Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 04.01.2006
Aktenzeichen: 17 U 192/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 433
BGB § 667
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte nach vorzeitiger Beendigung eines als "Mietkauf" über ein Flugzeug bezeichneten Vertrages auf Zahlung des Mehrerlöses in Anspruch, der sich aufgrund der Veräußerung des Flugzeuges durch die Beklagte nach Abzug des von ihr in unstreitiger Höhe errechneten Schadensersatzbetrages ergibt.

Der Kläger erwarb als Inhaber der Firma A am 02.09.1994 ein Flugzeug Typ B ... zu einem Preis von 2.850.000,-- US-$. Die Parteien schlossen über dieses Flugzeug am 10.11.1994 einen "Kauf- und Übereignungsvertrag" und einen als "Mietkaufvertrag" bezeichneten Vertrag. Auf die genannten Verträge wird Bezug genommen (Bl. 12 f. GA). In dem Kauf- und Übereignungsvertrag heißt es, dieser Vertrag bilde einen wesentlichen Bestandteil des gleichzeitig abzuschließenden Mietkaufvertrages. In diesem Vertrag, der in seinem Text auch als "Sale-Mietkauf-Back"-Vertrag bezeichnet wird, sind in der Kopfzeile die beiden anderen Alternativen "Leasingvertrag" und "Leasingvertrag mit Restwert" gestrichen. Die Laufzeit ist in dem Vertrag mit 54 Monaten angegeben und der Wert des Flugzeuges in Höhe des vereinbarten Kaufpreises von 3.740.000,-- DM. In dem "Mietkaufvertrag" sind 53 monatliche Raten in Höhe von jeweils 52.311,38 DM und eine "einmalige Sonderzahlung" als 54. Rate in Höhe von 2.221.511,38 DM vorgesehen. Dem Vertrag ist eine Ergänzung beigefügt, in der es heißt, der Vertrag werde aufgrund besonderer Vereinbarungen nur für 24 Monate refinanziert. Nach Ablauf der Refinanzierungszeitraumes bestehe für den Mieter die Möglichkeit, das Luftfahrzeug zu erwerben oder den Vertrag für die Restlaufzeit auf Basis des dann gültigen Zinsniveaus fortzusetzen (Bl. 24 GA). In der Folgezeit vereinbarten die Parteien entsprechend einem Schreiben der Beklagten vom 26. September 1996 (Bl. 27 GA), dass der Vertrag mit niedrigeren monatlichen Raten bis März 1999 in Höhe von 49.121,09 DM und einer "Sonderzahlung" im März 1999 in Höhe von 2.221.511,38 DM für die Restlaufzeit fortgesetzt werden solle. Unter Ziffer 16 der in dem ursprünglichen Vertrag in Bezug genommenen allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten heißt es bezüglich einer außerordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzuges, bei Leasingverträgen mit Restwert und Mietkauf werde der Reinerlös aus der Verwertung des Luftfahrzeuges in voller Höhe angerechnet. Die Geltendmachung eines weiteren Schadens bleibe vorbehalten. In Ziffer 19 der AGB heißt es :" Der LN wird mit Abschluss des Mietkaufvertrages und Überlassung des Luftfahrzeuges wirtschaftlicher Eigentümer des Luftfahrzeuges. Er hat das Luftfahrzeug in seiner Bilanz auszuweisen und abzuschreiben..... Hat der LN seine Verpflichtungen aus diesem Vertrag ordnungsgemäß erfüllt, geht das juristische Eigentum an dem Luftfahrzeug auf ihn über ....."

