Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 16.11.2005
Aktenzeichen: 17 W 81/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 92 I
Die verhältnismäßige Kostenteilung nach § 92 Abs. 1 ZPO muss nicht zwingend durch eine einheitliche Quote erfolgen, sondern kann nach einer Streitwertminderung auch mit unterschiedlichen Quoten nach Zeitabschnitten vorgenommen werden.
Gründe:

Die Beklagte hat auf die Forderungen des Klägers, die einen Gesamtstreitwert von 13.316,43 € ausmachen, vor dem ersten Verhandlungstermin 5.883,18 € gezahlt und die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. In dem Verhandlungstermin haben sich die Beklagten zur Abgeltung der Klageforderung durch Vergleich zur Zahlung von weiteren 3.500,- € verpflichtet. Dem Vergleich zufolge sollte das Landgericht gemäß § 91 a ZPO über die Kosten entscheiden.

Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits mit einheitlicher Quote ohne Berücksichtigung der Streitwertänderung aufgrund der übereinstimmenden Erledigung im Verhältnis 30 % zu 70 % zu Lasten der Beklagten verteilt, weil dies dem Anteil des Gesamtobsiegens und Unterliegens der Parteien entspreche. Mit dem Vergleich sei eine Gesamtbereinigung der insgesamt geltend gemachten Klageforderung erzielt worden.

Mit ihrer sofortigen Beschwerde machen die Beklagten geltend, in der Kostenverteilung durch eine einheitliche Kostenquote auf der Grundlage des ursprünglichen Streitwertes und ohne Berücksichtigung der Streitwertminderung liege eine ungerechtfertigte Benachteiligung.

Das Landgericht hat in der Nichtabhilfeentscheidung darauf hingewiesen, eine Kostenquotelung nach Verfahrensabschnitten sei nicht möglich.

Die gemäß § 91 a Abs. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

Ob bei der Kostenverteilung nach Zeitabschnitten differenziert werden darf, ist streitig. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine Kostenverteilung nach Zeitabschnitten sei ebenso unzulässig, wie eine Differenzierung nach Verfahrensabschnitten. Dies wird begründet mit dem Pauschsystem der Kostengesetze das eine derartige Aufteilung undurchführbar mache (Stein-Jonas-Bork, ZPO, 22. Aufl., § 92 Rn. 9) und mit dem Grundsatz der einheitlichen Kostenentscheidung, der eine derartige Aufteilung verbiete (OLG Koblenz, JurBüro 84, 1395; MünchKomm-Betz, ZPO, § 92 Rn. 8). Die Gegenmeinung hält insbesondere bei einer Streitwertminderung eine Kostenverteilung nach Zeitabschnitten ausnahmsweise für zulässig (OLG Köln, MDR 81, 590; Zöller-Herget, ZPO, 25. Aufl., § 92 Rn.4; Zschockelt/Schneider, MDR 81, 536 f.). Dies wird insbesondere damit begründet, dass andernfalls dem Grundsatz der Kostenverursachung nicht ausreichend Rechnung getragen würde. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Die nach § 92 Abs. 1 ZPO vorzunehmende verhältnismäßige Kostenverteilung kann auch mit unterschiedlichen Quoten nach Zeitabschnitten vorgenommen werden. § 92 Abs. 1 ZPO schließt es zwar aus, die Kosten des Rechtsstreits in der Weise zu verteilen, dass jeweils eine der Parteien mit den gesamten Kosten eines der Verfahrensabschnitte belastet wird, weil darin keine Verteilung der Kosten im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens läge.

Weder der Wortlaut noch der Sinn des § 91 Abs. 1 ZPO noch Probleme bei der Kostenfestsetzung schließen es aber aus, den jeweiligen Anteil der Parteien am Obsiegen und Unterliegen in der Weise zu berücksichtigen, dass für die Zeit vor und nach einer Streitwertminderung unterschiedliche Quoten gebildet werden. Diese Differenzierung im Rahmen der Kostenentscheidung durch Berücksichtigung der Streitwertminderung entspricht der gesetzlichen Regelung des § 92 Abs. 1 ZPO, weil der Anteil des jeweiligen Obsiegens und Unterliegens für die Kostenverteilung bestimmend bleibt. Dem Kostenverursachungsprinzip und damit auch einer sachgerechten Kostenentscheidung widerspricht es, der klagenden Partei, die durch eine Teilklagerücknahme vor dem Entstehen der Termins- und Vergleichsgebühr oder, wie im Streitfall der beklagten Partei, die durch Teilerfüllung den Streitwert verringert hat, an den später erst entstehenden Gebühren so zu beteiligen, als sei die den Streitwert mindernde Handlung nicht vorgenommen worden und der ursprüngliche hohe Streitwert unverändert geblieben.

Dem Landgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass das Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens der Parteien auf der Grundlage des ursprünglichen Streitwertes gebildet werden soll, ohne eine später eintretende, für die Höhe der danach noch entstehenden Kosten maßgebliche Streitwertminderung zu berücksichtigen. Die Reduzierung des Streitwertes und die dadurch entstehenden niedrigeren Gebühren kämen zwar auch in diesem Fall beiden Parteien zugute, nicht aber - wie dies § 91 Abs. 1 ZPO zwingend vorschreibt - , im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens.

Die Änderung des Streitwertes wird im Übrigen auch überwiegend von der Gegenmeinung berücksichtigt. Soweit die Bildung unterschiedlicher Quoten nach Zeitabschnitten abgelehnt wird, sollen die Kosten im Rahmen der richterlichen Entscheidung jeweils bis vor der Streitwertminderung und sodann danach ermittelt und ins Verhältnis gesetzt werden, um eine einheitliche Quote zu erhalten (OLG Koblenz, JurBüro 84, 1395). Damit wird im Ergebnis ohne zwingenden Grund die zeitraubende Berechnung von Kosten außerhalb des hierfür geschaffenen Kostenfestsetzungsverfahrens vorgenommen und lediglich das konkret ausgerechnet, was ohne Berechnungen mit gleichem Ergebnis durch die Bildung verschiedener Quoten nach Zeitabschnitten für das Festsetzungsverfahren verbindlich angeordnet werden kann. Wie ein Vergleich der Ergebnisse zeigt, führen die zeitraubenden Kostenberechnungen auch nicht etwa zu einem genaueren und damit sachgerechteren Ergebnis (vgl. ausführlich Schneider, a. a. O., S. 538, 539).

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 3 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück