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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 15 U 47/07
Rechtsgebiete: AVBGasV, BGB


Vorschriften:

AVBGasV § 4
BGB § 315
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich gegen eine Erhöhung des Erdgaspreises durch die Beklagte zum 1. August 2005.

Der Kläger ist seit 1983 Kunde der Beklagten, einer örtlichen Erdgaslieferantin. Grundlage der Beziehungen zwischen den Parteien ist ein "Sonder-Gaslieferungsvertrag" vom 24. Oktober / 20. Dezember 1983, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bd. II Bl. 82 d. A.). Mit Schreiben vom 21. Juli 2005 informierte die Beklagte den Kläger über eine Erhöhung des Erdgaspreises ab dem 1. August 2005 um 0,64 Cent/KWh. Die Preisänderung wurde außerdem in der örtlichen Presse und im Internet bekannt gegeben. Der Kläger widersprach der Preiserhöhung und zahlte den Erhöhungsbetrag unter Vorbehalt der Rückforderung. Vorangegangene Preisänderungen hatte er jeweils hingenommen.

Der Kläger verlangt Rückzahlung der bei Unwirksamkeit der Preiserhöhung zu viel gezahlten Beträge und Feststellung, dass die Erhöhung der Tarife unbillig und unwirksam ist.

Die Klägerin hat die Tariferhöhung unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers A vom 12. August 2005 (Bd. I Bl. 43 ff. d. A.) mit Kostensteigerungen des von ihr bezogenen Gases im Jahr 2005 begründet, die nicht einmal vollständig weitergegeben worden seien.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und die Preiserhöhung als unbillig im Sinne von § 315 BGB angesehen, weil die Beklagte die die Preiserhöhung rechtfertigenden Umstände nicht ausreichend dargelegt habe. Die Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers A beruhe zum Teil auf einer unzulässigen Prognose, nämlich einer geschätzten Steigerung der Gasbezugspreise im IV. Quartal 2005. Davon abgesehen habe die Beklagte ihre sonstigen allgemeinen und besonderen Kosten nicht dargetan, insbesondere bleibe offen, ob die Erhöhung der Bezugspreise nicht durch Einsparungen in anderen Sektoren hätte kompensiert werden können.

Gegen das ihr am 14. Februar 2007 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 2. März 2007 eingelegten und nach entsprechender Verlängerung am 14. Mai 2007 begründeten Berufung.

Sie macht geltend: Rechtsgrundlage für die Gaspreiserhöhung sei § 4 AVBGasV. § 315 BGB sei nicht anzuwenden. Das Landgericht habe zu Unrecht eine Offenlegung der Kosten-Preiskalkulation gefordert. Es habe auch rechtsfehlerhaft keine konkreten Hinweise erteilt, dass das Vorbringen der Beklagten zu den Bezugskostensteigerungen unzureichend sei. Die Beklagte behauptet, gestützt auf ein Schreiben der B AG vom 21. März 2007 (Bd. II Bl. 153 d. A.), die Bezugskosten bei diesem Lieferanten seien in der Zeit vom 1. Oktober 2004 bis 1. Oktober 2005 um insgesamt 0,9095 Cent/KWh erhöht worden. Der weitere Lieferant C AG habe in demselben Zeitraum eine Erhöhung um 0,8907 Cent/KWh vorgenommen. Im selben Zeitraum wurde - unstreitig - der Gaspreis der Beklagten um insgesamt 0,75 Cent/KWh (netto) erhöht, nämlich zum 1. Januar 2005 um 0,2 Cent/KWh und zum 1. August 2005 um 0,55 Cent/KWh. Die Bezugskostensteigerung habe in anderen Bereichen nicht aufgefangen werden können. Unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers D der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft X vom 19. Dezember 2007 (Bd. II Bl. 222 ff. d. A.) behauptet sie einen Rückgang der weiteren allgemeinen Kosten im maßgeblichen Zeitraum um 665.600 Euro, was bezogen auf die Erdgasabgabemenge eine Einsparung von 0,0299 Cent/KWh ergebe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des am 5. Februar 2007 verkündeten Urteils des Landgerichts Kassel abzuweisen,

die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und macht geltend, die Beklagte sei mit neuem Vorbringen in der Berufungsinstanz ausgeschlossen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg, weil dem Kläger keine Rückzahlungsansprüche zustehen und die Unwirksamkeit der Tariferhöhung nicht festzustellen ist. Vielmehr hat die Beklagte den vom Kläger zu zahlenden Gaspreis ab dem 1. August 2005 wirksam erhöht.

Grundlage der Tarifpreiserhöhung durch die Beklagte ist § 4 Abs. 1, 2 der hier noch anzuwendenden Verordnung über allgemeine Bedingungen für die Gasversorgung von Tarifkunden vom 21. Juni 1979 (BGBl. I Seite 676, AVBGasV). Diese Allgemeinen Versorgungsbedingungen gelten kraft Gesetzes für das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien (§ 1 AVBGasV), weil der Kläger trotz der insofern missverständlichen Bezeichnung als "Sonder-Gaslieferungsvertrag" so genannter Tarifkunde ist und zwischen den Parteien keine besonderen Bedingungen vereinbart sind. Das haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22. November 2007 übereinstimmend klargestellt.

Durch das nach Erlass der angefochtenen Entscheidung ergangene Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2007 (NJW 2007, 2540) sind die rechtlichten Vorgaben, unter denen eine Gaspreiserhöhung zulässig ist, geklärt. Tariferhöhungen unterliegen danach zwar der Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB. Es entspricht aber grundsätzlich der Billigkeit, wenn lediglich gestiegene Bezugskosten weitergegeben werden, sofern die Steigerung nicht durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen wurde. Da der Kläger Tarifkunde ist, stellt sich die bei Verträgen mit Sondervertragskunden, für die die AVBGasV nicht Kraft Gesetzes gelten, zu entscheidende Frage der Wirksamkeit von Preisänderungsklauseln (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 29. April 2008, KZR 2/07).

Bei Beachtung der vorstehend dargelegten Grundsätze ist die Erdgaspreiserhöhung der Beklagten zum 1. August 2005 um 0,64 Cent/KWh brutto nicht zu beanstanden, weil die Beklagte das ihr eingeräumte Leistungsbestimmungsrecht nach billigem Ermessen ausgeübt hat.

Die Beklagte hat, vom Kläger unbeanstandet, vorgetragen, dass sich die Preise für das von ihr bezogene Gas im Zeitraum 1. Oktober 2004 bis 1. Oktober 2005 um 0,8907 Cent/KWh bzw. um 0,9095 Cent/KWh (jeweils netto) erhöht hatten. Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Klägerin Preiserhöhungen zum 1. Oktober 2005 einbeziehen durfte. Denn auch ohne diese Erhöhungen um 0,0946 Cent/KWh bzw. 0,1134 Cent/KWh verbleibt eine Preissteigerung von jeweils 0,7961 Cent/KWh. Diese Preiserhöhungen liegen mithin für sich betrachtet über den zum 1. Januar 2005 und 1. August 2005 vorgenommenen Tarifpreiserhöhungen der Beklagten von 0,75 Cent/KWh (netto).

Die Beklagte war nicht in der Lage, den Preisanstieg durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen auch nur in nennenswertem Umfang auszugleichen. Aus der Stellungnahme des Wirtschaftsprüfers D vom 19. Dezember 2005, deren inhaltliche Richtigkeit der Kläger nicht in Zweifel gezogen hat, ergibt sich, dass die Kosten der Beklagten auf der Grundlage der geprüften und mit uneingeschränkten Bestätigungsvermerken versehenen Jahresabschlüsse zum 31. Dezember 2004 und 31. Dezember 2005 von 7.961.600 Euro im Jahr 2004 auf 7.296.000 Euro zurückgegangen sind, mithin um 665.600 Euro. Bezogen auf die Erdgasabgabemenge ergibt das 0,0299 Cent/KWh. Die bereits dargestellte Bezugskostensteigerung von 0,7961 Cent/KWh konnte deshalb nur in Höhe von 0,0299 Cent/KWh durch Einsparungen ausgeglichen werden.

Danach verbleibt eine Kostenerhöhung für die Beklagte von 0,7662 Cent/KWh, die über den in diesem Zeitraum vorgenommenen Tarifpreiserhöhungen um insgesamt 0,75 Cent/KWh liegt.

Es kann deshalb für die Entscheidung dahinstehen, ob die Einsparung von Kosten in anderen Bereichen deshalb niedriger ist als 665.600 Euro, weil im Jahresabschluss 2005 zwei einmalige Effekte enthalten sind, die nicht dauerhaft zu Kostenverminderungen geführt haben.

Entgegen der Meinung des Klägers ist die Vorgehensweise zur Darlegung von Kosteneinsparungen nicht zu beanstanden, obgleich die Kostensituation in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt untersucht wurde und nicht lediglich im Zeitraum der dargestellten Bezugskostensteigerungen vom 1. Oktober 2004 bis 1. Oktober 2005 oder gar nur bis zum 1. August 2005. Allerdings kann ein Kostenvergleich anhand der Jahresabschlüsse 2004 und 2005 zur Zeit der Tarifpreiserhöhung zum 1. August 2005 nicht Grundlage der Kalkulation der Beklagten gewesen sein. Vielmehr wird die Beklagte jeweils bei Steigerungen ihres Bezugspreises Überlegungen anstellen, ob und in welchem Umfang die Bezugskostensteigerung an die Kunden weiterzugeben ist. Dabei muss sie - jedenfalls nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs prüfen, ob auf eine Tarifpreiserhöhung ganz oder teilweise im Hinblick auf die Kosten- und Ertragssituation des Unternehmens verzichtet werden kann. Anhand der ihr zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegenden Daten hat die Beklagte sodann eine Entscheidung zu treffen und eine vorzunehmende Tarifpreiserhöhung gegebenenfalls mit diesem Datenmaterial zu begründen. Die Situation im vorliegenden Rechtsstreit ist eine andere. Die nachträgliche Überprüfung der Billigkeit einer Tarifpreiserhöhung erlaubt es ohne weiteres, in Gestalt von Jahresabschlüssen vorliegendes konkretes und aussagekräftiges Datenmaterial zu verwerten und anhand dieser Daten die Billigkeit der Tarifpreiserhöhung einer Beurteilung zu unterziehen.

Entgegen der Meinung des Klägers ist auch die Vorgehensweise der Beklagten, Kostensteigerungen und Kosteneinsparungen je Kilowattstunde zu berechnen, nicht zu beanstanden, weil darin die genaueste Berechnungsart liegt. Es bedarf keiner Darlegung angekaufter Gasmengen oder irgendwelcher Ausgangspreise, weil prozentualer Berechnungen jedenfalls nicht genauer sind, als ein Abstellen auf Preisänderungen je Kilowattstunden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die maßgeblichen Rechtsfragen bereits durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Juni 2007 geklärt sind.

Ende der Entscheidung

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