Nachdem der Kläger für die Monate Mai bis Juni 1997 keine Zahlungen leistete, kündigte die Beklagte den Vertrag wegen Zahlungsverzuges durch Schreiben vom 18.08.1997 (Bl. 29/30 GA), nahm das Flugzeug in Besitz und veräußerte es zu einem dem Beklagten zunächst nicht mitgeteilten Betrag. Mit Schreiben vom 29.8.1997 (Bl. 35 GA) berechnete die Beklagte ihre Schadensersatzansprüche in unstreitiger Höhe von 3.186.233,62 DM und erteilte dem Kläger zugleich über diesen Betrag eine Gutschrift.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe zumindest der "Übererlös", das heißt die Differenz zwischen dem der Beklagten entstandenen und geltend gemachten Schaden und dem Ergebnis der Verwertung des Flugzeuges in der unstreitigen Höhe von 185,990,79 Euro, der Klageforderung, zu.

Der Kläger hat beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben und insbesondere geltend gemacht, ihr Recht auch den "Übererlös" zu behalten, ergebe sich aus ihrem Eigentum an dem Flugzeug.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Auffassung vertreten, es liege ein Mietkaufvertrag vor. Den anzuwendenden mietrechtlichen Vorschriften zufolge könne der Kläger keinen Anspruch auf den "Übererlös" geltend machen. Es bestehe kein Anspruch auf Mehrerlös. Der Kläger habe seine Kaufoption nach 24 Monaten nicht wahrgenommen und den Vertrag nicht erfüllt, so dass er nicht Eigentümer geworden sei. Nach der fristlosen Kündigung sei das Vertragsverhältnis beendet gewesen und das Verwertungsrisiko, aber auch die Chance der Erzielung eines günstigen Preises habe bei der Beklagten gelegen. Es liege keine unangemessene Benachteiligung vor, da das Gesetz eine Partizipation des Mieters am Gewinn nicht vorsehe. Eine schadensbegründende Vereitelung des Anwartschaftsrechts liege nicht vor, weil der Kläger dafür einzustehen habe, dass es nicht realisiert worden sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses am 15.06.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23.06.2005 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel am 15.08.2005 begründet.

Der Kläger macht weiterhin geltend, der von der Beklagten bei der Veräußerung des Flugzeuges erzielte, über ihren Schadensersatzanspruch hinaus gehende Mehrerlös stehe ihm zu. Das Landgericht habe insbesondere nicht die von ihm der Beklagten bei der Weiterveräußerung des Flugzeuges gewährte Preisdifferenz berücksichtigt. Das Landgericht habe fehlerhaft allein Mietrecht angewendet, obwohl in Wahrheit ein Kaufvertrag vorgelegen habe. Mietrecht finde schon deshalb nicht Anwendung, weil der Kläger selbst wirtschaftlicher Eigentümer gewesen sei, wie sich aus dem Vertrag ergebe. Der Schadenersatzanspruch der Beklagten wegen fristloser Kündigung sei durch ihr Erfüllungsinteresse begrenzt.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte beruft sich weiter auf Verjährung und macht geltend, der von dem Kläger selbst bezahlte Kaufpreis sei ihr nicht bekannt gewesen. Es habe sich um ein normales "Sale-and Lease-Back-Geschäft" gehandelt. Die Beklagte habe nach der fristlosen Kündigung mit dem Flugzeug nach Belieben verfahren können. Die Art der Verwertung habe nie einen Einfluss auf den Schadensersatzanspruch gehabt.

Dass der Erlös über dem Schadenersatzanspruch gelegen habe, sei unerheblich, weil die Beklagte auch das Verwertungsrisiko gehabt habe.

Wegen der Einzelheiten des beiderseitigen Parteivortrags wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze, insbesondere den Inhalt der Berufungsbegründungs- und Berufungserwiderungsschrift Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt und begründet worden.

Das Rechtsmittel hat auch im Ergebnis Erfolg.

Der Kläger hat einen Anspruch aus der zwischen den Parteien vereinbarten Sicherungsabrede auf Auszahlung des bei der Veräußerung des Flugzeuges erzielten, über ihren gesamten Schaden und ihr Erfüllungsinteresse hinaus gehenden Mehrerlöses (§ 667 BGB entsprechend). Da sich bei der gebotenen Gesamtbetrachtung aus den zwischen den Parteien getroffenen vertraglichen Vereinbarungen eines Verkaufs des Flugzeuges und eines finanzierten Rückkaufs eindeutig ergibt, dass die der Beklagten eingeräumten Rechte nicht über diejenigen eines Sicherungseigentümers hinausgehen sollten, ist der Erlös, soweit er die vertraglich gesicherten Ansprüche der Beklagten übersteigt, in entsprechender Anwendung des Auftragsrechts an den Kläger auszukehren (vgl. BGH NJW 1994, 2885; Münch-Komm-Oechsler, BGB, 4.Aufl., Anh. 929 -936. Rn.52). Die Sicherungsabrede und die der Beklagten eingeräumten treuhänderischen Pflichten sind durch die fristlose Kündigung nicht tangiert worden, sodass es keines Rückgriffes auf Bereicherungsrecht bedarf. Die Beklagte hat keinen Anspruch darauf, wegen der vom Kläger zu vertretenden vorzeitigen Vertragsbeendigung besser gestellt zu werden, als im Falle ordnungsgemäßer Vertragserfüllung. Aus dem Vertrag folgt die Zuweisung eines Gewinnes nach Abzug der Ansprüche der Beklagten für jede Art der Vertragsbeendigung zugunsten des Klägers, der auch das volle Risiko eines Wertverlustes und damit auch der Zahlung einer etwaigen Schadensdifferenz an die Beklagte zu tragen hatte.

Zwischen den Parteien ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - weder ein Leasingvertrag, noch, entgegen der Auffassung des Landgerichts, ein Mietkaufvertrag zustande gekommen, sondern ein finanzierter Kaufvertrag. Der unter der Fa. A gewerblich handelnde Kläger sollte nämlich nicht nur die Möglichkeit erhalten, das Flugzeug für eine bestimmte Gegenleistung zu nutzen oder zu einem bestimmten Preis unter Anrechnung der geleisteten Mietzinszahlungen zu erwerben, sondern er hatte sich bereits bindend zum Rückerwerb des zuvor von ihm an die Beklagte veräußerten Flugzeuges verpflichtet. Nach der zwischen den Parteien getroffenen und später nur bezüglich der monatlichen Ratenzahlungen abgeänderten Vereinbarung sollte der Kläger nach Zahlung der Abschlussrate in Höhe von 2.221.511,38 DM (Bl. 23, 27 GA) ohne Übertragungsakt Eigentümer des Flugzeuges werden. Die getroffene Vertragsregelung ging ausdrücklich dahin, dass der Kläger aus steuerlichen Gründen sofort "wirtschaftliches Eigentum" an dem Flugzeug erwerben, alle Kosten und Risiken übernehmen und mit Zahlung der Schlussrate Volleigentum erwerben sollte. Unter Ziffer 19 der allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten heißt es insoweit, der Leasingnehmer werde mit Abschluss des Mietkaufvertrages und Überlassung des Luftfahrzeuges wirtschaftlicher Eigentümer des Luftfahrzeuges und habe dieses in seiner Bilanz auszuweisen und abzuschreiben. Habe er seine Verpflichtung aus dem Vertrag ordnungsgemäß erfüllt, gehe das juristische Eigentum an den Luftfahrzeug auf ihn über. Entgegen der von dem Landgericht und der Beklagten vertretenen Auffassung lag damit nicht nur eine Option zum Eigentumserwerb vor, sondern bereits eine aufschiebend bedingte Übertragung des Flugzeuges. Das damit begründete Anwartschaftsrecht sollte eindeutig bei Zahlung der letzten Rate zum vollen Alleineigentum erstarken, ohne dass die Beklagte dies einseitig hätte ändern können. Aufgrund dieser zwischen den Parteien getroffenen Regelung lagen die Verwertungschancen und -risiken ohne Differenzierung nach der Art der Vertragsbeendigung vollständig auf Seiten des Klägers als Käufer.

