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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 21.02.2005
Aktenzeichen: 16 U 71/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 531 II
1. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Schenkungsvertrag vorliegt, ist auch die subjektive Sicht der Parteien maßgeblich. Weniger bedeutsam sind der Hinweis auf eine Vorwegnahme der Erfolge und der Verwandschaftsgrad der Parteien.

2. Bei einem groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht eine Vermutung für das Vorliegen einer gemischten Schenkung.


Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Rückübertragung eines Miteigentumsanteils an einem Hausgrundstück, das die Klägerin der Beklagten im Jahre 2000 übertragen hat.

Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. März 2004 Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 12. März 2004 abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin sei zum Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks nicht berechtigt gewesen, da grober Undank der Beklagten nicht nachgewiesen sei. Unstreitig habe die Klägerin seit 2000 keine Pflege mehr durch die Beklagte gewünscht.

Der Ehemann der Beklagten habe mit der Zustimmung der Klägerin Pflegeleistungen erbracht. Die Äußerung des Ehemanns sei kein Grund zum Widerruf der Schenkung, da die Klägerin danach noch Pflegeleistungen des Ehemannes entgegengenommen habe. Außerdem sei die Äußerung der Beklagten nicht zuzurechnen.

Auch fehle ein Nachweis, dass die Beklagte sich durch eine verfälschte Urkunde Vorteile habe verschaffen wollen, da die Unterschrift unter das Schreiben vom 29. Januar 2003 laut Sachverständigengutachten echt sei.

Gegen dieses der Klägerin am 24. März 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 14. April 2004 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie mit einem am 21. Mai 2004 eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Klägerin ist der Ansicht, es handele sich bei der Vereinbarung vom 27. Februar 2000 nicht um einen Schenkungsvertrag, sondern um eine sogenannte gemischte Schenkung oder sogar um einen entgeltlichen Vertrag. Seit 2002 leiste die Beklagte nicht mehr. Dass die Klägerin die Leistungen durch den Ehemann ablehne, sei unerheblich, da die Äußerung des Ehemanns eine weitere Annahme der Pflegeleistungen unzumutbar mache. Die erbrachten Pflegeleistungen würden durch die Mieterträge abgegolten. Außerdem sei die Geschäftsgrundlage weggefallen durch den Wegfall der Pflege und die Äußerung des Ehemannes.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. März 2004 - Az.: 2-25 O 193/04 - die Beklagte zu verurteilen, den in ihrem Eigentum stehenden 1/2 Miteigentumsanteil an dem Grundbesitz Hof- und Gebäudefläche ... ... in O 1, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts ..., Bezirk ..., Bl. ..., Flur ..., Flurstück ..., an die Klägerin zu übergeben, insoweit die Auflassung zu erklären und die Umschreibung des Eigentums im Grundbuch zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie meint, es habe eine Schenkung vorgelegen. Außerdem sei eine Vorwegnahme der Erbfolge vorgenommen worden. Die Versorgung sei in derartigen Fällen in der Regel keine Gegenleistung. Auch ergebe sich aus dem Übertragungsvertrag keine Verpflichtung zur Pflege, sondern nur ein Pflegeversprechen. Im Übrigen fehle es für die bei einem gegenseitigen Vertrag erforderliche Fristsetzung mit Ablehnungsandrohung.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zwar zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Das Rechtsmittel der Klägerin hat aber in der Sache keinen Erfolg. Die Beklagte ist nicht gemäß § 531 Abs. 2 BGB zur Rückübertragung des Miteigentumsanteils an die Klägerin verpflichtet.

Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass die Parteien am 27. Februar 2000 einen Schenkungsvertrag geschlossen haben und nicht - wie die Klägerin in der Berufungsinstanz meint - einen entgeltlichen Übergabevertrag. Da für die Beurteilung der Frage, ob ein Schenkungsvertrag vorliegt auch die subjektive Wertung der Parteien maßgeblich ist (BGH Z 59, 132, 135; 82, 274, 281), ist als Indiz für das Vorliegen eines Schenkungsvertrages zu werten, dass die Parteien die notarielle Vereinbarung vom 27. Februar 2000 ausdrücklich als Schenkungsvertrag bezeichnet haben.

Unmaßgeblich für die Bewertung ist, dass die Parteien den Vertrag in Vorwegnahme der Erbfolge abgeschlossen haben. Der bloße Hinweis auf die Vorwegnahme der Erbfolge sagt nichts über die Unentgeltlichkeit (BGH NJW 1995, 1350 m. w. N.). Allein das im Vertragstext enthaltene Motiv, Eigentum in vorweggenommener Erbfolge zu übergeben, entbindet den Tatrichter nicht von den Aufgabe, den Vertrag unter Berücksichtung aller Umstände auszulegen, einschließlich seiner Vorgeschichte und der Interessenlage der Parteien (BGH a.a.O.).

