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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 02.02.2006
Aktenzeichen: 16 U 92/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 651 e
BGB § 651 f
Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung des Reisevertrages ist eine am Reisezweck und am -charakter orientierte Gesamtwürdigung aller Umstände erforderlich; auf starre Prozentsätze kann nicht abgehoben werden. Fiktive Minderungssätze können allenfalls ergänzend herangezogen werden. Maßgebend ist vor allem, ob dem Reisenden die Fortsetzung der Reise angesichts der Reisemängel zumutbar ist.
Gründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist aber nicht begründet.

A.

Der Kläger buchte bei der Beklagten für sich und seine Lebensgefährtin für die Zeit vom 20.11.2003 bis 30.11.2003 eine Reise in das Hotel "A" in O1 (für die Zeit bis zum 27.11.2003) und das Hotel B in O2 für die restliche Reisezeit zu einem Preis von 3.856,00 €.

Auf dem Hinflug war der Zubringerflug von O3 nach O4 um eineinhalb Stunden verspätet, weshalb der Kläger auf einen anderen Flug mit der gleichen Flugabfolge einen Tag später umgebucht wurde.

Bei dem gebuchten Hotel "A" lag der Speisesaal im Souterrain des Hotels ohne Belüftung und Fenster, so daß vom Speisesaal aus kein Meerblick bestand. Als der Kläger das Frühstück gegen 10:00 Uhr einnahm, war zum Teil Dosenobst ausgestellt.

Im zugewiesenen Zimmer war kein Teppich oder Bettvorleger vorhanden, der Boden war von der Klimaanlage gekühlt. Es waren zwei getrennte Einzelbetten aufgestellt. Die Einrichtung war von minderer Qualität, die Matratzen durchgelegen. Ohne laufende Klimaanlage war es im Zimmer zu heiß. Es herrschte muffiger Geruch, der darauf zurückzuführen war, daß das Fenster nicht geöffnet werden konnte.

Es gab keinen Balkon. Der Meerblick wurde durch mehrere Betonbalken behindert. Zu sehen war lediglich eine etwa 100 Meter entfernte Halbinsel, die zur Hälfte aus einer Raffinerie und zur anderen aus einer Baustelle bestand.

Von dieser Halbinsel her ertönte ununterbrochen Lärm von der Raffinerie; ferner waren fünf bis sechs Bulldozer und mehrere schwere Bagger im Einsatz, die ständig Erdbewegungsarbeiten durchführten. Es arbeiteten zwischen 10 und 20 Bauarbeiter. Der Lärm war von 9:00 Uhr bis zur Dunkelheit zu hören. Den ganzen Tag über lag eine geschlossene Wolke aus feinem Sand- und Gesteinstaub über dem Hotel- und Strandgelände.

Der Kläger hat geltend gemacht, der Speisesaal sei muffig und feucht gewesen. Er habe rote Plüschwände und eine Charme aus der "Honecker Ära" gehabt. Beim Frühstücksbuffet sei das Büffet weder reichhaltig noch von guter Qualität, der Kaffee kalt, das Teewasser nur lauwarm und nur noch Reste von Joghurt und Brot vorhanden gewesen. Auch auf eine Rüge beim Kellner hin seien keine frischen Waren hinzugestellt worden.

Die Klimaanlage sei nicht zu regulieren gewesen. Die Lebensgefährtin des Klägers, die unter Asthma leide, habe in dem gebuchten Zimmer eine Panikattacke und einen Asthmaanfall bekommen.

Über dem Strand habe ein extremer Öl-Benzin und Dieselauspuffgestank gehangen. Im Wasser seien erhebliche Diesel- und Ölrückstände geschwommen. Es habe badewannengroße Öllachen gegeben. In Strandnähe seien Abfall, Fischreste, Plastikteile geschwommen. Der Kläger habe mit seiner Lebensgefährtin einen Badeausflug beendet, nachdem sich bei der Lebensgefährtin ein Hautausschlag gebildet habe.

