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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 22.01.2004
Aktenzeichen: 16 U 21/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 826
1. Ein Geschäftsführer einer Optionsvermittlungs-GmbH, der Optionsgeschäfte ohne gehörige Aufklärung der Kunden abschließt, den Abschluss veranlasst oder bewusst nicht verhindert, nutzt seine geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise auf und haftet den Optionserwerbern deshalb nach § 826 BGB.

2. Die Warnhinweise in der Aufklärungsbroschüre dürfen nicht durch verharmlosende Darstellungen in der Broschüre oder auf sonstige Weise entwertet werden.

3. Telefonverkäufer haften auf Schadensersatz nach § 826 BGB, wenn sie den von dem Geschäftsherrn veranlassten und im Geschäftskonzept zum Ausdruck kommenden Sittenverstoß erkennen und dennoch mithelfen, dieses Konzept in die Tat umzusetzen. (BGB 826; BGB pVV)


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES TEILVERSÄUMNIS- UND SCHLUSSURTEIL

16 U 21/00

Verkündet am 22.01.2004

In dem Rechtsstreit

...

hat der 16. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richter am Oberlandesgericht .... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dezember 1999 (2-21 O 470/98) abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 159.748,29 € nebst 6 % Zinsen aus 109.160,82 € seit 29. Mai 1998, aus 25.564,59 € seit 18. Juni 1998, aus 20.962,97 € seit 27. Juni 1998, aus 30.685,18 € für den Zeitraum vom 18. Juli 1998 bis 27. September 1998 sowie aus 4.065,02 € seit 28. September 1998 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Schadensersatz zu leisten wegen fehlgeschlagener Börsentermingeschäfte.

Die Beklagte zu 1) befasst sich mit der Durchführung und Vermittlung von Termingeschäften; der Beklagte zu 2) ist Geschäftsführer der Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 3) war ab April 1997 bei der Beklagten zu 1) als Telefonverkäufer tätig.

Der Kläger stand im Zeitraum von Februar 1997 bis April 1998 in Geschäftsbeziehungen zu einer Firma A. GmbH. Er tätigte u.a. für einen Betrag in Höhe von 400.000,- DM eine Anlage im sogenannten A.-...-Fonds. Der Beklagte zu 3) war bis März 1997 bei der A. GmbH tätig. Hieraus resultierte ein geschäftlicher Kontakt zwischen dem Kläger und dem Beklagten zu 3).

Wie und in welcher Weise der geschäftliche Kontakt zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) zustande kam, ist zwischen den Parteien streitig.

Jedenfalls erhielt der Kläger am 25. Mai 1998 eine von dem Beklagten zu 2) unterzeichnete und übermittelte Berechnung bezüglich Geschäften mit Call-Optionen auf Kaffee. Wegen des Inhalts dieses Schriftstücks wird auf Bl. 26 d. A. Bezug genommen. Weiterhin erhielt der Kläger im Mai 1998 verschiedene englischsprachige Vertragsunterlagen durch den Beklagten zu 3) übersandt, die der Kläger - nach seiner Behauptung blanko - am 26. Mai 1998 unterzeichnete und an die Beklagte zurück sandte.

Der Kläger erhielt ferner von dem Brokerhaus, der Firma B. AG die Broschüre " ...". Schließlich unterzeichnete der Kläger am 26. Mai 1998 einen "Vermittlungsvertrag und Vollmacht" mit der Beklagten zu 1) und einen "Schiedsvertrag zum Geschäftsbesorgungsvertrag über die Vermittlung von Termingeschäften".

Im Zeitraum zwischen Mai 1998 und Juli 1998 führte die Beklagte zu 1) mehrere Börsentermintransaktionen für den Kläger durch. Der Kläger leistete eine Gesamteinzahlung in Höhe eines Betrages von 346.515 DM. Ende September 1998 wurde eine Öloption verkauft. Der Kläger erhielt hierfür einen Betrag in Höhe von 52.152,74 DM. Unter Berücksichtigung von Spesen errechnet sich der Kläger einen Schaden in Höhe von 312.440,49 DM, den er von den Beklagten als Gesamtschuldnern verlangt.

