Internetzugang ist vielmehr ein Produkt der Antragstellerin, während die Festnetztelefonie ein Produkt der X1 ist (vgl. beispielhaft Anlage 4, dort Seite 2, zum Schriftsatz der Antragsgegner zu 1. und zu 2. vom 13. Januar 2006, wo als Voraussetzung für das Y2 Paket ein Telefonanschluss der X1 genannt ist.) Zwei rechtlich selbständige Unternehmen unterliegen weiterhin den oben dargelegten Beschränkungen. Darüber hinaus ist bei zwei rechtlich selbständigen Unternehmen ein freier Datentausch, bezogen auf die Kundendaten, im Konzern nicht möglich (Simitis, Kommentar zum Bundesdatenschutzgesetz, 5. Aufl., § 3 RN 139 ff.; Anlage Ast 34).

Zur konkreten Kundenentwicklung hat die Antragstellerin dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie für das verschmolzene Unternehmen aufgrund der schlüssigen Erwartung einer geringen Rate für Anschlussverluste (Churnrate) und eines höheren Marktanteils für Neukunden von einem um ca. 1 Million erhöhten Bestand an Kunden bis 2010 ausgeht, wobei die überwiegende Anzahl dieser DSL-Kunden nach ihrer Prognose in den Jahre 2006 und 2007 zu gewinnen sind (Anlagen Ast 66 und 67). Für das verschmolzene Unternehmen beziffert sie daraus einen glaubhaft gemachte Vorteil und damit reinen Verzögerungsschaden von 742.000.000 € bis 2010.

Diese zukunftsbezogenen Eintragungsfolgen haben zwangsläufig Prognosecharakter (Lutter/Bork, § 16 RN 23; OLG Stuttgart, DB 2003, 33, 36), da sie nicht feststehen, sondern nur mehr oder weniger sicher erwartet werden können. Dies ist von § 16 Abs. 3 UmwG auch so gewollt, da die Bewertung des Vollzugsinteresses regelmäßig eine zukunftsorientierte Prognose erfordert. Die Ausführungen des OLG München stehen dem nicht entgegen (OLG München, ZIP 2005, 615, 616).

Soweit einige Antragsgegner dagegen eingewandt haben, die Erwartung der Antragstellerin, im dargelegten Umfang zusätzliche Kunden zu gewinnen oder die Churnrate zu verringern, sei nicht plausibel, ist der Senat davon überzeugt, dass die Fähigkeit, ein vollständig integriertes Produkt zu entwickeln und anzubieten, einen wichtigen Wettbewerbsvorteil beinhaltet, was gerade auch durch das entsprechende Verhalten der Mitbewerber indiziert wird. Es ist nach dem durch eidesstattliche Versicherungen belegten Vortrag der Antragstellerin auch plausibel, dass durch ein vom Kunden als vorteilhafter wahrgenommenes Produkt Anschlussverluste verringert werden und sich ein höherer Anteil an Neukunden erzielen lässt. Ob die vorgetragenen und glaubhaft gemachten Zahlen im Einzelnen nachrechenbar sind, war für den Senat nicht so ausschlaggebend wie die - vorliegend gegebene - Nachvollziehbarkeit der glaubhaft gemachten unternehmerischen Erwartung eines wesentlichen Wettbewerbsvorteils.

Die eidesstattlichen Versicherungen sind zur Glaubhaftmachung geeignet, auch wenn sie von Mitarbeitern der X1 abgegeben worden sind (§ 294 ZPO), was einige Antragsgegner im Hinblick auf die Versicherungen zu Ast 66 und Ast 67 gerügt haben. Herr S (Ast 66) ist als Bereichsleiter Strategische Projekte Marketing und Vertrieb bei der X1 tätig. Er berichtet direkt an den Bereichsvorstand Marketing und Vertrieb M. T (Ast 67) ist als Bereichsvorstand M Finanzen und Controlling tätig. Er berichtet direkt an den Vorstand Breitband/Festnetz der X1. Bei beiden Mitarbeitern kann aus ihrem Tätigkeitsbereich ein Detailwissen zu den beabsichtigten Strukturmaßnahmen erwartet werden. Aus ihren Funktionen für die X1 folgt für den Senat nicht die Ungeeignetheit dieser eidesstattlichen Versicherungen.

Zwar haben einige Antragsgegner eingewandt, ein zusätzlicher Abnehmerkreis ließe sich auch durch eine attraktivere Preisgestaltung erzielen. Dies ist sicher ein relevantes Kriterium, aber hier nicht entscheidend. Die Antragstellerin hat dem Preisverfall bereits durch preislich attraktivere Angebote Rechnung getragen, um ihre Position am Markt zu behaupten. Dies ist von einigen Antragsgegnern selbst vorgetragen und belegt worden. Allein auf den harten Preiskampf zu setzen, ist jedoch eine kurzfristige und durch viele unternehmerische Faktoren auch von außen begrenzbare Methode, im Wettbewerb zu bestehen. In diesem Preiskampf wird im übrigen auch das verschmolzene Unternehmen konkurrenzfähig bleiben müssen.

3.3.2. Die mit Strukturänderungen notgedrungen einhergehende Phase der Verunsicherung der Mitarbeiter auf allen Ebenen wird durch einen jahrelangen Schwebezustand verstärkt. Die Sorge, je länger sich das Wirksamwerden der Verschmelzung hinziehe, desto größer werde die Unsicherheit der Mitarbeiter und vor allem der Führungskräfte der Antragstellerin hinsichtlich ihrer künftigen Rolle und Tätigkeit verbunden mit der Bereitschaft zum "Wechsel", hat die Antragstellerin durch die eidesstattlichen Versicherungen (Anlagen Ast 47 und 48) und die Zeitungsnotiz der ... (Ast 65) glaubhaft gemacht. Negative Effekte wie sinkende Mitarbeitermotivation sind für den Senat insoweit offenkundig. Auch ohne bereits vollzogene Kündigung ist diese Sorge plausibel und glaubhaft (OLG Hamm, AG 2005, 361, 364).

Zwar haben einige Antragsgegner eine Verunsicherung der Organisation durch den Schwebezustand der Verschmelzung unter Hinweis auf die Mitteilung der X1 vom 2. November 2005 über einen geplanten Abbau von 32.000 Stellen für Mitarbeiter des Konzerns bestritten. Der Senat geht davon aus, dass diese Ankündigung die negativen Auswirkungen auf die Mitarbeitermotivation oder den Wunsch nach "Abwanderung" verstärken kann. Dies relativiert das Gewicht der von den Antragstellern geltend gemachten "Lähmung der Organisation", lässt diesen Umstand jedoch nicht als Nachteil entfallen.

Nicht vom Stellenabbau betroffen ist die Beeinträchtigung bzw. "Lähmung" der Organisation durch Aufschub oder Verhinderung der geplanten strategischen Neuausrichtung, wie sie in § 7 Abs. 3 des Verschmelzungsvertrages (Verschmelzungsbericht, Seite 15) vereinbart wurde. Diese beinhaltet eine Besetzung der dort beschriebenen Ressorts des Bereichsvorstandes, des neuen strategischen Geschäftsfeldes Breitband/Festnetz. Bis zur Verschmelzung wird das Geschäftsfeld M noch durch den Bereichsvorstand und Y durch den Vorstand der Antragstellerin geführt. Die künftige Organisation und Führungsstruktur kann erst mit Wirksamwerden der Verschmelzung eingeführt werden. Je länger sich das Wirksamwerden der Verschmelzung hinzieht, desto größer wird die Unsicherheit der Führungskräfte (eidesstattliche Versicherung Anlage Ast 47).

Darüber hinaus hat die Antragstellerin auch das Aufschieben von Investitionsentscheidungen in der technischen Infrastruktur schlüssig vorgetragen und glaubhaft gemacht (Ast 49 und 50).

3.3.3. Das Landgericht hat zutreffend als verzögerungsbedingten Nachteil das Ausbleiben von Rationalisierungs- und Kostensynergien im Bereich der Informations- und Datenverarbeitungssysteme, im Vertrieb, bei den Kosten der jährlichen Hauptversammlung sowie der externen Berichterstattung berücksichtigt (eidesstattliche Versicherungen Anlagen Ast 35 bis 45). Allerdings kann dieses prognostizierte Einsparpotential nicht in vollem Umfang gehoben werden. Zwar hat die Antragstellerin Einsparungen in Höhe von 113.750.000 € für den Zeitraum bis 2010 glaubhaft gemacht. Dagegen beziffert der Verschmelzungsbericht die Kosten der Verschmelzung mit ca. 50.000.000 € (Verschmelzungsbericht, Seite 217). Hierauf haben einige Antragsgegner zu Recht hingewiesen. Die Antragstellerin ist dem nicht entgegengetreten. Die Verschmelzungskosten verringern zwar das Einsparpotential, was sich aber bei der Abwägung nicht entscheidend ausgewirkt hat (vgl. Punkt 4 nachfolgend).

