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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.03.2009
Aktenzeichen: 18 W 392/08
Rechtsgebiete: RVG-VV, ZPO


Vorschriften:

RVG-VV Nr. 3100
RVG-VV Nr. 3200
ZPO § 91 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers für diesen auf Grund einer Vergütungsvereinbarung, der zufolge er nach Stundenaufwand abrechnet (Bl. 255 d. A.), vorgerichtlich tätig geworden war, haben die Parteien vor dem Landgericht Frankfurt am Main einen Rechtsstreit geführt. In diesem hat das Landgericht mit Anerkenntnisurteil vom 27.05.2008 (Bl. 165 d. A.) die Zwangsvollstreckung aus der Urkunde des Notars A in O1 vom 12.07.2000 (UR Nr. .../2000) für unzulässig erklärt und der Beklagten auferlegt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Mit Beschluss vom 22.07.2008 (Bl. 201 d. A.) hat das Landgericht den Streitwert auf € 536.856,47 festgesetzt.

Auf Antrag des Klägers vom 20.08.2008, der am 21.08.2008 bei Gericht eingegangen ist (Bl. 216, 217 d. A.), hat das Landgericht mit Beschluss vom 08.10.2008 (Bl. 226 d. A.) zu Gunsten des Klägers Kosten in Höhe von € 8.317,72 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.08.2008 gegen die Beklagte festgesetzt. Dieser Beschluss ist dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 21.10.2008 zugegangen (Bl. 230 d. A.). Mit am 30.10.2008 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 28.10.2008 (Bl. 198, 199 d. A.) hat der Kläger sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss eingelegt und sein Rechtsmittel dagegen gerichtet, dass das Landgericht lediglich eine gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG um die Hälfte verminderte Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von € 536.856,47 festgesetzt hat. Der Kläger, der die Beschwerde mit Schriftsätzen vom 28.11.2008 (Bl. 239, 240 d. A.), vom 17.12.2008 (Bl. 246 bis 249 d. A.) und vom 30.12.2008 (Bl. 254 d. A.) weiter begründet hat, ist der Auffassung, die Verfahrensgebühr sei nicht gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vermindert, weil er vorgerichtlich auf Grund einer Vergütungsvereinbarung tätig geworden sei, so dass keine Geschäftsgebühr entstanden sei. Er begehrt die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin, dass ihm eine 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von € 536.856,47, also weitere € 2.044,90 zuzüglich 19% Umsatzsteuer auf diesen Betrag in Höhe von € 388,53, mithin über den bereits festgesetzten Betrag hinaus weitere € 2.433,43 gegen die Beklagte festgesetzt werden. Die Beklagte ist der Beschwerde mit Schriftsätzen vom 19.11.2008 (Bl. 235, 236 d. A.) und vom 09.01.2009 (Bl. 262 d. A.) entgegen getreten. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 242, 243 d. A.).

II.

Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig; insbesondere ist die in § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierte Frist zu ihrer Einlegung gewahrt.

Der Senat kann über die sofortige Beschwerde entscheiden, obwohl das Abhilfeverfahren nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden ist.

Im Rahmen des Verfahrens gemäß § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO war die Rechtspflegerin des Landgerichts dazu verpflichtet zu prüfen, ob auf die sofortige Beschwerde hin eine Abänderung des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses veranlasst ist, und diese gegebenenfalls vorzunehmen. Dazu hatte sie das Vorbringen des Klägers nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern sich auch mit diesem auseinanderzusetzen (OLG Nürnberg, MDR 2004, 169) und eine Entscheidung zu treffen. Dieser Pflicht ist die Rechtspflegerin des Landgerichts nicht nachgekommen. Sie hat den Vortrag des Klägers nicht gewürdigt und deshalb die Nichtabhilfeentscheidung ohne hinreichende Grundlage getroffen. Damit hat sie nicht nur den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, sondern auch dem Zweck des Abhilfeverfahrens, begründete Beschwerden auf einem möglichst einfachen Weg zu erledigen, nicht genüge getan.

Der Senat entscheidet gleichwohl über die sofortige Beschwerde, ohne das Verfahren an das Landgericht zur erneuten Entscheidung über die Abhilfe zurückzuverweisen. Dies ist möglich, weil die ordnungsgemäß Durchführung des Abhilfeverfahrens keine Voraussetzung des Beschwerdeverfahrens ist, so dass das Beschwerdegericht auch bei fehlerhaftem Abhilfeverfahren in der Sache selbst entscheiden kann (vgl. Heßler in Zöller, § 572 ZPO, Rdnr. 4).

Die sofortige Beschwerde des Klägers ist auch begründet.

Zu Unrecht hat das Landgericht zu Gunsten des Klägers lediglich eine verminderte Verfahrensgebühr gegen die Beklagte festgesetzt. Der Kläger hat Anspruch auf Festsetzung einer nicht verminderten 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von € 536.856,47 zuzüglich 19% Mehrwertsteuer.

Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO zählen zu den von der unterliegenden Partei zu tragenden Kosten des Rechtsstreits die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei. Zu den nach dieser Regelung von der im Rechtsstreit unterlegenen Beklagten an den Kläger zu erstattenden Gebühren des Prozessbevollmächtigten gehören auch eine 1,3 Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von € 536.856,47, die auf diese Gebühr anfallende Umsatzsteuer von € 388,53 und Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 21.08.2008 auf den sich ergebenden Gesamtbetrag.

