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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 13.02.2008
Aktenzeichen: 17 U 50/07
Rechtsgebiete: Europäisches Übereinkommen über Staatsimmunität


Vorschriften:

Europäisches Übereinkommen über Staatsimmunität Art. 27
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Kläger, deren Kinder die A O1 besuchen, verfolgen mit der Klage die Herabsetzung einer über 30 %igen Schulgelderhöhung, die ihrer Meinung nach unbillig im Sinne des § 315 BGB und deshalb zurückzuzahlen sei, weil das bei Beginn des Schulvertragsverhältnisses gegebene Äquivalenzverhältnis zwischen Ausbildung und Schulgeld nicht gewahrt sei.

Die Kläger machen insbesondere geltend, sie seien von einer langfristigen, die gesamte Schulausbildung der Kinder betreffenden Bindung ausgegangen, was bei der Festsetzung des Schulgeldes nach billigem Ermessen zu berücksichtigen sei.

Die Festsetzung des Schulgeldes ist, wie ausdrücklich in den Aufnahmeanträgen vorgesehen, durch den obersten Rat der europäischen Schulen für diese Schulen in mehreren europäischen Ländern einheitlich und ohne nähere Begründung erfolgt.

Die Einrichtung europäischer Schulen, deren Besuch nur für die Kinder der Bediensteten der Gemeinschaft ohne Schulgeldzahlung möglich ist, beruht auf einer zwischen den Mitgliedern der EG getroffenen Vereinbarung über die Satzung der europäischen Schulen (Bl. 24 f.) auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Nach Artikel 24 der Satzung wird der Haushalt der Schulen finanziert durch die Beiträge der Mitgliedsstaaten, den Beitrag der europäischen Gemeinschaften und unter anderem auch durch die Einnahmen der Schulen, insbesondere das Schulgeld, das den Eltern der Schüler, die nicht Bedienstete der Gemeinschaft sind, auf Beschluss des obersten Rates auferlegt wird. Gemäß Artikel 27 der Satzung wird eine Beschwerdekammer eingesetzt, die u.a. bei Streitigkeiten, die die Anwendung dieser Vereinbarung auf die darin genannten Personen betreffen und sich auf die Rechtmäßigkeit einer vom obersten Rat getroffenen und sie beschwerenden Entscheidung beziehen, die erst - und letztinstanzlich ausschließliche Zuständigkeit habe. Bei finanziellen Streitigkeiten hat die Beschwerdekammer die Befugnis zu unbeschränkter Ermessensnachprüfung. Die Voraussetzungen für ein Verfahren der Beschwerdekammer und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen sind in den Beschäftigungsbedingungen für das Lehrpersonal und der Regelung für die Lehrbeauftragten oder der allgemeinen Schulordnung festgelegt. In Artikel 27 Abs. 7 heißt es: " Andere Streitigkeiten, bei denen die Schulen Partei sind, unterliegen der Zuständigkeit der nationalen Gerichte."

Die von den Klägern angerufene Beschwerdekammer hat ihre Zuständigkeit verneint, weil eine Beschwerde gegen Schulgeldentscheidungen des Obersten Rats nicht ausdrücklich in der Schulordnung vorgesehen ist (Bl.57). Es sei im Übrigen festzustellen, dass die Beschwerdeführer selbst vortragen, das zwischen ihnen und der Europäischen Schule bestehende Rechtsverhältnis sei privatrechtlich und unterliege dem deutschen Zivilrecht.

Die Beklagte hat zunächst nicht zur Sache Stellung genommen, sondern lediglich das Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit gerügt und die Vereinbarung eines privaten Schiedsgerichts angeregt, dieses Angebot aber nicht aufrechterhalten und vorgetragen, der Generalsekretär der europäischen Schulen werde dem obersten Rat einen Vorschlag zur Ergänzung der allgemeinen Schulordnung dahin vorlegen, dass die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Durchführung eines Verfahrens vor der Beschwerdekammer gemäß Artikel 27 Abs. 2, 2. Unterabsatz der Satzung geschaffen werde. Nachdem es zu der beabsichtigten Regelung der von der Beschwerdekammer vermissten verfahrensrechtlichen Voraussetzungen nicht kam und das Verfahren fortgesetzt wurde, beantragte die Beklagte, vorab durch Zwischenurteil über das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit zu entscheiden.

Das Landgericht hat durch Zwischenurteil vom 28.04.2006 festgestellt, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen deutschen Gerichten gegeben sei und das angerufene Landgericht Frankfurt am Main zuständig sei. Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, bei der vorliegenden Streitigkeit handele es sich um eine "andere Streitigkeit" im Sinne des Artikel 27 Abs. 7 der Satzung, die der Zuständigkeit der nationalen Gerichte unterliege. Das Landgericht hat dies daraus hergeleitet, dass die allgemeine Schulordnung der europäischen Schulen keine Bestimmungen enthalte, die Beschwerden von Eltern gegen die durch den obersten Rat getroffenen Festsetzungen des Schulgeldes betreffe. Dies habe auch bereits die Beschwerdekammer der europäischen Schulen festgestellt und deshalb die Beschwerden der Kläger durch Beschluss vom 08.11.2004 als unzulässig zurückgewiesen (Bl.55 f.). Fehle es an der Zuständigkeit der Beschwerdekammer, sei eine "andere Streitigkeit" im Sinne des Artikel 27 Abs. 7 der Satzung gegeben. Damit liege insoweit die Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit vor und ein wirksamer Immunitätsverzicht.

Die Beklagten haben daraufhin mitgeteilt, dass nicht beabsichtigt sei, gegen das Zwischenurteil Rechtsmittel einzulegen.

Durch Urteil vom 02.02.2007 hat das Landgericht daraufhin der Klage überwiegend stattgegeben und die Beklagte wie folgt verurteilt :

1. an die Kläger zu 1) einen Betrag i. H. v. € 5.257,99 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2.755,78 ab 22.4.2005 sowie aus weiteren 2.502,21 € ab dem 23.11.2005 zu zahlen;

2. an die Kläger zu 2) einen Betrag i. H. v. 5.368,10 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2.973,40 € ab 22.4.2005 sowie aus weiteren 2.394,70 € ab 1.12.2005 zu zahlen;

3. an die Kläger zu 3) einen Betrag i. H. v. 5.257,99 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 2.755,78 € sowie aus weiteren 2.502,98 € ab 21.11.2005 zu zahlen;

4. an die Kläger zu 4) einen Betrag i. H. v. 6.912,25 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz aus 3.943,64 € ab 22.4.2005 sowie aus weiteren 2.968,61 € ab 16.11.2005 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die von den Klägern zu 1) bis 4) an die Beklagte zu entrichtenden Schulgebühren ab dem Schuljahr 2006/2007 bis zum Europäischen Abitur ihrer Kinder nach billigem Ermessen festzusetzen sind."

Das Landgericht hat seine Entscheidung der Argumentation der Kläger folgend damit begründet, die Schulgelderhöhung von über 30 % gehe, gemessen an den bei der Festsetzung des ersten Schulgeldes erzeugten Äquivalenzvorstellungen, über das nach billigem Ermessen zulässige Maß hinaus und hat das Schulgeld entsprechend der allgemeinen Steigerung der Lebenshaltungskosten festgesetzt.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Antrag, die Klage abzuweisen, weiter. Beide Parteien wiederholen und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag insbesondere zum Fehlen der deutschen Gerichtsbarkeit und der Parteifähigkeit der europäischen Schule. Nach einem Ortswechsel der Kläger zu 3 haben die Parteien die Hauptsache bzgl. deren Klage übereinstimmend für erledigt erklärt.

Wegen der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der beiden Urteile des Landgerichts und die beiderseits eingereichten Schriftsätze, insbesondere die Berufungsbegründungsschrift und die Berufungserwiderungsschrift Bezug genommen.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt und begründet worden.