Der Kläger hat behauptet, er habe vor der Geschäftsbeziehung mit der Beklagten zu 1) keine Erfahrung mit Börsentermingeschäften gehabt. Der Beklagte zu 3) habe sich am 9. Januar 1998 unaufgefordert bei ihm gemeldet und sich mehrfach negativ über die Anlagekonzepte der A.-Fonds geäußert.

Der Beklagte zu 3) habe versucht, ihn zu überreden, die A.-Fonds zu veräußern und in Silber- und Dow-Optionen zu investieren. Der Beklagte habe ihm unaufgefordert Prospektmaterial und Telefaxe mit Presseberichten zugesandt und in der Folgezeit regelmäßig angerufen, wobei er ihn auf die verpassten Chancen im Silber- und Dowbereich angesprochen und ihm erhebliche Gewinnaussichten im Kaffeebereich vorhergesagt habe. Der Beklagte zu 3) habe anlässlich eines Telefongespräches am 26. Mai 1998 eine Verbindung mit dem Beklagten zu 2) hergestellt, der ihm, dem Kläger, dann die schriftliche Berechnung vom 25. Mai 1998 erläutert und erklärt habe, "die Sache sei doch ganz einfach".

Der Kläger hat weiterhin behauptet, ihm sei von der Beklagten zu 1) die Aufklärungsbroschüre "... ...geschäfts" nicht übersandt worden.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn einen Betrag von 312.440,49 DM nebst 6 % Zinsen aus 213.500,- DM seit dem 29. Mai 1998, 6 % Zinsen aus 50.000,- DM seit dem 18. Juni 1998, 6 % Zinsen aus 41.000,- DM seit dem 27. Juni 1998, 6 % aus 60.015,- DM für den Zeitraum vom 18. Juli 1998 bis 27. September 1998 sowie 6 % Zinsen aus 7.940,49 DM seit dem 28. September 1998 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Einrede des Schiedsvertrages erhoben. Sie haben behauptet, der Kläger habe sich nach dem Wechsel des Beklagten zu 3) zu der Beklagten zu 1) entschlossen, diesem zu folgen. Der Kläger habe den Beklagten zu 3) nach dessen Ausscheiden bei der Firma A. ständig angerufen. Dem Kläger sei im April 1997 die Broschüre der Beklagten zu 1) "... ...handel" zur Verfügung gestellt worden. Auch im Januar 1998, nachdem der Kläger Interesse an einer Anlage über die Beklagte zu 1) bekundet habe, habe er von der Beklagten zu 1) zunächst einen ausführlichen Aufklärungsprospekt der kontoführenden Institute und des C. B. AG in englischer und deutscher Sprache erhalten. Gleichzeitig sei dem Kläger nochmals die Aufklärungsbroschüre der Beklagten zu 1) sowie ein Aufklärungs-Videofilm übersandt worden. Darüber hinaus seien die Geschäfte mit ihm intensiv besprochen worden. Der Kläger habe fast täglich bei der Beklagten zu 1) angerufen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 2. Juli 1999 (Bl. 185 - 190 d. A.) durch Vernehmung der Zeugen Z1, Z2 und Z3 sowie Parteivernehmung des Klägers. Außerdem erfolgte eine persönliche Anhörung des Beklagten zu 2). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 30. September 1999 (Bl. 207 - 222 d. A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 17. Dezember 1999 abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils (Bl. 267 - 290 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses ihm am 7. Januar 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 7. Februar 2000 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 29. März 2000 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagten darlegungs- und beweisbelastet seien für eine ordnungsgemäße Aufklärung und dass dieser Beweis nicht erbracht sei. Er habe lediglich Erfahrungen gesammelt im Bereich der Kapitalanlage mit Lebensversicherungen und verzinslichen Anlagen, nicht aber mit Aktien. Er sei vom Beklagten zu 3) am 9. Januar 1998 angerufen worden. Auch später hätten zahlreiche Telefonate stattgefunden, in denen er zum Abschluss von Optionsgeschäften gedrängt worden sei. Der Beklagte zu 3) habe erklärt, ein Risiko sei mit diesen Geschäften nicht verbunden. Es gebe Techniken, mit denen man das Risiko ausschalten könne.

Der Kläger ist der Auffassung, nicht sachgerecht beraten worden zu sein.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 17. Dezember 1999, Geschäftsnummer 2-12 O 470/98, abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn einen Betrag von 312.440,49 DM nebst 6 % Zinsen aus 213.500,- DM seit dem 29. Mai 1998, 6 % Zinsen aus 50.000,- DM seit dem 18. Juni 1998, 6 % Zinsen aus 41.000,- DM seit dem 27. Juni 1998, 6 % Zinsen aus 60.015,- DM für den Zeitraum vom 18. Juli 1998 bis 27. September 1998 sowie 6 % Zinsen aus 7.950,49 DM sei dem 28. September 1998 zu zahlen.

Die Beklagte zu 1) ist in zweiter Instanz nicht mehr vertreten und hat keinen Antrag gestellt.

Die Beklagten zu 2) und 3) beantragen,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die Aufklärung des Klägers sei ausreichend gewesen. Die Risiken der Anlage seien auch nicht verharmlost worden. Dies habe die erstinstanzliche Beweisaufnahme ergeben.

Der Senat hat durch Beschluss vom 6. November 2000 den Rechtsstreit nach § 149 ZPO ausgesetzt bis zum rechtskräftigen Abschluss des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens. Die Staatsanwaltschaft hat am 27. März 2003 das Ermittlungsverfahren eingestellt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig und begründet. Dem Kläger steht gegen alle drei Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 159.748,29 € (= 312.440,49 DM) zu.

Das Rechtsmittel des Klägers wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet. Nachdem das Landgericht die Schiedsabrede als unwirksam angesehen hat, haben die Beklagten in der Berufungsinstanz sich nicht mehr auf diese Schiedsvereinbarung berufen.

Die Beklagte zu 1) ist in zweiter Instanz nicht mehr vertreten. Das Konkursverfahren gegen sie ist mangels Masse abgelehnt worden.

Gegen die Beklagte zu 1) konnte das vom Kläger beantragte Versäumnisurteil erlassen werden. Gemäß § 542 Abs. 2 ZPO a.F. ist das tatsächliche Vorbringen des Klägers als zugestanden anzusehen. Der Kläger trägt vor, von den Mitarbeitern der Beklagten zu 1) vorsätzlich geschädigt worden zu sein. Er habe keine Aufklärungsbroschüre erhalten und sei auch sonst über die Risiken der Geschäfte nicht aufgeklärt worden.

Unterstellt man dieses Vorbringen als zutreffend, so ist die Klage aus § 826 BGB und aus positiver Vertragsverletzung des Vermittlungsvertrages begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Schadensersatzanspruch zu. Die Höhe des Schadens ist nicht im Streit.

Auch gegen den Beklagten zu 2) steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nutzt ein Geschäftsführer einer Optionsvermittlungs-GmbH, der Optionsgeschäfte ohne gehörige Aufklärung der Kunden abschließt, den Abschluss veranlasst oder bewusst nicht verhindert seine geschäftliche Überlegenheit in sittenwidriger Weise aus und haftet den Optionserwerbern deshalb gemäß § 826 BGB auf Schadensersatz (BGH WM 1994, 453 und 1746, BGHZ 105, 108, BGH WM 1999, 540). Es ist insoweit ausreichend, dass der Beklagte zu 2) über die Geschäftspraktiken der Beklagten zu 1) einschließlich des Inhalts der Informationsbroschüre informiert war (BGH WM 1999, 540). Ob er persönlich an den Handlungen beteiligt war, spielt keine Rolle. Hier hat aber der Beklagte zu 2) unstreitig auch selbst mit dem Kläger telefoniert.

Weder die Beklagte zu 1) noch der Beklagte zu 2) haben den Kläger ordnungsgemäß schriftlich aufgeklärt.

Der Vermittlungsvertrag vom 26. Mai 1998 (Bl. 100 d. A.) enthält keinerlei detaillierte Aufklärung. Dort ist lediglich ausgeführt, der Kläger sei sich der wirtschaftlichen Auswirkungen der Transaktionskosten auf die Gewinnchancen bewusst. Auch sei er sich über das Risiko des Totalverlustes und die Hebelwirkung im klaren. Dies allein genügt den strengen Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei weitem nicht.

Aber auch die Übersendung der Aufklärungsbroschüre "... ...geschäfts" führt nicht zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Klägers. Dabei kann offen bleiben, ob der Kläger diese Broschüre erhalten hat. Jedenfalls genügt sie entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht der insoweit sehr strengen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Der Klägervertreter hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Bundesgerichtshof bisher noch keine Aufklärungsbroschüre als ausreichend anerkannt hat.

In der schriftlichen Aufklärung ist über die wirtschaftlichen Zusammenhänge und die Risiken des Optionsgeschäfts, insbesondere die Höhe und Bedeutung der Optionsprämie aufzuklären. So muss darauf hingewiesen werden, dass sich die Börsenoptionsprämien durch Annäherung von Gebot und Gegengebot bildet und deswegen den Rahmen eines vom Markt noch als vertretbar angesehenen Risikobereichs kennzeichnet, weil die Option nach Einschätzung der Kursentwicklung durch den Börsenfachhandel eine Gewinnchance hat, die den Optionspreis wert ist und somit die Höhe dieses Preises den noch als realistisch angesehenen, wenn auch bereits weitgehend spekulativen Kurserwartungen des Börsenfachhandels entspricht.

Es muss ferner dargelegt werden, ob und in welcher Höhe ein Aufschlag genommen wird und dass jeder Aufschlag auf die Börsenoptionsprämien die Gewinnerwartung verschlechtert, weil ein höherer Kursausschlag als der vom Börsenfachhandel als realistisch angesehene notwendig ist, um in diese Gewinnzone zu kommen (BGH WM 1991, 1410, BGHZ 105, 108). Auf die weit gehende Ausgrenzung der Gewinnchancen haben Optionsvermittler, die Aufschläge verlangen, unmissverständlich hinzuweisen (BGHZ 124, 151).

Es muss deutlich darauf aufmerksam gemacht werden, dass infolge des verlangten Aufschlags eine Gewinnchance kaum noch gegeben ist und insbesondere Kunden, die mehrere verschiedene Optionsgeschäfte abschließen, im Ergebnis praktisch chancenlos sind (BGH a.a.O.). Die Hinweise sind unmissverständlich und auch für flüchtige Leser in auffälliger Form darzulegen. Sie müssen zutreffend, vollständig und gedanklich geordnet sein (BGH WM 1996 1214).

Zwar enthält die Broschüre der Beklagten zu 1) deutliche Risikohinweise, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Gleichwohl reicht diese Broschüre nicht zur ordnungsgemäßen schriftlichen Aufklärung des Klägers aus. Es fehlt nämlich bereits an einer zutreffenden, vollständigen und gedanklich geordneten Darstellung der Risiken. So wird auf S. 2 der Aufklärungsschrift (Bl. 85 d. A.) von zwei Beispielen berichtet, die aber nicht dargelegt werden, so dass der Leser die Warnungen vor den Risiken hoher Transaktionskosten nicht nachvollziehen kann. Beispiele finden sich erst auf S. 11 der Aufklärungsbroschüre, was der flüchtige Leser aber nicht ohne weiteres auf die im Anfang der Aufklärungsschrift genannten Risiken bezieht.

Auch der Hinweis auf die weit gehende Ausgrenzung der Gewinnchancen ist unzureichend. So ist auf S. 1 der Broschüre zwar ausgeführt, dass etwaige Gewinnchancen um so geringer und damit nicht mehr vertretbar sind, je höher die Transaktionskosten sind. Jedoch wird an dieser Stelle nicht ausdrücklich auf die weit gehende Ausgrenzung der Gewinnchancen hingewiesen. Außerdem erfolgt der Hinweis nicht so, dass er auch für den flüchtigen Leser erkennbar ist. Insbesondere fehlt insoweit eine drucktechnische Hervorhebung dieses Hinweises auf eine Ausgrenzung der Gewinnchance.

Auf den Seiten 7, 10, 11 und 12 der Broschüre finden sich zwar drucktechnische Hervorhebungen, die sich teilweise mit der wörtlichen Wiedergabe von Urteilen befassen. Keiner dieser hervorgehobenen Passagen ist aber zu entnehmen, dass die Gewinnchancen weit gehend ausgegrenzt sind. Insbesondere fehlt jede Hervorhebung des Hinweises, dass höhere Aufschläge vor allem Kunden, die mehrere verschiedene Optionen erwerben, aller Wahrscheinlichkeit die Anlagen chancenlos machen (BGH WM 1994, 194), obwohl der Bundesgerichtshof ausdrücklich verlangt hat, dass der Hinweis in auffälliger Form zu erfolgen hat.

Insbesondere für den flüchtigen Leser erschließen sich solche Warnhinweise nur, wenn sie am Anfang der Aufklärungsbroschüre besonders hervorgehoben werden und nicht erst nach langen Ausführungen über die wirtschaftlichen Zusammenhänge von Options- und Futuregeschäften. Auch die wörtlichen Zitate von Gerichtsurteilen auf den Seiten 7 und 10 der Aufklärungsschrift führen nicht zu einer ordnungsgemäßen Aufklärung des Klägers, denn, wie der Bundesgerichtshof (WM 1994, 149) entschieden hat, sind die erforderlichen Hinweise in den gerichtlichen Entscheidungen nicht abschließend aufgeführt. Vor allem aber dienen die in den Urteilen verwendeten Formulierungen nicht dem Zweck, den Text festzulegen, mit dem unerfahrene Optionsinteressenten ausreichend aufgeklärt werden können. Es geht vielmehr darum, die besonders bedeutsamen Risiken und Umstände zu bezeichnen, über die aufzuklären ist. Die Formulierung des Aufklärungstextes ist aber Sache der Optionsvermittler.

In seiner jüngsten Entscheidung vom 21. Oktober 2003 (XI ZR 453/02) hat der Bundesgerichtshof die streitgegenständliche Broschüre ebenfalls als unzureichend angesehen (S. 14 bis 16 des Urteils). Dem schließt sich der Senat an.

Aber selbst wenn man entgegen der vorgenannten Ausführung davon ausginge, dass die Broschüre den Anforderungen genüge, weil die Risikohinweise alle enthalten seien, würde dies zur Aufklärung des Klägers nicht ausreichen, denn die bloß formale Betrachtungsweise ist nicht entscheidend (BGH WM 1991, 1410). Wichtig ist auch, dass die Warnhinweise nicht durch verharmlosende Darstellungen in der Broschüre bzw. auf sonstige Weise entwertet werden.

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte zu 2) dem Kläger am 25. Mai 1998, also einen Tag vor Abschluss des Vertrages, ein Schreiben übersandt, in welchem ihm dargelegt wurde, dass bei einem Einsatz von 52.460,00 US-Dollar der Wert durch Spekulation in Kaffee auf 243.750,00 US-Dollar innerhalb eines Monats steigen kann. Mit dem Voraugenführen solcher extremen Gewinnmöglichkeiten werden etwaige Warnhinweise in der Aufklärungsfibel unterlaufen.

Dies gilt im vorliegenden Fall ganz besonders, denn nach dem Beklagtenvortrag wurde die Aufklärungsbroschüre zuletzt im Januar 1998 versandt. Ihr Inhalt war dem Kläger bei Erhalt des Schreibens vom 25. Mai 1998 nicht mehr präsent, so dass die Warnhinweise nicht mehr die Wirkung entfalten konnten wie ohne dieses Schreiben.

Da bereits durch das Schreiben vom 25. Mai 1998 die schriftliche Aufklärung zunichte gemacht wurde, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Vortrag des Klägers zutreffend ist, der Beklagte zu 2) habe die Risiken des Geschäfts auch mündlich verharmlost.

Der Beklagte zu 2) handelte auch vorsätzlich. Dem Beklagten zu 2) als Geschäftsführer der Beklagten zu 1) war der Inhalt der Aufklärungsbroschüre bekannt. Er hat den Inhalt so gestaltet, dass ein mit Warenterminoptionen nicht Vertrauter und auf eindeutige Aufklärung angewiesener Kunde die Risiken der Geschäfte, zu deren Abschluss er bewogen werden sollte, nicht zutreffend einschätzen konnte. Diese ein sittenwidriges Verhalten begründenden Umstände waren dem Beklagten zu 2) bekannt. Ein etwaiger Irrtum über die Reichweite der Aufklärungspflicht schließt vorsätzliches Handeln nicht ohne weiteres aus (BGH WM 2003, 975; 2002, 1447; BGHZ 124, 151). Die Aufklärungsbroschüre ist darauf angelegt, durch unzureichende Darstellung und Hervorhebung der Risiken deren Warnwirkung zu mindern oder zu beseitigen (BGH WM 1994, 453).

