Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.01.2006
Aktenzeichen: 19 U 50/05
Rechtsgebiete: VOB/B


Vorschriften:

VOB/B § 17
Die Wirksamkeit einer Gewährleistungsbürgschaft, die unter der Bedingung der Zahlung des Sicherheitseinbehaltes an den Auftragnehmer übernommen wurde, kann durch Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes gegenüber der Werklohnforderung oder Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch nicht herbeigeführt werden, wenn die geltend gemachten Mängel der Werkleistung streitig sind.
Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer Gewährleistungsbürgschaft in Anspruch, die die Beklagte für die Firma A ... GmbH übernahm.

Der Kläger beauftragte die Firma A ... GmbH gemäß Generalunternehmervertrag vom 02.10.1998 und erstem Nachtrag vom 03.12.1998 (Anlage K1) mit der Sanierung und dem Umbau mehrerer Mehrfamilienhäuser. Gemäß Ziffer 19.1.1 des Generalunternehmervertrages durfte der Kläger auf die Dauer der Gewährleistungsleistungsfrist als Sicherheitsleistung 5 % der Brutto-Abrechnungssumme einbehalten. Ferner ist bestimmt, dass der Auftragnehmer die Auszahlung dieser Sicherheitsleistung verlangen kann Zug um Zug gegen Übergabe einer näher bezeichneten Gewährleistungsbürgschaft. Die von der Firma A ... GmbH ausgeführten Arbeiten wurden in vier Bauabschnitten ausgeführt. Für die Abnahme der Leistungen zu allen Bauabschnitten liegen Abnahmeprotokolle vor. Das Abnahmeprotokoll für den 4. Bauabschnitt datiert vom 15.12.1999 (Anlage K22). Die Firma A ... GmbH hat ihre Leistungen schlussgerechnet. Nach der von ihr unter dem 18.03.2002 gefertigten "Zusammenstellung der Einbehalte und Sicherheiten" (Anlage K23) ist für den 3. Bauabschnitt aus der Schlussrechnung ein Betrag von 48.241,99 DM offen. Ferner weist die Zusammenstellung für den 3. Bauabschnitt 3.382,50 DM als "Bruttobetrag Fensterläden als Einbehalt" aus, so dass noch 44.859,59 DM als zu zahlender Betrag ausgewiesen werden. Unter Berücksichtigung aller Zahlungen und Einbehalte beziffert die Anlage K23 die noch offene Werklohnforderung für alle Bauabschnitte auf 28.939,62 DM. Die Beklagte übernahm am 22.12.1999 gegenüber dem Kläger eine Gewährleistungsbürgschaft für den 3. Bauabschnitt in Höhe von 142.577,07 DM (Anlage K2). In der Bürgschaftsurkunde ist u.a. bestimmt: "Diese Bürgschaft tritt erst in Kraft, wenn der Sicherheitseinbehalt beim Auftragnehmer eingegangen ist".

Aus dieser Bürgschaft nimmt der Kläger die Beklagte in Anspruch. Er hat behauptet, dass die Werkleistungen für den 3. Bauabschnitt mangelhaft seien. Trotz Aufforderung zur Nacherfüllung mit Fristsetzung seien die Mängel nicht beseitigt worden. Der Mängelbeseitigungsaufwand belaufe sich - ohne die Kosten wegen der nicht vertragsgerecht ausgeführten Fensterläden - auf 129.204,43 EUR brutto. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die noch offene Werklohnforderung für den 3. Bauabschnitt der Inanspruchnahme der Gewährleistungsbürgschaft nicht entgegen stehe, weil ihm insoweit ein Zurückbehaltungsrecht zustehe. Das Zurückbehaltungsrecht ergebe sich daraus, dass die Firma A ... GmbH die werkvertraglichen Pflichten hinsichtlich der Fensterläden noch nicht erfüllt habe, da die Fensterläden nicht - wie vertraglich vorgesehen - neu hergestellt wurden, sondern lediglich die alten Fensterläden restauriert wurden. Von der Abnahme der Werkleistungen seien die Fensterläden ausdrücklich ausgenommen worden. Das geltend gemachte Zurückbehaltungsrecht wegen der Mängel an den Fensterläden betreffe somit seinen Erfüllungsanspruch und stelle einen Sicherheitseinbehalt im Sinne der Bürgschaftserklärung nicht dar.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 72.898,50 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die behaupteten Mängel bestritten und geltend gemacht, dass sie aus der Bürgschaft schon deshalb nicht hafte, weil der Kläger die Schlussrechnung nicht bezahlt habe.

Das Landgericht hat die Klage durch am 01.02.2005 verkündetes Urteil abgewiesen (Bl. 51 - 53 d.A.). Gegen dieses ihm am 09.02.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 07.03.2005 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.05.2005 an diesem Tage begründet.

