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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 06.06.2008
Aktenzeichen: 19 U 88/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 307
BGB § 765
ZPO § 296
ZPO § 531
ZPO § 592
1. Kriterien zur Abgrenzung einer Vertragserfüllungsbürgschaft von einer Bürgschaft auf erstes Anfordern.

2. Zweck und Umfang der Vertragserfüllungsbürgschaft.

3. Zur Frage des Bestehens einer Bindungswirkung einer Anerkennung der Hauptforderung als Insolvenzforderung durch den Insolvenzverwalter zu Lasten des Bürgschaftsschuldners und - bei deren Verneinung - die Auswirkungen des Anerkenntnisses auf die Darlegungslast des Bürgschaftsgläubigers.

4. Zur Frage der Zulassung (§§ 296, 531 ZPO) weiteren Vorbringen des Klägers (ggf. auch in der Berufungsbegründung), wenn der Kläger erstinstanzlich erst in der (letzten) mündlichen Verhandlung die Abstandnahme vom Urkundenprozess erklärt und ihm ein beantragter Schriftsatznachlass verwehrt


Gründe:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Zahlung aus einer Vertragserfüllungsbürgschaft.

Die Klägerin beauftrage am 20.02.2004 eine aus den Firmen A AG und B GmbH & Co. KG Bauunternehmung bestehende Arge als Generalübernehmer mit der Errichtung eines Bürohochhauses in Stadt1 mit einem Bauvolumen (Pauschalfestpreis) von 11.500.000,00 €. Nach § 4 Ziff. 1 des Bauvertrages hatte der Generalübernehmer u. a eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 10 % der Bausumme (Pauschalfestpreis) zu stellen. Nach § 8 Ziff. 1 der Allgemeinen Vertragsbedingungen zum Bauvertrag hatte die Arge der Klägerin eine Sicherheit für die ordnungsgemäße Vertragserfüllung zu stellen, für die ein zu verwendendes Bürgschaftsmuster dem Vertrag als Anlage a) beigefügt war.

In § 8 Ziff. 1 lautet:

"Zur Absicherung der termingerechten Erfüllung seiner vollen Leistung übergibt der Auftragnehmer dem Auftraggeber bei Vertragsschluss unbefristete, selbstschuldnerische Vertragserfüllungsbürgschaften (...) gemäß dem als Anlage a beigefügten Muster. ..."

In dem als Anlage a beigefügtem Muster einer Vertragserfüllungsbürgschaft ist u. a. aufgeführt:

"... Wir verpflichten uns, jeden Betrag bis zu dem Höchstbetrag an den Auftraggeber zu zahlen, sofern der Auftraggeber uns schriftlich begründet darlegt, dass der Generalübernehmer seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht vertragsgemäß nachkommt...."

Bezüglich der die Vertragserfüllungsbürgschaft formulierten Vertragsbedingungen und des Bürgschaftsmusters im Einzelnen wird auf Bl. 33, 38 d. A. Bezug genommen. Eine dem Bürgschaftsmuster entsprechende Bürgschaft über 1.150.000,00 € erteilte die Beklagte unter dem 19.04.2004 (Bl. 42 d. A.).

Nachdem unter dem 01.10.2004 über das Vermögen der Firma B das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, führte die Firma A das Bauvorhaben zunächst weiter, bevor auch über deren Vermögen am 01.04.2005 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Das Bürogebäude wurde schließlich von einer anderen, von der Klägerin beauftragten Firma fertig gestellt.

Unter dem 24.03.2005 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung der Bürgschaftssumme auf. Mit Schreiben vom 04.04.2005 zählte die Klägerin auf, welche Gewerke im Einzelnen von der Arge nicht zu Ende geführt worden seien (Bl. 46 d. A.). Unter dem 02.06.2005 stellte die Arge eine Schlussrechnung für die von ihr erbrachten Gewerke, die nach Gesprächen mit der Klägerin im November 2005 korrigiert wurde (Bl. 59 ff. d. A.). Das Ergebnis dieser korrigierten Schlussrechnung abzüglich einer ausgezahlten Vorauszahlungsbürgschaft in Höhe von 1.200.000,00 € wurde vom Insolvenzverwalter der Firma A anerkannt. Mit Schreiben vom 08.06.2005 meldete die Klägerin ihre aus der Schlussrechnung resultierende Rückforderung gegen die Firma A beim Insolvenzverwalter an. Dieser erkannte nach geringfügigen Abzügen eine Bruttoforderung der Klägerin in Höhe von 2.208.704,94 € zur Tabelle an.

