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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 14.02.2008
Aktenzeichen: 15 U 5/07
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 434 Abs. 1
BGB § 437 Nr. 1
BGB § 439 Abs. 2
1. Ist eine Kaufsache ihrem bestimmungsgemäßen Zweck entsprechend vom Käufer eingebaut worden und stellt sich erst im Nachhinein heraus, dass sie mangelhaft ist, so gehören zu den von dem Verkäufer verschuldensunabhängig zu tragenden Nacherfüllungskosten im Sinne des § 439 Abs. 2 BGB die Kosten für die Lieferung der mangelfreien Sache an den Wohnort des Käufers, für den Ausbau der bereits eingebauten mangelhaften Sache und für deren Entsorgung.

2. Die Kosten für den Einbau einer neuen mangelfreien Sache zählen demgegenüber nicht zum Kostenaufwand nach § 439 Abs. 2 BGB; sie können nur unter den Voraussetzungen der §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 BGB unter Schadensersatzgesichtspunkten ersetzt verlangt werden.


Gründe:

I.

Der Kläger hat bei der Beklagten Bodenfliesen gekauft und begehrt, nachdem er die Fliesen inzwischen in seinem Haus hat verlegen lassen, wegen behaupteter Mangelhaftigkeit der Kaufsache die Lieferung neuer Fliesen sowie Zahlung von 5.830,57 € für zukünftig ihm noch entstehende Beseitigungs- und Einbaukosten.

Der Kläger kaufte am 24.01.2005 bei der Beklagten, die einen Baustoffhandel betreibt, 45,36 m² polierte Bodenfliesen des italienischen Herstellers X der Sorte "..." zum Preis von 1.191,61 € zuzüglich 16 % MwSt. Er holte die Fliesen bei der Beklagten ab und ließ sie sodann in seinem Haus im Flur, im Bad, in der Küche und auf dem Treppenpodest verlegen. Nach Erledigung der Arbeiten zeigten sich auf dem Fliesenbelag Schattierungen, die mit bloßem Auge zu erkennen sind. Die Beklagte wies die daraufhin von dem Kläger erhobene Mängelrüge nach Rücksprache mit dem Hersteller am 26.07.2005 zurück und lehnte jegliche Art der Nachbesserung ab. Der Kläger leitete in der Folgezeit vor dem Landgericht Kassel ein selbständiges Beweisverfahren (5 OH 72/05) ein. In seinem schriftlichen Gutachten vom 05.01.2006 (Bl. 27-38 der OH-Akte) gelangt der Sachverständige Dipl.-Ing. SV1 zu dem Ergebnis, dass die von dem Kläger bemängelte unterschiedliche Oberflächenbeschaffenheit bei entsprechendem Tageslichteinfall durch das Küchenfenster und bei geöffneter Flurtür zu erkennen sei; bei geändertem Lichteinfall oder bei Kunstlicht seien die Mängel demgegenüber "nicht/kaum" zu sehen. Da es sich um feine Mikroschleifspuren in der Oberfläche handele, die nicht beseitigt werden könnten, könne Abhilfe nur durch einen kompletten Austausch der Bodenfliesen geschaffen werden. Die Kosten für die Beseitigung des vorhandenen Fliesenbelags und eine Neuverlegung hat der Sachverständige mit 5.026,35 € zuzüglich MwSt. - seinerzeit 16 % und damit insgesamt 5.830, 57 € - beziffert. Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.01.2006 (Bl. 26 Bd. I d. A.) hat der Kläger die Beklagte zur Zahlung von 7.270,14 € (einschließlich außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten) bis zum 25.01.2006 aufgefordert.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die optischen Beeinträchtigungen seien ein Mangel im Sinne des § 434 BGB. Hierzu hat er behauptet, die auf der verlegten Gesamtfläche vorhandenen Schattierungen sähen wie Schmutzflecken aus. Er hat gemeint, die Beklagte habe schuldhaft ihre Pflichten aus dem Schuldverhältnis verletzt, weil sie als Fliesenfachhändlerin mit handelsrechtlichen Untersuchungs- und Rügepflichten die Mängel habe erkennen müssen. Daher sei die Beklagte verpflichtet, ihm mangelfreie Bodenfliesen zu liefern und darüber hinaus die ihm durch die Beseitigung der mangelhaften und die Verlegung neuer Fliesen noch entstehenden Kosten zu ersetzen. Der Kläger hat seine Ansprüche auf §§ 280, 281, 284 und 439 BGB gestützt.

Er hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,

1) an ihn 45,36 m² Bodenfliesen der Marke X, 30 x 30, poliert, zu liefern,

2) an ihn 5.830,57 € zzgl. 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 26.01.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, auf Schadensersatz hafte sie mangels Verschuldens nicht. Sie habe die Bodenfliesen nicht selbst hergestellt und für ein etwaiges Verschulden der Herstellerfirma nicht einzutreten; außerdem treffe sie auch keine Überprüfungspflicht hinsichtlich der Mangelfreiheit der Fliesen. Im übrigen scheide ihre Haftung für eigenes Verschulden auch deshalb aus, weil die Schattierungen auf den einzelnen Fliesen selbst bei einer stichprobenartigen Überprüfung nicht erkennbar gewesen wären.

Hinsichtlich eines eventuellen Gewährleistungsanspruchs hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass die Bodenfliesen nicht mangelhaft seien, da sie, wie unstreitig ist, den einschlägigen DIN EN ISO 10545-2 entsprächen.