Er ist der Auffassung, dass das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass der auf die Schlussrechnung für den 3. Bauabschnitt nicht gezahlte Betrag von 48.241,99 DM ein Sicherheitseinbehalt für Gewährleistungsansprüche und nicht ein Einbehalt auf den Erfüllungsanspruch wegen nicht erbrachter Leistungen sei. Hilfsweise erklärt der Kläger Aufrechnung gegen die Vergütungsforderung für den 3. Bauabschnitt von 48.241,99 DM mit einer Überzahlung der Leistungen für den 4. Bauabschnitt in Höhe von 35.398,27 DM und einem ihm in der Zusammenstellung der Firma A ... GmbH vom 18.03.2002 (Anlage K23) ausgewiesenen geldwerten Ersatzanspruch von 10.405,23 DM. Höchst hilfsweise erklärte der Kläger gegenüber dem Insolvenzverwalter der Firma A ... GmbH mit Schreiben vom 18.10.2005 (Bl. 200 ff. d.A.) die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 43.245,42 EUR wegen Nichterfüllung der vertraglichen Leistung hinsichtlich der Fensterläden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach seinem erstinstanzlichen Klageantrag zu erkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und macht u.a. geltend, dass der Kläger mit einer Restaurierung der alten Fensterläden anstelle der Neuherstellung einverstanden gewesen sei. Sie widerspricht der Aufrechnung des Klägers in der Berufungsinstanz und erhebt hinsichtlich der geltend gemachten Gewährleistungsansprüche die Einrede der Verjährung.

II.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Kläger kann die Beklagte jedenfalls derzeit nicht aus der Gewährleistungsbürgschaft vom 22.12.1999 in Anspruch nehmen, weil die aufschiebende Bedingung, unter der die Bürgschaft erteilt wurde - Eingang des Sicherheitseinbehaltes beim Auftragnehmer -, noch nicht erfüllt ist.

Da die Parteien des Generalunternehmervertrages in § 6 des Nachtrages für die jeweiligen Bauabschnitte getrennte Abnahme und Sicherheitsleistung vereinbart haben, kommt es für die Beantwortung der Frage, ob der Kläger den Sicherheitseinbehalt an die Auftragnehmerin gezahlt hat, allein auf die Betrachtung des 3. Bauabschnittes an, für dessen Leistungen der Kläger nach dem Abnahmeprotokoll Anlage K3 am 26.10.1999 die Abnahme erklärte.

Unstreitig bezahlte der Kläger den Werklohn für den 3. Bauabschnitt in Höhe von 48.241,99 DM nicht. Die Einbehaltung dieses Betrages war bis zur Annahme der Gewährleistungsbürgschaft der Beklagten vom 22.12.1999 gerechtfertigt. Das folgt schon daraus, dass die Parteien des Generalunternehmervertrages einen (Bar-) Sicherheitseinbehalt von 5 % vereinbart hatten. Nachdem der Kläger jedoch die Gewährleistungsbürgschaft als Austauschsicherheit angenommen hatte, war er verpflichtet, den Sicherheitseinbehalt auszuzahlen und demgemäß den Werklohnanspruch der Auftragnehmerin vollständig zu erfüllen. Daran ändert auch die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes wegen der nicht neu hergestellten Fensterläden nichts. Das ergibt sich aus der Auslegung der Sicherungsabrede. Das Austauschrecht des § 17 Nr. 3 VOB/B ist ein vertragliches Gestaltungsrecht des Auftragnehmers, mit dem er die Art der Sicherungsgewährung in dem vorgegebenen Rahmen zu bestimmen und zu verändern berechtigt ist. Das Austauschrecht schließt es aus, dass der Auftraggeber eine ordentlich ersetzte Sicherheit behält. Der Auftraggeber ist verpflichtet, die ersetzte Sicherheit herauszugeben. Eine Barsicherheit hat er deshalb alsbald effektiv bar auszuzahlen, wenn er die Bürgschaft als zum Austausch gestellte und geeignete Sicherheit entgegen genommen hat. Zur Verweigerung der Auszahlung wegen Zurückbehaltung oder Aufrechnung mit streitigen Gewährleistungsansprüchen ist der Auftraggeber nicht berechtigt (BGH NJW 1997, 2958; 1998, 2057; 2001, 3629, 3630; OLG Köln, Baurecht 1997, 524; Schäfer/Finnern/Hochstein, § 17 VOB/B Nr. 7; OLG Brandenburg, NJW-RR 1998, 1316; Joussen in: Ingenstau/Korbion, 15. Aufl., VOB/B § 17 Nr. 3 Rnr. 21, 26).

Danach durfte der Kläger nicht Bürgschaft und Bareinbehalt gleichzeitig behalten. Vielmehr war er, nachdem er die Bürgschaft zum Austausch angenommen hatte, gehalten, den Sicherheitseinbehalt alsbald auszuzahlen, und verstieß gegen diese vertragliche Verpflichtung, wenn er stattdessen die Zurückbehaltung bzw. Aufrechnung mit bestrittenen Gegenforderungen erklärte (BGH NJW 1998, 2057 mit weiteren Nachweisen).