Auch die Tatsache, dass die Parteien miteinander verwandt sind, ist für den Rechtscharakter der Vereinbarung nicht von entscheidender Bedeutung, denn grundsätzlich besteht keine Vermutung für den Schenkungscharakter von Leistungen unter Verwandten. Nur bei grobem Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht eine Vermutung für eine gemischte Schenkung.

Eine solche Vermutung greift hier ein. Die Leistung der Klägerin lag in der Übertragung des Miteigentumsanteils an dem Hausgrundstück. Ausgehend von den laufenden Mieteinkünften aus diesem Anteil in Höhe von 3.609,- € monatlich, wie sie vom Beklagtenvertreter im Schriftsatz vom 23. März 2004 darlegt wurden, ergibt sich ein Wert von 406.000,- €.

Dem steht als Gegenleistung die Pflegeverpflichtung der Beklagten gegenüber. Ausgehend von einer durchschnittlichen Lebenserwartung der seinerzeit 89-jährigen Klägerin von 4,37 Jahren laut Sterbetafel 1997/1999, ergibt sich bei grob geschätzt 3 Stunden täglicher Pflege und einer Vergütung von 10,- € pro Stunde ein Wert von 47.851,15 € (3 Stunden x 365 Tage x 4,37 Jahre x 10 €).

Dieser Wert der Gegenleistung steht im grobem Missverhältnis zur Leistung der Klägerin, sodass der unentgeltliche Teil deutlich überwiegt und eine Vermutung zugunsten des Vorliegens einer gemischten Schenkung spricht, die vorliegend nicht widerlegt ist.

Die Rückforderung einer gemischten Schenkung ist nur eingeschränkt möglich, da dem Beschenkten wegen der von ihm erbrachten Leistungen im Falle eines wirksamen Widerrufs durch den Schenker ebenfalls ein Rückforderungsrecht bezüglich der von ihm erbrachten Gegenleistung zusteht. Dieser Rückforderungsanspruch ist auch - ohne, dass die Einrede vom Beschenkten erhoben wird - von Amts wegen zur berücksichtigen. Der Rückforderungsanspruch ist derart eingeschränkt, dass er nur Zug-um-Zug gegen Wertausgleich des entgeltlichen Teils geltend gemacht werden kann (BGH Z 107, 156).

Zum Umfang und Wert der von der Beklagten bis zum Schenkungswiderruf vom 15. März 2002 erbrachten Gegenleistungen fehlt aber jeglicher Vortrag der Klägerin, die insoweit darlegungs- und beweisbelastet ist. Mangels detaillierter Darlegung der Pflegeleistungen der Beklagten kann auch eine Zug-um-Zug-Verurteilung nicht erfolgen. Auch kann in diesem Zusammenhang keine Verrechnung mit den tatsächlichen Mieteinkünften erfolgen, da es auch insoweit an jeglicher Darlegung fehlt.

Außerdem hat die Klägerin die gemischte Schenkung nicht wirksam widerrufen, da eine schwere Verfehlung der Beklagten gegen die Klägerin, die als grober Undank angesehen werden könnte, nicht vorliegt.

Soweit sich die Klägerin zur Begründung des Widerrufs darauf beruft, dass der Ehemann der Beklagten Dritten gegenüber erklärt hat, er und seine Frau seien enttäuscht darüber, dass die Klägerin so lange lebe und er würde sie am liebsten die Treppe runterstürzen, so rechtfertigt dies nicht den Widerruf der Schenkung wegen groben Undanks.

Das Landgericht geht in dem angefochtene Urteil zwar grundsätzlich zutreffend davon aus, dass die Verfehlung grundsätzlich vom Beschenkten selbst begegangen sein muss, wenn der Schenker darauf sein Widerrufsrecht stützen will und dass das Verhalten Dritter dem Beschenkten nicht zugerechnet wird (MK-Kollhosser § 530 Rz. 8, BGH NJW 1962, 955, 956; 1984, 2089, 2090).

Das Verhalten eines Dritten dem Schenker gegenüber kann aber ausnahmsweise Bedeutung gewinnen, wenn nach den gesamten Umständen der Beschenkte zu gegenläufigem Handeln sittlich verpflichtet ist, er dies jedoch unterlässt (BGH NJW 1984, 2089, 2090). Eine solche sittliche Pflicht zum Handeln besteht auch, wenn die beschenkte Ehefrau gegen Tätlichkeiten und Beschimpfungen ihres Ehemannes gegenüber ihrer Mutter nichts unternimmt (RGZ. 158, 141).