3.3.4. Zu Unrecht verweisen einige Antragsgegner darauf, die erwarteten Spareffekte ließen sich (zum Teil) auch auf anderem Wege erzielen. Dazu wird vorgeschlagen, die Antragstellerin könne ihr Konzept innovativ und margenträchtig vermarkten, wenn sie in Form des Line-Sharings nur den Hochfrequenzbereich des DSL-Anschlusses nutze. Andere Antragsgegner meinen, eine Kooperation sei als Übergangslösung geeignet, um Wettbewerbs- und Synergienachteile zu vermeiden. Ein Antragsgegner meint eine "entsprechende" Marktposition sei durch einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag zu erreichen. Weitere Antragsgegner behaupten, als Alternative hätte sich angeboten, auf die Antragstellerin die Geschäftsbereiche der X1 zu übertragen, die zur weiteren Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch eine Produktoptimierung durch vollständig integrierte Produkte notwendig seien.

In der neueren Literatur und obergerichtlichen Rechtsprechung wird darauf abgestellt, dass es nicht darauf ankomme, ob sich die erwarteten Spareffekte oder Wettbewerbsvorteile auch auf anderem Wege erzielen lassen. Bei der Beurteilung im Rahmen des § 16 Abs. 3 UmwG sei die unternehmerische Grundentscheidung als solche zu respektieren, so dass es nicht darauf ankomme, ob sich die Vorteile der Verschmelzung auf anderem Wege erzielen ließen (OLG Hamm, a. a. O., Seite 8; OLG Düsseldorf, ZIP 2001, 1717, 1719 f.; OLG Düsseldorf, ZIP 1999, 793-798; zitiert nach JURIS, dort RN 57; Lutter/Bork, a.a.O., § 16 RN 21). Dieser Auffassung schließt sich der Senat an.

Auch das Oberlandesgericht Stuttgart folgt dieser Auffassung. Es hat allerdings im Rahmen einer Ausgliederung geprüft, ob und inwieweit die durch den Ausgliederungsbeschluss getroffene unternehmerische Grundentscheidung für eine Übergangszeit aufgrund zumutbarer konzerninterner organisatorischer Maßnahmen umgesetzt werden kann, um so die mit der Registersperre verbundenen Nachteile zu überwinden (OLG Stuttgart, DB 2003, 33-36, zitiert nach JURIS, dort RN 78 f.). Es kann offen bleiben, ob eine solche Prüfung geboten ist, da sie hier zu keinem abweichenden Ergebnis führen würde. Soweit eine Kooperation vorgeschlagen wurde, ist nicht nachvollziehbar, wie diese konkret ausgestaltet sein soll und in welchem Umfang dadurch während eines Zeitraums von ca. fünf Jahren die mit der Verschmelzung beabsichtigten und glaubhaft gemachten Vorteile - wie oben ausgeführt - zu erreichen wären. Daran leiden auch die anderen - wenig konkreten - Vorschläge der Antragsgegner, die nach ihrem Vortrag nicht als konzerninterne Übergangslösung, sondern als dauerhafter Ersatz für eine Verschmelzung erachtet werden. Zu dem Vorschlag "Line-Sharing" hat die Antragstellerin unwidersprochen eingewandt, dass die Antragsgegner unberücksichtig gelassen haben, dass zusätzlich zum "Line-Sharing"- Entgelt eine Reihe von weiteren Kosten anfallen, die beim DSL-Resale nicht anfallen, so beispielsweise Investitionen in sog. Kollokationsräume, Kosten für die Anmietung oder den Aufbau der Infrastruktur dieser Kollokationsräume, Kosten für die Übertragungstechnik und Kosten für das von der Regulierungsbehörde vorgegebene Bereitstellungsentgelt, welches an die X1 zu zahlen ist.

Gegen diese Vorschläge sprechen im übrigen die ausgeführten konzernrechtlichen Grenzen einer kooperativen Zusammenarbeit (Punkte 3.3.1. und 3.3.3.). Solange gesonderte Rechtsträger bestehen, ist sowohl nach außen ein völlig einheitliches Auftreten, als auch konzernintern eine einheitliche Willensbildung sowie eine Abgrenzung von Kosten und Leistungen aufwendig und nur eingeschränkt möglich. Darauf hat die Antragstellerin zutreffend hingewiesen und dies auch ausreichend glaubhaft gemacht.

4. Das alsbaldige Wirksamwerden der Verschmelzung ist unter Berücksichtigung der Schwere der Rechtsverletzungen (siehe oben unter 2.) zur Abwendung der Nachteile (siehe oben unter 3.) vorrangig; hiervon ist der Senat nach Abwägung aller Umstände überzeugt.

Dem Prozessgericht wird im Interesse größtmöglicher Entscheidungsfreiheit ein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt (Lutter/Bork, § 16 RN 23). Nach dem ("etwas umständlichen" - Kallmeyer/Marsch-Barner, § 16 RN 43) Gesetzestext des § 16 Abs. 3 Satz 2 UmwG ist eine Abwägung zwischen den Interessen der beteiligten Rechtsträger und ihrer Anteilsinhaber am alsbaldigen Wirksamwerden der Verschmelzung und dem Interesse der Anfechtungskläger am Aufschub vorzunehmen (Kallmeyer/Marsch-Barner a.a.O.). Die Eintragung soll auch dann möglich gemacht werden, wenn bei (wahrscheinlich) begründeter Anfechtungsklage die der Gesellschaft durch eine Versagung der Eintragung drohenden Nachteile den Schaden überwiegen, der dem Anfechtungskläger durch eine Eintragung entsteht (BT-Drucksache 15/5092, Seite 29, zu den Freigabekriterien bei "allen Freigabeverfahren"). Hierbei sind sowohl die wirtschaftlichen Gesichtspunkte als auch die geltend gemachten Rechtsverletzungen gegeneinander abzuwägen. Dabei ist auf der Seite der Anfechtungskläger die Schwere der von ihnen behaupteten und nicht offensichtlich unbegründeten Rechtsmängel ausschlaggebend. Für die übrigen Anteilseigner und die beteiligten Rechtsträger stehen die wirtschaftlichen Gesichtspunkte im Vordergrund (BT-Drucks. 12/6699, Seite 89). In die Interessenabwägung sind ohne Beschränkung auf den Verzögerungsschaden auch die Nachteile einzubeziehen, die der Gesellschaft bei einem Erfolg der Anfechtungsklage entstehen (BT-Drucks. 15/5092, Seite 29).

Allerdings konnte hier offen bleiben, ob über den reinen Verzögerungsschaden, d. h. die Nachteile, die allein daraus resultieren, dass die Verschmelzung erst nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptsacheverfahrens wirksam werden kann, auch noch die Wachstumssynergien schlüssig vorgetragen und glaubhaft gemacht sind, die von der Antragstellerin in einer Größenordnung von 1.000.000.000 € behauptet werden (Verschmelzungsbericht Seite 213). Bereits aufgrund des Verzögerungsschadens erachtet der Senat das Eintragungsinteresse für überwiegend.

Bei dieser Abwägung hat der Senat unterstellt, dass die oben unter 2. aufgeführten nicht offensichtlich unbegründeten Rechtsmängel vorliegen (OLG Stuttgart, DB 2003, 33; LG Berlin, Der Konzern 2003, 483 ff., zitiert nach JURIS, dort RN 116), denn es geht hierbei nicht um die Erfolgsaussichten der Unwirksamkeitsklagen (Kallmeyer/Marsch-Barner, a.a.O. § 16 RN 44).

Diese Mängel können zwar einerseits nicht als unbedeutend eingestuft werden. Insbesondere der durch einen Prüfer bestätigte Verschmelzungsbericht (ebenso der Umwandlungsbericht bei Formwechsel, § 192 UmwG) ist ein Kernstück des Minderheitenschutzes im Umwandlungsrecht. Er soll die Anteilsinhaber durch ausführliche Vorabinformation in die Lage versetzen, in Kenntnis aller für das Vorhaben maßgebenden Umstände über die Verschmelzung sachgerecht abzustimmen (Kallmeyer/Marsch-Barner, a.a.O. § 8 RN 1).

