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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 18.12.2008
Aktenzeichen: 16 U 76/08
Rechtsgebiete: BGB, EuGVVO, UKlaG


Vorschriften:

BGB § 307
BGB § 308
BGB § 309
EuGVVO § 5
UKlaG § 4
1. Für die Klage eines Verbraucherschutzverbandes auf Unterlassung der Verwendung von Vertragsklauseln nach dem UKlaG ist die Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gegeben.

2. Eine Klausel in einem Flugtransportvertrag über eine Personenbeförderung, wonach ein Passagier seines Weitertransportanspruchs verlustig geht, wenn er nicht alle Flugcoupons in der vorgesehenen Reihenfolge abfliegt, ist unwirksam, weil sie den Passagier unangemessen benachteiligt. Sie weicht von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ab, weil das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gestört wird. Bei dieser Klausel handelt es sich auch um eine unzulässige Vertragsstrafe im Sinne von § 308 Nr. 6 BGB.


Gründe:

I.

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers als Verbraucherschutzorganisation auf Unterlassung der Verwendung einer bestimmten Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

Der Kläger ist der bundesweit tätige Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen der Bundesländer und weiterer 25 verbraucherorientierter Organisationen in Deutschland. Er ist in die beim Bundesverwaltungsamt geführte Liste gemäß § 4 UKlaG eingetragen, die inzwischen beim Bundesjustizamt fortgeführt wird.

Die Beklagte ist ein Lufttransportunternehmen mit Sitz in L1. In Deutschland unterhält sie eine Niederlassung.

Auf ihrer Internetseite hält die Beklagte Allgemeine Geschäftsbedingungen in deutscher Sprache zum Abruf bereit. Unter Ziffer 3 des Bedingungswerkes ist geregelt, dass ein Anspruch auf Luftbeförderung dann nicht besteht, wenn der Kunde keinen gültigen Flugschein vorweisen kann (Ziffer 3 a 5).

Ziffer 3 c 1 der Bedingungen enthält folgende Regelung:

"Wenn Sie nicht alle Flight Coupons in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge nutzen, wird der Flugschein von uns nicht eingelöst und verliert seine Gültigkeit."

Die Beklagte will mit dieser Regelung verhindern, dass ihre Tarifstruktur unterlaufen wird. Sie bietet Zubringerflüge zu ihrem zentralen Flughafen O2... an, von dem aus sie Langstreckenflüge durchführt. Um Letztere besser auslasten zu können, versucht sie, beispielsweise Passagiere aus O1 für einen in O2 startenden Langstreckenflug zu gewinnen. Deswegen verwendet sie mitunter Tarife, in denen derartige Umsteigeverbindungen zu niedrigeren Preisen angeboten werden als der Direktflug im Heimatmarkt. Mit der beanstandeten Klausel möchte sie verhindern, dass nur am Direktflug interessierte Reisende den billigeren Tarif wählen, indem sie einen Zubringerflug mitbuchen, aber nicht in Anspruch nehmen (Cross-Border-Selling).

Ferner bietet sie für die Zielgruppe Touristen Hin- und Rückflüge, zwischen denen eine längere Mindestaufenthaltszeit liegt, wesentlich günstiger an als bei von Geschäftsleuten nachgefragten Beförderungen, bei denen der Rückflug sofort angetreten werden kann. Hier will die Beklagte verhindern, dass ein Kunde den teureren Tarif umgeht, indem er zwei Flugscheine jeweils mit Mindestaufenthaltszeit günstig erwirbt und aus jedem ein Segment abfliegt (Überkreuzbuchen).

Mit Schreiben vom 14. Mai 2007 hat der Kläger die Beklagte aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, worin sie sich verpflichten sollte, die Verwendung der vorgenannten Klausel 3 c 1 zu unterlassen. Die Beklagte weigerte sich, diese Erklärung abzugeben.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Klausel benachteilige die Passagiere unangemessen. Sie führe zu einer erheblichen Störung des Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung, da der Verbraucher das Beförderungsentgelt geleistet habe und ihm deshalb ein Anspruch auf Beförderung zustehe. Er hat behauptet, ihm lägen mehrere Beschwerden von Flugreisenden vor, die nur nach einer Aufzahlung den Flug hätten antreten bzw. fortsetzen können. Ferner verlangt er seine Aufwendungen für die Abmahnung pauschal mit 200,00 ? ersetzt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- ? ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der Beklagten zu unterlassen, nachfolgende oder dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Luftbeförderungsverträgen mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

