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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 03.12.2004
Aktenzeichen: 19 U 93/04
Rechtsgebiete: StVG, ZPO, StVO


Vorschriften:

StVG § 7 Abs. 2
StVG § 17 Abs. 1
ZPO § 286
StVO § 4
StVO § 4 Abs. 1 Satz 1
StVO § 5 Abs. 3 Nr. 1
StVO § 9 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

19 U 93/04

Verkündet laut Protokoll am 03.12.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht aufgrund der mündlichen Verhandlung vom

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 7.5.2004 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die Klage abgewiesen.

Das Landgericht hat im Rahmen einer Verursachungsabwägung nach § 17 Abs. 1 StVG nach vorangegangener Verneinung eines Verschuldens der Beklagten die allgemeine Betriebsgefahr des Fahrzeuges der Beklagten (§ 7 Abs. 1 StVG) hinter dem festgestellten Sorgfaltsverstoß des Klägers zurücktreten lassen. Diese Haftungsabwägung ist durch das Berufungsgericht nur in beschränktem Umfange nachprüfbar. Das Landgericht hat die für eine Abwägung nach § 17 Abs. 1 StVG maßgeblichen Umstände berücksichtigt, auch lässt die Entscheidung einen Verstoß gegen § 286 ZPO oder gegen Denk- und Erfahrungssätze nicht erkennen Die m der Berufungsinstanz durchgeführte Beweisaufnahme führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Zeugin ... hat das Unfallereignis selbst nicht wahrgenommen, da dieses hinter ihrem Rucken zu einem Zeitpunkt erfolgte als sie an dem - seine Geschwindigkeit verringernden Kläger - bereits vorbeigefahren war. Sie konnte aber bekunden, dass der Kläger in der Zeit als sie neben diesem fuhr, mithin bis unmittelbar vor der Kollision, auf der rechten Fahrspur am rechten Fahrbahnrand gefahren ist. Dies lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass der Kläger unmittelbar vor der Kollision seinen Motorroller zum Zwecke des Wendens zur Straßenmitte hin gelenkt hat. Mit der Zeugenaussage nicht in Einklang zu bringen ist der Vortrag des Klägers, er habe sich zunächst zur Straßenmitte eingeordnet, um von dort aus das Wendemanöver zu beginnen.

Auch auf dieser Grundlage des Ergebnisses der Beweisaufnahme erfolgte die Abweisung der Klage durch das Landgerichts ohne Rechtsfehler.

Das Landgericht hat die Feststellung eines fehlenden Verschuldens der Beklagten darauf gestützt, dass ihr weder ein pflichtwidriges Überholen nach § 5 Abs. 3 Nr. 1 StVO noch ein Verstoß gegen die Abstandspflicht des § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO vorgeworfen werden könne. Diese Feststellungen begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Nach eigenem Vortrag des Klägers befuhr er die ... mit seinem Motorroller mit einer Geschwindigkeit von ca. 15 bis 20 km/h auf der rechten Fahrbahnseite, während sich die Beklagte mit ihrem PKW in gleicher Richtung fahrend mit einer höheren Geschwindigkeit genähert habe.

Selbst wenn die Beklagte die Absicht gehabt hätte, den Beklagten zu überholen oder - sofern dieser im Bereich der Bushaltestelle zum Stehen gekommen war, wie dies die Zeugin bei ihrer polizeilichen Zeugenbefragung angegeben hatte, vorbeizufahren, ist es vertretbar, der Beklagten auch dann keinen Schuldvorwurf anzulasten, wenn sich der Kläger unschlüssig verhalten hat. Das Verhalten des Klägers, dass dieser selbst im Wesentlichen nur durch Bezugnahme auf die im Rahmen ihrer polizeilichen Anhörung gemachten Angaben schildert, schafft keine unklare Beweislage in dem Sinne, dass die Beklagte auch mit einem Wenden auf der Strasse hätte rechnen müssen. Selbst wenn der Kläger Blinkzeichen links gesetzt hatte und seinen (Schutzhelm tragenden) Kopf einige Male nach hinten gewandt hatte, braucht die Beklagte im Zweifel nicht mit einem solch gefährdenden Fahrmanöver des Klägers zu rechnen wie es ein Wendemanöver darstellt. Insbesondere konnte sie davon ausgehen, dass der Kläger ihr Fahrzeug, dass sich ausweislich der Aussage der Zeugin ... bereits einige Zeit hinter ihm befunden hatte, bemerken und sein Fahrverhalten danach ausrichten werde. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass sich der Kläger einige Male nach hinten umgesehen hatte.

Auch die Feststellung des Landgerichts, die Beklagte habe gegen das Abstandsgebot des § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO nicht nachweislich verstoßen, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte tatsächlich, wie von dem Kläger behauptet mit einer Geschwindigkeit von etwa 40 km/h gefahren ist. Zum einen hätte, wie das Landgericht festgestellt hat, der von dem Kläger vorgetragene Abstand von ca. 18m hingereicht, zum anderen betrifft § 4 StVO eine andere Verkehrssituation, nämlich die Situation eines Auffahrunfalls. Schließlich lässt entgegen der Ansicht des Klägers allein die erfolgte Kollision nicht bereits auf ein Unterschreiten des Sicherheitsabstandes schließen. Soweit die Zeugin - bei ihrer Vernehmung den Abstand des Fahrzeuges der Beklagten zu 2) zu dem Motorroller des Klägers mit 3 - 5 Metern schätzte, beruht dies sicherlich auf einem Schätzfehler. In einer solchen Situation wäre das Manöver des Klägers erst recht in besonders grobem Maße fahrlässig.

Ebenfalls ohne Rechtsfehler hat das Landgericht dem Kläger einen Sorgfaltsverstoß nach § 9 Abs. 5 StVO angelastet. Wegen der Gefährlichkeit eines Wendemanövers wird dem Verkehrsteilnehmer eine besonders hohe Sorgfalt abverlangt. Die Pflicht zur äußersten Sorgfalt beim Wenden schließt u. a. die Rückschaupflicht mit ein, gegen die der Kläger offensichtlich trotz seines von der Zeugin ... bekundeten "Schulterblicks" verstoßen hat, da er ansonsten das Herannahen des Pkws der Beklagten hätte bemerken und von dem Wendemanöver Abstand nehmen müssen. Möglicherweise hatte der Kläger trotz Wenden des Kopfes wegen des getragenen Schutzhelms nur eine eingeschränkte Sicht oder aber er hat die Geschwindigkeit und damit die Gefährlichkeit des von ihm beabsichtigten Wendemanövers unterschätzt. In jedem Falle ist von einem grob fahrlässigen Verhalten des Klägers auszugehen und spricht dies wiederum dafür, dass er das Unfallereignis weit überwiegend verursacht und auch allem verschuldet hat.

Zwar war das Unfallereignis für die Beklagte nicht unabwendbar im Sinne des § 7 Abs. 2 StVG, jedoch verstößt eine Verursachungsabwägung, die einerseits das grob verkehrswidrige Verhalten des Klägers sowie die Betriebsgefahr seines Motorrollers und andererseits die allgemeine Betriebsgefahr des Pkws der Beklagten in die Abwägung einzustellen hat, nicht gegen allgemeine Rechts- und Erfahrungsgrundsätze, wenn sie zu dem Ergebnis gelangt, dass der Sorgfaltsverstoß des Klägers so sehr überwiegt, dass der Verursachungsbeitrag der Beklagten gänzlich zurücktritt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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