Das Rechtsmittel hat auch im Ergebnis Erfolg. Es führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und zur Abweisung der Klage als unzulässig, soweit die Hauptsache nicht bezüglich der Kläger zu 3 übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist.

Die Beklagte unterliegt hinsichtlich dieses Rechtsstreits nicht der deutschen Gerichtsbarkeit, sondern beruft sich zu Recht auf ihre Immunität.

Das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit ist ohne Bindung an ein vorangegangenes Zwischenurteil in jeder Verfahrenssituation zu prüfen und eine Klage ist ggf. als unzulässig abzuweisen (vgl. RGZ 157, 389, 391; BGHZ 8,378, 379; BGH 18, 1, 5; BGH RR 03, 1218, 1219; BVerfGE 46, 342, 359; Baumbach-Lauterbach-Albers-Hartmann ZPO, 66. Aufl. Einführung vor §§ 18 -20 GKG Rn. 2).

Zwar kann über die Verneinung der Immunität ein Zwischenurteil ergehen (RGZ 157, 389, 394; BAG NZA 01, 684). Eine trotz bestehender Immunität erlassene, also unrichtige Entscheidung ist aber nichtig und vermag keine Rechtskraft zu erzeugen. Dies gilt nicht nur für Sachurteile sondern auch für Prozessurteile wie ein das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit feststellendes Zwischenurteil (Müko-Wolf, ZPO, 2. Aufl. § 18 GVG Rn. 5; Baumach-Lauterbach, a.a.O., vor § 18 GKG Rn. 2; Stein-Jonas-Grunsky, vor § 578 Rn. 10). Das tatsächliche Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Entscheidung eines deutschen Gerichtes. Der Schutz tatsächlich bestehender Immunität kann nicht durch Ablauf einer Rechtsmittelfrist verloren gehen. Dem steht auch nicht Art. 20 des Europäischen Übereinkommens über Staatsimmunität ( BGBl II, 35 f) entgegen, wie die Kläger meinen, weil die Beklagte kein einzelner Staat im Sinne dieses Übereinkommens ist, sondern eine zwischenstaatliche Einrichtung, weil es bei der Feststellung des Bestehens der deutschen Gerichtsbarkeit nicht um die Erfüllung einer Verpflichtung geht und weil auch diese Regelung voraussetzt, dass Immunität nicht beansprucht werden kann ( Art. 20 I lit.a).

Aus der Tatsache, dass die Beklagte das Zwischenurteil, dessen Erlass sie selbst beantragt hat, nicht angefochten hat, kann kein Verzicht auf eine bestehende Immunität geschlossen werden (vgl. BVerfGE 46, 342, 359; BGH NJW RR 03, 1218, 1220). Der bloße Verzicht auf ein Rechtsmittel kann schon im Hinblick auf die von der allgemeinen Meinung angenommenen Wirkungslosigkeit des Urteils im Falle des Bestehens der Immunität nicht eindeutig als Willensäußerung zur Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit angesehen werden.

Die Vorabentscheidung über die Immunität bleibt dennoch sinnvoll, weil der Streit sich zunächst auf die Frage des Bestehens der deutschen Gerichtsbarkeit konzentriert und so der größtmögliche Schutz für den Fall des Bestehens der Immunität gewährleistet ist.

Die Beklagte beruft sich zu Recht auf die ihr durch die zwischenstaatlich getroffene Vereinbarung verliehene Immunität, die entsprechend der Satzung für die gesamte interne Schultätigkeit gelten sollte.

Der von dem Landgericht in dem Zwischenurteil vertretenen Auffassung, Artikel 27 Abs. 7 der Satzung, wonach "andere" Streitigkeiten der Zuständigkeit der nationalen Gerichte unterfallen, sei ein Auffangtatbestand und die deutsche Gerichtsbarkeit komme sozusagen subsidiär zum Zuge, weil es an Durchführungsbestimmungen für Beschwerden der Eltern gegen die Schulgeldfestsetzung des Obersten Rates fehle, kann nicht zugestimmt werden.

