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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 27.01.2005
Aktenzeichen: 14 U 104/04
Rechtsgebiete: VVG


Vorschriften:

VVG § 6
Zur Leistungsfreiheit des Gebäudeversicherers bei einer Obliegenheitspflichtverletzung des Versicherungsnehmers (hier: mangels Kontrolle ausgefallene Heizung).
Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Entschädigungsansprüche aus einer Gebäudeversicherung gegen Leitungswasserschäden geltend. Versichert sind die Gaststättenräume und die darüber gelegene Privatwohnung. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen -Leitungswasser - Gebäude und Inhalt (SV-LW 2001 E) zugrunde. Hier heißt es in § 7 Nr.1 c:

"Der Versicherungsnehmer hat während der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Gebäudeteile genügend zu beheizen und genügend häufig zu kontrollieren oder dort alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen abzusperren, zu entleeren und entleert zuhalten".

Am 04.01.2003 fuhr die Klägerin mit ihrem Ehemann in Urlaub. Während der Abwesenheit der Klägerin wurde die Gaststätte nicht betrieben und niemand hatte die Möglichkeit, das Gebäude mittels eines Schlüssels zu betreten. Am 04.01.2003 herrschten Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt, ab dem 05.01.2003 traten Minustemperaturen auf, die am 08.01. 2003 mit -16°C ihren Höhepunkt erreichten, noch am 09.01. 2003 herrschten Minustemperaturen von -8° C bis -14° C, am 10.04. 2003 noch von -4,8° C bis -13° C. Nach ihrer Rückkehr aus dem Urlaub stellte die Klägerin am 10.01.2003 fest, dass die Heizung ausgefallen war. Die wasserführenden Leitungen und Rohre waren geplatzt und es war erheblicher Sachschaden entstanden. Die Klägerin meldete den Schaden am 10.01.2003. Noch am selben Tag nahm der Außendienstmitarbeiter A der Beklagten den Schaden in Augenschein. Am 15.01.2003 besichtigte ein Schadensregulierer der Beklagten den Schaden. Die Beklagte lehnte die Regulierung des Schadens mit Schreiben vom 21.01.2003 ab, berief sich auf eine Obliegenheitsverletzung durch die Klägerin, weil die Heizung nicht hinreichend häufig kontrolliert worden sei und kündigte den Versicherungsvertrag.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe die Wasserzufuhr abgestellt und die Heizung auf Stufe 2 von 7 Stufen laufen lassen. Außerdem habe sie einen Nachbarn beauftragt, auf das Gebäude zu achten. Die Heizung müsse zwischen dem 08. und 10.01.2003 ausgefallen sein. Die Heizung sei erst zwei Jahre alt, arbeite vollautomatisch und kontrolliere sich damit selbst. Sie habe bis dahin immer ordnungsgemäß funktioniert.

Außerdem habe der Mitarbeiter A für die Beklagte am 10.01.2003 zugesagt, dass der Schaden von der Beklagten getragen werde. Deshalb sei sie davon ausgegangen, dass der Eintritt der Beklagten für den Schaden bereits abgeklärt sei und ihr die Auszahlung der Versicherungsleistung zugesagt werde.

Die Beklagte hat bestritten, dass die Heizung während der Abwesenheit der Klägerin überhaupt in Betrieb gewesen sei. Sie hat außerdem behauptet, gegenüber ihrem Regulierungsbeauftragten sei erklärt worden, dass zwischen dem 03. und 10.01 2003 die Heizung überhaupt nicht kontrolliert worden sei. Das Ausmaß der am 10.01.2003 festgestellten Schäden lasse es auch ausgeschlossen erscheinen, dass die Heizung am 08. oder 09.01.2003 noch gelaufen sei, denn alle Leitungen im 1.Obergeschoss und Dachgeschoss seien aufgefroren gewesen, ebenfalls die Gastherme, die Spülmaschine und zwei Durchlauferhitzer. Die Klägerin habe keinerlei Kontrollen veranlasst.

Das Landgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte sei nicht leistungsfrei geworden. Zwar sei das Gebäude während der Abwesenheit der Klägerin nicht genügend beheizt worden und es sei auch nicht kontrolliert worden. Diese Obliegenheitsverletzungen beruhten aber weder auf Vorsatz noch auf grober Fahrlässigkeit. Es habe sich nämlich der Klägerin nicht aufdrängen müssen, dass die Heizungsanlage während ihrer Abwesenheit aufgrund eines technischen Defekts ausfallen könne. Nach der Aussage des Zeugen Z sei die Heizungsanlage bis zum Schadensfall nie ausgefallen. Sie sei auf Dauerbetrieb in der Stufe 2 gestellt gewesen. Außerdem seien die Heizkörper mit automatischen Temperaturreglern versehen gewesen. Die Obliegenheitsverletzung der Klägerin sei deshalb nicht grob fahrlässig.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, auch bei einer modernen vollautomatischen Heizung sei die Einhaltung von Plus-Temperaturen nur gewährleistet, wenn die Heizung tatsächlich laufe. Gerade um das sicherzustellen, seien die Kontrollen erforderlich, die bei den im fraglichen Zeitraum herrschenden Minustemperaturen und bei einer Einstellung der Heizung auf Stufe 2 und der Heizkörperthermostate auf nur 5° C wegen der Gefahr des schnellen Einfrierens wasserführender Leitungen besonders engmaschig hätten sein müssen. Das Unterlassen jeglicher Kontrolle sei deshalb grob fahrlässig gewesen.

Sie beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und meint, die Sicherheitsvorschrift des § 7 Nr.1 c der Leitungswasser-Versicherungsbedingungen sei nicht anwendbar, weil das Gebäude nicht ungenutzt gewesen sei, denn die Klägerin sei nur kurzzeitig abwesend gewesen. Jedenfalls aber sei das Unterlassen von Kontrollen bei einer bisher störungsfrei gelaufenen Heizungsanlage nicht grob fahrlässig gewesen, weil die Klägerin nur sieben Tage abwesend gewesen sei. Bei einer so kurzen Abwesenheit müsse überhaupt keine Kontrolle erfolgen.

II.

Die Berufung ist zulässig, weil sie insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Versicherungsschutz aus der Leitungswasserversicherung wegen des aufgrund der eingefrorenen Heizung im Januar 2003 eingetretenen Schadens.

Die Beklagte ist von der Verpflichtung zur Leistung frei, weil die Klägerin eine vor Eintritt des Versicherungsfalles zu erfüllende Obliegenheit grob fahrlässig verletzt hat.

Die Sicherheitsvorschriften des § 7 der SV-LW 2001 E sind Obliegenheiten. Nach § 7 Nr. 1 c) SV-LW 2001 E ist der Versicherungsnehmer verpflichtet, in der kalten Jahreszeit das Gebäude zu beheizen und dies genügend häufig zu kontrollieren oder dort alle wasserführenden Einrichtungen zu entleeren. Es kommt also nicht darauf an, ob das Gebäude genutzt oder bewohnt wird. Im Winter ist jedes Gebäude zu beheizen und die Heizung genügend häufig zu kontrollieren. Wenn das Gebäude ständig bewohnt wird, findet diese Kontrolle ohnehin statt, weil der Ausfall der Heizung sich durch unangenehme Kälte rechtzeitig bemerkbar macht. Wenn sich aber längere Zeit niemand in dem Gebäude aufhält, ist eine regelmäßige Kontrolle des Funktionierens der Heizung erforderlich.

Eine mangels Kontrolle ausgefallene Heizung verstößt objektiv gegen die Obliegenheit. Objektiv ist die Obliegenheit verletzt, sobald die Heizung ausfällt, weil das Gebäude dann nicht mehr beheizt wird (vgl. Martin, Sachversicherungsrecht, 3. Auflage, M I 71 und 75). Die objektive Verletzung der Obliegenheit begründet gleichzeitig auch den Schuldvorwurf. Nach § 6 I VVG ist der Entschuldigungsbeweis Sache des Versicherungsnehmers. Das bedeutet, dass die Klägerin sich vom zunächst vermuteten schwereren Verschulden (Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit) bei der Nichterfüllung der Obliegenheit entlasten muss. Die von der Klägerin vorgetragenen und die unstreitigen Umstände ergeben jedoch nichts, was die Klägerin vom Vorwurf des groben Verschuldens entlasten könnte. Nach § 7 Ziffer 1. c) SV-LW 2001 E muss die Beheizung des Gebäudes in der kalten Jahreszeit genügend häufig kontrolliert werden. Dafür, dass dies geschah, war die Klägerin verantwortlich. Der Zweck dieser Sicherheitsvorschrift ist die Vermeidung von Leitungswasserschäden durch Frost. An diesem Zweck müssen sich die zu ergreifenden Maßnahmen orientieren. Es reichte deshalb nicht aus, die Heizung auf Stufe 2 in Betrieb zu halten und dafür zu sorgen, dass die Temperaturregler der Heizkörper auf mindestens 5°C Raumtemperatur eingestellt waren. Um ein Einfrieren der Heizung zu vermeiden, war nämlich bei den zu erwartenden Minustemperaturen - bereits am 04.01.2003 herrschten Tagestemperaturen knapp über dem Gefrierpunkt und ab dem 05.01.2003 setzte strenger Frost ein, was die Klägerin bereits bei ihrer Abreise dem Wetterbericht hätte entnehmen können -eine engmaschige Kontrolle des Funktionierens der Heizung erforderlich, um einen unerwarteten, aber jederzeit möglichen Ausfall der Heizung rechtzeitig festzustellen. Die Klägerin hatte sicher zu stellen, dass nach einem Heizungsausfall ein Einfrieren der Heizung zuverlässig verhindert wurde. Bei Minustemperaturen auch tagsüber waren verstärkte Kontrollen notwendig, unter den hier gegebenen Umständen sogar täglich. Denn die Heizung war so niedrig eingestellt worden, dass bei einem Ausfall mit einem schnellen Einfrieren gerechnet werden musste, zumal, wie die Klägerin vorgetragen hat, der Heizungsraum besonders der Kälte ausgesetzt ist und einige Heizungsrohre ungedämmt an einer Außenwand verlaufen. Auch die Tatsache, dass die Heizungsanlage nach der Aussage des Zeugen Z erst drei Jahre alt war, vollautomatisch funktioniert und bisher niemals ausgefallen war, entlastet die Klägerin nicht vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit. Denn auch neuwertige Heizungen, gerade wenn sie mit zahlreichen elektronischen Bauteilen funktionieren, können ausfallen. Es reicht deshalb nicht aus, die Heizung lediglich auf niedriger Stufe in Betrieb zu halten, wenn bei drohendem strengen Frost eine Abwesenheit von sieben Tagen geplant ist. Die Sicherheitsvorschrift des § 7 Nr. 1 c) SV-LW 2001 E ist schon dann grob fahrlässig verletzt, wenn nicht durch eine ausreichende Kontrolle sichergestellt ist, dass das Wasser in der Heizungsanlage nicht einfrieren kann. Die Umstände des vorliegenden Falles geben keinen Anlass, das Verschulden der Klägerin in milderem Lichte zu sehen, vielmehr begründet hier das Unterlassen jeglicher Kontrolle den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit, weil bei der bevorstehenden Kältewelle vorhersehbar war, dass es bei einem plötzlichen Ausfall der Heizung binnen kurzer Zeit zu einem Frostschaden kommen würde. Es lag deshalb auf der Hand und musste jedermann einleuchten, dass eine Kontrolle des Funktionierens der Heizung in kurzen Abständen erforderlich war. Wenn die Klägerin eine solche Kontrolle nicht sicherstellte, ist darin auch ein subjektiv vorwerfbarer besonders schwerer Verstoß gegen die verkehrserforderliche Sorgfalt zu sehen, weil sie ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat, die sich unter den gegebenen Umständen aufdrängen mussten.

Den Beweis, dass die Verletzung der vereinbarten Sicherheitsvorschriften keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalls oder den Umfang des Schadens gehabt hat (§ 6 II VVG), hat die Klägerin nicht geführt. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass bei ausreichend häufigen Kontrollen zwischen dem 05. und dem 10.01.2003 der Ausfall der Heizung bemerkt worden wäre, bevor der Frostschaden eingetreten war.

Da die Beklagte auch fristgerecht den Versicherungsvertrag unter Berufung auf die Obliegenheitsverletzung gekündigt hat, ist sie von der Verpflichtung zur Leistung frei.

Die Klägerin kann auch keine Ansprüche aus einer etwaigen Erklärung des Mitarbeiters der Beklagten herleiten, der Schaden werde von der Beklagten getragen. Denn eine solche noch am Tag der Schadensmeldung von einem Mitarbeiter, der - der Klägerin bekannt - im Außendienst der Beklagten tätig ist, abgegebene Erklärung kann nicht einmal als deklaratorisches Schuldanerkenntnis verstanden werden. Bei dem hier schon am 10.01.2003 erkennbaren Umfang des Schadens und angesichts der noch völlig ungeklärten Umstände der Entstehung des Schadens konnte die Klägerin eine Äußerung eines kurzfristig zur ersten Orientierung über die örtliche Situation erschienenen Mitarbeiters, die Beklagte werde den Schaden regulieren, nicht als eine Erklärung verstehen, mit der die Beklagte sich hinsichtlich ihrer Eintrittspflicht bereits endgültig binden wollte. Es ist der Beklagten deshalb nicht aus dem Gesichtspunkt eines deklaratorischen Anerkenntnisses verwehrt, sich auf die Obliegenheitsverletzung der Klägerin zu berufen.

Auf die Berufung der Beklagten war deshalb das Grundurteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht und als Einzelfallentscheidung auch keine grundsätzliche Bedeutung hat.

Ende der Entscheidung

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