(3 c 1) ... Wenn Sie nicht alle Flight Coupons in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge nutzen, wird der Flugschein von uns nicht eingelöst und verliert seine Gültigkeit,

hilfsweise mit der Maßgabe,

dies zu unterlassen in Verträgen über die Luftbeförderung mit Verbrauchern, die ihren Wohnsitz in der BRD haben und nach deren Inhalt der Ort des vertraglich geschuldeten Abflugs in der BRD liegt,

ferner,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 200,00 ? nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verweist darauf, dass die Auseinandersetzung in L1 anzusiedeln sei. Die Internetpräsentation werde nicht von Deutschland aus betrieben, die charakteristische Leistung eines Luftbeförderungsvertrages, der Flug, werde nicht von der deutschen Niederlassung aus organisiert.

Die Regelung sei nur bei in L2 startenden Langstreckenflügen relevant. Deutsche Verbraucher würden hierdurch nicht benachteiligt. Deswegen sei das angerufene Gericht nicht zuständig, der klagende deutsche Verband nicht klagebefugt und deutsches Recht nicht anwendbar. Ihre Vertragsbedingungen seien nicht zu beanstanden. Nur durch ihre Tarifgestaltung könne sie mit anderen Fluggesellschaften, die eine Langstrecke als Direktflug anbieten, erfolgreich konkurrieren und sonstige örtliche Gegebenheiten bei der Preisgestaltung berücksichtigen. Könnten "Schnäppchenjäger" durch Hinzubuchen von Teilstrecken oder das Verfallenlassen von Beförderungsabschnitten die Preisstruktur unterwandern, könne sie die günstigen Angebote nicht mehr machen, letztlich zum Schaden aller Verbraucher. Die beanstandete Klausel werde auf Empfehlung ihres Luftverkehrsdachverbandes IATA von vielen Fluggesellschaften verwendet. Auch Fachleute des Office of Fair-Trading der EU-Kommission und des Bundesministeriums der Justiz hätten keine Bedenken gegen die angegriffene Regelung.

Das Landgericht hat mit Urteil vom 14. Dezember 2007 der Klage in vollem Umfang stattgegeben.

Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils (Bl. 103 bis 107 d. A.) gemäß § 540 ZPO Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 19. Dezember 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 17. Januar 2008 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist zum 19. März 2008 hat die Beklagte ihr Rechtsmittel mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet.

Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, der Inhalt der Internetseite werde ausschließlich von der Muttergesellschaft in L1 gestaltet und eingestellt und von L2 aus weltweit zur Verfügung gestellt. Allein die technische Abrufbarkeit der Internetseite reiche zur Begründung der Zuständigkeit nicht aus. Zur Vermeidung eines uferlosen fliegenden Gerichtsstandes könne nicht jeder Ort, an dem ein potentieller Vertragspartner die Internetseite abrufen kann, zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit herangezogen werden. Sonst könnte ein deutsches Gericht die Verwendung von Internetinhalten für den gesamten weltweiten Markt untersagen.

Das Landgericht hätte deshalb allenfalls dem Hilfsantrag entsprechen dürfen. Die örtliche Zuständigkeit ergebe sich nicht aus § 6 UklaG, da potentielle Vertragspartner nicht zwingend ihren Wohnsitz in Deutschland haben müssten. Die Niederlassung in O1 führe Geschäfte nur nach Weisung aus. Sämtliche Online-Buchungen würden von L2 aus bearbeitet. Die Niederlassung sei nicht ins Handelsregister eingetragen, sie vermittle nur.

Die Klausel verstoße nicht gegen § 307 BGB, da es sich hierbei um eine Leistungsbeschreibung handele und die Vertragspartner Art und Umfang der Leistungspflicht unmittelbar festlegen können und die Klausel damit kontrollfrei sei. Entgegen der Ansicht des Landgerichts weiche die Verfallsklausel nicht von den gesetzlichen Regelungen ab, da die Gesamtflugstrecke eine rechtlich unteilbare Leistung darstelle. Eine solche sei gegeben, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen den fraglichen Vertragsteilen bestehe.

Entscheidend sei, dass zumindest eine der Vertragsparteien den Vertrag nicht geschlossen hätte, wenn die andere Partei nicht Teile des Vertragsgegenstandes oder eine Leistung anderen Inhalts gewollt hätte. Dies habe aber bezüglich der Beklagten nicht vorgelegen. Da ein absolutes Fixgeschäft gegeben sei, führe der Nichtantritt einer Teilstrecke zur Unmöglichkeit, so dass der Erfüllungsanspruch erlösche. Zu Unrecht habe sich das Landgericht auf § 416 HGB bezogen, da diese Vorschrift nicht für die Personenbeförderung gelte. Auch liege weder ein Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz "pacta sunt servanda" vor, noch eine Verletzung von § 346 BGB. Die Klausel stelle auch keine Vertragsstrafe dar, sondern allenfalls eine Verfallsklausel. Auch die Anwendung von § 308 Nr. 3 BGB (Rücktrittsvorbehalt) durch das Landgericht sei fehlerhaft, weil es das berechtigte Interesse der Beklagten an der Klausel nicht ausreichend berücksichtigt habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 14. Dezember 2007 - 2-02 O 243/07 - aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- ?, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen am Geschäftsführer/dem Vorsitzenden des Direktoriums der Beklagten, zu unterlassen, nachfolgende oder diesen inhaltsgleichen Bestimmungen und Verträge über die Luftbeförderung mit Verbrauchern, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben, und die vertraglichen Vereinbarungen vorsehen, dass der geschuldete Abflug in der Bundesrepublik Deutschland liegt, einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:

"(3 c 1) ... Wenn Sie nicht alle Flight Coupons in der im Flugschein angegebenen Reihenfolge nutzen, wird der Flugschein von uns nicht eingelöst und verliert seine Gültigkeit."

Zur Begründung seiner Anträge führt der Kläger aus, die Zuständigkeit des Landgerichts ergebe sich aus Art. 5 Nr. 3 EuGVVO. Auf die Frage der Niederlassung komme es deshalb nicht an. Erfolgsort von Art. 5 Nr. 3 EuGVVO sei der Wohnsitz des Verbrauchers. Hier buche der Verbraucher per Internet den Flug. Außerdem habe die Beklagte eine Niederlassung in O1 mit Geschäftsstelle, Commercial Manager und Steueridentifikationsnummer. Der Rechtsschein einer Niederlassung sei von der Beklagten gesetzt. Es handele sich nicht um die Beschreibung der Hauptleistungspflicht, sondern es werde die Auswirkung eines Verhaltens des Vertragspartners auf den Erfüllungsanspruch geregelt.

Das Landgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Rechtsordnung keinen Verfall von Leistungsansprüchen bei Nichtannahme von Teilen der Sachleistung des Schuldners kenne und habe beispielhaft einige Vorschriften zum Beleg dieses Grundgedankens herangezogen und mit einem Beispiel untermauert. Die Beklagte biete sowohl Billigflüge als auch flexible Flüge an. Die Klausel beziehe sich auf alle Flüge. Diese Flüge - insbesondere die flexiblen Tarife - seien keine absoluten Fixgeschäfte.

Die Beklagte beantragt,

den Hilfsantrag des Klägers abzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet.

Ihr Rechtsmittel erweist sich aber nur insoweit als begründet, als es um den Geltungsbereich des Unterlassungsgebotes geht.

Dem Grunde nach ist jedenfalls die Klage zulässig und begründet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO gegeben. Nach dieser Vorschrift kann eine Person, die ihren Wohnsitz in einem Mitgliedsstaat hat, in einem anderen Mitgliedsstaat verklagt werden, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleich steht, oder wenn Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht.

Der EuGH hat in seinem Urteil vom 1. Oktober 2002 (NJW 2002, 3617) die Zuständigkeit österreichischer Gerichte für die Klage eines österreichischen Verbraucherschutzbundes gegen einen deutschen Unternehmer auf Unterlassung der Verwendung verschiedener Klauseln nach dieser Vorschrift bejaht.