Die Befreiung der europäischen Schulen von der Deutschen Gerichtsbarkeit ist zu Recht bereits in mehreren Entscheidungen ausdrücklich festgestellt worden (BayerVGH, Urteil vom 15.3.1995, VGHE 49, 35f, zitiert nach juris, vgl. hierzu auch BVerwG, Nichtannahmebeschluss v. 9.10.1995 Az 6 B 51/95; BVerwG Urteil vom 29.10.1992, NJW 93, 1409).

An dieser Rechtslage hat sich im Ergebnis durch die neue Satzung aufgrund der Vereinbarung vom 21.6.1994 nichts geändert. Die bis dahin aufgrund allgemeiner Grundsätze bestehende Befreiung europäischer Schulen von der Deutschen Gerichtsbarkeit hat sich in diesem Umfang nicht geändert sondern ist durch das Zustimmungsgesetz zur Vereinbarung vom 21.6.1994 über die Satzung der europäischen Schulen vom 31.10.1994 (BGBl 1996, II 2558) bestätigt worden und ergibt sich nunmehr auch aus der zwischen den Mitgliedern der Europäischen Gemeinschaften geschlossenen Vereinbarung selbst.

Bereits in der Präambel wird das Ziel festgelegt, u. a. "einen angemessen Rechtsschutz des Lehrpersonals und der sonstigen unter diese Satzung fallenden Personen gegenüber Entscheidungen des Obersten Rates oder der Verwaltungsräte zu gewährleisten und zu diesem Zweck eine Beschwerdekammer mit genau festgelegten Befugnissen einzurichten". Damit ist das Ziel einer autonomen zwischenstaatlichen Einrichtung mit eigenen Organen und eigenem Rechtsschutzsystem festgelegt und zugleich auch die Befreiung von der Gerichtsbarkeit der einzelnen Staaten. Dieses Ziel ist in Artikel 27 Abs. 2 dadurch umgesetzt worden, dass bei Streitigkeiten, die die Anwendung dieser Vereinbarung auf die darin genannten Personen .... betreffen und sich auf die Rechtmäßigkeit einer vom Obersten Rat . . . gegenüber jenen Personen getroffenen und sie beschwerenden Entscheidungen beziehen, die Beschwerdekammer . . . ausschließliche Zuständigkeit besitzen soll. Damit sollten erkennbar die Entscheidungen des Obersten Rates gegenüber den in der Satzung genannten Personen insgesamt und ohne Differenzierungen der einzelstaatlichen Gerichtsbarkeit entzogen werden. Dass hiervon irgendeine Ausnahme gemacht werden sollte bzw. dass das Weiterbestehen der nationalen Gerichtsbarkeiten subsidiär aufrecht erhalten werden sollte, falls sich eine Rechtsschutzlücke ergeben sollte, kann auch nicht aus dem Hinweis im letzten Satz des Artikel 27 Abs. 2 entnommen werden, die Voraussetzungen für ein Verfahren der Beschwerdekammer und die entsprechenden Durchführungsbestimmungen seien in den Beschäftigungsbedingungen für das Lehrpersonal bzw. der Regelung für die Lehrbeauftragten oder der allgemeinen Schulordnung festgelegt. Die Herausnahme der Entscheidung des Obersten Rates aus den nationalen Gerichtsbarkeiten ist eindeutig und lässt sich weder nach Wortlaut noch Sinn ergänzen oder umdeuten. Die Voraussetzungen für das Verfahren der Beschwerdekammer betreffen lediglich Durchführungsbestimmungen einer bereits eindeutig und endgültig getroffenen Entscheidung für die ausschließliche Zuständigkeit einer Beschwerdekammer, deren Mitglieder gemäß § 27 Abs. 3 jede Gewähr für Unabhängigkeit bieten und einer Liste des Europäischen Gerichtshofs entnommen werden müssen, wodurch die Integration in das Gemeinschaftssystem zusätzlich betont wird.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Artikel 27 Abs. 7 der Satzung, wonach andere Streitigkeiten, bei denen Schulen Partei sind, der Zuständigkeit der nationalen Gerichte unterliegen. § 27 Abs. 7 der Satzung enthält lediglich den selbstverständlichen Hinweis darauf, dass Streitigkeiten, die nicht die autonome Tätigkeit der Europäischen Schulen selbst betreffen, sondern in der Satzung nicht genannte Personen und Außenkontakte, die mit der Erfüllung ihrer Aufgaben unmittelbar nichts zu tun haben, wie z.B. aufgrund von Verkehrsunfällen, der Zuständigkeit der nationalen Gerichte unterfallen sollten. Eine andere Bedeutung, als diese in zwischenstaatlichen Vereinbarungen übliche Einschränkung der Befreiung von den nationalen Gerichtsbarkeiten kann damit § 27 Abs. 7 nicht beigemessen werden. Vielmehr ergibt sich die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit aus der bisherigen Rechtslage, nach der sich die Immunität auch auf Schulgeldfragen bezog, der Präambel der Satzung und auch der Formulierung in Artikel 27 Abs. 2, dass die Entscheidung des Obersten Rates und auch die sonstigen Streitigkeiten im Zusammenhang mit dem Schulbetrieb von den nationalstaatlichen Gerichtsbarkeiten befreit sein sollten, um überhaupt die Europäischen Schulen als zwischenstaatliche Einrichtung einheitlich europäisch führen zu können.