Die Klägerin, die wegen ihrer geltend gemachten Forderung zunächst das Urkundenverfahren betrieb, hat im Termin vom 26.02.2007 vor dem Landgericht die Abstandnahme vom Urkundenverfahren erklärt. Einen von ihr beantragten Schriftsatznachlass hat das Landgericht nicht gewährt.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, sie habe unter Hinweis auf das Ergebnis der korrigierten Schlussrechnung und das Anerkenntnis des Konkursverwalters zu Grund und Höhe der die Bürgschaftssumme weit übersteigenden Hauptforderung hinreichend vorgetragen. Es liege auch keine Bürgschaft auf erstes Anfordern vor, so dass es auch nicht darauf ankomme, ob die Vertragsbedingungen individuell ausgehandelt worden seien, diese mithin im Urkundsprozess als Allgemeine Geschäftsbedingungen behandelt werden könnten.

Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung nach Stellung der Anträge im Urkundsverfahren die Abstandnahme vom Urkundsverfahren erklärt und Schriftsatznachlass beantragt. Die Parteien haben daraufhin streitig verhandelt.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.150.000,00 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 25.08.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Bürgschaft handele es sich um eine solche auf erstes Anfordern, die wegen unangemessener Benachteiligung des Hauptschuldners unwirksam sei. Im Übrigen hat sie geltend gemacht, die Klägerin habe nicht hinreichend zur Höhe der Hauptforderung vorgetragen. Der Hinweis auf das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters genüge wegen der fehlenden Bindungswirkung dieses Anerkenntnisses für den Bürgen nicht.

Das Landgericht hat mit am 20.3.2007 verkündeten (Bl. 176 ff. d. A.) und der Klägerin am 26.3.3007 zugestellten (Bl. 182 d. A.) Urteil die Klage abgewiesen. Es hat offen gelassen, ob es sich bei der Vertragserfüllungsbürgschaft um eine solche auf erstes Anfordern handele. Als solche sei sie wegen der in Allgemeinen Geschäftsbedingungen getroffenen Sicherungsabrede gemäß § 397 Abs. 1 BGB unwirksam. Sofern es sich nicht um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern handele, fehle es jedenfalls an einem substantiierten Vortrag der Klägerin zum Bestehen der Hauptforderung. Das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters wirke nicht im Verhältnis zum Bürgen.

Es hat des weiteren die Auffassung vertreten, dass der Klägerin nach der Abstandnahme vom Urkundenprozess ein Schriftsatznachlass nicht zu gewähren gewesen sei. Die Klägerin habe die Abstandnahme vom Urkundenprozess auch rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung erklären und dabei zum Bestehen der Hauptforderung näher vortragen können.

Hiergegen richtet sich die am 18.4.2007 eingelegte und am 27.4.2007 (Bl. 199 ff. d. A.) innerhalb der bis zum 29.4.2007 verlängerten Berufungsbegründungsfrist (Bl. 198 d. A.) begründete Berufung.

Sie macht geltend, das Anerkenntnis des Insolvenzverwalters entfalte für den Bürgen eine Bindungswirkung, jedenfalls führe es zu einer Umkehr der Beweislast. Sie vertritt die Auffassung, das Landgericht habe nicht offen lassen dürfen, ob es sich bei der Vertragserfüllungsbürgschaft um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern handelt. Im Übrigen handele es sich bei der Sicherungsvereinbarung nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sondern um eine Individualvereinbarung. Jedenfalls aber seien die Klauseln im Einzelnen verhandelt worden. Letztlich habe eine geltungserhaltende Reduktion wegen der Besonderheit des Falles zu erfolgen.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, das Landgericht sei verpflichtet gewesen auf die fehlende Substantiierung ihres Vortrages hinzuweisen und habe ihr ohne diesen Hinweis den beantragten Schriftsatznachlass nicht verweigern dürfen.