Andererseits handelt es sich bei den nicht offensichtlich unbegründeten Rügen hinsichtlich des Verschmelzungsberichts und der Nichtbeantwortung einiger der in der Hauptversammlung gestellten 700 Fragen um sog. formelle Anfechtungsgründe. Diese haben im Rahmen der Abwägung grundsätzlich geringere Bedeutung (Kallmeyer/Marsch-Barner, § 16 RN 44). Die Interessen der klagenden Anteilsinhaber sind vor allem dann weniger bedeutsam, wenn ihre Belange auch nach der Eintragung der Verschmelzung ausreichend geschützt sind (Kallmeyer/Marsch-Barner, a.a.O.). Dies ist hier der Fall. Hierbei handelt es sich um formelle Mängel die gegebenenfalls behebbar wären (vgl. OLG Hamm, AG 2005, 361; OLG Stuttgart ZIP 1997, 75). Der Senat hat weiter berücksichtigt, dass ein bewusstes Zusammenwirken von Vorstand und Hauptaktionärin zur Umgehung der dem Schutze der Aktionäre dienenden Berichtspflichten weder schlüssig vorgetragen, noch ein solcher Plan feststellbar ist.

Wenn der Senat angesichts dessen in der Gesamtabwägung gegenüber den erheblichen wirtschaftliche Nachteilen (siehe oben 3.) dem Wirksamwerden der Verschmelzung den Vorrang gibt, so beruht dies auch auf folgenden Gründen:

4.1. Die X1 könnte sich als Großunternehmen der Telekommunikationsbranche über Jahre hinweg nicht so strukturieren und am Markt ausrichten, wie es die Unternehmensleitung für erforderlich hält.

Sie würde angesichts der rasanten technischen Entwicklungen im IT-Bereich unweigerlich gegenüber den Konkurrenzunternehmen am europäischen und Weltmarkt ins Hintertreffen geraten. Das hätte negative Auswirkungen auf das internationale Ansehen des Unternehmens und auf seinen Aktienkurs, was die Interessen seiner Anteilseigner negativ berührt.

4.2. Diese Folgen würden eintreten, obwohl in der Hauptversammlung eine Aktionärsmehrheit von 99,46 % der Verschmelzung zugestimmt haben.

Die klagenden Antragsgegner hielten zum Zeitpunkt der Hauptversammlung lediglich 0,057 % der Aktien, 24 der 37 Anfechtungskläger hielten jeder für sich weniger als 300 Aktien zu je 1 € vom Grundkapital von 1.223.890.578 €, wie die Antragstellerin durch eidesstattliche Versicherung ihres Mitarbeiters C glaubhaft gemacht hat (Anlage Ast 52). Solche Zahlen über die Quote der Mehrheitszustimmung und der Umfang der Beteiligung der klagenden Aktionäre können in die Abwägung einbezogen werden (Semler/Stengel/Volhard, § 16 RN 38; Kallmeyer/Marsch-Barner, § 16 RN 46, Landgericht Frankfurt, DB 1999, 2304-2305, zitiert nach JURIS).

4.3. Die klagenden Aktionäre der Antragstellerin sind ohne die Möglichkeit, mit Hilfe der Registersperre die von der Mehrheit beschlossene Verschmelzung auf Jahre hin aufzuhalten, nicht in ihren verfassungsmäßigen Rechten als Aktionäre verletzt.

Die Aktie verkörpert als gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum zwar nicht nur ein unter dem Schutz des Art. 14 GG stehendes Vermögensrecht, sondern auch ein Mitgliedschaftsrecht (BVerfGE 14, 263 = NJW 1962, 1667 - ...). Angesichts des herrschenden aktienrechtlichen Mehrheitsprinzips können jedoch Kleinaktionäre auf die Unternehmenspolitik regelmäßig, worauf im Verkaufsprospekt vom 14. April 2000 deutlich hingewiesen wurde, keinen relevanten Einfluss nehmen. Für sie steht nicht die mitgliedschaftliche Beteiligung, sondern die Vermögenskomponente im Vordergrund, die Aktie ist für sie vorwiegend Kapitalanlage (vgl. BGHZ 120, 141, 151).

4.4. Die klagenden Aktionäre der Antragstellerin sind ohne Registersperre wirtschaftlich nicht schlechter gestellt als mit ihr.