Danach weise die Oberflächenbeschaffenheit einer Fliese nur dann einen Mangel auf, wenn die störende Erscheinung bei einer senkrechten Betrachtung aus einem Abstand von einem Meter unter gleichmäßig ausgeleuchteten Bedingungen sichtbar werde. Die Feststellungen des Sachverständigen ließen daher nicht den Schluss zu, dass die Fliesen einen Sachmangel im Sinne des § 434 BGB aufweisen. Ein anderes würde nur dann gelten, wenn die Parteien eine "Streiflichtfestigkeit" vereinbart hätten. Hilfsweise hat sich die Beklagte auf § 439 Abs. 3 BGB berufen und geltend gemacht, dass die von dem Kläger verlangte Nacherfüllung nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich sei, zumal unter Berücksichtigung des Umstandes, dass vorliegend lediglich die Optik und nicht der Gebrauchswert der Fliesen beeinträchtigt sei, in Anwendung einer Minderungstabelle allenfalls eine Minderung um 57,19 € gerechtfertigt erscheine.

Die Beklagte hat darüber hinaus ein Mitverschulden des Klägers eingewandt und hierzu zum einen behauptet, der Kläger habe die bemängelten Schattierungen bereits vor dem Ausfugen erkannt, was sich aus den von dem Kläger dem Sachverständigen beim Ortstermin überreichten Lichtbildern (befindlich in der hinteren Aktentasche Bd. I) ergebe, die er seinerzeit zu Dokumentationszwecken angefertigt habe und auf denen die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verfugten Bodenfliesen zu sehen seien. Der Kläger habe den Schaden daher überwiegend selbst verursacht, indem er die Fliesenarbeiten habe fertig stellen lassen, anstatt die Arbeiten einzustellen. Zum anderen hat die Beklagte behauptet, die Verlegung sei derart fachmännisch erfolgt, dass die Arbeiten nur von einem Fliesenleger durchgeführt worden sein könnten. In diesem Fall aber hätten dem Fliesenleger die Schattierungen auffallen und er von der Verlegung Abstand nehmen müssen. Das Mitverschulden des Fliesenlegers müsse sich der Kläger zurechnen lassen.

Die 4. Zivilkammer des Landgerichts Kassel hat Beweis erhoben zur Frage der Mangelhaftigkeit der Fliesen und der Höhe eines eventuellen Minderungsanspruchs und die Beklagte daraufhin unter Abweisung der Klage im übrigen zur Zahlung eines (nicht geltend gemachten) Minderungsbetrages von 273,10 € nebst anteiligen Zinsen verurteilt. Zu den von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüchen finden sich in den Entscheidungsgründen des Urteils keine Ausführungen.

Hinsichtlich der streitgegenständlichen Gewährleistungsansprüche hat die Vorinstanz ausgeführt, dass die Bodenfliesen zwar mangelhaft im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB seien, jedoch die von der Beklagten erhobene Einrede der Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung (§ 439 Abs. 3 BGB) begründet sei, da die gemäß § 439 Abs. 2 BGB zum Nacherfüllungsaufwand gehörenden Ausbau- und Einbaukosten den durch die Nacherfüllung zu erzielenden Mehrwert um das Dreißigfache überstiege.

Gegen das ihm am 06.12.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, dem 08.01.2007 Berufung eingelegt und diese am 06.02.2007 begründet.

Der Kläger ist der Meinung, das angefochtene Urteil beruhe auf einer Rechtsverletzung, weil die 4. Zivilkammer die Vorschrift des § 439 BGB fehlerhaft angewandt habe. Die Polierfehler könnten nicht als von geringer Bedeutung im Sinne des § 439 Abs. 3 BGB angesehen werden, sie seien vielmehr ein ständiges Ärgernis, weil die Stellen bei jedem Durchschreiten der Räumlichkeiten zu sehen seien; ob ein Auswechseln erforderlich sei, könne daher nur nach richterlicher Inaugenscheinnahme entschieden werden. Die Nacherfüllung sei für die Beklagte auch nicht unverhältnismäßig, da insoweit lediglich die auf maximal 100,00 € zu schätzenden Transportkosten von der Betriebsstätte der Beklagten zu seinem Wohnort in Ansatz zu bringen seien. Die mit dem Klageantrag zu 2) verlangten Aus- und Einbaukosten seien demgegenüber nicht im Rahmen einer Nacherfüllung, sondern als Schadensersatz gemäß § 280 BGB bzw. als Ersatz vergeblicher Verwendungen gemäß § 284 BGB zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Kassel vom 24.11.2006 (4 O 1248/06) zu verurteilen,

1) an ihn 45,36 m² Bodenfliesen der Marke X, 30 x 30, poliert, zu liefern,

2) an ihn 5.830,57 € zuzüglich 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.01.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung der bereits erstinstanzlich vorgetragenen Argumente. Sie behauptet, nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens in Erfahrung gebracht zu haben, dass die Bodenfliesen entgegen der anderslautenden Angaben des Klägers von dem Fliesenleger ... aus O1 verlegt worden seien.

Der Senat hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 12.12.2007 (Bl. 154 f. Bd. I d. A.) und die verlegten Bodenfliesen vor Ort durch den Berichterstatter als beauftragten Richter sowie darüber hinaus einzelne Bodenfliesen in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 15.01.2008 und 24.01.2008 (Bl. 1 - 4, 9 - 11, Bd. II d. A.) verwiesen. Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die Berufungsbegründung vom 02.02.2007 (Bl. 114 - 116, Bd. I d. A.) und auf die Berufungserwiderung vom 19.03.2007 (Bl. 133 -145, Bd. I d. A.) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und innerhalb der Begründungsfrist begründet worden und auch im übrigen zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.

Der Senat legt die Berufungsanträge des Klägers dahingehend aus, dass das Urteil in vollem Umfang, - also auch, soweit ihm ein Minderungsanspruch in Höhe von 273,10 € nebst anteiliger Zinsen zuerkannt worden ist -, angefochten werden soll. Die Beschwer des Klägers ergibt sich insoweit daraus, dass es ihm hinsichtlich der noch bei ihm vorhandenen mangelhaften Fliesen vorrangig um einen Nacherfüllungsanspruch geht. Dieser würde jedoch mit Wirksamwerden einer Minderung erlöschen (vgl. MünchKomm-Westermann, 5. Auflage München 2008, § 441 Rdnr. 13).