Mit der Berufungsbegründung begründet die Klägerin ihren Gesamtschaden, den sie mit 3.591.434,43 € beziffert, im Einzelnen unter Vorlage von Unterlagen und Berechnungen. Wegen dieses Vortrages im Einzelnen wird auf Bl. 245 ff. d. A. sowie auf das zwei Leitzordner umfassende Anlagenkonvolut verwiesen. Dabei beziffert die Klägerin die Ersatzvornahmekosten unter Vorlage von mehreren Hundert Rechnungen mit 6.938,801,57 €. Den von der Arge geschaffenen baulichen Wert beziffert sie mit ca. 6,5 Mio. €. Auf die Aufstellung K 19 wird verwiesen. Die Klägerin meint, dieser Vortrag sei nicht verspätet, weil er im Urkundenverfahren nicht habe gehalten werden können. Desweiteren hat die Klägerin vorgetragen, die Arge habe Vorauszahlungen (8,85 Mio. €) enthalten, die den Vergütungsanspruch (5,737 Mio. €) um über 3 Mio. € überstiegen.

Die Klägerin beantragt,

das am 20.3.2007 verkündete Urteil der 27. Zivilkammer Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.150.000,00 € nebst 8 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszins seit dem 25.08.2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Zu Recht sei das Landgericht von einem unsubstantiierten Vortrag zum Bestehen der Hauptschuld ausgegangen. Das nunmehrige Vorbringen der Klägerin sei verspätet. Im Übrigen habe sie Sowieso-Kosten nicht berücksichtigt. Überzahlungen seien vom Umfang der Bürgschaft nicht umfasst. Der Saldo betrage allenfalls 723.810,33 €. Hinsichtlich der diesem Vortrag zu Grunde liegenden Berechnungen wird auf Bl. 590 d. A. Bezug genommen. Sie vertritt weiterhin die Auffassung, die der Bürgschaft zu Grunde liegende Sicherungsabrede sei unwirksam. Es handele sich um die Vereinbarung zur Stellung einer Bürgschaft auf erstes Anfordern. Zwar werde die schriftliche Darlegung des Sicherungsfalles verlangt, dies eröffne jedoch für den Bürgen keine Prüfungsmöglichkeit. Wegen der Akzessorität der Bürgschaft sei die Beklagte auch im vorliegenden Fall auf die Geltendmachung ihrer Einwendungen auf den Rückforderungsprozess verwiesen. Gefordert sei, insofern einer Bürgschaft auf erstes Anfordern entsprechend, zwar eine schriftliche Begründung, nicht aber der Nachweis der Begründetheit des Eintritts des Sicherungsfalles.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung ist im Wesentlichen begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach § 765 BGB Anspruch auf Auszahlung der Bürgschaftssumme aus der Bürgschaftsurkunde vom 19.4.2004 (Vertragserfüllungsbürgschaft Nr. ...) in Höhe von 1.150.000,00 €.

Die Vertragserfüllungsbürgschaft, die die Beklagte gemäß § 8 Ziff. 1 der Vertragsbedingungen zum Bauvertrag vom 20.2.2003 gemäß dem beigefügten Muster a) gestellt hat, ist wirksam. Zwar handelt es sich bei den Vertragsbedingungen und der in dieser enthaltenen Sicherungsabrede der Bauvertragsparteien um von der Klägerin gestellte und vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingungen, die entgegen des nicht hinreichend substantiierten Vortrages der Klägerin auch nicht einzeln ausgehandelt wurden. Jedoch stellt die der Bürgschaftserklärung zu Grunde liegende Formularsicherungsabrede keine unangemessene Benachteilung des Hauptschuldners im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten handelt es sich nicht um eine Bürgschaft auf erstes Anfordern, sondern nur um eine einfache selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft ohne Verzicht auf die Einrede des § 768 BGB, die nach einhelliger Ansicht auch in Formularabreden wirksam getroffen werden kann (vgl. nur BGH NJW-RR 2005, 458, 459 m. w. N.). Dies folgt aus einer Auslegung des Wortlauts und Inhalts der formulierten Sicherungsabrede. Gegen das Vorliegen einer Erfüllungsbürgschaft auf erstes Anfordern spricht nicht nur der fehlende wörtliche Hinweis auf das Vorliegen einer solchen Bürgschaft, sondern auch und vor allem die Regelung der Fälligkeit der Bürgschaftssumme in der die entsprechende Sicherungsabrede erfüllenden Bürgschaftserklärung. Danach war für die Inanspruchnahme der Beklagten aus der Bürgschaft bestimmt, dass die Klägerin als Auftraggeberin der Bauleistung und Bürgschaftsgläubigerin der Beklagten als Bürgin schriftlich begründet darlegt, dass der Generalübernehmer seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht oder nicht vertragsgemäß nachkommt. Dieses Erfordernis einer schlüssigen Darlegung des Sicherungsfalles steht der Annahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern grundsätzlich entgegen. Bei einer solche Bürgschaft bedarf es - zumindest im Falle einer Vertragserfüllungsbürgschaft - nämlich einer solchen schlüssigen Darlegung der verbürgten Hauptforderung gerade nicht (vgl. BGH NJW 1994, 380; BauR 1996, 251; BauR 1998, 634; WM 2002, 743). Auch wenn mit diesen Anforderungen keine besonders hohen Voraussetzungen an den "Abruf" der Bürgschaftsleistungen gestellt worden sind, ermöglicht dies dem Bürgen jedenfalls eine Überprüfungsmöglichkeit, die bei einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ihrem Wesen nach gerade nicht bestehen soll. Damit entbehrt die Bürgschaft auch jener über die Funktion der Sicherung hinausgehende Möglichkeit für den Gläubiger, sich liquide Mittel zu beschaffen (vgl. auch BGHZ 150, 299 ff. - juris-Ausdruck Rn. 26). Entsprechend dieses Unterscheidungskriteriums hat der BGH umgekehrt den Umstand, dass eine schlüssige Darlegung des Sicherungsfalles in dem von ihm entschiedenen Fall nicht erforderlich war, im Rahmen der Auslegung der Sicherungsabrede für die Annahme des Vorliegens einer Bürgschaft auf erstes Anfordern herangezogen. Soweit die Beklagte in ihrer Argumentation den Schwerpunkt dieses Fälligkeitserfordernisses auf den Aspekt der schriftlichen und weniger der begründeten Darlegung legt, ist diese Ansicht nicht überzeugend, weil auch im Falle einer Bürgschaft auf erstes Anfordern die Voraussetzung einer schriftlichen Anforderung üblich ist. Vielmehr kommt es darauf an, dass der Bürgschaftsgläubiger nach der Sicherungsabrede, wie sie auch in dem als Auslegungshilfe heranzuziehenden beigefügten Muster a) zum Ausdruck kommt, eine (schlüssige) Begründung des Sicherungsfalles darzulegen hat. Soweit die Beklagte unter Berufung auf die Entscheidungen des BGH (BGHZ 151, 229 ff.; NJW 2001, 3616) die Auffassung vertritt, dass das Erfordernis der Darlegung des Sicherungsfalles durch den Bürgschaftsgläubiger im Ergebnis nichts daran ändere, dass der Bürge aus der strengen Akzessorietät folgende mögliche Argumente gegen die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft erst im Rückforderungsprozess geltend machen könne, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen. In den vom BGH entschiedenen Fällen geht es um formale Voraussetzungen, die für das wirksame Anfordern einer Bürgschaft auf erstes Anfordern gestellt werden, insbesondere die Vorlage von Urkunden, die auch und vor allem der inhaltlichen Eingrenzung der Bürgschaftsverpflichtung dienen. Davon zu unterscheiden ist die vorliegend erforderliche (schlüssige) Darlegung des Sicherungsfalles, der die Beklagte durchaus noch im Zusammenhang mit ihrer Inanspruchnahme Argumente entgegensetzen könnte. Im Übrigen sind die herangezogenen Entscheidungen des BGH auch deshalb nicht vergleichbar, weil es sich um Fälle handelt, in denen unstreitig, d. h. ohne dass es einer weiteren Auslegung der Sicherungsabrede bedurft hätte, eine Bürgschaft auf erstes Anfordern vorlag und es lediglich darum ging, ob der Bürgschaftsgläubiger im Einzelfall verpflichtet ist, über die bloße Anforderung hinaus die weiteren formalen Voraussetzungen zu erfüllen. Die weitere Formulierung in der Sicherungsabrede, wonach sich die Beklagte verpflichten sollte, "jeden Betrag" bis zum Höchstbetrag an den Auftraggeber zu zahlen, hat entgegen der Auffassung der Beklagten keine bei der Auslegung zu berücksichtigende Aussagekraft, da diese Formulierung bei jeder Art von Höchstbetragsbürgschaft sinnvoll und üblich ist, gleich, ob es sich um eine (selbstschuldnerische) Bürgschaft auf erste Anforderung oder aber um eine "normale" selbstschuldnerische Bürgschaft handelt. Schließlich kann auch aus der Erwähnung, dass es sich um eine selbstschuldnerische Bürgschaft handelt, kein Umstand hergeleitet werden, der für oder gegen eine der beiden Bürgschaftsvarianten spricht.

