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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.11.2000
Aktenzeichen: 16 U 139/99
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 366
ZPO § 524 Abs. 4
ZPO § 128 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 711 Satz 1
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Widerruf der Zustimmung zur Entscheidung durch den Einzelrichter.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

16 U 139/99

2/26 0 395/98 LG Frankfurt am Main

Verkündet am 06. November 2000

In dem Rechtsstreit ...

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter ... als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. September 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

Das Versäumnisurteil des Senates vom 29. Mai 2000 wird aufrecht erhalten.

Der Beklagte trägt auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 125.000,­ abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Beschwer: DM 84.472,08.

Tatbestand

Die Klägerin gewährte dem Beklagten, der bei ihr ein Girokonto unterhielt, mehrere Darlehen, darunter ein Tilgungsdarlehen über DM 85.000,­ unter der Darlehensnummer ... (Bl. 21-22 d.A.). Als Sicherheit dienten u.a. Grundschulden auf einem dem Beklagten gehörenden Grundstück. Die Darlehensraten sollten dem Girokonto Nr. 10 133 461 belastet werden.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 16. August 1996 verkaufte der Beklagte das Grundstück, auf dem außer den Grundschulden der Klägerin eine weitere Grundschuld über DM 29.700,­ für die LBS und eine Sicherungshypothek von DM 7.061,20 lasteten, zu einem Kaufpreis von DM 473.000,­ (Bl. 52-67 d.A.). In § 1 des Kaufvertrages heißt es, dass nach den Angaben der Beteiligten sich die Darlehen der Klägerin auf ca. DM 500.000,­ beliefen und diese bereit sei, die Grundschulden gegen Zahlung des Kaufpreises (abzüglich der vom Beklagten zu zahlenden Notariats- und Gerichtsgebühren) löschen zu lassen. Nach Zahlung von DM 462.710,10 erteilte die Klägerin die Löschungsbewilligungen für die Grundschulden.

Die auf das Girokonto eingegangene Zahlung verrechnete die Klägerin wie folgt (Bl. 106-118 d.A.): ­ Darlehen Nr. .... DM 43.153,23 ­ Darlehen Nr. ... DM 115.518,14 ­ Darlehen Nr. ... DM 49.944,79 ­ Darlehen Nr. ... DM 116.237,58 ­ Bausparvertrag Nr. . DM 53.731,31 ­ Rückführung Girokonto Nr. ... DM 84.125,05 (Rest).

Nachdem der Beklagte trotz entsprechender Hinweise seitens der Klägerin keine Zahlungen mehr auf das noch weiter im Soll befindliche Girokonto leistete, kündigte die Klägerin das verfahrensgegenständliche Darlehen mit Schreiben vom 20. März 1998 fristlos. Die Klägerin hat behauptet, dieses Darlehen habe zum Kündigungszeitpunkt noch in Höhe von DM 84.472,08 valutiert und entsprechende Forderungsaufstellungen vorgelegt (Bl. 90-98 d.A.). Bei Verrechnung des Kaufpreises habe sich für das verfahrensgegenständliche Darlehen kein Betrag mehr ergeben. Zwar sei dem Beklagten die Verrechnung nicht förmlich mitgeteilt worden; er habe sie jedoch dem Kontoauszug vom 5. Dezember 1996 zum Girokonto entnehmen können. Auch sei der Beklagte von ihrem Mitarbeiter O. am 7. Februar 1997 auf das offene Darlehenskonto und die dafür aufzubringenden monatlichen Raten hingewiesen worden.

Die Klägerin hat über den offenen Darlehensbetrag sowie über den Sollbetrag des Girokontos in Höhe von DM 2.404,78 einen Mahnbescheid erwirkt. Bezogen auf die Darlehensforderung hat der Beklagte Teilwiderspruch eingelegt.

Der Beklagte hat die Verrechnungen der Klägerin für nicht nachvollziehbar gehalten. Die Gesamtansprüche der Klägerin seien erheblich höher als der ihm anlässlich des Grundstücksverkaufs genannte Betrag. Angesichts der bis Dezember 1996 regelmäßig erbrachten Tilgungsleistungen sei auch der Betrag des noch offenen Darlehens in dieser Höhe nicht nachvollziehbar.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung (über den mit Teil- Vollstreckungsbescheid vom 11. August 1998 titulierten Betrag hinaus) von weiteren DM 84.472,08 nebst Zinsen verurteilt, da der Beklagte die Abrechnung der Klägerin, die es für nachvollziehbar gehalten hat, nicht substanziiert bestritten habe. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils verwiesen (Bl. 147-156 d.A.).

Hiergegen hat der Beklagte Berufung eingelegt, mit der er seine Einwendungen weiter verfolgt und aufrecht gehalten hat.

Die Klägerin hat das angefochtene Urteil verteidigt und ­ aufgrund eines entsprechenden Hinweises seitens des Gerichts ­ seine Abrechnungen weiter erläutert.

Unter dem 29. Mai 2000 hat die Klägerin ein die Berufung des Beklagten zurückweisendes Versäumnisurteil erwirkt. Mit seinem Einspruch beantragt der Beklagte, das Versäumnisurteil vom 29. Mai 2000 aufzuheben und unter Aufhebung des angefochtenen landgerichtlichen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, das ergangene Versäumnisurteil zu bestätigen.

Die Parteien haben vor der ersten mündlichen Verhandlung einer abschließenden Entscheidung durch den Einzelrichter zugestimmt (§ 524 Abs. 4 ZPO). Der Beklagte hat den Widerruf dieser Zustimmung erklärt und beantragt Vorlage des Rechtsstreites an den Senat zur Entscheidung.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Zur Entscheidung über den zulässigen Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil des Senates vom 29. Mai 2000 war der Einzelrichter gemäß § 524 Abs. 4 ZPO berufen. Soweit der Beklagte seine Zustimmung zu einer abschließenden Entscheidung durch den Einzelrichter widerrufen hat, ist dieser Widerruf unwirksam.

Auf den Widerruf des Einverständnisses mit der abschließenden Entscheidung durch den Einzelrichter im Berufungsverfahren ist § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO entsprechend anwendbar (BGH ­ 19.10.1988 ­ MDR 1989, 242). Danach ist die erteilte Zustimmung zur Einzelrichterentscheidung nur bei einer wesentlichen Änderung der Prozesslage widerruflich. Einer Partei ist deshalb ein Festhalten an ihrer Erklärung nicht mehr zuzumuten, wenn sich die Umstände seit Abgabe der Erklärung wesentlich geändert haben.

Bei der Prüfung der Frage, ob danach ein Widerruf wirksam ist, ist die Prozesslage bei Abgabe der Zustimmungserklärung mit derjenigen im Zeitpunkt des Widerrufs zu vergleichen. Zwischenzeitliche Veränderungen des Sach- und Streitstandes sind in Beziehung zu setzen zu Sinn und Zweck des § 524 Abs. 4 ZPO. Dieser besteht darin, das Kollegium von Streitfällen zu entlasten, die keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweisen und die auch keine grundsätzliche Bedeutung haben. Nur wenn die Sache im Zeitpunkt des Widerrufs bei objektiver Betrachtung einen derartigen Zuschnitt nicht mehr hat, ist eine wesentliche Veränderung der Prozesslage, die den Widerruf rechtfertigt, zu bejahen (BGH a.a.O.).

Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben. Der Schwierigkeitsgrad des Rechtsstreites sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Art hat sich seit dem Zeitpunkt der Einverständniserklärung des Beklagten objektiv nicht verändert. Es sind keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Probleme aufgetreten, die eine andere Beurteilung des Schwierigkeitsgrades des Rechtsstreites veranlassen könnten. Es hat sich auch nichts ereignet, was dem Rechtsstreit nunmehr eine grundsätzliche Bedeutung beimessen könnte. Geändert hat sich aufgrund des Verfahrensfortganges ­ hier insbesondere aufgrund des Umstandes, dass die Klägerin nach einem rechtlichen Hinweis des Gerichts ergänzend vorgetragen und damit Unklarheiten, die zunächst noch bestanden haben, ausgeräumt hat ­ allenfalls die rechtliche Würdigung des Sach- und Streitstoffes durch das Gericht und die eigene Einschätzung des Beklagten, was die Erfolgsaussichten seiner Berufung anbelangt. Das reicht jedoch für die Wirksamkeit eines Widerrufes seiner Zustimmung zur Einzelrichterentscheidung nicht aus.

II.

In der Sache bleibt der Einspruch des Beklagten ohne Erfolg. Seine Berufung gegen das landgerichtliche Urteil ist unbegründet. 1. Gegenstand des Rechtsstreites ist allein eine Forderung der Klägerin aus dem Darlehen Nr. ... . Sonstige Darlehen sind nur insoweit beachtlich, als die Klägerin Verrechnungen vorgenommen hat. Das Gleiche gilt für das Girokonto.

Hinsichtlich dieses Darlehens hat die Klägerin nunmehr eine verständliche Übersicht vorgelegt, aus der sich in nachvollziehbarer Weise die Lastschriften durch Zinsen und Gebühren und die Gutschriften durch monatliche Raten ergeben. Die Klägerin hat auch die Buchungsweise erläutert. Konkrete Einwendungen hiergegen hat der Beklagte nicht (mehr) erhoben. Hieraus ergibt sich die Klageforderung.

2. Bestand diese somit zu Recht, dann wäre es Sache des Beklagten gewesen, ihre Tilgung darzulegen. Er hätte deshalb hinsichtlich der Überweisung des Kaufpreises von DM 462.710,10 vortragen müssen, dass er überhaupt und zudem eine andere Leistungsbestimmung (§ 366 Abs. 1 BGB) getroffen habe, als es den Verrechnungen der Klägerin entspricht. Das hat er jedoch nicht.

Damit war die Klägerin ihrerseits berechtigt, den bei ihr eingegangenen Kaufpreiserlös auf die einzelnen Verbindlichkeiten des Beklagten zu verteilen.

3. Die von ihr vorgenommene Verteilung hält sich im Rahmen des § 366 BGB.

a) Zwar war das Darlehen Nr. ... nach den Darlehensbedingungen erst bei Zuteilung eines Bausparvertrages, voraussichtlich am 31. 01. 2001 zurückzuzahlen" und somit eigentlich noch nicht fällig; es unterlag jedoch der höchsten Verzinsung aller Darlehen, war also dem Beklagten am lästigsten, während das verfahrensgegenständliche Darlehen demgegenüber die geringste Verzinsung aller Darlehen aufwies, somit das dem Beklagten am wenigstens lästige war. Die Ermächtigung der Klägerin durch den Beklagten, überhaupt seine Verbindlichkeiten bei ihr durch den Kaufpreiserlös auszugleichen, deckt auch die Tilgung an und für sich noch nicht fälliger Darlehen. Hätte die Klägerin eine andere Verrechnung vorgenommen, so wäre der Beklagte höheren Zinsansprüchen ausgesetzt gewesen. b) Insoweit lag auch die Verrechnung des Kaufpreiserlöses auf das Bauspardarlehen des Beklagten bei der ... in dessen eigenem wohlverstandenem Interesse. Warum dies nicht der Fall gewesen sein sollte, trägt der Beklagte nicht vor.

c) Aus denselben Gründen ist es nicht zu beanstanden, dass die Klägerin den Rest des Kaufpreiserlöses in Höhe von DM 84.125,05, der ohnehin nicht zur vollständigen Tilgung des verfahrensgegenständlichen Darlehens ausgereicht hätte, auf dem Girokonto stehen ließ", um dessen Sollstand zurückzuführen. Immerhin wies das Girokonto seinerzeit einen negativen Saldo von DM 102.632,18 auf.

Mit einer Kündigung" des Girokontos hat das nichts zu tun. Insbesondere geht der Hinweis des Beklagten auf Nr. 26 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin fehl. Diese Bestimmung betrifft die Kündigung der gesamten Geschäftsbeziehung oder einzelner Geschäftszweige. Davon kann hier keine Rede sein, ging es doch lediglich um die (annähernde) Glattstellung einer Kontoüberziehung, zumal diese ebenfalls von der Ermächtigung zur Verrechnung des Kaufpreiserlöses mit allen Verbindlichkeiten gedeckt war. Im übrigen ist die tatsächliche Kündigung des Girokontos nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

Hätte die Klägerin den auf dem Girokonto verbliebenen Restbetrag des Kaufpreises mit dem verfahrensgegenständlichen Darlehen verrechnet, statt durch den Verbleib des Restbetrages auf dem Girokonto dessen Sollstand zu senken, dann hätte die Klägerin einen um denselben Betrag höheren Rückzahlungsanspruch aus dem Girokonto gehabt. Der Beklagte hätte dadurch nichts gewonnen. Die Rückführung des Girokontos (statt des Darlehenskontos) gereichte dem Beklagten sogar zum Vorteil; denn nach eigenem Vorbringen hatte er auf das Girokonto höhere Sollzinsen zu zahlen, als für das Darlehen vereinbart waren.

4. Auch zur Höhe der Verbindlichkeiten, die zu den einzelnen Darlehen bestanden haben, hat die Klägerin im Einzelnen vorgetragen und dies belegt. Hierzu hat der Beklagte ebenfalls keine substanziierten Einwendungen (mehr) vorgebracht. II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit mit Vollstreckungsschutz ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Beschwer war nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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