Der Fall der Erzielung eines über dem Erfüllungsinteresse und dem Schadenersatzanspruch liegenden Erlöses ist in dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrag nicht ausdrücklich geregelt. Auch die für den Fall der außerordentlichen Kündigung in Ziffer 16 der allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffene Regelung, der zufolge der Erlös aus der Verwertung in voller Höhe auf den Schadenersatzanspruch der Beklagten angerechnet werden soll, lässt die Frage offen, wie im Falle der Erzielung eines Mehrerlöses zu verfahren ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten lässt sich hieraus nicht ableiten, ein etwaiger Übererlös stehe ohne weiteres ihr zu. Darauf, ob eine derartige Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wirksam hätte getroffen werden können, kommt es danach nicht an (vgl. hierzu BGH, BGHR 2002, 805,806).

Ein Recht der Beklagten an dem Mehrerlös lässt sich auch nicht aus dem Eigentum der Beklagten ableiten, weil die Parteien im Streitfall auf Eigentumserwerb gerichtete Ratenzahlungen und die Einräumung eines Anwartschaftsrechtes vereinbart haben und die Beklagte eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie mit diesem Vertrag lediglich eine Vollamortisation ihres Finanzierungsaufwandes und des kalkulierten Gewinnes erstrebte ohne an einem Wertverlust oder einer Wertsteigerung des Flugzeuges beteiligt zu werden.

Daraus folgt auch für den Fall einer vorzeitigen Auflösung des Vertrages, dass die durch den Zahlungsverzug geschädigte Beklagte zwar so gestellt werden muss, als sei der Vertrag erfüllt worden, dass es aber keinen Rechtsgrund für eine Besserstellung der Beklagten gibt und ein etwaiger Mehrerlös dem Kläger zusteht (vgl. OLG Düsseldorf, NJW RR 2003, 775). Die Bindung der Beklagten an das mit dem Kläger vertraglich begründete Treuhandverhältnis entfiel nicht mit dem Kaufvertrag, sondern verpflichtete die Beklagte gerade auch für den Fall der Verwertung des Flugzeuges nach der fristlosen Kündigung und damit der Beendigung des Kaufvertrages noch zur bestmöglicher Verwertung des Flugzeuges, zur Auskunftserteilung und zur Auskehrung des Mehrerlöses.

Eine andere als diese Auslegung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Vertrages würde im Ergebnis dazu führen, dass auch ein geringfügiger Zahlungsverzug am Ende der Vertragslaufzeit über die Verpflichtung zum Ausgleich des gesamten Schadens hinaus zum zusätzlichen Gewinn über den vollständigen bereits geleisteten Kaufpreisanteil hinaus führen müsste. Dies stünde im Widerspruch zu den Grundsätzen des Schadensersatzrechtes und der Abwicklung eines gescheiterten Vertrages. Die Beklagte kann sich für ihre entgegenstehende Auffassung nicht auf das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30.1.1995 (NJW 1995, 1146) berufen, weil sich in dem dort entschiedenen Fall der vermeintliche " Übererlös" aus einer Sonderzahlung ergeben sollte, die dem Leasinggeber auch im Falle ordnungsgemäßer Vertragserfüllung zugestanden hätte.

Die geltend gemachte Verjährungseinrede hat keinen Erfolg, weil es sich nicht um einen der kurzen Verjährung unterliegenden Mietzinsanspruch handelt, sondern um einen vertraglichen Anspruch, für den zunächst noch die 30jährige Regelverjährungszeit nach § 195 BGB a.F. Geltung hatte und sodann, gemäß Art. 229 Abs.6 Abs.4 EGBGB, ab 1.1.2002 die 3jährige Verjährungsfrist nach § 195 BGB n.F., die bei Erhebung der alsbald zugestellten Klage am 27.12.2004 noch nicht abgelaufen war.

Die Zinsentscheidung beruht auf §§ 280, 286, 288 BGB a.F.

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision lagen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück