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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 04.12.2008
Aktenzeichen: 15 U 132/02
Rechtsgebiete: KO


Vorschriften:

KO § 82
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von den Beklagten als Rechtsnachfolgern ihres verstorbenen Sozius Rechtsanwalt B Schadensersatz wegen dessen früherer Tätigkeit als Verwalter in dem Konkursverfahren über das Vermögen des X2, Inhaber der Fa. X2 ...fabrik.

Der Betrieb des Gemeinschuldners war Teil einer Unternehmensgruppe, zu der auch eine Fa. X1 GmbH und Co. KG und eine XY ... GmbH (im folgenden XY GmbH) gehörte. Die GmbH und Co. KG war ebenfalls in Konkurs gefallen und RA B als Konkursverwalter bestellt, nicht aber die XY GmbH. RA B führte nach Eröffnung der Konkursverfahren mit Hilfe von Massekrediten der Gläubigerbanken die Unternehmen zunächst fort, indem wie zuvor die XY GmbH als Vertriebsgesellschaft fungierte, an welche die von den Gemeinschuldnern gefertigten sog. Warendisplays (Verkaufsständer) veräußert wurden.

Nachdem die Idee eines Zwangsvergleichs und andere Konzepte einer Erhaltung der Unternehmen gescheitert waren, verpachtete der Konkursverwalter die Unternehmen mit Wirkung zum 1.1.2000 an die XY GmbH. Er veräußerte ferner den gesamten Warenbestand und das Umlaufvermögen (vgl. III. des Pachtvertrages Bd. I Bl. 81 d.A.). Unter dem Datum des 3. Februar 2000 teilte RA B dies der Klägerin mit, welche die Gemeinschuldnerin Fa. X2 auch auf Bestellungen des Konkursverwalters mit zur Herstellung der Verkaufsständer verwendeten Eisendraht beliefert hatte. Er sagte in seinem Schreiben (Bd. II Bl. 50 d.A.) zu, dass die der Konkursverwaltung aus dem Vertrag zufließenden Mittel dem "sukzessiven Ausgleich der durch die Betriebsfortführung begründeten Masseverbindlichkeiten" dienen würden. In der Folgezeit kam die XY GmbH nur zögerlich und nicht in dem vom Konkursverwalter erwarteten Umfang ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem Vertrag nach. Deswegen wurden Stundungsverhandlungen mit den Lieferanten, auch der Klägerin, geführt. Nachdem aber RA B schwer erkrankte und in der Folge als Konkursverwalter abgelöst wurde, teilte sein Nachfolger RA C alsbald mit, dass Masseunzulänglichkeit bestünde, vgl. Schreiben vom 3.4.2000 (Bd. II Bl. 91 d.A.).

Die Klägerin hält die Rechtsnachfolger des Konkursverwalters für verpflichtet, die ihr gegenüber aufgrund einer Bestellung vom 28. September 1999 begründeten Verbindlichkeiten in einer unstreitigen Höhe von insgesamt 25.892,59 DM zu begleichen, da dies vom Konkursverwalter auch zugesagt worden sei. Es bestünde aber auch eine Haftung auf Schadensersatz, weil RA B seine Pflichten als Konkursverwalter verletzt habe. So habe er die Masse durch unzulässige "Transferzahlungen" aus der Konkursmasse der Einzelfirma an die KG geschädigt. Zudem habe er den Betrieb nicht fortführen dürfen, weil abzusehen gewesen sei, dass die Masseverbindlichkeiten nicht würden beglichen werden können.

Das Landgericht hat in dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand zur Darstellung der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, die Beklagten zur Leistung des begehrten Schadensersatzes verurteilt, nachdem es - gestützt auf ein Gutachten des Sachverständigen SV2 - feststellt, RA B habe es fahrlässig unterlassen, die wirtschaftliche Situation der XY GmbH zu analysieren. Jedenfalls hätten die Beklagten nicht nachgewiesen, dass RA B keinen berechtigten Anlass hatte anzunehmen, die zur Fortführung des Unternehmens eingegangenen Masseverbindlichkeiten seien von der Konkursmasse nicht gedeckt.

Die Beklagten haben gegen das ihnen am 18. Juni 2002 zugestellte Urteil des Landgerichts am 12. Juli 2002 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 19. August 2002 begründet.

Sie rügen, dass das Landgericht sich nicht hinreichend mit Einwendungen gegen die Ausführungen des Sachverständigen auseinandergesetzt habe und wiederholen und vertiefen ihre bereits in erster Instanz vertretene Auffassung, der Konkursverwalter habe vom Erfolg des Verpachtungsmodells ausgehen dürfen. Erst eine zum Zeitpunkt der Erteilung der Aufträge an die Klägerin nicht erkennbare schlechte wirtschaftliche Entwicklung habe verhindert, dass alle Masseverbindlichkeiten hätten bedient werden können. Zuvor hätte sich der Konkursverwalter auf - eine Unternehmensfortführung bejahende - betriebswirtschaftliche Gutachten sowie die Bereitschaft der Gläubigerbanken stützen dürfen, das sog. Pachtmodell durch Stundung von Krediten durchführbar zu machen. Das Landgericht habe überdies die Beweislast verkannt. Die Beklagten stützen sich im zweiten Rechtszug ferner auf die von ihnen erhobene Einrede der Verjährung.

Die Beklagten beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

Nach entsprechendem Hinweis des Senats darauf, dass mit dem Vorwurf unterschiedlicher Pflichtverletzungen des Konkursverwalters unterschiedliche Streitgegenstände verfolgt werden, hat die Klägerin klargestellt, dass sie ihre Klage in erster Linie auf den Vorwurf der Vornahme der sog. Transferzahlungen und der hierdurch erfolgten Verkürzung der Konkursmasse sowie einer ungleichen Behandlung der Massegläubiger verfolgt und hilfsweise in Verfolgung ihres negativen Interesses ihre Klage darauf stützt, dass der Konkursverwalter bei pflichtgemäßer Sorgfalt die Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin nicht hätte begründen dürfen. Im Übrigen verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihrer erstinstanzlich vorgetragenen Argumente.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines betriebswirtschaftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Kfm. SV1. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten und dessen mündliche Erläuterung vor dem Senat (Niederschrift der Sitzung vom 14. August 2008) verwiesen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat in der Sache nur teilweise insoweit Erfolg als eine Haftung des verstorbenen Konkursverwalters besteht, die Klägerin so zu stellen, als wäre er die streitgegenständlichen Lieferverbindlichkeiten gegenüber der Klägerin nicht eingegangen.

Dem von der Klägerin verfolgten Hauptbegehren war nicht stattzugeben.

Soweit die Klägerin eine Haftung des Beklagten - insbesondere nach ihrem Vortrag in erster Instanz - aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB wegen Eingehungsbetruges oder aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 246 StGB wegen Unterschlagung herleiten will, geschieht dies ohne Substanz. Es fehlt an jeglicher tatsächlicher Grundlage für die Annahme eines nach diesen Vorschriften erforderlichen Vorsatzes des Konkursverwalters. Ebenfalls nur unsubstantiiert trägt die Klägerin vor, der Konkursverwalter habe bei den Vertragsverhandlungen persönliches Vertrauen in Anspruch genommen. Dazu genügt eine allgemein gehaltene Aussage gegenüber Lieferanten und Gläubigern, die Zahlung aller Leistungen sei gesichert oder ähnliche unverbindliche Wendungen nicht. Vielmehr setzt eine persönliche Haftungsübernahme voraus, dass der Insolvenzverwalter klar zum Ausdruck bringt, er wolle eine über eine persönliche Haftung hinausgehende Einstandspflicht übernehmen (BGHZ 159, 104; BGH WM 1989, 1904, 1908). Dies kann dem Vortrag der Klägerin nicht entnommen werden.

Ein Ersatzanspruch der Klägerin auf der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage von § 82 KO a.F. besteht nicht, soweit sie auf der Grundlage des mit ihrem Hauptantrag verfolgten Vorwurfes an den Konkursverwalter, er habe durch die von ihm vorgenommenen "Transferzahlungen" an die weitere Gemeinschuldnerin die Masse unzulässig verkürzt. Wird durch ein pflichtwidriges Verhalten des Konkursverwalters die Masse geschmälert, handelt es sich um einen Schaden, welcher der Gemeinschaft der (Alt) Gläubiger zur Last fällt (BGHZ 113, 262, 279; 126, 181, 190; 138, 211, 214) und durch Zahlung in die Konkursmasse auszugleichen ist (BGHZ 126, 181, 190). Grundsätzlich ist anerkannt, dass ein derartiger Gemeinschaftsschaden nicht durch einen einzelnen der davon betroffenen Masse- oder Konkursgläubiger eingeklagt werden kann. Dies wäre mit dem Grundsatz der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nicht zu vereinbaren. Das der Gemeinschaft zugewiesene Verwaltungs- und Verwertungsrecht steht dem Konkursverwalter zu, so dass es durch einen Sonderverwalter oder einen neu bestellten Verwalter ausgeübt werden muss (RGZ 78, 186, 188; 89, 237, 240; 142, 184, 188; BGH, Urt. v. 5. Oktober 1989 - IX ZR 233/87, WM 1989, 1781, 1784; v. 28. Oktober 1993 - IX ZR 21/93, NJW 1994, 323; OLG München ZIP 1987, 656, 657; ebenso Jaeger/Weber KO 8. Aufl. § 82 Rn. 11: Kuhn/Uhlenbruck, KO 11. Aufl. § 82 Rn. 5; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 82 KO Anm. 4; Gerhardt EWiR 1987, 703, 704).

Allerdings wird, wenn der Konkursverwalter pflichtwidrig die Masse verkürzt, dadurch regelmäßig zugleich die Dividende (Quote) eines jeden Konkursgläubigers geschmälert. Der Gemeinschaftsschaden führt mithin auch zu Quotenschäden. Dabei handelt es sich um Einzelschäden. Die Ansprüche der Gläubiger auf Ersatz dieser Schäden und der Anspruch auf Ersatz des Gemeinschaftsschadens sind unterschiedliche Ansprüche (BGH, Urt. v. 5. Oktober 1989 aaO S. 1784). Der Anspruch auf Ersatz des Quotenschadens steht jedem an der Verteilung der Masse teilnehmenden Konkursgläubiger selbst und nicht der Gemeinschaft der Konkursgläubiger als solcher zu (BGH, Urt. v. 22. Februar 1973 - VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198). Ein solcher Schaden aber kann auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens nicht festgestellt werden, da Voraussetzung hierfür wäre, dass die Klägerin die entsprechende Verminderung ihrer Quote darlegt. Das ist nicht geschehen.

Die Klägerin hat gegen die Beklagten, die als Erben des verstorbenen Konkursverwalters B haften, aber einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 82 KO a.F. auf der Grundlage des Vorwurfs, der Konkursverwalter habe das Unternehmen zum Zeitpunkt der Bestellungen bei der Klägerin nicht mehr fortführen dürfen.

Nach § 82 der Konkursordnung, die auf den vorliegenden, Handlungen des Konkursverwalters aus den Jahren 1994 bis 1999 betreffenden Rechtsstreit anzuwenden ist, ist der Konkursverwalter einem Beteiligten gegenüber nur dann verantwortlich, wenn er ihm gegenüber Pflichten verletzt, die sich aus der Konkursordnung ergeben, also konkursspezifisch sind. Dazu gehören nicht Pflichten, die dem Verwalter wie jedem Vertreter fremder Interessen gegenüber seinem Geschäftspartner bei oder nach Vertragsschluss obliegen. Da nicht nur eine Liquidation, sondern auch eine Betriebsfortführung als vom Konkurszwecke gedeckt anzusehen ist, ist es nach der neueren Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nicht mehr als Pflichtverletzung anzusehen, wenn Masseansprüche begründet werden, obwohl ihre Befriedigung nicht unter allen Umständen gesichert ist (so noch die frühere Rechtsprechung vgl. BGHZ 93, 278 mwN). Auch dann, wenn der Konkursverwalter nicht sicher sein kann, dass künftige Massegläubiger voll befriedigt werden können, aber Aussicht besteht, die Masseverbindlichkeiten zu tilgen, die notwendig dann entstehen, wenn der Betrieb etwa bis zu einer geplanten Veräußerung fortgeführt werden soll, ist die Begründung von Masseverbindlichkeiten nicht pflichtwidrig. Es erscheint in solchen Fällen unbillig, dass der Konkursverwalter das Risiko des Scheiterns allein tragen soll und den Massegläubigern ihren etwaigen Ausfall als Schaden nach § 82 KO ersetzen muss. Gelingt der einer Fortführung zugrundeliegende Plan, etwa eine übertragende Sanierung in die Wege zu leiten, nicht und können deshalb die Masseschulden und -kosten nicht voll getilgt werden, ist eine Haftung des Konkursverwalters in der Regel nicht gerechtfertigt (Brandes, Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Insolvenzrecht, 2. Aufl. Rn. 405).

Der Konkursverwalter ist aber dann verpflichtet, das Unternehmen des Gemeinschuldners nicht fortzuführen, sondern zu liquidieren, sobald feststeht, dass der Verwalter die bei einer Fortführung des Unternehmens entstehenden Masseverbindlichkeiten nicht werde tilgen können, weil der Betrieb nicht wenigstens seinen Aufwand erwirtschaftet und die vorhandene Masse zur Deckung nicht ausreicht. Hat der Konkursverwalter dies erkannt oder bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, so haftet er nach § 82 KO für die gleichwohl begründeten Masseschulden (BGHZ 99, 151, 156; BGH NJW RR 1990, 94).

Der Senat ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass Rechtsanwalt B als Konkursverwalter zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Bestellungen den dargestellten Pflichten als Konkursverwalter entsprechend die Fortführung des Unternehmens hätte einstellen müssen und keine weiteren Masseverbindlichkeiten hätte eingehen dürfen.

Diese Feststellung gründet sich maßgeblich auf die Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Kfm. SV1. Dieser hat zunächst in überzeugender Weise auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen, die von ihm im Einzelnen in seinem schriftlichen Gutachten dargestellt worden sind, festgestellt, dass die Entwicklung der Ertragslage der Einzelfirma X2 in den Jahren 1996 bis 1999 defizitär war und erhebliche Verluste angehäuft wurden. In der auf S.17 seines Gutachtens erstellten Tabelle zeigt sich insoweit durchweg für diese Jahre ein erheblicher negativer Jahresüberschuss, in den Jahren 1996 bis 1998 jeweils Beträge von über 1 Mio. DM, im Jahre 1999 auf der Grundlage einer vorläufigen betriebswirtschaftlichen Auswertung - ein Jahresabschluss wurde nicht mehr erstellt - ein negativer Ertrag von 254.425,93 DM. In gleicher Weise negativ ist auch die Entwicklung der Ertragslage der X1 GmbH und Co. KG i.K. vom Sachverständigen bewertet worden. Diesbezüglich ergeben sich negative Jahresüberschüsse von 1.291.762,82 DM (1996), 551.230,25 DM (1997 und 834.451,15 DM (1998), die vom Sachverständigen auf S.22 seines Gutachtens dargestellt werden. Auf die dortige tabellarische Zusammenstellung der aus den Jahresabschlüssen bzw. betriebswirtschaftlichen Auswertungen übernommenen Zahlen wird verwiesen. Diese negative Einschätzung der wirtschaftlichen Situation der beiden in Konkurs befindlichen Unternehmen deckt sich auch mit den Ausführungen des im ersten Rechtszug tätig gewesenen Sachverständigen Dipl. Kfm. SV2. Er hat in seinem schriftlichen Gutachten (S. 12) zusammenfassend erklärt, dass die Einzelfirma nach dem Erkenntnisstand von November und Dezember 1999 zahlungsunfähig war, weil sich aus der Gegenüberstellung kurzfristig realisierbarer Vermögensgegenstände und kurzfristig fälliger Schulden eine Unterdeckung von 662.000 DM ergab.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Kfm. SV1 auch keine positive Fortführungsprognose, wenn man die vom Konkursverwalter als Lösung der von ihm in seinem "Strategiepapier" vom 25. August 1999 (Bd. I Bl. 200 ff. d.A.) selbst als kritisch bezeichneten Lage der beiden in Konkurs befindlichen Unternehmen beabsichtigte "Pachtvertragslösung" berücksichtigt. Nach den Vorstellungen des Konkursverwalters sollte die für Investitionen dringend benötigte Liquidität durch eine Verpachtung der Betriebsstätten an die XY GmbH (XY) erreicht werden. Der beabsichtigte Vertrag (Bd. Bl. 73 d.A.) sah vor, dass die XY die Betriebsstätten pachtet und den Warenbestand und das Vorratsvermögen ankauft. Durch Pachtzins und Kaufpreis sollte nach den Berechnungen des Konkursverwalters, wie sie in seinem "Strategiepapier" dargestellt sind, eine positive Fortführung der in Konkurs befindlichen Unternehmen ermöglicht werden. Diese Einschätzung des Konkursverwalters setzte, wie unmittelbar einleuchtet und von beiden Sachverständigen betont wird, voraus, dass die XY in der Lage war, den durch den Vertrag eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen.

Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Dipl. Kfm. SV1 war aber die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der XY nicht gegeben. Hierzu hat der Sachverständige überzeugend auf der Grundlage der von ihm dargestellten Bilanzzahlen herausgearbeitet, dass auch die mit den in Konkurs befindlichen Unternehmen zusammenarbeitende Vertriebsgesellschaft chronisch defizitär gearbeitet hat. Auf Grund der permanenten Verluste wies die Gesellschaft zu allen betrachteten Bilanztagen (ab 31.12.1995) einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag auf. Auf der Grundlage dieser Ausführungen kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass auch im Hinblick auf die noch nicht in Konkurs befindliche XY bereits ab Frühjahr 1996 eine negative Fortbestehensprognose hätte gestellt werden müssen. Da ferner nach dem Pachtmodell vorgesehen war, dass die an sich selbst unrentable XY ab dem 1.1.2000 noch zusätzlich den erheblich defizitären Geschäftsbetrieb der beiden anderen Unternehmen fortführen sollte, ohne dass aber die Ursachen hierfür - nämlich nach den Feststellungen des Sachverständigen eine nicht kostendeckende Produktion infolge veralteter und unproduktiver technischer Anlagen sowie der ineffektiven Aufspaltung der Produktion an zwei Standorten (vgl. S.45 des Gutachtens) - beseitigt würden, bestand keine hinreichende Aussicht, dass die XY die notwendige Finanzkraft haben würde, um die über einen Zeitraum von fünf Jahren zugesagten Zahlungen würde leisten können.

Die Einwendungen der Beklagten gegen die Darlegungen des Sachverständigen überzeugen nicht.

So können sich die Beklagten nicht darauf berufen, dass nach Gutachten der A und der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Z sowie der Einschätzung des Gläubigerausschusses eine Unternehmensfortführung erfolgversprechend beurteilt wurde. Dieser Einwand geht schon im Grundsatz an der den Konkursverwalter treffenden Pflichtverletzung vorbei, denn die grundsätzliche Entscheidung, das Untenehmen zunächst fortzuführen, steht nicht in Frage. Entscheidend ist vielmehr, dass auch im Fall einer zunächst zulässigen Fortführung dann eine Liquidation zu erfolgen hat, wenn sich ergibt, dass der Betrieb seinen Aufwand nicht erwirtschaftet. Hierzu verhalten sich die genannten Gutachten nicht. Auch eine etwaige stets aktualisierte Zustimmung des Gläubigerausschusses würde den Konkursverwalter nicht entlasten können. Seine Pflichten gegenüber den Beteiligten des Konkursverfahrens nach § 82 KO bestehen unabhängig von den Entscheidungen des Gläubigerausschusses.