Es liegt auch keine Unwirksamkeit nach § 5 AGBG bzw. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB wegen Intransparenz der Sicherungsabrede vor. Die Sicherungsvereinbarung umfasst aufgrund ihrer textlichen Gestaltung das im Anhang beigefügte Bürgschaftsmuster, das dementsprechend zum Inhalt der Sicherungsvereinbarung gehört. Diese wie auch das Muster a) sind beide im Sinne einer einfachen selbstschuldnerischen und unbefristeten Vertragserfüllungsbürgschaft auszulegen. Eine Unklarheit darüber, welche Art der Bürgschaft vom dem Auftraggeber verlangt wird (vgl. zur Intransparenzproblematik allgemein BGH NJW-RR 2004, 814; NJW-RR 2005, 458; OLG München BauR 2007, 1893).

2. Die Klägerin hat auch Anspruch auf Auszahlung der Bürgschaft in Höhe des vereinbarten Höchstbetrages. Sie hat die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Inanspruchnahme der Beklagten als Bürgin dargetan, insbesondere, dass der geltend gemachte Anspruch von der Bürgschaft gedeckt ist.

Die Klägerin hat jedenfalls mit Schriftsatz vom 12.7.2007 (Berufungsbegründungsschrift) die Voraussetzungen für die Fälligkeit der Bürgschaft in der vereinbarten Höhe schlüssig unter Vorlage eines umfangreichen Anlagekonvoluts dargelegt. Die Beklagte ist diesen Ausführungen mit Ausnahme eines Bestreitens mit Nichtwissen sowie der von ihr vertretenen Rechtsauffassung zum Umfang der Bürgschaft nicht inhaltlich im Sinne tatsächlichen Vorbringens substantiiert entgegen getreten.

a) Der Vortrag der Klägerin war auch zuzulassen und nicht nach § 531 ZPO verspätet. In prozessualer Hinsicht hätte das Landgericht der Klägerin den von dieser beantragten Schriftsatznachlass gewähren müssen, nachdem die Klägerin erst in der mündlichen Verhandlung vom Urkundsverfahren Abstand genommen hat. Zwar bestand vorliegend die Besonderheit, dass die Klägerin erst nach Stellung der Anträge im Urkundsverfahren und nach Wideraufruf der Sache die Abstandnahme vom Urkundsprozess erklärt hat. Dies hat das Landgericht als zulässig angesehen und daher keine Entscheidung im Urkundsverfahren getroffen. Dann aber durfte es der Klägerin ergänzenden Vortrag, nämlich solchen, der allein für das Streitverfahren erforderlich und insoweit erst möglich geworden ist, nämlich die inhaltliche Darlegung der Bürgschaftsforderung, nicht versagen. Durch die (wirksame) Erklärung der Abstandnahme vom Urkundenprozess ändert sich die erforderliche Tatsachengrundlage des Rechtsstreits. Die Klägerin hätte auch eine Vertagung, d. h. die Anberaumung eines neuen Termins beantragen können, ohne dass das Landgericht ihr dies hätte versagen dürfen. Der Vortrag der Klägerin ist schon deshalb nicht als verspätet anzusehen, weil dieser nunmehr gehaltene Vortrag, jedenfalls soweit er Zeugenbeweisangebote und auf die Einholung von Sachverständigengutachten gerichtete Beweisanträge enthielt, im Urkundsverfahren nicht erforderlich und auch nicht zulässig war, sondern seine rechtliche Bedeutung erst im normalen Streitverfahren gewann. Dementsprechend musste sich die Klägerin im Urkundsverfahren mit den Einwendungen der Beklagten gegen die Hauptforderung nicht auseinandersetzen, soweit sie hierfür keine ausreichenden Urkunden vorlegen konnte. Sie hätte dies noch im Nachverfahren unternehmen können. Geht aber der Kläger vom Urkundsverfahren in das Streitverfahren über, so muss ihm auch Gelegenheit gegeben werden, entsprechenden Vortrag zu halten.