Sie müssen von Verfassungs wegen so gestellt werden, wie sie vor der Verschmelzung standen. Die Verschmelzungswertrelation muss so beschaffen sein, dass sie dem Minderheitsaktionär den Verkehrswert seiner bisherigen Aktien sichert. Sie haben im Hinblick auf den Grundrechtschutz des Art. 14 Abs. 1 GG einen Anspruch darauf, das zu erhalten, was ihre gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist (vgl. BVerfGE 14, 263, 281 f.; BVerfG AG 2000, 321, 322). Dies hat bei Zweifeln an der Verschmelzungswertrelation im Spruchverfahren zu geschehen, denn § 15 Abs. 1 UmwG soll verhindern, dass die Aktionäre der übertragenden Gesellschaft, die ihre Mitgliedschaft in dieser verlieren, wirtschaftliche Nachteile erleiden. Bare Zuzahlungen die im Spruchverfahren ausgeurteilt würden, wären zu verzinsen.

Sollten sich die Anfechtungsklagen als begründet erweisen, bestünde ferner ein Schadensersatzanspruch gemäß § 16 Abs. 3 Satz 6 UmwG. Das Argument des Landgerichts, dieser Schadensersatzanspruch sei relativ wertlos, da insbesondere die Höhe nur schwer substantiiert dargelegt werden kann, überzeugt nicht. Wer einen Schaden hat, wird ihn auch darlegen können.

4.5. Es entspricht dem gesetzgeberischen Ziel des § 16 Abs. 3 Satz 2 UmwG, das durch das UMAG bestätigt worden ist, dass durch aktienrechtliche Anfechtungsklagen nicht auf Jahre hinaus die Kompetenzordnung im Unternehmen auf den Kopf gestellt wird. Wie ein Unternehmen am besten zum Erfolg geführt werden soll, soll nicht ein Gericht auf Antrag überstimmter Aktionäre entscheiden, sondern nach dem aktienrechtlichen Mehrheitsprinzip die von der Aktionärsmehrheit ins Amt gebrachte Unternehmensleitung (§ 76 Abs. 1 AktG) unter Kontrolle des - ebenfalls von der Mehrheit dominierten - Aufsichtsrats (§ 111 Abs. 1 AktG) nach eigenem unternehmerischen Ermessen, das die sachgemäße Planung und Durchführung von Maßnahmen unter angemessener Berücksichtigung der Gegebenheiten und Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt ermöglichen muss (BGHZ 125, 239, 246).

III.

1. Die Kosten des Freigabeverfahrens in beiden Instanzen fallen den Antragsgegnern zur Last, weil sie unterlegen sind (§ 91 Abs. 1 ZPO). Sie haften anteilig nach Kopfteilen (§ 100 Abs. 1 ZPO). Die Streithelfer tragen ihre eigenen Auslagen jeweils selbst (§ 101 Abs. 1 ZPO).

2. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen (§ 574 Abs. 3, 2 ZPO).

2.1. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen diese Beschwerdeentscheidung nach § 572 Abs. 4 ZPO kommt in Betracht, wenn das Gesetz die Anfechtung der Entscheidung nicht ausdrücklich ausschließt. Ein solcher Ausschluss ist im Gesetz nicht vorgesehen.

Die Statthaftigkeit der durch das ZPO-Reformgesetz vom 27. Juli 2001 als allgemeiner Rechtsbehelf des Zivilstreitverfahrens eingeführten Rechtsbeschwerde gegen die Beschwerdeentscheidung im Freigabeverfahren ist allerdings umstritten.

In der Literatur wird sie bejaht (Lutter/Bork, § 16 RN 28 ohne weitere Begründung), oder nicht erwähnt (für nach Inkrafttreten der ZPO-Reform erschienene Kommentare: Kallmeyer/Marsch-Barner, § 16 UmwG RN 50; Hüffer, § 319 AktG, RN 20). In der Rechtsprechung ist die Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde bislang offen gelassen (OLG Stuttgart, 20 W 7/05) oder abgelehnt worden (OLG München, AG 2004, 455 - 456, zitiert nach JURIS, dort RN 6 f. für das Freigabeverfahren nach § 327 e AktG i.V. mit § 319 Abs. 5 und 6 AktG). Soweit die Statthaftigkeit abgelehnt wurde, stellt die Begründung darauf ab, dass es sich bei dem Freigabeverfahren um ein summarisches Verfahren handele, das dem einstweiligen Rechtsschutz diene. Die Begrenzung des Instanzenzuges nach § 542 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 574 Abs. 1 ZPO müsse daher auch in diesem Fall gelten (OLG München, a.a.O.).