Die Verfahrensgebühr, die der Kläger seinem Prozessbevollmächtigten für dessen Tätigkeit im Rechtsstreit zu erstatten hat, ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit Nr. 3100 VV RVG zu einem Satz von 1,3 angefallen. Sie ist nicht gemäß Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG um die Hälfte vermindert. Dies wäre nur der Fall, wenn wegen des verfahrensgegenständlich gewesenen Streites eine Geschäftsgebühr nach den Nummern 2300 bis 2303 entstanden wäre. Eine solche Gebühr gelangte vorliegend jedoch nicht zur Entstehung. Die Vergütung, die der Prozessbevollmächtigte des Klägers für seine vorgerichtliche Tätigkeit beanspruchen kann, findet ihre Rechtsgrundlage in der Vergütungsvereinbarung, die er mit dem Kläger geschlossen hat, und nicht in den Vorschriften des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Das in einer Vergütungsvereinbarung vereinbarte Honorar ist keine Geschäftsgebühr (vgl. Gerold / Schmidt - Madert, 2300, 2301 VV RVG, Rdnr. 39 a. E.).

Da vorliegend keine Geschäftsgebühr entstanden ist, kommt es auf, die Frage, nach welchem Gebührenstreitwert diese zu bemessen ist, nicht an.

Dass in Fällen, in denen ein späterer Prozessbevollmächtigter auf Grund einer Vergütungsvereinbarung vorgerichtlich tätig war, eine Anrechung nach Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG in Höhe einer Geschäftsgebühr vorzunehmen ist, ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des Bundesgerichtshofs in dessen Beschluss vom 22.01.2008, VIII ZB 57/07 (NJW 2008, 1323-1325 - zitiert nach juris), denen zufolge es für die in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgesehene Anrechnung ohne Bedeutung ist, ob die Geschäftsgebühr auf materiellrechtlicher Grundlage zu erstatten und ob sie unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar beglichen ist. Aus dieser Feststellung kann nicht geschlossen werden, auch im Falle einer Gebührenvereinbarung, auf Grund deren die gesetzliche Gebührenregelung im Verhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt nicht anwendbar ist, habe eine Anrechnung stattzufinden (so aber das Oberlandesgericht Stuttgart, Beschluss vom 03.09.2008, Az.: 8 W 348/08, AGS 2008, 511-512 - zitiert nach juris). Denn die mit der Feststellung des Bundesgerichtshofs angesprochenen Fälle betreffen sämtlich die Durchsetzung der auf der schon entstandenen Geschäftsgebühr basierenden Forderung und nicht die hier einzig maßgebliche Frage der Entstehung der Geschäftsgebühr. So heißt es in der oben genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs dann auch weiter:

"Für die Anrechnung und damit die von selbst einsetzende Kürzung ist nach dieser Vorschrift vielmehr entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei vorausgesetzter Identität des Streitgegenstandes entstanden ist,......" (Rdnr. 10).

Wie schon dargelegt, entsteht die Geschäftsgebühr in einem Fall wie dem vorliegenden gerade nicht. Die vom Oberlandesgericht Stuttgart vertretene Anwendung von Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG führt zur Anrechnung einer fiktiven Geschäftsgebühr.

Ob eine Partei, die mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vergütungsvereinbarung gerade zu dem Zweck abschließt, eine Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr zu vermeiden, rechtsmissbräuchlich handelt, so dass die Verfahrensgebühr analog Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zu vermindern ist, kann dahinstehen. Es sind keine Anhaltspunkte für die Annahme ersichtlich, dass vorliegend ein solcher Fall gegeben sein könnte.

Es ist dem Kläger eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit Nr. 3200 VV RVG festzusetzen, die gemäß § 13 RVG bei einem Streitwert von € 536.856,47 € 4.089,80 beträgt. Hierzu addieren sich die Beträge, deren Festsetzung nicht angefochten ist. Dabei handelt es sich zunächst um eine 1,2 Terminsgebühr nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit Nr. 3104 VV RVG von € 3.775,20 und die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG von € 20,-, so dass sich € 7.885,- errechnen. Hinzu kommt, die auf diese Vergütung des Prozessbevollmächtigten des Klägers anfallende Umsatzsteuer von € 1.498,15, die dieser gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1, Nr. 7008 VV RVG beanspruchen kann. Diese ist zu Gunsten des Klägers festzusetzen, weil sich die insoweit wegen § 104 Abs. 2 Satz 3 ZPO vorauszusetzende Erklärung des Klägers, dass er Umsatzsteuerbeträge nicht als Vorsteuer abziehen kann, im Kostenfestsetzungsantrag vom 20.08.2008 findet (Bl. 217 d. A.). Zu dem sich so errechnenden Gesamtbetrag von € 9.383,15 sind schließlich die vom Kläger gezahlten Gerichtskosten von € 1.368,- zu addieren, deren Festsetzung ebenfalls nicht angefochten ist.

Damit ist ein Gesamtbetrag von € 10.751,15 zu Gunsten des Klägers gegen die Beklagte festzusetzen, die diese gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ab dem 21.08.2008 mit Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB zu verzinsen hat.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beklagte zu tragen, weil sie in diesem unterlegen ist, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Der Beschwerdewert bemisst sich nach dem Betrag, hinsichtlich dessen der Kläger mit seiner Beschwerde die Abänderung des angegriffenen Beschlusses begehrt hat, § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Sache von grundsätzlicher Bedeutung ist. Überdies erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Anbetracht der vorstehend zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Stuttgart eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, § 574 Abs. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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