Eine positive Fortführung der Konkursunternehmen durch das angedachte Pachtmodell konnte jedenfalls zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Bestellungen bei der Klägerin auch nicht deswegen angenommen werden, weil nach Darstellung der Beklagten die beteiligten Kreditinstitute bereit waren, unter der Voraussetzung des Abschlusses des Pachtvertrages die Kredite zu verlängern. Wie der Senat bereits im Hinweisbeschluss vom 11. Januar 2005 ausgeführt hat, ist das Vorbringen der Beklagten zu dem Verhalten der Banken unsubstantiiert. Entscheidend ist für die vom Konkursverwalter zu jenem Zeitpunkt zu stellende Frage, ob er weitere Masseverbindlichkeiten eingehen durfte, nicht, ob eine allgemein gehaltene Bereitschaftserklärung der Banken zur Unterstützung des Pachtmodells vorlag, sondern ob konkrete, rechtlich bindende Vereinbarungen bestanden, die es ihm erlaubten, die Massekredite nicht in den von ihm zu erstellenden Liquiditätsstaus aufzunehmen. Im Ergebnis gleiches gilt für die behauptete Zusage der Banken, bei einer Durchführung des Pachtvertrages auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche aus den Baudarlehen, für welche die XY bürgte, zunächst zu verzichten. Selbst wenn man davon ausgeht, dass solche Zusagen der Banken in einer Weise geäußert wurden, dass sie auch zu entsprechenden rechtlich verbindlichen Vereinbarungen führen würden, musste der Konkursverwalter in eigener Verantwortung prüfen, ob die XY als Vertragspartner über hinreichende Finanz- und Ertragskraft verfügte, um das Pachtmodell zum Erfolg zu bringen. Eine solche Situation aber war nicht gegeben, wie der Sachverständige vor dem Senat im Hinblick auf diese Einwendungen der Beklagten mündlich erläutert hat. Vielmehr änderte eine solche Bereitschaft der Banken an der zum damaligen Zeitpunkt nach den Ausführungen des Sachverständigen bereits bestehenden Insolvenzreife der XY nichts. Auch die nach Darstellung der Beklagten bereits damals in Aussicht gestellte Zusage durch die Ehefrau des Gemeinschuldners, der XY Eigenkapital zuzuführen, wie dies später im Jahre 2000 auch geschehen ist, durfte den Konkursverwalter nicht zu einer insgesamt positiven Fortführungsprognose verleiten. Auch insoweit käme eine Berücksichtigung nur in Betracht, wenn eine rechtlich verbindliche Zusage vorgelegen hätte, wofür nichts ersichtlich ist. Zudem war nicht ersichtlich, dass durch die Zurverfügungstellung weiteren Eigenkapitals in der angedachten Höhe von 950.000 DM mehr hätte erreicht werden können, als eine kurzfristige Beseitigung der Überschuldung der XY. Die vom Sachverständigen dargestellten Probleme eines rentablen Betriebes konnten hierdurch nicht beseitigt werden, weil sie auf strukturellen Problemen beruhten, die durch Zurverfügungstellung von Eigenkapital nur in einer Höhe, die kurzfristig eine rechnerisch bestehende Überschuldung beseitigte, nicht gelöst werden konnten.

Letztlich überzeugen auch nicht die Rügen der Beklagten, der Sachverständige habe bei seinem Gutachten unzulässigerweise eine ex post Betrachtung vorgenommen und nicht berücksichtigt, dass die Frage der Pflichtverletzung des Konkursverwalters aus seiner ex ante Sicht zum Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeiten vorzunehmen ist. Bei unbefangener Bewertung des schriftlichen Gutachtens und der mündlichen Erläuterungen des Sachverständigen trifft dieser Vorwurf nicht zu. Allerdings hat der Sachverständige in seinem Gutachten auch Erkenntnisse aus dem späteren Konkursverfahren über das Vermögen der XY eingebracht und ausserdem zur Darstellung der wirtschaftlichen Situation der XY Bilanzzahlen bis hin zum Jahre 2002 verwendet. Dies geschah ersichtlich aber nur zur Abrundung und Bestätigung seiner Darlegungen, die sich im Übrigen auf Erkenntnisse stützen, die auch der Konkursverwalter sich hätte verschaffen können und müssen. Für die Entscheidung des Konkursverwalters war die möglichst sichere Einschätzung der Ertrags- und Finanzkraft der XY, welche allein die zur Begleichung der Masseverbindlichkeiten notwendigen Zuflüsse zur Konkursmasse sicherstellen sollte, von entscheidender Bedeutung. Zusammenfassend aber durfte er auf der Grundlage der gegebenenfalls von ihm zu beschaffenden Bilanzzahlen der XY, der zum hier streitigen Zeitpunkt der Begründung der Masseverbindlichkeiten der Klägerin nicht gegebenen rechtlich abgesicherten Zusagen seitens der Familie X und der Gläubigerbanken nicht von einer positiven Fortführung durch das angedachte Pachtmodell ausgehen. Er war daher verpflichtet, den Betrieb zu liquidieren und keine weiteren Masseverbindlichkeiten zu begründen.