Die Voraussetzungen einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung über die Auslegung der Satzung nach § 234 EG-Vertrag liegen nicht vor. Insbesondere ist eine Vorlage durch die Gerichte der Vertragsstaaten in der Satzung der zwischenstaatlichen Einrichtung nicht vorgesehen.

Entgegen der Auffassung der Kläger ist es der Beklagten auch nicht nach Art. 4 Abs. 2 b des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität (BGBl 1990, 35 f) versagt, sich auf Immunität zu berufen, weil es nicht um die Erfüllung der Vertragspflicht eines Vertragsstaates gegenüber einem anderen geht. Im übrigen ist die Beklagte eine zwischenstaatliche Einrichtung und kein einzelner Staat der Geschmeinschaft, dessen einzelstaatliche Souveränität, die auch in seiner Immunität zum Ausdruck kommt, zugunsten einer engeren Verbindung der Mitgliedstaaten eingeschränkt werden soll, wie es in der Präambel des Übereinkommens ausdrücklich heißt. Dieser für alle Regelungen entscheidende Gesichtspunkt gilt aber gerade nicht für die Immunität gemeinsamer zwischenstaatlicher Einrichtungen, bei denen die bereits hergestellte enge Verbindung nicht aufrechterhalten werden könnte, wenn diese Einrichtungen der Gerichtsbarkeit aller Einzelstaaten mit ihren unterschiedlichen Rechtsordnungen unterworfen würden und sich gegenüber den einzelnen Staaten nicht auf ihre Immunität berufen könnten. Insoweit kommt daher auch die von den Klägern erwogene entsprechende Anwendung dieser Regelung nicht in Frage.