Auch hat der Bundesgerichtshof in seinem jüngsten Urteil vom 21. Oktober 2003 darauf hingewiesen, dass ein Vorsatz des Beklagten zu 2) auch gegeben sein kann, wenn dem Geschäftsführer klar ist, dass er niemals Informationsmaterial und Aufklärungsbroschüren verwendet hat, die den strengen Anforderungen des 11. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs genügen. Auch dieser Fall liegt hier vor. Hinzu kommt im vorliegenden Fall, dass dem Beklagten zu 2) bekannt war, dass er durch sein Schreiben vom 25. Mai 1998 seine Risikoaufklärung des Klägers weit gehend wertlos gemacht hat, indem er ihm erhebliche Gewinnchancen aufzeigte.

Die schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten zu 2) war auch ursächlich für den Schaden des Klägers. Insoweit gilt auch für den Kläger die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens. Der Kläger hätte die Optionen nicht erworben, wenn der Beklagte zu 2) bzw. die Beklagte zu 1) pflichtgemäß aufgeklärt hätten. Da es ohne Verletzung der Aufklärungspflicht nicht zum Abschluss der Verträge gekommen wäre, ist dem Kläger ein Schaden in Höhe der von ihm eingesetzten Beträge entstanden. Die Höhe des Schadens ist zwischen den Parteien nicht im Streit.

Auch der Beklagte zu 3) als Telefonverkäufer haftet dem Kläger auf Schadensersatz nach § 826 BGB.

Auch Telefonverkäufer haften auf Schadensersatz wegen vorsätzlicher und sittenwidriger Schädigung, wenn sie den von dem Geschäftsherrn veranlassten und im Geschäftskonzept zum Ausdruck kommenden Sittenverstoß erkennen und dennoch mithelfen, dieses Konzept in die Tat umzusetzen (BGH WM 1984, 960, 961, WM 1984, 127; Senatsurteil vom 22.März 2001 16 U 76/00). Auch ein Telefonhändler handelt also sittenwidrig, wenn er den Sachverhalt durchschaut, gleichwohl aber solche Geschäftsabschlüsse vornimmt, veranlasst oder bewusst nicht verhindert, ohne die Kunden zuvor über die Zusammenhänge der Geschäfte aufgeklärt zu haben (BGH WM 1985, 81, 82). Im Kern bedeutet das, dass derjenige, der beim Vertrieb von Terminoptionen die notwendigen Aufklärungspflichten verletzt, dem Anleger nach § 826 BGB haftet (Assmann/Schütze, Handbuch des Kapitalanlagerechts 2. Aufl., § 16 Rdz. 209 m.w.N.).

Der Beklagte zu 3) hat die Aufklärungspflicht gegenüber dem Kläger vorsätzlich verletzt. Ihm war der Inhalt der Aufklärungsprospekts ebenso bekannt wie dem Beklagten zu 2). Da er die Übersendung der Broschüre veranlasst hat, war ihm als erfahrenen Telefonhändler ebenso wie dem Beklagten zu 2) klar, dass die Aufklärung unzureichend war. Außerdem hat nach Angaben des Beklagten zu 2) in der Beweisaufnahme der Beklagte zu 3) ihn gebeten, das Schreiben vom 25. Mai 1995 an den Kläger zu senden. Auch ihm war deshalb klar, dass durch ein solches Schreiben sämtliche Warnungen an den Kläger entwertet werden. Dass er gleichwohl versucht hat, den Kläger von der Anlage erheblicher Vermögenswerte abzuhalten, hat der Beklagte zu 3) nicht vorgetragen.

Der Zinsanspruch ist zwischen den Parteien nicht im Streit.

Da die Beklagten im Rechtsstreit unterlegen sind, haben sie gemäß den §§ 91, 100 Abs. 4 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat sah keinen Anlass, die Revision zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die streitgegenständlichen Rechtsfragen wurden vom Bundesgerichtshof im Urteil vom 27. Oktober 2003 erörtert.



Ende der Entscheidung

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