Abgesehen davon, dass der Ehemann der Beklagten keine Tätlichen begangen hat und auch die Drohung nicht gegenüber der Klägerin unmittelbar, sondern gegenüber Dritten erfolgt ist, ist bei der Frage, ob die Beklagten zu gegenläufigem Handeln verpflichtet war, insbesondere ihren Ehemann insoweit zu ermahnen und zur Unterlassung derartiger Äußerungen anzuhalten, sowie ihr Bedauern der Klägerin auszusprechen, auch das Verhalten der Klägerin zu berücksichtigen (BGH NJW 1984, 2089). Eigene schwere Verfehlungen des Schenkers gegenüber dem Beschenkten oder einem seiner Angehörigen lassen unter Umständen die an sich schwere Verfehlung des Beschenkten nicht als groben Undank erscheinen (Staudinger-Cremer, § 530 Rz. 5 m. w. N). Das gesamte Verhalten von beiden Teilen ist vergleichend zu würdigen.

Insoweit hat die Beklagte unbestritten vorgetragen, die Klägerin habe gegenüber dem Ehemann der Beklagten erklärt, die Beklagte sei von Grund auf böse. Sie habe eine schlechte Seele, sie sei ein Teufel, der mit Menschenhaut überzogen sei.

Angesichts derart massiver Beleidigungen der Klägerin ist das Unterlassen der Beklagten gegen die drohenden Äußerungen ihres Ehemannes einzuschreiten, nicht als grober Undank gegenüber der Klägerin anzusehen. Hinzu kommt - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat -, dass die Klägerin auch nach dem Widerruf der Schenkung die Pflegeleistungen entgegengenommen hat.

Auch der Umstand, dass die Beklagte nach dem Vortrag der Klägerin die Pflegeverpflichtung aus dem Vertrag vom 27. Februar 2000 nicht erfüllt hat, rechtfertigt den Widerruf der gemischten Schenkung nicht.

Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, es sei zwischen den Parteien unstreitig, dass die Klägerin seit dem Jahr 2000 Pflegeleistungen der Beklagten nicht mehr wünscht, möglicherweise weil es zu einem Zerwürfnis zwischen beiden gekommen ist. An diese Feststellung ist das Gericht gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, zumal in der Berufungsbegründung dies von der Klägerin auch nicht angegriffen wurde. Wenn aber die Klägerin selbst die Pflegeleistungen durch die Beklagten nicht mehr wünscht, stellt das Unterlassen der Pflege durch die Beklagte persönlich keine schwere Verfehlung dar, die als grober Undank gegenüber der Klägerin angesehen werden könnte.

Im Übrigen ergibt sich aus dem übrigen Vorbringen der Klägerin, dass die Beklagte durchaus gewisse Pflegeleistungen erbracht hat und somit die Behauptung der Klägerin in der Klageschrift nicht zutreffend sein dürfte. Wenn aber die Beklagte oder ihr Ehemann die Pflegeleistungen nur unzureichend erbracht haben sollten, reicht dies für eine schwere Verfehlung nicht aus. In diesem Fall ist der Klägerin zuzumuten, die Beklagte abzumahnen und gegebenenfalls unter Fristsetzung zur Erfüllung ihrer Pflegeverpflichtung anzuhalten. Dass sie insoweit aktiv geworden ist, hat die Klägerin nicht detailliert vorgetragen.

Auch der erneut in der Berufungsinstanz erklärte Schenkungswiderruf führt nicht zu einem Rückforderungsrecht der Klägerin, denn die Klägerin hat - wie sich aus ihrem Schriftsatz vom 22. Oktober 2002 (Seite 4 unten) ergibt - erklärt, jetzt nicht mehr bereit zu sein, die Pflegeleistungen der Beklagten und ihres Ehemannes anzunehmen.

Ein Widerruf wegen Nichterfüllung von § 8 des notariellen Vertrages kommt erst wieder in Betracht, wenn sich die Klägerin bereit erklärt, die Pflegeleistungen der Beklagten oder ihres Ehemannes anzunehmen.

Soweit das Landgericht die Klageabweisung auch darauf gestützt hat, dass die Beweisaufnahme nicht ergeben hat, dass die Beklagte versucht hat, durch eine verfälschte Urkunde sich prozessuale Vorteile zu verschaffen, war hierauf in der Berufungsinstanz nicht mehr einzugehen, da insoweit die Klägerin das Urteil nicht angegriffen hat.

Zur Klarstellung war lediglich zu berücksichtigen, dass das Landgericht erstinstanzlich ein Versäumnisurteil erlassen hat, mit welchem dem Klageantrag stattgegeben wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91, 97, 344 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordert.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt nach § 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

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