Die Berufung ist hinsichtlich des Berufungsantrags zu 1) in vollem Umfang und hinsichtlich des Berufungsantrags zu 2) in Höhe eines Teilbetrags von 2.122,37 € nebst anteiligen Zinsen begründet, im übrigen unbegründet.

1) Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Lieferung mangelfreier Bodenfliesen aus §§ 434, 437 Nr. 1, 439 Abs. 1, 2. Fall BGB.

Zwischen den Parteien ist ein Kaufvertrag über 45,36 m² polierte Bodenfliesen wirksam zustandegekommen.

Die von der Beklagten übergebenen Fliesen sind bei Gefahrübergang mangelhaft gewesen. Ein Kaufsache ist gemäß § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB nur dann frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich sind, und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Sämtliche übergebenen Fliesen weisen, wie der Sachverständige Dipl.-Ing. SV1 in seinem Gutachten festgestellt hat, herstellungsbedingte Polierfehler auf, wie sie bei polierten Fliesen immer wieder einmal vorkommen können, jedoch üblicherweise nicht vorkommen dürfen. Die Polierfehler sind, wovon sich der Senat anlässlich der Inaugenscheinnahme selbst hat überzeugen können, bei einzelnen, nicht verlegten und in die Hand genommenen Fliesen nur bei sehr genauer Betrachtung als matte Schattierungen zu erkennen. Legt man aber mehrere Fliesen auf dem Boden aus, so sind unter bestimmten Lichtverhältnissen feine Streifen zu sehen, die wie nicht vollständig weggewischte Putzstreifen aussehen. Die Polierfehler führen auch dazu, dass die Fliesen für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung, nämlich als Bodenbelag im Wohnbereich eines Einfamilienhauses, ungeeignet sind. Die Inaugenscheinnahme vor Ort durch den Berichterstatter als beauftragten Richter hat ergeben, dass die Schattierungen sowohl bei Tageslicht als auch bei Kunstlicht sichtbar sind. Insbesondere bei Tageslichteinfall sind die Schattierungen sehr störend, denn sie fallen, in der Fläche betrachtet, als Schlierstreifen sofort ins Auge und lassen auch bei frisch geputztem Boden den Eindruck entstehen, dieser sei nicht ordentlich gereinigt worden. Damit liegt eine negative Abweichung der Istbeschaffenheit von der Sollbeschaffenheit vor. Zu Recht hat die 4. Zivilkammer in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass der Umstand, dass die entsprechende DIN-Norm eingehalten sei, hieran nichts ändert, weil hinsichtlich der optischen Beeinträchtigung auf die normale Nutzung abzustellen ist, die nicht darin besteht, die verfliesten Flächen mit gesenktem Kopf senkrecht aus einer Höhe von einem Meter zu betrachten.

Damit kann der Kläger gemäß § 437 Nr. 1 BGB - verschuldensunabhängig - Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 1 BGB verlangen. Hierunter fallen entweder die "Beseitigung des Mangels" (§ 439 Abs. 1, 1. Fall BGB) oder die "Lieferung einer mangelfreien Sache" (§ 439 Abs. 1, 2. Fall BGB). Vorliegend hat sich der Kläger für die Lieferung einer mangelfreien Sache entschieden (sogenannte "Nachlieferung", "Ersatzlieferung", oder "Umtausch"), zumal eine Beseitigung des Mangels technisch gar nicht möglich wäre.

Anders als die Vorinstanz beurteilt der Senat die von dem Beklagten erhobene Einrede nach § 439 Abs. 3 BGB, die verlangte Nachlieferung verursache unverhältnismäßige Kosten, als unbegründet. Die Unverhältnismäßigkeit ist vorliegend, da nur eine Nacherfüllung im Wege der Lieferung einer mangelfreien Sache in Betracht kommt, ausschließlich im Wege eine Abwägung des Interesses des Klägers an der Durchführung der Nacherfüllung gegen das Interesse der Beklagten daran, nicht mit den Kosten der Nacherfüllung belastet zu werden, zu bewerten (sog. absolute Unverhältnismäßigkeit, §§ 439 Abs. 3 S. 3, 2. Hs; 440 S. 1, 3. Fall BGB).

Zwar kann im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung grundsätzlich auch ein etwaiges (Mit-)verschulden der Vertragsparteien berücksichtigt werden (vgl. Huber, NJW 2002, 1004 [1007]). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme trifft jedoch keine Partei ein Verschuldensvorwurf. Hinsichtlich der Beklagten kann allenfalls eigenes schuldhaftes Handeln in Betracht kommen, insbesondere ist der Hersteller der Fliesen, der die Polierarbeiten fehlerhaft durchgeführt hat, nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten, da sich die Pflicht des Verkäufers nicht auf die Herstellung der Kaufsache erstreckt (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2006, 677 [677]), so dass § 278 S. 1 BGB nicht greift. Als eigenes Verschulden steht allein die unterbliebene Untersuchung der weiterverkauften Bodenfliesen zur Diskussion. Insoweit wird allerdings überwiegend die Ansicht vertreten, der Verkäufer einer neuen Sache dürfe in der Regel davon ausgehen, dass die von dem Hersteller bezogene Sache nicht mit Mängeln behaftet sei, und er müsse die neue Sache nur untersuchen, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Mängeln vorlägen (BGH, NJW 1981, 1269 [1270]; OLG Köln, NJW-RR 2006, 677 [677]: vom Hersteller bezogene Bodenfliesen). Nach einer anderen Auffassung darf der Käufer jedenfalls bei hochwertigen oder anfälligen Produkten erwarten, dass der Verkäufer eine zumindest stichprobenweise Überprüfung der Ware durchführt (Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Auflage München 2008, § 280 Rdnr. 19). Ob die Beklagte vorliegend eine Untersuchungspflicht traf, kann indes dahingestellt bleiben. Die Inaugenscheinnahme der einzelnen Fliesen hat nämlich ergeben, dass die Schattierungen bei bloßer stichprobenartiger Überprüfung nicht zu erkennen sind. Die Schattierungen sind vielmehr erst bei genauer Betrachtung unter Streiflicht sichtbar; und auffällig ist der Effekt erst bei Betrachtung einer größeren Fläche aus größerer Entfernung. Es mangelt daher jedenfalls an der Kausalität zwischen einer eventuellen Pflichtverletzung der Beklagten und dem Nichterkennen der Mängel. Aus diesem Grunde scheidet auch ein Verschulden des Klägers aus. Die Auffassung der Beklagten, der Kläger müsse sich deshalb ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens anrechnen lassen, weil er die Verlegearbeiten, wie die seinerzeit dem Sachverständigen übergebenen Fotos belegten, in Kenntnis der Mangelhaftigkeit habe zu Ende führen lassen, erscheint schon deshalb nicht richtig, da zu jenem Zeitpunkt nur noch die Verfugung gefehlt hat und die Alternative somit allenfalls darin bestanden hätte, die Arbeiten sofort stillzulegen. Angesichts des Umstandes, dass die Beklagte mit der Begründung, es läge gar kein Mangel vor, jegliche Ansprüche des Klägers abgelehnt hat, wäre durch einen Abbruch der Arbeiten eine Situation entstanden, in der der Kläger sein Haus nur eingeschränkt hätte nutzen können. Er hätte in seinem Haus baustellenähnliche Verhältnisse gehabt und darüber hinaus die Einbauküche nicht einbringen können. Hierdurch aber wäre der Schaden nicht gemindert worden, sondern es hätte sich vielmehr die Problematik einer zu kompensierenden Nutzungseinschränkung ergeben. Der Kläger hat auch nicht für ein etwaiges Verschulden des von ihm mit der Verlegung der Fliesen beauftragten Handwerkers einzustehen. Dabei geht der Senat zwar davon aus, dass sich der Beklagte der Dienste des Fliesenlegers ... bedient hat, den die Beklagte erstmals in der Berufungserwiderung unter Angabe der ladungsfähigen Anschrift namhaft gemacht hat, weil der Kläger dieser Behauptung nicht mehr entgegengetreten ist (§ 138 Abs. 3 ZPO). Jedoch ergibt sich aus den Ausführungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. SV1, die nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei sind und den Senat überzeugen, dass die Schattierungen auch für einen Fliesenleger vor der Verlegung der Fliesen trotz fach- und sacherechter Überprüfung der Fliesen nicht erkennbar gewesen sind.

Bei der Bewertung des Interesses des Klägers an der Durchführung der Nacherfüllung kommt es in erster Linie darauf an, welche Bedeutung der Mangel für ihn hat. Insoweit hat die Inaugenscheinnahme vor Ort ergeben, dass die auf dem gesamten Bodenbelag erkennbaren Schattierungen zum einen insoweit erheblich ins Gewicht fallen, als sie - bei Tageslicht und beim Blick vom Flur ins Bad und vom Wohnzimmer in Richtung Flur - auch einem unbefangenen Erstbesucher, der sich zum ersten Mal in dem Haus aufhält, sofort ins Auge fallen, ohne dass er hierauf besonders hingewiesen zu werden bräuchte. Ein solcher Besucher wird sich möglicherweise insgeheim fragen, ob der Boden nicht ordentlich gereinigt worden ist. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass sich der Blick vom Wohnzimmer in Richtung Flur immer dann eröffnet, wenn man vom Wohnzimmer aus in die Küche, ins Bad, zur Haustür oder zu den Schlafzimmern geht. Die Schattierungen fallen zum anderen auch deshalb erheblich ins Gewicht, weil sie für denjenigen Betrachter, der sich in dem Haus etwas länger aufgehalten und sich den Bodenbelag bei verschiedenen Lichtverhältnissen und aus diversen Blickrichtungen ganz genau angeschaut hat, danach praktisch ständig und überall erkennbar sind, wie der beauftragte Richter anlässlich des Ortstermins selbst hat feststellen können. Dies muss erst Recht für den Kläger und seine Familie gelten, und es ist daher gut nachvollziehbar, dass die Mängel mit geübtem Blick selbst dann, wenn man lediglich durchschnittliche Anforderungen an das Wohnambiente stellt, ein ständiges, alltägliches Ärgernis darstellen.

Bei der Bewertung des Interesses der Beklagten daran, nicht mit unverhältnismäßig hohen Nacherfüllungskosten belastet zu werden, kommt es nach dem Rechtsverständnis des Senats - insoweit in Abweichung zu den Ausführungen im angefochtenen Urteil - nicht auf die Kosten an, die durch die Lieferung mangelfreier Fliesen, den Ausbau der mangelhaften Fliesen und zusätzlich den Einbau der neuen Fliesen verursacht werden, sondern lediglich auf die Kosten für die Lieferung der mangelfreien Fliesen (rund 1.200,00 € einschließlich Transport) und für die Beseitigung, also Ausbau und Entsorgung, der mangelhaften Fliesen (rund 2.100,00 €).

Allerdings ist in Literatur und Rechtsprechung streitig, welche Kosten zu den Nacherfüllungskosten zu zählen sind, wenn der Käufer die Kaufsache, wie hier, ihrem bestimmungsgemäßen Zweck entsprechend eingebaut hat. Hierzu werden, soweit ersichtlich, bisher drei Ansichten vertreten:

Einer verbreiteten Meinung zufolge zählen in einem solchen Fall zu den Aufwendungen im Sinne des § 439 Abs. 2 BGB sowohl die Ausbau- als auch die Einbaukosten (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 2005, 135, [136], Bamberger/Roth-Faust, 2. Aufl. 2007, § 439 Rdnr. 13, 18; Staudinger-Matusche-Beckmann, Neubearbeitung 2004, § 439 Rdnr. 22; Terrahe, VersR 2004, 680 [682]). Zur Begründung wird unter anderem unter Bezugnahme auf die "Dachziegelentscheidung" des BGH (BGHZ 87, 104 ff.) ausgeführt, dass die Nacherfüllung dazu diene, die Kaufsache in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen und dass der Käufer so gestellt werden müsse wie er stünde, wenn er von Anfang an eine mangelfreie Sache erhalten hätte.

Nach anderer Ansicht zählen zum Kostenaufwand gemäß § 439 Abs. 2 BGB die Kosten für den Ausbau der mangelhaften Kaufsache, nicht aber diejenigen für die Neuverlegung der nachzuliefernden Kaufsache; diese sollen nur unter den Voraussetzungen der §§ 280, 281, 284 BGB, also unter Schadensersatzgesichtspunkten und damit bei einem Verschulden des Verkäufers, zu ersetzen sein (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2006, 677 [677]; Lorenz, NJW 2005, 1889 [1895] - von Demselben demgegenüber offengelassen in NJW 2007, 1 [5]; MünchKommWestermann, 5. Auflage 2008, § 439 Rdnr. 13; Palandt-Weidenkaff, 67. Auflage 2008, § 439 Rdnr. 11; Schneider/Katerndahl, NJW 2007, 2215 [2216]). Begründet wird diese Ansicht, wiederum unter Bezugnahme auf die "Dachziegelentscheidung" des BGH, mit der Erwägung, dass der Verkäufer eine Rücknahmeverpflichtung habe, die er am Ort der eingebauten mangelhaften Kaufsache - gemeint ist damit nicht der Wohnsitz des Käufers im Sinne der politischen Gemeinde, sondern der konkrete Ort, an dem sich die Kaufsache nunmehr bestimmungsgemäß befindet -, erfüllen müsse, wobei zur Rücknahme notwendigerweise auch das vorherige Herausreißen der mangelhaften Kaufsache und deren Abtransport gehörten. Die weitergehende Auffassung wird demgegenüber mit dem Argument, sie vermenge Kauf- und Werkvertragsrecht, abgelehnt, weil der Einbau und die Verlegung der neuen Fliesen zu keinem Zeitpunkt Verkäuferpflicht gewesen sei.

Eine dritte Auffassung sieht weder die Ausbau- noch die Einbaukosten als Nacherfüllungskosten an (Thürmann, NJW 2006, 3457 [3460 f.]) und führt hierzu aus, dass die gesetzliche Nacherfüllungspflicht des Verkäufers durch das Abstellen auf den von dem Käufer bewirkten Zustand der Kaufsache zu weit in den Bereich hineingezogen würde, der nach bisherigem Verständnis dem Schadensersatzrecht vorbehalten sei. Eine solche Ausdehnung der Nacherfüllung sei aber weder nach dem Wortlaut des § 439 Abs. 2 BGB zu begründen noch nach Sinn und Zweck des Gesetzes geboten.

Der Senat begründet seine Rechtsauffassung, dass die Kosten für die Beseitigung der mangelhaften Fliesen, nicht aber die Kosten für die Neuverlegung der mangelfreien Fliesen, zu den Nacherfüllungskosten zu zählen sind, wie folgt:

Ausgangspunkt einer jeden Gesetzesauslegung ist der Wortlaut der Norm. In § 439 Abs. 2 BGB ist die Rede von den "zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten ", wobei es vorliegend um Nacherfüllung im Sinne des § 439 Abs. 1, 2. Fall BGB geht, mithin um die "Lieferung einer mangelfreien Sache". Die "Lieferung" einer mangelfreien Sache setzt zunächst lediglich voraus, dass diese an einen bestimmten Ort gebracht wird. Der Begriff der Lieferung ist nicht gleichbedeutend mit "Einbau"; hierunter versteht man vielmehr das Einfügen der Sache in ihre nähere Umgebung. Auch das Begriffspaar "Lieferung" und "Ausbau" beschreibt verschiedene, voneinander klar abgrenzbare Tätigkeiten, denn das Ausbauen bezieht sich auf das Herauslösen einer Sache aus ihrer näheren Umgebung. Im vorliegend interessierenden Kontext ist ferner festzustellen, dass sich die beiden Wörter "Lieferung" und "Ausbau" auch auf zwei verschiedene Objekte beziehen, nämlich zum einen auf die neue, mangelfreie Sache und zum anderen auf die alte, mangelhafte Sache. Auch dies macht deutlich, dass die Wörter unterschiedliche Sachverhalte erfassen. Danach dürfte die grammatikalische Auslegung indiziell dagegen sprechen, die Aus- und Einbaukosten zu den Nacherfüllungskosten zu zählen.