Der EuGH hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass die Begriffe "Vertrag" oder "Ansprüche aus einem Vertrag" und "eine unerlaubte Handlung" oder "eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist" im Sinne von Art. 5 Nr. 1 und 3 EuGVÜ autonom auszulegen sind und dass nach seiner ständigen Rechtsprechung sich die Begriffe "unerlaubte Handlung" und "Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist" im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ auf alle Klagen beziehen, mit denen eine Schadenshaftung geltend gemacht wird und die nicht an einen Vertrag im Sinne von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ anknüpfen.

Der Begriff des "schädigenden Ereignisses" im Sinne von Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ sei weit auszulegen und erfasse auch Angriffe auf die Rechtsordnung durch die Verwendung missbräuchlicher Klauseln, deren Verhinderung Aufgabe von Verbraucherschutzorganisationen sei. Der EuGH weist in dieser Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass die Wirksamkeit solcher Klagen auf Unterlassung unwirksamer Klauseln erheblich beeinträchtigt wäre, wenn diese Klage nur im Staat der Niederlassung des Gewerbetreibenden erhoben werden könnten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH (EuZW 1995, 765) ist der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, so zu verstehen, dass er sowohl den Ort, an dem der Schaden eingetreten ist als auch den Ort des ursächlichen Geschehens meint, so dass die Beklagte nach Wahl des Klägers bei dem Gericht eines dieser Orte verklagt werden kann. Der EuGH weist ausdrücklich darauf hin, dass das Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, insbesondere wegen der Nähe zum Streitgegenstand und der leichteren Beweisbarkeit am besten in der Lage ist, den Rechtsstreit zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall ist zwar noch kein Schaden eingetreten, aber der EuGH setzt den drohenden Schaden mit dem eingetretenen gleich. Die EuGH-Entscheidung ist zwar noch unter Geltung der EuGVÜ erlassen worden, die entsprechende Vorschrift der EuGVVO hat aber denselben Wortlaut und enthält in Art. 5 Nr. 3 noch den Zusatz, dass auch der drohende Schaden davon mit umfasst ist. Dadurch sollten Unterlassungsklagen ausdrücklich in die Regelung einbezogen werden.

Dieser Rechtsprechung des EuGH schließt sich der Senat an.

Da der Verstoß gegen die Rechtsordnung in Deutschland droht, auch in O1, ist auch dieses Gericht international zuständig. Zutreffend geht die Beklagte davon aus, dass Erfolgsort der Wohnsitz potentieller Verbraucher ist. Auf die Frage, ob die Beklagte in O2 eine Zweigstelle betreibt und wer die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ins Internet eingestellt hat, kommt es somit nicht an.

Zutreffend hat das Landgericht auch die Klagebefugnis des Klägers aus § 4 UklaG hergeleitet, was in der Berufungsinstanz nicht angegriffen wurde.

Zu Recht hat das Landgericht auch angenommen, dass die Ziffer 3 c 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten unwirksam ist.

Insoweit kann unentschieden bleiben, ob die Klausel als überraschende Klausel im Sinne von § 305 c BGB unwirksam ist (so AG Frankfurt NJW 2006, 311, das die Frage bei der Prüfung von § 307 BGB erörtert, a. A. AG Erding Urteil vom 27. März 2007 4 C 129/07). Nach § 1 UklaG wird im Rahmen der Unterlassungsklage nur ein Verstoß gegen die §§ 307 bis 309 BGB geprüft, nicht aber ein Verstoß gegen § 305 c BGB.

Auch nach Auffassung des Senats verstößt die streitgegenständliche Klausel gegen § 307 Abs. 1 BGB. Ein solcher Verstoß setzt voraus, dass die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt werden. Eine unangemessene Benachteiligung liegt nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB in der Regel vor, wenn die Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.

Das Amtsgericht Köln (RRa 2005, 138 f.) hat den Verstoß gegen § 307 Abs. 2 BGB darin gesehen, dass § 649 BGB den Besteller beim Werkvertrag berechtigt, den Vertrag jederzeit zu kündigen und auch eine Teilkündigung zulässig ist. Die Klausel stelle eine Beschneidung dieses Teilkündigungsrechts dar, da hieran unangemessene Folgen geknüpft werden.

Diese Begründung überzeugt den Senat nicht, denn ein Fluggast, der eine vereinbarte Flugstrecke oder Teilflugstrecken nicht abfliegt, will den Werkvertrag nicht kündigen, denn durch die Kündigung würde der Werkvertrag beendet und die Beförderungspflicht erlöschen. Dies entspricht aber nicht dem Willen der Verbraucher.

Die Regelung weicht aber deshalb von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Vorschriften ab, da durch diese Klausel das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung gestört wird. Der Verbraucher zahlt eine bestimmte Vergütung, damit er zu einem bestimmten Zielort transportiert wird. Entgegen der Auffassung der Beklagten wird diese Leistung nicht unmöglich, wenn der Kunde eine Teilstrecke nicht antritt. In diesem Fall bleibt es tatsächlich und rechtlich möglich, den Passagier wie vereinbart auf der restlichen Strecke zu befördern.

Selbst wenn man Flugzeugbeförderungsverträge als absolute Fixgeschäfte ansehen würde, was nicht generell angenommen werden kann (vgl. hierzu Freitag, TranspR 2006, 445 f.) wäre die Leistung der Beklagten bei Verzicht des Verbrauchers auf den Transport auf einer Teilstrecke nicht unmöglich, denn ein absolutes Fixgeschäft ist ein Rechtsgeschäft, das zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt erfolgen soll, weil der Gläubiger Wert auf Pünktlichkeit der Leistung legt (MK-Ernst § 275 Rdz. 45). Der Verbraucher, der eine Teilstrecke nicht antritt, legt aber auf die Pünktlichkeit beim Abflug auf einer Teilstrecke keinen Wert, sondern nur auf die Pünktlichkeit des Weiterflugs.

Insoweit liegt allenfalls beim Weiterflug ein Fixgeschäft vor. Im Übrigen ist bei einem Flugzeugtransport als Dauerleistung mit Unterbrechung nicht nur auf den ersten Abflug abzustellen, sondern auf den Gesamttransport. Dem Passagier kommt es eher auf eine pünktliche Ankunft am Zielort an. Jedenfalls ist der Lufttransport mit Zwischenlandung keine rechtlich unteilbare Leistung, so dass durch den Nichtantritt einer Teilflugstrecke keine rechtliche Unmöglichkeit des Weitertransports eintritt, sondern nur Teilunmöglichkeit hinsichtlich des Flugabschnitts, den der Fluggast nicht angetreten hat. Teilbar ist eine Leistung, wenn sie ohne Wertminderung und ohne Beeinträchtigung des Leistungszwecks in Teilleistungen zerlegt werden kann. Dies ist bei einem Transport auf mehreren Flugstrecken der Fall, auch wenn insoweit ein einheitlicher Flugpreis für alle Strecken zu zahlen ist (Palandt-Heinrichs, § 266 Rdz. 3).

Zwar kann sich auch bei einer im natürlichen Sinn teilbaren Leistung aus dem Leistungszweck die Unteilbarkeit der Leistung ergeben (Palandt-Heinrichs a. a. O.). Jedoch ist dies allenfalls bei Forderungsgemeinschaften der Fall (Palandt-Grüneberg, § 432 Rdz. 2). Ein Fall der Mitgläubigerschaft liegt aber hier nicht vor.

Aber selbst wenn man mit der Beklagten von einer rechtlichen Unmöglichkeit der Gesamtleistung ausginge, die nach § 275 BGB zu einer Befreiung der Beklagten von der Leistungspflicht führen würde, wäre sie nach den §§ 283 Satz 1, 280 Abs. 1 Satz 1 den Fluggästen zum Schadensersatz verpflichtet, so dass sie ebenfalls die Kosten eines Ersatztransports zu zahlen hätte.

Die streitgegenständliche Klausel verstößt gegen diese gesetzliche Wertung, weil sie das Ziel hat, den Reisenden seines Weitertransportanspruchs zu berauben unter Fortbestand des Vergütungsanspruchs. Sie will erreichen, dass der Fluggast ein neues Flugticket erwerben muss, obwohl er den vollen Flugpreis für die Gesamtstrecke gezahlt hat, während andererseits die Beklagte in der Lage ist, diesen Sitzplatz erneut an einen anderen Interessenten zu "verkaufen". Hierdurch wird der Verbraucher unangemessen benachteiligt.

Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei der Klausel nicht um eine der Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreiung, denn sie führt zum Wegfall von Ansprüchen, die ohne die Klausel grundsätzlich gegeben wären.

Bei der Bestimmung, wonach der Passagier seines weiteren Transportanspruchs verlustig geht, handelt es sich rechtlich um eine Vertragsstrafe. Nach § 309 Nr. 6 BGB ist eine Bestimmung unwirksam, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme der Leistung die Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird.

Die Verfallsklausel ist als Vertragsstrafe anzusehen. Zwar gewährt § 354 BGB nur dem Gläubiger ein Rücktrittsrecht, wenn der Vertrag mit dem Vorbehalt geschlossen wurde, dass der Schuldner seine Rechte aus dem Vertrag verliert, wenn er seine Verbindlichkeit nicht erfüllt. Jedoch sind die Vertragsstrafenregelungen entsprechend anwendbar, wenn die Parteien eine echte Verwirkung der Rechte vereinbart haben und nur einzelne Rechte verlustig gehen sollen (BGH NJW-RR 1993, 243, 246, MK-Gottwald BGB vor § 339 Rdz. 30 m. w. N.). Die Verfallklausel ist insoweit ein Sonderfall der Vertragsstrafe (Esser-Schmidt BGB-AT/1 § 16 III S. 269). Damit verstößt die Regelung gegen § 309 Nr. 6 BGB. Ein solcher Verstoß ist auch ein Verstoß gegen wesentliche Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung im Sinne von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

Das landgerichtliche Urteil war aber gleichwohl entsprechend dem in erster und zweiter Instanz gestellten Hilfsantrag des Klägers abzuändern. Das landgerichtliche Urteil verpflichtet die Beklagte, die Verwendung der streitgegenständlichen Klausel weltweit zu unterlassen. Dies überschreitet die Kompetenz der deutschen Gerichtsbarkeit. Die deutsche Gerichtsbarkeit kann das Unterlassungsgebot nur für das deutsche Staatsgebiet verhängen. Bei Verbraucher mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland, die einen Luftbeförderungsvertrag mit der Beklagten abschließen, bei dem der vertraglich vereinbarte Abflugort in der Bundesrepublik Deutschland liegt, ist diese Voraussetzung erfüllt. Hierfür ist die Zuständigkeit der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben. Auch ist, wie bereits dargelegt, deutsches Recht anwendbar, was von der Beklagten in 2. Instanz nicht mehr in Zweifel gezogen wird.

Der Urteilstenor war deshalb entsprechend dem Hilfsantrag des Klägers anzupassen.

Der Anspruch auf Kostenerstattung des Klägers für die Abmahnkosten ergibt sich nicht aus § 5 UKlaG i. V. m. § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG. Nach diesen Vorschriften kann der Abmahnende Ersatz der durch eine begründete Abmahnung entstanden erforderlichen Aufwendungen verlangen. Die Abmahnung des Klägers vom 14. Mai 2007 hatte einen weltweit gültigen Unterlassungsanspruch zum Inhalt, der - wie oben dargelegt - nicht besteht. Die Abmahnung war deshalb in diesem Umfang unberechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

Dabei war zu berücksichtigen, dass der Kläger mit seinem Hauptantrag unterlegen, mit dem Hilfsantrag dagegen erfolgreich war. Der Senat bewertet die Wertdifferenz zwischen Haupt- und Hilfsantrag mit 1/3, so dass der Kläger mit 1/3 unterlegen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war gemäß § 543 Abs. 1 ZPO zuzulassen, da der vorliegende Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung hat.

Die streitgegenständliche Klausel wird von zahlreichen Fluggesellschaften verwendet. Sie hat deshalb im Bereich des Luftverkehr erhebliches Gewicht, was die grundsätzliche Bedeutung der Sache unterstreicht (BGH NJW 2003, 3765).

Der Streitwert war entsprechend den Angaben des Klägers und der erstinstanzlichen Festsetzung auch in der Berufungsinstanz gemäß § 3 ZPO auf 10.200,- ? festzusetzen.

Ende der Entscheidung

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