Die damit entstandene Rechtsschutzlücke kann auch nicht aus verfassungsrechtlichen Erwägungen durch ein deutsches Gericht geschlossen werden. Eine subsidiäre deutsche Gerichtsbarkeit kann jedenfalls im Streitfall nicht angenommen werden, obwohl das autonome Recht einer zwischenstaatlichen Einrichtung eine Rechtsschutzlücke aufweist, die erkennbar von dieser auch nicht geschlossen werden soll. Der Oberste Rat der Schulen hat die Rechtsschutzlücke gegen eine eigene Entscheidung im konkreten Streitfall durchaus erkannt und sich - nach einer Verfahrensunterbrechung zum Zwecke der Abhilfe - im Ergebnis dafür entschieden, sich einen rechtsfreien Raum zu erhalten, für den weder die Beschwerdekammer noch die Gerichte der Mitgliedsstaaten zuständig sein sollen. Hinzu kommt, dass der Oberste Rat, dem auch ein Vertreter Deutschlands angehört, noch nicht einmal den Versuch gemacht hat, sich um Akzeptanz seiner drastischen, übergangslosen Erhöhung des Schulgeldes um etwa 30 % für schulgeldpflichtige Nichtbeamtenkinder zu bemühen und diese folgenreiche Ausübung seiner Machtbefugnisse gegenüber den betroffenen, nicht privilegierten Eltern zu erläutern. Angesichts der Unterschiede des Schulsystems der Europäischen Schule gegenüber anderen Schulen und den Schwierigkeiten der Umschulung ist auch der mehrfache Hinweis im Rechtsstreit, es stehe den Eltern ja frei, ihre Kinder von der Schule zu nehmen, das Gesamtbild einer Art der Machtausübung, die dem deutschen Recht so fremd ist, dass sich die Frage stellt, ob die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht ein Schließen der konkreten Rechtsschutzlücke und ein Tätigwerden der deutschen Gerichtsbarkeit gebietet.

Die Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Absatz 4 GG gewährleistet aber der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zufolge im Ergebnis keine Auffangzuständigkeit der Deutschen Gerichtsbarkeit für den Fall, dass ein jedenfalls im wesentlichen gegebener Rechtsschutz gegen Einzelhandlungen der zwischenstaatlichen Einrichtungen der Gemeinschaften nach den Vorstellungen des Deutschen Rechts unzulänglich sein sollte (BVerfG NJW 1982, 507, 509 - Eurocontroll I).

Die Voraussetzungen einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Artikel 100 GG mit der Begründung, das Deutsche Zustimmungsgesetz zu der Satzung sei wegen Überschreitung der materiellen Grenzen des Artikel 24 Abs.1 GG unwirksam, weil bezüglich einer konkreten Handlung des Obersten Rates kein Rechtsschutz vorgesehen sei, liegen nicht vor. Allein aufgrund einer einzelnen, konkreten Rechtsschutzlücke, die zudem durch Ausführungsbestimmungen leicht gefüllt werden könnte, können keine grundsätzlichen, strukturellen Defizite an der Ausgestaltung eines effektiven Rechtsschutzes festgestellt werden. Solange nämlich die Europäische Gemeinschaften und entsprechend auch ihre zwischenstaatlichen Einrichtungen wirksamen Rechtsschutz generell gewährleisten und insbesondere der vom Grundgesetz gebotenen Grundrechtsschutz im wesentlichen gewahrt ist, ist kein Raum für die Tätigkeit des Bundesverfassungsgerichts und dementsprechend für Vorlagen nach Artikel 100 Abs. 1 GG (BVergfG NJW 1987, 577 f - Solange II; vgl. nunmehr auch BVerfG, Beschluss vom 13.3.2007, NVwZ 2007, 937 f u. BVerfG, Beschluss vom 14.5.2007, NVwZ 2007, 942).

Im Ergebnis dürfte es sich bei der Weigerung des Obersten Rates, Beschwerden auch gegen eigene Schulgeldentscheidungen zuzulassen und eine entsprechende Beschwerdeordnung zu errichten, um ein satzungswidriges Verhalten handeln, das von Seiten der Bundesrepublik Deutschland als einer der vertragsschließenden Parteien gerügt und ggf dem Europäischen Gerichtshof nach Artikel 26 der Satzung zur Entscheidung vorgelegt werden müsste. Dagegen würde auch ein Eingriff in die einheitliche Schulgeldfestsetzung durch das Gericht eines der Einzelstaaten eine Vertragsverletzung darstellen.

Wenn das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit entgegen den vorstehenden Erwägungen angenommen wird, müsste die Klage aufgrund der folgenden Hilfserwägungen unter Anwendung deutschen Rechts als unbegründet abgewiesen werden.