Bei pflichtgemäßen Verhalten des Konkursverwalters wäre der Vertrag mit der Klägerin nicht zustandegekommen. Auf die von den Beklagten aufgeworfene Frage des Bestehens von Aufklärungspflichten des Konkursverwalters über den Zustand der Masse kommt es deshalb nicht an.

Nach § 249 BGB ist die Klägerin so zu stellen, wie sie bei pflichtgemäßem Handeln des Konkursverwalter stehen würde. Ihr Ersatzanspruch geht also auf den Ersatz ihres negativen Interesses. Hierzu hat sie unwidersprochen vorgetragen, dass sie unter Berücksichtigung von Produktionskosten sowie anteilige Verwaltungs-, Vertriebs,- und Gemeinkosten für die streitgegenständlichen Lieferungen Selbstkosten in einer Höhe von 16.529,02 DM (= 8.451,15 €) hatte. Hierin besteht ihr Schaden, den sie neben den aus Verzug begründeten Zinsen ersetzt verlangen kann.

Dieser Schadensersatzanspruch ist nicht verjährt, da durch die Erhebung der Klage im Jahre 2000 die dreijährige Verjährungsfrist rechtzeitig unterbrochen wurde. Entgegen der Ansicht der Beklagten scheitert die Verjährungsunterbrechung nicht daran, dass die Klägerin erst auf Hinweis des Senats durch Haupt- und Hilfsantrag klargestellt hat, in welcher Reihenfolge sie die auf unterschiedliche Pflichtverletzungen gestützten Ansprüche geltend machen will. Allerdings war bis dahin mangels dieser Klärung die Klage nicht hinreichend bestimmt und deswegen unzulässig. Dies führt aber nicht dazu, dass eine Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung nicht angenommen werden kann. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Unterbrechungswirkung nur durch eine in jeder Hinsicht zulässige Klage herbeigeführt werden kann (Staudinger/Peters, BGB, Bearb. 2004, § 204, Rn. 24; BGHZ 78, 1,5). Es genügt, dass der Anspruch, dessen Verjährung gehemmt sein soll, hinreichend identifizierbar ist. Passt die Bezeichnung auf mehrere Ansprüche, genügt es, wenn die Identifizierung später nachgeholt wird. Werden wie vorliegend geschehen, verschiedene Ansprüche ohne nähere Aufgliederung geltend gemacht, wird die Verjährung für jeden einzelnen der Ansprüche - bis hin zur Höhe der Klagesumme - unterbrochen. Nimmt der Kläger späterhin die notwendige Zuordnung der Ansprüche zum Antrag vor, entfällt damit für die nicht mehr verfolgten Ansprüche die Unterbrechungswirkung, soweit sie nicht als Hilfsanträge verfolgt werden, für die noch verfolgten Ansprüche bleibt die Unterbrechung eingetreten (Staudinger/Peters, aaO. Rn. 16). So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat bereits in der Klageschrift ihren Klageantrag auch auf den Vorwurf gestützt, der Konkursverwalter habe keine Masseverbindlichkeiten mehr eingehen dürfen und von einer Unternehmensfortführung absehen müssen. Dies genügte zur verjährungsunterbrechenden gerichtlichen Geltendmachung des hierauf gegründeten Ersatzanspruches. Die spätere, auf Hinweis des Senats erfolgte Staffelung durch Haupt- und Hilfsantrag hat hieran nichts geändert. Sie bedeutete insbesondere nicht die Einführung eines neuen Streitgegenstandes.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO entsprechend dem jeweiligen Unterliegen und Obsiegen der Parteien. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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