Die geltend gemachte Vertragswidrigkeit der Ausführung der Fensterläden ist zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte hat zwar erstmals mit Schriftsatz vom 21.12.2005 behauptet, dass der Kläger ausdrücklich damit einverstanden gewesen sei, dass die Fensterläden nicht neu hergestellt, sondern saniert werden. Dieses neue Vorbringen ist in der Berufungsinstanz gemäß §§ 529 Abs. 1 Nr. 2, 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, da der Beklagten zu dem Schriftsatz des Klägers vom 31.01.2005 im ersten Rechtszug kein rechtliches Gehör gewährt wurde. Die Vertragswidrigkeit der Ausführung der Fensterläden ist auch nicht durch die Zusammenstellung der Firma A ... GmbH vom 18.03.2002 (Anlage K23) anerkannt worden. Denn diese Zusammenstellung betrifft ausdrücklich Einbehalte und Sicherheiten ("Fensterläden als Einbehalt"). Ein Anerkenntnis einer vertragswidrigen Leistung im Sinne der Behauptung des Klägers ist darin nicht zu erkennen.

Der Einbehalt eines Teiles des Werklohnes für den 3. Bauabschnitt durch den Kläger ist auch nicht deshalb vertragsgemäß, weil der Kläger hinsichtlich der Fensterläden einen Erfüllungsanspruch geltend macht. Der Erfüllungsanspruch des Klägers nach § 4 Nr. 7 VOB/B bestand nur bis zur Abnahme. Vom Zeitpunkt der Abnahme an kann der Kläger seinen Anspruch auf ordnungsgemäße und vertragsgerechte Erfüllung aus dem Bauvertrag nur im Rahmen der Gewährleistung nach § 13 VOB/B geltend machen. Der Einbehalt wegen der Fensterläden stellt sich somit als Gewährleistungseinbehalt dar, nachdem sowohl für den 3. als auch für den 4. Bauabschnitt die Abnahme erklärt wurde.

Somit war der Kläger schon aufgrund der Sicherungsabrede verpflichtet, den einbehaltenen Restwerklohn für den 3. Bauabschnitt auszuzahlen. Da er dies nicht tat, verletzte er die Sicherungsabrede. Wäre die Bürgschaft unbedingt übernommen worden, hätte er sie an die Auftragnehmerin herausgeben müssen (BGH a.a.O.). Dieser Rechtslage trägt die Bedingung der Bürgschaft, dass der Sicherungseinbehalt beim Auftragnehmer eingegangen sein muss, in der Weise Rechnung, dass die Bürgschaft nur unter der genannten - und hier nicht eingetretenen - Bedingung wirksam wird.

Die vollständige Zahlung des Restwerklohns bzw. des Sicherungseinbehaltes für den 3. Bauabschnitt ist auch nicht wegen der Aufrechnung des Klägers mit der Überzahlung in Höhe von 45.803,50 DM für den 4. Bauabschnitt als erledigt anzusehen. Diese Aufrechnung ist unwirksam selbst dann, wenn man zugunsten des Klägers davon ausgeht, dass diesem wegen der Überzahlung der Werklohnforderung für den 4. Bauabschnitt ursprünglich ein (rechtlich selbständiger) Bereicherungsanspruch zustand. Denn dieser Bereicherungsanspruch ist jedenfalls durch die in der Forderungsaufstellung der Auftragnehmerin vom 18.03.2002 (Anlage K23) vorgenommene Verrechnung oder Aufrechnung mit offenen Forderungen aus anderen Bauabschnitten seitens der Auftragnehmerin erloschen. Die Aufrechnung oder Verrechnung durch die Auftragnehmerin ergibt sich daraus, dass die Zusammenstellung vom 18.03.2002 mit einer noch offenen Forderung gegen den Kläger von 28.939,62 DM für alle vier Bauabschnitte abschließt, obgleich die Überzahlung für den 4. Bauabschnitt von 45.803,50 DM berücksichtigt ist.

Ob die Aufrechnungen des Klägers mit - wie oben dargelegt streitigen - Schadensersatzansprüchen in Höhe von 3.382,50 DM wegen der Fensterläden bei dem Bauabschnitt 3 und in Höhe von 41.515,98 EUR gemäß Schreiben an den Insolvenzverwalter vom 18.10.2005 begründet sind, bedarf keiner Entscheidung. Denn die Aufrechnungen mit streitigen Gewährleistungsansprüchen ändern nichts daran, dass dem Kläger ein Vorgehen aus der Bürgschaft gegen die Beklagte verboten ist (BGH NJW 1998, 2057). Den Eintritt der aufschiebenden Bedingung, unter welcher die Bürgschaft erteilt wurde, kann er hierdurch nicht erreichen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen, da sein Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO). Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

Zurück