Die Mängel seien am 22.11.2003 gerügt worden. Eine Recherche habe ergeben, daß alle Vertraghotels ausgebucht gewesen seien. Die Reiseleiterin habe vorgeschlagen, den Reisevertrag zu kündigen; damit sei er - der Kläger - von einverstanden gewesen und habe eine Rückbeförderung verlangt.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 6.191,84 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.01.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat zum einen darauf abgestellt, daß ein Teil der vom Kläger geltend gemachten Unzulänglichkeiten angesichts der Tatsache, daß es sich - entgegen der offensichtlichen Erwartung des Klägers - nicht um ein Luxushotel, sondern um ein Mittelklassehotel gehandelt habe, schon nicht als Mangel bewertet werden könnten.

Sie hat im weiteren darauf verwiesen, daß der Kläger ohne Hinterlassung einer Mitteilung den Rückflug angetreten habe; soweit darin eine konkludente Kündigung des Reisevertrages gesehen werden könne, sei diese unberechtigt. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß der Kläger eine Reise im Baukastensystem gebucht habe. Sollten Mängel beim ersten Teil der Reise vorliegen, können sich dies nicht auf den zweiten Teil auswirken. Es wäre dem Kläger im Rahmen einer Schadensgeringhaltung zumutbar gewesen, im Hinblick auf den zweiten Teil der Reise im ersten Hotel zu verbleiben. So habe die Beklagte den vollen auf die Buchung des zweiten Hotels entfallenden Preis entrichten müssen; eine vorherige Stornierung sei durch das Verhalten des Klägers nicht möglich gewesen.

Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im übrigen nur in Höhe eines Betrages von 1.412,74 € nebst Zinsen stattgegeben.

Diesen Betrag hat das Landgericht wie folgt berechnet:

a)

Wegen der unstreitigen Verzögerung bei dem Hinflug stehe dem Kläger und seiner Lebensgefährtin für den ersten Urlaubstag die Erstattung des Tagespreises von € 350,55 zuzüglich eines Zuschlags von € 72,00 pro Tag und Person (zusammen € 144,00), insgesamt also 494,55 zu.

b)

Weiterhin hat das Landgericht dem einen Anspruch auf Rückerstattung von 33 % des Reisepreises zuerkannt (€ 578,40), und zwar wegen der nicht regulierbaren Klimaanlage (5 %), den Mängeln beim Frühstück (3 %), wegen der Beeinträchtigungen des Privatstrandes (10 %) und wegen der Baustellengeräusche (15 %).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird insoweit auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Im übrigen hat das Landgericht die Mängelrügen des Klägers für unbeachtlich gehalten und ausgeführt, daß der gekühlte Steinboden, das Fehlen eines Teppichs sowie das Vorhandensein von zwei getrennten Betten kein Abweichen der erbrachten Leistung von dem geschuldeten Standard darstellten.

Rechte aufgrund einer Kündigung des Reisevertrages stünden dem Kläger nicht zu. Zwar könne aufgrund der Mängel eine "erhebliche" Beeinträchtigung im Sinne des § 651 e BGB vorliegen; dies werde nämlich schon dann angenommen, wenn Mängel vorliegen, die eine Minderung von 20 % rechtfertigten Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß der Kläger die formalen Anforderungen für eine wirksame Kündigung erfüllt habe. Unstreitig sei eine Ausschlußfrist im Sinne des § 651 e BGB nicht gesetzt worden. Diese sei auch nicht entbehrlich gewesen ist, denn es könne von einer generellen Unmöglichkeit der Abhilfe nicht ausgegangen werden. Ein konkludenter Verzicht auf eine Fristsetzung durch die Reiseleiterin sei durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden.