Bei dem von den Eltern gezahlten Entgelt handelt es sich nicht um eine äquivalente Gegenleistung, weil die europäischen Schulen nicht kostendeckend arbeiten, was zwischen den Parteien unstreitig ist. Das beiläufige und "vorsorgliche" Bestreiten eines Kostenbetrages von über 10.000 € in einem Nebensatz (Bl. 279 )wurde angesichts der ausführlichen Darlegungen der Beklagten (vgl, insbesondere auch Anl. B2 und B3) als nicht ausreichend substantiiert bewertet. Dem Hinweis des Senats in der mündlichen Verhandlung auf diese Bewertung sind die Kläger erst mit einem nicht nachgelassenen Schriftsatz entgegengetreten. Dass die Kosten das Schulgeld bei weitem übersteigen, ergibt sich auch aus dem Bericht der Kommission für das Jahr 2005 (Anl. B3 S.15), in dem darauf hingewiesen wird, dass das Europäische Parlament und die Kommission verlangt haben, die Schulgebühren durch eine kräftige Anhebung besser an die realen Kosten anzunähern. Damit handelt es sich bei der Schulgeldzahlung lediglich um einen Beitrag zu weit höheren Kosten, so dass sich der Rest als Zuschuss darstellt. Die Festlegung der Höhe des Zuschusses ist aber eine politische Entscheidung, die von den ordentlichen Gerichten nicht oder nur beschränkt nachprüfbar ist. Ob überhaupt, wie lange und in welchem Umfang ein Zuschuss gewährt wird, kann nicht im Rahmen der Ermessensüberprüfung durch ein Zivilgericht festgestellt und bestimmt werden. Dies kann sich im Grunde auch jederzeit nach neuen politischen Grundentscheidungen oder der Haushaltslage ändern. Dementsprechend hat das OLG Celle in einem Urteil vom 15.4.1977 - Az 8 U 105/76 - NJW 1977,1295), in dem es um die Erhöhung eines Kindergartenentgeltes ging, die Festsetzung einer billigen Erhöhung abgelehnt und insoweit die alleinige Entscheidungsgewalt der beklagten Gemeinde anerkannt, die beschlossen hatte, dass die Kosten der Kindergärten zu 1/3 von den Eltern aufgebracht werden sollten. Das OLG Celle hat ausgeführt, die Entscheidung, wie die Gemeinde das "Regelentgelt" für den Kindergarten festsetze, obliege der Verwaltung. Insoweit wirke sich aus, dass es sich hier nicht um ein Entgelt im Sinne einer echten äquivalenten Gegenleistung handele, die das Gericht gemäß § 315 Abs. 3 S. 2 BGB festsetzen könne, sondern um einen "Beitrag" der Eltern zu weit höheren Kosten. In welchem Umfange die Beklagte Zuschüsse gewähren wolle, dürfe das ordentliche Gericht nicht bestimmen. Die Entscheidung hierüber stehe der Verwaltung zu.

Im Ergebnis hat der Oberste Rat als das von allen Gemeinschaftsstaaten politisch gelenkte und kontrollierte oberste Verwaltungsgremium der Europäischen Schulen unterhalb der Grenze der tatsächlichen Schulkosten der einzelnen Schüler ein nur vom dem Vertragsstaat, nicht aber von ordentlichen Gerichten der Vertragsstaaten zu kontrollierendes und nachprüfbares freies Ermessen hinsichtlich der Höhe des Schulgeldes.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 a, 97, 100 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gemäß § 543 Abs.2 ZPO war die Revision zuzulassen. Insbesondere die Voraussetzungen des Bestehens der deutschen Gerichtsbarkeit für zwischenstaatliche Einrichtungen, auch für den Fall einer bewusst nicht geschlossenen Rechtsschutzlücke haben über das konkrete Handeln des Rates und die nur für die Europäischen Schulen geltende Satzung hinausweisend grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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