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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 28.11.2005
Aktenzeichen: 19 W 52/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1353
Die Verpflichtung eines Ehegatten, einer von dem anderen Ehegatten gewünschten Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer zuzustimmen, ist grundsätzlich zu verneinen, wenn die Ehegatten getrennte Veranlagung beantragt haben.
Gründe:

I. Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Sie hatten für den Kläger die Steuerklasse III, für die Beklagte die Steuerklasse V gewählt. Seit März 2003 leben sie getrennt.

Im November 2003 forderte die Beklagte den Kläger auf, eine gemeinsame Steuererklärung für das Jahr 2002 - wie in den früheren Jahren auch - vorzubereiten. Das lehnte der Kläger jedoch ab. Er gab vielmehr eine Steuererklärung nur für sich selbst ab und beantragte Einzelveranlagung. Nach dem das Finanzamt der Beklagten eine Frist zur Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 2002 bis zum 07.11.2003 gesetzt hatte, gab sie ihre Steuererklärung ebenfalls mit dem Antrag auf Einzelveranlagung ab. Der an die Beklagte ergangene Steuerbescheid, der zu einer Steuerrückerstattung führte, ist seit Februar 2004 bestandskräftig. Gegen den Kläger hingegen wurde mit Steuerbescheid vom 19.01.2004 eine Nachforderung von 7.089,10 EUR festgesetzt. Dieser Steuerbescheid ist noch nicht bestandskräftig. Nach Erhalt des Steuerbescheides verlangte der Kläger von der Beklagten die Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung für das Jahr 2002, von der er für sich eine Steuererstattung von etwa 3.500,-- EUR erwartet. Das Verlangen des Klägers auf Abgabe der entsprechenden Zustimmungserklärung ist Gegenstand der Klage. Die Beklagte hält sich mit Rücksicht auf die vom Kläger zunächst abgelehnte gemeinsame Veranlagung und die bereits durchgeführte getrennte Veranlagung für das Jahr 2002 zur Abgabe der verlangten Erklärung nicht für verpflichtet.

Das Landgericht hat den Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss vom 23.08.2005 mangels Erfolgsaussicht zurückgewiesen (Bl. 96 a d.A.). Gegen den ihr am 26.08.2005 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 05.09.2005 sofortige Beschwerde eingelegt, mit welcher sie ihre Auffassung wiederholt und vertieft, dass das Klagebegehren treuwidrig sei, zumal der Kläger ihr während der Trennungszeit keinen Trennungsunterhalt gezahlt habe und sie im Falle einer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung die empfangene Steuerrückerstattung an das Finanzamt zurückzahlen müsse, dieser Betrag aber für den Lebensunterhalt für ihr Kind und für sich selbst verbraucht sei.

II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten hat Erfolg. Der Beklagten ist für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe zu bewilligen, da die Erfolgsaussicht für ihre Rechtsverteidigung gegen die Klage nicht verneint werden kann (§ 114 ZPO).

Allerdings besteht das Rechtsschutzinteresse des Klägers für die Klage auf Zustimmung der Beklagten zur Zusammenveranlagung der Parteien fort. Denn der gegen ihn ergangene steuerliche Einzelveranlagungsbescheid ist noch nicht bestandskräftig. Ein Zusammenveranlagungsbescheid, wie ihn der Kläger erstrebt, kann daher noch erlassen werden (BFHE 134, 412, 414; BGH FamRZ 2002, 1024, 1025).

Die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung der Beklagten kann jedoch deshalb nicht verneint werden, weil nach ihrem Sachvortrag, dem der Kläger nicht entgegentritt, aus der besonderen Gestaltung des tatsächlichen Geschehens die Annahme einer konkludenten Vereinbarung der Parteien nahe liegt, nach deren Inhalt sie für diesen Zeitraum Einzelveranlagung nicht nur gegenüber dem Finanzamt, sondern auch in ihrem Innenverhältnis wählten, verbunden mit der danach auf der Hand liegenden weiteren Vereinbarung, dass jeder von ihnen für die Steuer, die auf seine Einkünfte entfällt, selbst aufzukommen hat und steuerliche Nachforderungen oder Rückzahlungen zwischen ihnen nicht auszugleichen sind. Für den konkludenten Abschluss einer dahingehenden Vereinbarung spricht, dass der Kläger für das Jahr 2002 eine Zusammenveranlagung gegenüber der Beklagten ausdrücklich ablehnte und beim Finanzamt Einzelveranlagung beantragte, und dass die Beklagte ihrerseits gegenüber dem Kläger ihren ursprünglichen Wunsch nach einer gemeinsamen Veranlagung nicht weiter verfolgte, sondern ebenfalls gegenüber dem Finanzamt die Einzelveranlagung wählte und den daraufhin ergangenen Bescheid bestandskräftig werden ließ.

Gegen die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung, die Ehegatten zur steuerlichen Einzelveranlagung und zu den im Innenverhältnis jeweils zu tragenden Steuerschulden treffen, bestehen keine Bedenken. Dies gilt auch im Hinblick auf die sich aus dem Wesen der Ehe nach ständiger Rechtsprechung (BGH NJW-RR 2005, 225 ff.; FamRZ 2002, 1024 ff.) für beide Ehegatten ergebende Verpflichtung, die finanziellen Lasten des anderen Teils nach Möglichkeit zu vermindern, soweit dies ohne eine Verletzung eigener Interessen möglich ist.

Da die Entscheidung über die Beschwerde ohne Verwertung des Schriftsatzes der Beklagten vom 18.11.2005 ergeht, ist es entbehrlich, dem Kläger mit Rücksicht auf den genannten Schriftsatz weiteres rechtliches Gehör zu gewähren.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO). Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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