Schließlich hat das Landgericht auch Ansprüche nach § 651 f II BGB, bezogen auf die gesamte Urlaubszeit, verneint, weil die Minderungsquote mit 33 % deutlich unter 50 % gelegen habe.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Klageziel weiterverfolgt.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere € 4.779,10 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Zur Ergänzung der Sachverhaltsdarstellung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie auf die Gründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

B.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist aber im Ergebnis nicht begründet.

Weitergehende Ansprüche gegen die Beklagte als diejenigen, die ihm das Landgericht zuerkannt hat, stehen dem Kläger nicht zu.

Soweit zunächst die von dem Kläger geltend gemachten Minderungsansprüche betroffen sind, folgt der Senat im Ergebnis dem Landgericht.

Eine höhere Minderung als 5 % für die nicht regulierbare Klimaanlage sieht der Senat nicht als gerechtfertigt an. Nach der Aussage der von dem Landgericht vernommenen Zeugen und deren Schätzung war eine Durchschnittstemperatur von knapp über 20 Grad Celsius gegeben, also weder die von dem Kläger in der Klageschrift noch gerügte "sibirische Kälte" noch eine überhöhte Temperatur gegeben. Der Mangel beruht daher im wesentlichen darauf, daß die besonderen gesundheitlichen Anforderungen auf Seiten der Lebensgefährtin des Klägers indirekt zu einem Mangel geführt haben. Dem ist aber durch die fiktive Minderung von 5 % in ausreichendem Maße Rechnung getragen.

Die Unzulänglichkeiten beim Frühstück sind ebenso zutreffend mit 3 % bewertet worden. Maßgeblich ist insoweit, daß es sich bei dem von dem Kläger gebuchten Hotel - wie es sich für jeden aus dem Prospekt der Beklagten ersichtlich - um ein Mittelklassehotel handelt, bei dem die Anforderungen schon generell nicht zu hoch geschraubt werden können und dürfen. Wie der Kläger die Ansicht vertreten kann, daß sich allein aus dem Namen des Hotels (A ) für jedes diesen Namen tragendes Etablissement ohne weiteres ergäbe, daß es sich um ein "Luxushotel" handeln müsse, ist nicht nachvollziehbar. Weder die aus dem Prospekt ersichtliche Kategorisierung noch der Preis, der für eine Übernachtung zu zahlen waren, legen eine solche Einschätzung nahe, die, wenn sie denn glaubhaft wäre, nur als naiv eingeschätzt werden kann.

Soweit die nähere Umgebung des Hotels betroffen ist, weist der Prospekt der Beklagten ebenso deutlich aus, daß die Anlage neben einem Hafen und einer Werft gelegen ist, woraus sich für jeden unmißverständlich ergibt, daß es um die Qualität des Meerwassers - gerade auch in dem Zielland - nicht zum Besten bestellt sein kann. Die von dem Kläger geschilderten und durch die Beweisaufnahme bestätigten Zustände mögen zwar wenig akzeptabel gewesen sein, sie bewegen sich aber nur knapp oberhalb dessen, was eo ipso in Anbetracht von Hafen und Werft zu erwarten gewesen wäre. Auch insoweit erweist sich die Einschätzung des Landgerichts, das hierfür einen Abzug von 10 % vom Reisepreis vorgenommen hat, nicht als zu niedrig.

Weitere fiktive Abzüge sind nicht gerechtfertigt. Der Senat verweist insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts, denen er sich anschließt. Die insoweit von der Beklagten vertretenen Ansichten sind schlicht zutreffend.

Bei der Berechnung des insoweit sich ergebenden Ersatzanspruches geht das Landgericht offensichtlich davon aus, daß der Abzug von 33 % aus den gesamten Reisepreis zu ermitteln sei. Ob diese Ansicht zu teilen ist oder nicht eher die Minderung angesichts der in der Rechnung auch ausgewiesenen unterschiedlichen Reiseteile nur aus den auf den Aufenthalt im Hotel A entfallenden Anteil zu berechnen ist, kann indessen dahingestellt bleiben, da die Beklagte keine eigene Berufung eingelegt hat.

Ansprüche wegen einer Kündigung des Reisevertrages stehen dem Kläger indes nicht zu.

Zwar hat der Kläger den Reisevertrag mit der Beklagten zumindest konkludent gekündigt, indem er Wechsel in ein anderes Zimmer ablehnte und erklärte, er fliege sofort zurück. Dieser Erklärung kann nur der Inhalt beigemessen werden, daß der geschlossene Reisevertrag nicht mehr durchgeführt, sondern gekündigt werden soll.

Eine wirksame Kündigung des Reisevertrages setzt nach § 651e Abs. 1 S. 1 BGB eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise voraus. Teilweise wird in der Rechtsprechung versucht, durch Quantifizierung einen einheitlichen Minderungsprozentsatz anzusetzen, von dem ab bei Reisemängeln eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise angenommen wird. Das Landgericht Frankfurt am Main (NJW-RR 1993, 61, RRa 1995, 67 und 89, RRa 1997, 42) meint, bereits bei Mängeln mit einem Gesamtgewicht von 20 % sei eine erhebliche Beeinträchtigung der Reise gegeben. Andere Gerichte ziehen dagegen einen Vergleich zu § 651 f Abs. 2 BGB und sehen erst ab einer fiktiven Minderung des Reisepreises von 50 % die Erheblichkeitsschwelle überschritten (Landgericht Hannover NJW-RR 1986, 213; 1992, 50, 98, 194).

Der Senat hat indessen in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß eine am Reisezweck und am Reisecharakter orientierte Gesamtwürdigung aller Umstände erforderlich ist und auf starre Prozentsätze nicht abgehoben werden kann (RRa 1995, 224 m. w. N; NJW-RR 2005, 132 = RRa 2005, 61). Fiktive Minderungssätze können allenfalls ergänzend herangezogen werden. Maßge€bend ist vor allem, ob dem Reisenden die Fortsetzung der Reise angesichts der Reisemängel zumutbar ist (so auch Führich, Reiserecht, 4. Aufl., Rz.. 311 m. w. N.).

Unter Berücksichtigung dieser Voraussetzung war die von der Beklagten gebotene Reiseleistung nicht so mangelhaft, daß der Kläger berechtigt gewesen wäre, aus der Kündigung des Reisevertrages etwa resultierende Ansprüche geltend zu machen. Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob und inwieweit sich Besonderheiten daraus ergeben, daß der Kläger die Reise im sogenannten "Baukastenprinzip" zusammengestellt hat, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Diese Frage braucht nicht entschieden zu werden.

Zwar liegen einzelne Mängel vor. Sie bewegen sich aber in einem Rahmen, der nicht wesentlich über das hinausgeht, was nach der Prospektbeschreibung der Beklagten von einem Mittelklassehotel unter Berücksichtigung der Lage nahe an einem Hafen und einer Werft zu erwarten war. Im Vergleich hierzu stellen sich die Erwartungen des Klägers - auch angesichts des von ihm zu entrichtenden Reisepreis jedenfalls für den hier zu beurteilenden Reiseteil als überzogen dar; eine Abweichung der tatsächlichen Verhältnisse von seinen Idealvorstellungen vermag jedenfalls eine Mangelhaftigkeit nicht zu begründen. Das, was der Kläger vor Ort vorgefunden hat, entsprach dem, was die Beklagte in ihrem Reiseprospekt versprochen hat; Luxus und/oder Exklusivität war jedenfalls mit diesem Angebot nicht verbunden.

Unter diesen Voraussetzungen sieht es der Senat als zumutbar für den Kläger an, die Reise weiter fortzusetzen, zumal davon auszugehen ist, daß ein Teil der oben festgestellten Mängel hätten behoben werden können.

Nach alledem war die Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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