Der Senat ist der Auffassung, dass § 542 Abs. 2 ZPO weder unmittelbar noch analog auf das im Umwandlungsgesetz geregelte Freigabeverfahren anwendbar ist. Arrest und einstweilige Verfügung dienen der vorläufigen Sicherung, wobei selbst die von der Rechtsprechung zugelassene Leistungsverfügung nur die Grundlage für eine vorläufige Befriedigung des Gläubigers schafft. Das Freigabeverfahren führt hingegen zur endgültigen Überwindung der Registersperre gemäß § 16 Abs. 3 Satz 1 UmwG mit der in § 20 UmwG normierten Folge des endgültigen Wirksamwerdens der Verschmelzung mit der Eintragung in das Handelsregister. Dies ist mit einer vorläufigen, gegebenenfalls zeitlich begrenzten Regelung nicht gleichzusetzen.

Als § 16 Abs. 3 UmwG im Jahre 1994 eingeführt wurde, gab es das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde als allgemeinen Rechtsbehelf der ZPO nicht. Zwar betonte die Gesetzesbegründung das Bedürfnis nach besonderer Beschleunigung des Verfahrens, dem mit Satz 4 dieser Vorschrift Rechnung getragen wurde, wonach die Glaubhaftmachung ausreicht. Mit Satz 5 sollte dieser Beschleunigungsgedanke nach der Begründung verstärkt werden, da gegen den Freigabebeschluss eines Landgerichts nur die sofortige Beschwerde statthaft sein sollte (BT-Drucksache 12/6699, Seite 90). Nach dem Inkrafttreten der ZPO-Reform und damit der Neuregelung des § 574 ZPO mit der Möglichkeit der Zulassung der Rechtsbeschwerde blieb das Umwandlungsgesetz jedoch insoweit unverändert.

Dem Gesetzgeber war bei der Neufassung des UMAG die inzwischen eingeführte Möglichkeit der Rechtsbeschwerde bewusst. Im Gesetzgebungsverfahren wurde der Beschleunigungsgedanke für das neu eingeführte Freigabeverfahren nach § 246a AktG unter Bezugnahme auf § 16 Abs. 3 UmwG betont. Es wird in der Entwurfsbegründung als Rechtsmittel nur die sofortige Beschwerde erwähnt. Ob die Rechtsbeschwerde statthaft ist, wird weder ausgeschlossen noch bejaht. Diese wird nicht erwähnt (vgl. BT-Drucks. 15/5092, Seite 28, 39). Dagegen hat der Gesetzgeber in der Neuregelung des § 148 Abs. 2 Satz 6 AktG die Rechtsbeschwerde ausdrücklich ausgeschlossen. Hieraus schließt der Senat, dass in § 246a AktG bewusst auf einen Ausschluss der Rechtsbeschwerde verzichtet worden ist.

2.2. Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen vor. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Es besteht Anlass zur Rechtsfortbildung. Die inhaltlichen Anforderungen an die Angaben in dem Verschmelzungsbericht, insbesondere auch zu den wesentlichen Angelegenheiten der verbundenen Unternehmen gemäß § 8 Abs. 1 UmwG sind höchstrichterlich nicht geklärt. Der vorliegende Fall gibt Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung dieser Gesetzesbestimmung aufzuzeigen. Dies gilt auch für die Kriterien der nach § 16 Abs. 3 Satz 2 UmwG vorzunehmenden Abwägung.

Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, dass der Rechtsstreit die Interessen der Allgemeinheit in besonderem Maße berührt und deshalb ein Tätigwerden des Bundesgerichtshofs erforderlich macht. Dies ergibt sich insbesondere aus dem wirtschaftlichen Auswirkungen der Sache auf die Allgemeinheit. Das Verfahren zeigt modellhaft eine Fülle von Rechtsfragen auf, denen eine über den einzelnen Fall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zukommt (BGH NJW 2003, 65, 68).

3. Der Beschwerdewert folgt dem Gegenstandswert erster Instanz.

Ende der Entscheidung

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