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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.11.2002
Aktenzeichen: 17 U 83/02
Rechtsgebiete: GVG


Vorschriften:

GVG § 17 a Abs. 5
Hat das Landgericht einer Klage auf Beseitigung eines Fundaments stattgegeben, das die Gemeinde zum Bau einer Entkeimungsanlage auf einem fremden Privatgrundstück errichtet hat, wird die Zulässigkeit des Rechtsweges vom Berufungsgericht nicht geprüft (§ 17 a Abs. 5 GVG). Der Anspruch kann sich in diesem Fall aus dem Gesichtspunkt eines öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruches ergeben.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main Im Namen des Volkes Urteil

17 U 83/02

Verkündet am 6. November 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 06.11.2002 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 08.05.2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Limburg wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Parteien streiten um Beseitigungs- und Wiederherstellungsansprüche. Der Kläger schloss 1973 mit der beklagten Gemeinde einen Tauschvertrag über einige seiner auf dem Gemeindegebiet liegenden Grundstücke. Auf Grund einer fehlerhaften Verfügung des damaligen Rechtspflegers wurde auch das Eigentum an dem Grundstück in der Gemarkung Aumenau, Flur 7, Flurstück 59/4, auf die beklagte Gemeinde umgeschrieben, obwohl dieses Grundstück nicht Gegenstand des Tauschvertrages war. An diesem Grundstück hatte der Kläger vielmehr durch notariellen Vertrag vom 6.4.1971 Eigentum und Besitz vom Voreigentümer erhalten. Die beklagte Gemeinde hielt sich auf Grund des fehlerhaften Grundbuchs für die Eigentümerin dieses Grundstücks und begann, für eine UV-Entkeimungsanlage auf diesem Grundstück ein Fundament einschließlich einer Bodenplatte zu errichten. Am 17.8.2001 wies der Kläger den Bürgermeister der Beklagten auf sein Eigentum hin. Auf sein Betreiben erfolgte am 19.9.2001 eine Grundbuchberichtigung, in deren Folge der Kläger wieder als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen wurde. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe durch die Bauarbeiten auf seinem Grundstück sich einer verbotenen Eigenmacht schuldig gemacht. Sie sei vor Nutzung des Grundstückes verpflichtet gewesen, sich darüber zu informieren, wer Besitzer dieses Grundstücks sei. Da das Grundstück nicht in ihrem Pflegeplan enthalten gewesen sei, hätte sie leicht darauf kommen können, dass von ihren Bauarbeiten Rechte anderer betroffen gewesen sein konnten.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, das auf dem Grundstück des Klägers in der Gemarkung Aumenau, Flur 7, Flurstück 59/4 errichtete Fundament und Bodenplatte für die geplante UV-Wasserentkeimungsanlage zu beseitigen und den ursprünglichen Zustand (Wiese) wieder herzustellen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, sie sei spätestens mit Beginn der Bauarbeiten Besitzerin des betreffenden Grundstücks geworden. Sie habe wegen der fehlerhaften Eintragung im Grundbuch auf ihr Eigentum vertrauen dürfen. Gemäß § 993 Abs. 1 letzter Halbs. BGB analog sei sie nicht zur Herstellung des ursprünglichen Zustandes des Grundstücks verpflichtet.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger durch Besitzeinräumung seitens des Voreigentümers im Jahre 1971 Besitzer des Grundstücks gewesen sei. Diesen Besitz habe die Beklagte durch den Bau der UV-Bestrahlungsanlage durch verbotene Eigenmacht gestört. Dadurch, dass die beklagte Gemeinde auf dem Grundstück des Klägers begonnen habe, sich wie ein Eigentümer zu gerieren und dadurch nach allgemeiner Verkehrsauffassung Sachherrschaft über das Grundstück ausgeübt habe, habe sie durch verbotene Eigenmacht eine Besitzstellung erlangt. Als Folge davon habe der Kläger Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes nach § 861 BGB. Der Kläger könne nach § 862 BGB Beseitigung der Störung durch die Errichtung des Fundaments und der Bodenplatte verlangen. Der Kläger habe außerdem einen entsprechenden Anspruch gegen die Beklagte aus § 1004 BGB. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Mit ihrer zulässigen Berufung trägt die Gemeinde vor, ihr habe der öffentliche Glaube des Grundbuchs zur Seite gestanden. Sie habe nicht widerrechtlich gehandelt, weil sie die Entkeimungsanlage auf einem eigenen Grundstück geplant und zu bauen begonnen habe. Wenn sich nachträglich eine Falscheintragung infolge eines Fehlers des Grundbuchbeamten herausgestellt habe, könne die verbotene Eigenmacht nicht die Gemeinde ausgeübt haben, sondern der Rechtspfleger des Grundbuchamts. Denn erst die Falscheintragung des Grundbuchamtes habe die Gemeinde veranlasst, den Besitz an dem Grundstück zu ergreifen. Im übrigen könne Grundlage eines Beseitigungsanspruchs nur der öffentlich-rechtliche Folgenbeseitigungsanspruch sein. Denn die UV-Entkeimungsanlage habe der Versorgung der Gemeinde mit qualitativ höherwertigem Wasser, mithin einem öffentlichen Zweck dienen sollen. Der im öffentlichen Recht verwurzelte Folgenbeseitigungsanspruch sei hier aber ausgeschlossen, weil die Folgenbeseitigung für die Gemeinde unzumutbar sei. Bei Abwägung des Interesses des Klägers an der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes seines Wiesengrundstückes mit den mit der Beseitigung für die Gemeinde und die Allgemeinheit verbundenen Belastungen müssten die Ansprüche des Klägers zurückstehen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil der Kläger auf anderweitige Entschädigungsvorschläge durch die Gemeinde nicht eingegangen sei. Die Errichtung einer neuen Anlage auf gemeindeeigenen Grundstücken sei nur unterirdisch möglich. Allein die Planung und Kosten einer solchen Anlage würden zusätzlich etwa 25.000,-- € kosten. Bei Abwägung der Belange des Gemeinwohls, des fehlenden wirklichen Interesses des Klägers an der Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes und des Maßes eines etwaigen Verschuldens der Gemeinde bei der Herbeiführung der Beeinträchtigung stelle sich die Beseitigung als unverhältnismäßig dar.

Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil. Er ist der Auffassung, die Gemeinde habe nicht hoheitlich gehandelt.

Gründe:

2. Die Berufung der beklagten Gemeinde ist im Ergebnis nicht begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Beseitigungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs zu. Der Senat ist nicht gehindert, öffentlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen zu berücksichtigen. Dabei wird in der Berufungsinstanz die Zulässigkeit des Rechtsweges vom Berufungsgericht nicht geprüft (§ 17 a Abs. 5 GVG). Als Gericht des zulässigen Rechtsweges hat der Senat den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden.

Als Grundlage für den Anspruch des Klägers kommt nur ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungsanspruch in Betracht. Denn die Inanspruchnahme des Grundstücks des Klägers erfolgte durch öffentlich-rechtliches Handeln der Beklagten. Die Einrichtung der UV-Entkeimungsanlage gehört zur öffentlichen Wasserversorgung. Diese ist den Gemeinden durch öffentlich-rechtliche Normen gemäß § 54 Abs. 1 S. 1 HessWasserG (HWG) i.V.m. § 19 Abs. 1 HGO aufgegeben. Sie steht überdies in einem öffentlich-rechtlichen Planungs- und Funktionszusammenhang, wie insbesondere an der Möglichkeit des Abschlusszwanges, der bei der beklagten Gemeinde besteht, in § 19 Abs. 2 S. 1 HGO und den Anforderungen an die Gemeinde hinsichtlich der Qualität der Wasserversorgung deutlich wird.

Die Beseitigung der auf dem Grundstück des Klägers errichteten Anlagen ist zumutbar. Der Kläger wird in der Nutzung seines Grundstücks als Wiese durch die Bauteile erheblich beeinträchtigt. Die von der beklagten Gemeinde herangezogene Entscheidung in NVwZ 1999, 1237 steht dem nicht entgegen. Die Beeinträchtigung eines Grundstücks durch in es hineinragende Randsteine auf einer Fläche von 0,9 qm bei einer Grenzüberschreitung von lediglich 9 cm ist mit der vorliegenden Sachverhaltskonstellation nicht zu vergleichen.

Die Aufbringung der Kosten für die Beseitigung der Anlage in Höhe von etwa 5.000,--€ ist der Gemeinde zumutbar. Die Mehrkosten, die der Gemeinde für die Errichtung der Anlage an anderer Stelle entstehen, sind in die Prüfung nicht einzubeziehen. Sie wären der Gemeinde bei einem rechtmäßigen Vorgehen ohnehin entstanden.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 543 ZPO.



Ende der Entscheidung

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