Im Rahmen der systematischen Gesetzesauslegung ist die Nacherfüllung im Sinne des § 439 Abs. 1 BGB zunächst im Zusammenhang mit der ursprünglichen Erfüllung nach § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zu sehen. Diese besteht beim Kaufvertrag lediglich darin, die Kaufsache dem Käufer zu übergeben und sie ihm zu übereignen. Hierzu bedarf es im Zeitpunkt des Gefahrübergangs weder eines Aus- noch eines Einbaus. Da der Nacherfüllungsanspruch aber nur ein modifizierter Erfüllungsanspruch ist, erscheint es zunächst fernliegend anzunehmen, dass er sich dahingehend "modifiziert", dass nunmehr zu den ursprünglichen kaufvertraglichen Pflichten der Übergabe und Übereignung zusätzlich bisher nicht geschuldete, weitere Handlungspflichten hinzukommen sollen. Andererseits ist jedoch zu beachten, dass es gesamtbetrachtet die kaufvertragliche Pflicht des Verkäufers ist, dem Käufer Eigentum und Besitz an der mangelfreien Kaufsache (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB) - und nur an dieser - zu verschaffen. Er schuldet insbesondere nicht die Übergabe zweier Sachen. Im Umkehrschluss daraus ergibt sich, dass der Käufer auch nicht verpflichtet ist, zwei Sachen, nämlich neben der mangelfreien auch noch die mangelhafte, zu behalten. Daran ändert auch der Übergang vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch zum Nacherfüllungsanspruch nichts. Aus den vorliegenden Erwägungen folgt vielmehr eine entsprechende vertragliche - nicht nur schadensersatzrechtliche - Rücknahmeverpflichtung des Verkäufers hinsichtlich der gelieferten mangelhaften Sache. Die Vorschrift des § 439 Abs. 4 BGB, in dem geregelt ist, dass der Verkäufer bei Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 BGB verlangen kann, steht dem nicht entgegen. Hieraus kann insbesondere nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass der Käufer seinerseits kein Recht darauf habe, von dem Verkäufer die Rücknahme der mangelhaften Sache zu verlangen. Der Gesetzgeber hat nämlich in den Gesetzesmaterialien zur Begründung von § 439 Abs. 4 BGB ausgeführt, dass ohne die besondere gesetzliche Regelung zweifelhaft hätte sein können, auf Grund welcher Vorschrift der Verkäufer nach Lieferung der mangelfreien Sache die Rückgabe der mangelhaften Sache vom Käufer verlangen könne (Bt-Drs. 14/6040, S. 232), wobei er im übrigen an dieser Stelle den Begriff der "Ersatzsache", durch die also die mangelhafte Sache durch die mangelfreie Sache ersetzt oder ausgetauscht wird, verwendet hat. Sinn und Zweck des Abs. 4 erschöpft sich demzufolge darin, dass der Käufer letztendlich nicht mehr erhalten soll, als vertraglich geschuldet ist; es geht jedoch nicht darum, die vertraglichen Rechte des Käufers einzuschränken.

Demgegenüber erscheint dem Senat nicht zwingend, die auch nach der Schuldrechtsmodernisierung grundsätzlich weiter bestehende Trennung zwischen Gewährleistungsvorschriften (§§ 434, 439 BGB) einerseits und Schadensersatzvorschriften (§§ 280 ff, 440 BGB) andererseits unter systematischen Gesichtspunkten als Begründung dafür heranzuziehen, dass der Käufer die Ausbaukosten ausschließlich unter den Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs, also bei schuldhafter Pflichtverletzung durch den Verkäufer, jenem anlasten darf. Denkbar wäre insoweit auch eine echte Anspruchskonkurrenz, wie sie in vielen anderen Bereichen ebenfalls gegeben ist. Die Schadensersatzvorschriften werden hierdurch insbesondere auch nicht überflüssig, weil sie eigenständige Bedeutung beispielsweise für durch eine mangelhafte Kaufsache an anderen Rechtsgütern verursachte Schäden behalten, die schlechthin nicht als Nacherfüllungskosten aufgefasst werden können. Und auch dann, wenn man, wie der Senat es tut, zu der Auffassung gelangt, dass nur die Beseitigungskosten, nicht aber die Einbaukosten, zum Nacherfüllungsanspruch zählen, verbleibt schon allein aus diesem Grunde eine eigenständige Bedeutung der Schadensersatzvorschriften, nämlich hinsichtlich der Einbaukosten, die dann nur bei einer schuldhaften Pflichtverletzung des Verkäufers erstattungsfähig sind.

Insgesamt betrachtet spricht die systematische Auslegung demzufolge zwar dagegen, auch die Einbaukosten als Nacherfüllungskosten anzusehen. Hinsichtlich der Beseitigungskosten lassen sich demgegenüber durchaus Argumente dafür finden, diese als von dem kaufvertraglichen Nacherfüllungsanspruch prinzipiell erfasst anzusehen. Bei der vorliegenden Fallkonstellation, in der die Bodenfliesen bereits zweckentsprechend verlegt worden sind, fällt damit neben der Pflicht zur Mitnahme auch das dieser notwendigerweise vorgelagerte Herausreißen der mangelhaften Fliesen unter dem Gesichtspunkt der Rücknahmeverpflichtung in den Bereich der Nacherfüllungspflicht.

Neben Gesetzeswortlaut und -systematik ist im Rahmen der historischen Gesetzesauslegung der Wille des Gesetzgebers von Bedeutung. Zu § 439 Abs. 1 BGB heißt es in den Materialien zum einen, die Regelung diene dem Schutz des Käufers und sei deshalb gerechtfertigt, da der Verkäufer mit der Lieferung einer mangelhaften Sache seine Pflichten aus dem Kaufvertrag, wie sie nunmehr in § 434 Abs. 1 S. 2 BGB geregelt sind, "verletze". Es sei daher zu berücksichtigen, dass der Käufer eine mangelfreie Sache "ohne die Pflichtverletzung" des Verkäufers bereits geliefert erhalten hätte. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die bisherige strikte Trennung zwischen (verschuldensunabhängigen) Gewährleistungsansprüchen und (verschuldensabhängigen) Schadensersatzansprüchen aufgeweicht werden sollte, ohne dass dies allerdings mit Sicherheit festgestellt werden könnte. Den Materialien lässt sich zudem entnehmen, dass § 439 BGB der Umsetzung des Artikels 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25.05.1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter - VerbrauchsGKRL - (ABl. Nr. L 171 S. 12 = NJW 1999, 2421 ff.) dient, vgl. BT-Drs. 14/6040, S. 230. Damit steht die Vorschrift unter dem Gebot richtlinienkonformer Auslegung.

Richtlinienkonforme Auslegung bedeutet, dass die nationalen Gerichte verpflichtet sind, das eigene Recht innerhalb der ihm eigenen methodischen Grenzen, also insbesondere unter Beachtung des Verbots des Judizierens contra legem, im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen (vgl. EuGH, NJW 2006, 2465 [2467]; EuGH, NJW 1984, 2021 [2022]). Insoweit ist zu beachten, dass § 439 Abs. 1 BGB, in dem unter dem Oberbegriff der "Nacherfüllung" die beiden Varianten "Beseitigung des Mangels" und "Lieferung einer mangelfreien Sache" zusammengefasst werden, auf Artikel 3 Abs. 2, 3 VerbrGKRL zurückgeht. In Art. 3 Abs. 2 S. 1 ist indes nicht die Rede von "Nacherfüllung", sondern von "Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes"; und die Nacherfüllungsvariante "Lieferung einer mangelfreien Sache" wird noch mit den Worten "Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3" umschrieben. Nach diesem Wortlaut trifft den Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung also mehr als nur die Pflicht zur Übergabe und Übereignung einer nunmehr mangelfreien Kaufsache. Vielmehr schuldet er die "Herstellung" eines vertragsgemäßen "Zustands". Dieser "Zustand" aber ist dadurch gekennzeichnet, dass die Kaufsache inzwischen bestimmungsgemäß verarbeitet worden ist. Dies würde für die Ansicht streiten, wonach vorliegend im Rahmen der Nacherfüllung auch die Ein- und Ausbaukosten zu den Nacherfüllungskosten zu zählen sind. Auch der Begriff der "Ersatzlieferung" spricht dafür, dass der Verkäufer mehr schuldet, als der Wortlaut des § 439 Abs. 1. 2.Variante BGB vermuten lässt, nämlich nicht nur "Lieferung" einer mangelfreien Kaufsache (womit, wie bereits ausgeführt, im Prinzip nur das Verbringen der Kaufsache an einen bestimmten Ort beschrieben wird), sondern "Ersatzlieferung". Wer eine Sache "ersetzt", muss indes nach dem Wortsinn nicht nur die neue Sache übergeben, sondern auch die alte, zu ersetzende Sache wegnehmen, denn andernfalls hat er nicht "ersetzt", sondern "hinzugesetzt". Hierin sieht der Senat daher ein Argument dafür, dass zur Nacherfüllung auch das Herausreißen und Beseitigen der mangelhaften Sache gehört. In dem im Rahmen der Nacherfüllungsvariante "Ersatzlieferung" angesprochenen Absatz 3 des Art. 3 VerbrGKRL heißt es sodann "... die Ersatzlieferung muss innerhalb einer angemessenen Frist und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher erfolgen, wobei die Art des Verbrauchsgutes sowie der Zweck, für den der Verbraucher das Verbrauchsgut benötigte, zu berücksichtigen sind". Auch hierin wird deutlich, dass der Umstand, wie die Kaufsache nach dem für die Kaufvertragsparteien ersichtlichen Vertragszweck verwandt werden sollte, im Rahmen der Nacherfüllung durch Lieferung einer mangelfreien Sache bzw. Herstellung des vertragsgemäßen Zustands der Kaufsache durch Ersatzlieferung von Bedeutung ist. Der Verkäufer ist verpflichtet, diesen Zustand zu berücksichtigen und seine Ersatzlieferung darauf auszurichten und sie ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Käufer erbringen. Auch dies spricht dafür, dem Käufer im Rahmen der Nacherfüllung mehr als nur die bloße Übergabe und Übereignung einer neuen mangelfreien Sache zukommen zu lassen. Dabei kommt dem Umstand, dass die Formulierungen im BGB weniger weitreichend sind als in der VerbrGKRL, keine Bedeutung zu, weil sich aus den Materialien ergibt, dass der Gesetzgeber die VerbrGKRL ohne inhaltliche Abstriche hat umsetzen wollen (BT-Drs. 14/6040, S. 230 ff.). Insgesamt ergibt sich damit bei richtlinienkonformer Auslegung des Gesetzes, dass eine verbraucherfreundliche Auslegung des § 439 BGB geboten ist, die über den Wortlaut des Gesetzes hinausgeht und dem Verkäufer nicht nur die "Lieferung", sondern eine "Ersatzlieferung" und ferner nicht nur eine "Nacherfüllung", sondern "die Herstellung des vertragsgemäßen Zustands" abverlangt, und zwar unter Berücksichtigung des Zwecks, für den der Käufer die Kaufsache benötigt.

Gleichwohl gelangt der Senat unter Berücksichtigung des Ergebnisses der systematischen Auslegung und der sich hieraus ergebenden Erkenntnis, dass es sich bei dem Nacherfüllungsanspruch nur um den modifizierten Erfüllungsanspruch handelt, der gegenüber dem ursprünglichen Erfüllungsanspruch lediglich eine zusätzliche Rücknahmeverpflichtung mit sich bringt, zu der Auffassung, dass der Nacherfüllungsanspruch nicht auch die Kosten für eine Neuverlegung der Fliesen umfassen kann, die kaufvertraglich zu keinem Zeitpunkt geschuldet gewesen ist. Eine weitergehende Auslegung unter dem Gesichtspunkt der Richtlinienkonformität wäre daher eine solche contra legem.

Die folgende Kontrollüberlegung spricht nach Ansicht des Senats für die Richtigkeit des hier gefundenen Ergebnisses, dass der Verkäufer einer mangelhaften Sache diese im Rahmen der Nacherfüllung verschuldensunabhängig auf eigene Kosten beim Käufer zurückzunehmen hat: Man denke etwa an den Fall, dass ein Verkäufer - unterstellt schuldlos - eine gesundheitsgefährdende Kaufsache, etwa eine asbestverseuchte Holzplatte, die der Käufer sodann bestimmungsgemäß in seinen Einbauschrank einbaut, liefert. Es wäre vom Ergebnis her unbillig, wenn der Verkäufer in einem solchen Fall lediglich eine neue, mangelfreie Holzplatte liefern müsste, während sich der Käufer, der insgesamt nur eine Holzplatte gekauft hat und haben wollte, nach durchgeführter Nachlieferung die mangelhafte Kaufsache auf eigene Kosten herausreißen und entsorgen müsste, zumal wenn man bedenkt, dass der vertragswidrige Zustand von dem Verkäufer und nicht von dem Käufer herbeigeführt worden ist.

Die Höhe der Nacherfüllungskosten ergibt sich auf der Grundlage der Feststellungen des Sachverständigen, gegen deren Richtigkeit die Parteien keine Einwendungen erhoben haben, wie folgt:

 1) Baustelleneinrichtung (50 %) 50,00 €
2) Geräteeinsatz - Elektromeisel und Winkelschleifer - (50 %) 50,00 €
3) Aus- und Einräumen der Wohnmöbel (50 %) 60,00 €
4) Abklebe- und Abdeckarbeiten (50 %) 75,00 €
5) Entfernen des alten Fliesenbelags (100 %) 656,00 €
6) Schuttentsorgung (100 %) 250,00 €
7) Aus- und Einbau der Küchenzeile (50 %) 442,50 €
8) Malerarbeiten (50 %) 50,00 €
9) Reinigungsarbeiten (50 %) 150,00 €
 1.783,50 €
zzgl 19 % MwSt 2.122,37 €

Die Positionen 5) und 6) sind in vollem Umfang in Ansatz zu bringen, da sie das Herausreißen der Fliesen und die Schuttentsorgung betreffen.

Hinsichtlich der Positionen 1) - 4) und 7) - 9) ist demgegenüber zu berücksichtigen, dass die zugrundeliegenden Arbeiten bei der von dem Kläger auf eigene Kosten durchzuführenden Neuverlegungsarbeiten sowieso entstehen würden. Dies rechtfertigt in Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO eine Halbierung.

Im Rahmen der nunmehr durchzuführenden Abwägung des Interesses des Klägers an der Durchführung der Nacherfüllung einerseits mit dem Interesse der Beklagten daran, nicht mit unverhältnismäßig hohen Nacherfüllungskosten belastet zu werden, andererseits, kann angesichts des Umstandes, dass die Beeinträchtigung durch die fehlerhaften Fliesen erheblich ist und die Nacherfüllung neben der Lieferung mangelfreier Fliesen Kosten von 2.122,37 € verursacht, nicht festgestellt werden, dass die Nacherfüllung mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden wäre.

2) Aus dem Vorstehenden folgt hinsichtlich des Berufungsantrags zu 2), dass der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 2.122,37 € aus §§ 434, 437 Nr. 1, 439 Abs. 1, 2 BGB in Verbindung mit §§ 280 Abs. 3, 281 Abs. 1, 2 BGB hat.

Dabei legt der Senat den Antrag dahingehend aus, das der Kläger hinsichtlich der Beseitigungskosten nicht nur Zahlung von 1.783,50 € zzgl. 16 % Mehrwertsteuer, wie zahlenmäßig beantragt, verlangt, sondern dass sich das Klagebegehren auf den inzwischen geltenden Mehrwertsteuersatz von 19 % bezieht. Die Frage der Höhe der Mehrwertsteuer ist in der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2008 erörtert worden und der Kläger hat klargestellt, dass er insoweit den aktuellen Steuersatz geltend macht.

Unschädlich ist ferner, dass der Kläger den (Teil-)anspruch von 2.122,37 € als Schadensersatzforderung wegen schuldhafter Lieferung einer mangelhaften Sache geltend macht, während der Senat ihm die Forderung unter dem Gesichtspunkt der Nacherfüllungskosten zuspricht (da mihi facta, dabo tibi ius).

Der Kläger kann auch Geldzahlung verlangen. Zwar sieht § 439 Abs. 1, 2 BGB selbst keinen Zahlungsanspruch vor, sondern verpflichtet den Verkäufer nur zur Durchführung der Nacherfüllung auf eigene Kosten.

Indem die Beklagte jedoch vorgerichtlich jegliche Ansprüche des Klägers zurückgewiesen hat, hat sie ihre Pflicht zur Nacherfüllung schuldhaft verletzt (§ 281 Abs. 1 BGB) und die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 281 Abs. 2 BGB), so dass es einer Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht bedurfte.

Der Geltendmachung der anteiligen Mehrwertsteuer scheidet auch nicht wegen § 249 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach die Mehrwertsteuer erst dann verlangt werden kann, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist, aus, da es vorliegend nicht um einen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung einer Sache geht, sondern um einen solchen wegen Verweigerung der Nacherfüllung.

3) Zinsen kann der Kläger in zuerkannter Höhe aus §§ 286 Abs. 1 S. 1. 288 Abs. 1 BGB verlangen.

4) Weitergehende Schadensersatzansprüche wegen schuldhafter Lieferung mangelhafter Bodenfliesen (§§ 434, 437 Nr. 3, 440, 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB) stehen dem Kläger demgegenüber mangels Verschuldens der Beklagten nicht zu.

5) Aus diesem Grunde kommt auch ein Schadensersatzanspruch aus §§ 434, 437 Nr. 3, 440, 284 BGB nicht in Betracht, der im übrigen ohnehin lediglich den Ersatz vergeblich getätigter Aufwendungen erfassen würde, die der Kläger im Vertrauen auf den Erhalt mangelfreier Fliesen bereits vorgenommen hat und die infolge der Mangelhaftigkeit der Sache nutzlos geblieben sind. Das wären vorliegend die Kosten der erstmaligen Verlegung der mangelhaften Bodenfliesen, die aber ersichtlich gar nicht geltend gemacht werden sollen. Der Anspruch aus § 284 BGB könnte ohnehin nicht neben dem Anspruch aus § 281 BGB erhoben werden, da die Ansprüche einander ausschließen, was auch sachgerecht ist, da der Kläger ansonsten von dem Verkäufer im Ergebnis eine komplett kostenlose Verlegung der Bodenfliesen erhalten würde, was nicht Sinn des Schadensersatzrechts ist.

5) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

6) Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 S. 1, 2, 709 S. 2 ZPO.

7) Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen, weil zu erwarten ist, dass die klärungsbedürftige Problematik der Reichweite der Nacherfüllungspflicht (§ 439 Abs. 1, 2 BGB) in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen entscheidungserheblich sein wird; sie hat damit grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Darüber hinaus erfordern die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsordnung eine Entscheidung des Revisionsgerichts, zumal zur Problematik divergierende obergerichtliche Entscheidungen vorliegen (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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