Keinesfalls durfte das Landgericht diesen Vortrag zurückweisen bzw. den beantragten Schriftsatznachlass verweigern, weil es seiner Ansicht nach der Klägerin möglich gewesen wäre, bereits in einem früheren prozessualen Stadium die Abstandnahme vom Urkundsprozess zu erklären. Dem Kläger in einem Urkundsverfahren ist es nämlich unbenommen, ohne dass ihm dies als Verspätung zur Last gelegt werden kann, bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung die Abstandnahme vom Urkundsverfahren zu erklären. Dass das Landgericht die Erklärung nach Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung aufgenommen hat, lässt allenfalls erkennen, dass das Landgericht nicht davon ausgegangen ist, dass mit der Stellung der Anträge im Urkundsprozess bereits die letzte mündliche Verhandlung stattgefunden hat, da es ansonsten die Erklärung der Abstandnahme als unstatthaft hätte zurückweisen und gemäß den zuvor gestellten Anträgen im Urkundsverfahren entscheiden müssen.

b) Letztlich kann dies jedoch dahingestellt bleiben. Die Klägerin konnte sich zur Schlüssigkeit ihres Vorbringens auch bereits erstinstanzlich darauf stützen, dass der Insolvenzverwalter der Hauptschuldnerin das Bestehen der Verbindlichkeit im Zusammenhang mit der Anmeldung der Forderung der Klägerin zur Insolvenztabelle bestätigt hat. Für die hier bestehende einfache selbstschuldnerische Bürgschaft gilt die allgemeine Verteilung der Darlegungs- und Beweislast. Danach obliegt dem Gläubiger die Darlegung des Bestehens der Hauptschuld nach Grund und Höhe und dem Bürgen die Darlegung rechtsvernichtender Einwendungen (vgl. BGH NJW 1995, 2161 ff.; NJW 1988, 906 f.). Der Grund der Bürgenhaftung steht nicht in Streit, nachdem die an der Arge beteiligten Unternehmen das Bauvorhaben nicht fertig gestellt haben. Die Hauptschuldnerin hat infolge der eingetretenen Insolvenzen ihre Verpflichtungen aus dem Bauvertrag weder terminlich noch sachlich sachgerecht erfüllt. Mit dem Hinweis auf die Anerkennung der Forderung der Klägerin in Höhe von über 2 Mio. € als Insolvenzforderung hat die Klägerin ihren Vortrag zum Bestehen der Hauptforderung der Höhe nach substantiiert. Danach lag die Hauptforderung jedenfalls über dem Höchstbetrag der streitgegenständlichen Vertragserfüllungsbürgschaft. Es lag nunmehr an der Beklagten, die Richtigkeit dieses Vortrages konkret und nicht lediglich mit Nichtwissen zu bestreiten. Dies hat sie nicht getan, sondern sich im Wesentlichen darauf berufen, dass das "Anerkenntnis" des Insolvenzverwalters sie nicht binde. Dies ist zwar zutreffend, greift rechtlich aber zu kurz. Die zwischen den Parteien ausgiebig geführte Diskussion über die Bindungswirkung des Anerkenntnisses geht nach Ansicht des Senats, worauf die Parteien bereits in der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurden, ins Leere. Es geht nicht um die Frage der Bindungswirkung in dem Sinne, dass der Beklagten Einwendungen gegen die Höhe der Hauptforderung und mithin der Bürgschaftsforderung durch die Bestätigung des Insolvenzverwalters abgeschnitten wären. Dies verbietet sich gerade wegen der strengen Akzessorietät der Bürgschaft, so dass selbst ein Anerkenntnis oder eine Verurteilung des Hauptschuldners in einem Vorprozess eine solche Bindungswirkung nicht entfalten kann. Dementsprechend können auch ein Anerkenntnis durch den Insolvenzverwalter und die Eintragung der Forderung in die Tabelle den Bürgen nicht in der Weise binden, dass ihm (rechtsvernichtende) Einwendungen abgeschnitten werden (vgl. BGH NJW 1995, 2161 ff). Vielmehr verbleiben dem Bürgen stets die Einwendungen und Einreden, die der Hauptschuldner gegen das Bestehen der Schuld geltend machen könnte (§ 768 BGB). Diese den Bürgen schützende Regelung beinhaltet lediglich eine Bestimmung zur Rechtskrafterstreckung zu Gunsten des Bürgen für den Fall, dass das Nichtbestehen der Hauptforderung rechtskräftig festgestellt wird. Dementsprechend kann umgekehrt ein Anerkenntnis des Hauptschuldners oder gar dessen rechtskräftige Verurteilung im Prozess der Bauvertragsparteien den Bürgen nicht binden. Auf die von der Klägerin angeführten Rechtsprechungsbeispiele zur Kontokorrentbürgschaft oder zur Prozessbürgschaft kommt es nicht an. Der Bürge haftet, soweit ihm keine Einwendungen oder Einreden zur Seite stehen. Solche Einwendungen und Einreden hat die Beklagte aber nicht vorgetragen. Insoweit muss sie sich den durch die Vorlage der Abrechnung des Insolvenzverwalters substantiierten Vortrag der Klägerin zur Höhe der Hauptschuld entgegenhalten lassen, ohne dass es letztlich auf die weitere Substantiierung durch die Klägerin im Berufungsverfahren ankommt.

3. Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die in der Berechnung der Klägerin zur Höhe der Hauptschuld enthaltene Position der - unstreitigen - Überzahlung der Hauptschuldnerin im Wege bereits geleisteter Abschlagszahlungen vom Umfang der streitgegenständlichen Vertragserfüllungsbürgschaft nicht umfasst sei. Der BGH in seiner Entscheidung vom 17.12.1987 (NJW 1988, 404) - die frühere Rechtsprechung (BGHZ 76, 187) insoweit modifizierend - klargestellt, dass eine Vertragserfüllungsbürgschaft grundsätzlich auch den Verlust geleisteter Vorauszahlungen umfasse, wenn sich dies, wie in der Regel, aus dem Sicherungszweck ergibt. Zweck einer Vertragserfüllungsbürgschaft ist auch die Absicherung der verlorenen Vorauszahlungen. (BGH a. a. O.; vgl. auch KG Berlin KGR Berlin 2001, 8 ff.) Vorliegend ist die Bürgschaft gestellt worden für die terminlich und sachlich vertragsgerechte Erfüllung der vom Auftragnehmer gegenüber dem Auftraggeber zu erbringenden Leistungen. Durch die - unstreitige - Nichterfüllung ist der Klägerin ein Schaden entstanden, der die Überzahlungen, denen keine entsprechenden Leistungen des Hauptschuldners gegenüberstehen, umfasst.

4. Da nach alledem der schlüssige Vortrag der Klägerin, den die Beklagte nicht hinreichend substantiiert bestritten hat, ergibt, dass die Hauptforderung den Höchstbetrag der Vertragserfüllungsbürgschaft bei weitem übersteigt, kann von der Darstellung der Berechnungen im Einzelnen abgesehen werden. Der Vortrag der Beklagte, wonach die Klägerin bei ihrer Berechnung Sowieso-Kosten nicht berücksichtigt habe, ist nicht nachvollziehbar. Die Beklagte hat in ihrer Berechnung Ersatzvornahmekosten von 6.938.801,57 € berücksichtigt. Schlüssig dargetan hat die Klägerin unter Berücksichtigung der gesamten Vorauszahlungen einen Betrag von 8.847.500,00 €. Abzüglich des Auftragswertes von 11,5 Mio. € und der Erstattung aus einer Vorauszahlungsbürgschaft in Höhe von 1,2 Mio. € verbleibt jedenfalls ein den Höchstbetrag der Bürgschaft weit übersteigender Betrag der Hauptforderung.

4. Unerheblich ist der Hinweis der Beklagten, dass die Klägerin eine Reihenfolge ihrer vermeintlichen einzelnen Forderungen nicht vorgenommen hat, da es sich vorliegend um eine Höchstbetragsbürgschaft handelt und die Hauptforderung diesen Höchstbetrag übersteigt. Insoweit besteht kein rechtliches Interesse der Beklagten an der Angabe einer Reihenfolge der einzelnen Schadenspositionen. Eine Inanspruchnahme über den Höchstbetrag hinaus hat die Beklagte nicht zu befürchten.

Zinsen kann die Klägerin nur in Höhe des gesetzlichen Zinsfußes beanspruchen, da sie für einen weitergehenden Zinsanspruch keinen Vortrag gehalten hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

Ende der Entscheidung

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