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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.02.2009
Aktenzeichen: 19 W 84/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 322
Die materielle Rechtskraft eines Urteils, welches einer Leistungsklage stattgibt, erstreckt sich grundsätzlich nicht auch auf den Schuldgrund.
Gründe:

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers führt zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht zur Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers, die allein noch für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblich sind. Denn mit der Begründung mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage kann dem Antragsteller Prozesskostenhilfe jedenfalls nicht versagt werden.

Gegen die Zulässigkeit der beabsichtigten Feststellungsklage nach § 184 II InsO bestehen keine Bedenken. Der Prozesskostenhilfeantrag ist innerhalb der Klagefrist bei Gericht eingegangen.

Das Feststellungsinteresse des Antragstellers kann auch nicht wegen des rechtskräftig gewordenen Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 15.04.2005 - 5 O 222/03 - verneint werden. Denn die materielle Rechtskraft dieses Urteils erstreckt sich nicht auch auf die Qualifizierung des Schuldgrundes aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung; sie beschränkt sich vielmehr auf das Bestehen des titulierten Anspruchs auf Zahlung des genannten Betrages. Nur der Entscheidungssatz erwächst in Rechtskraft. Tatbestand und Entscheidungsgründe sind nur zur Abgrenzung des Streitgegenstandes und damit des Umfangs der Rechtskraft heranzuziehen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl., vor § 322 Rn. 31 m.w.N.). Streitgegenstand ist aber grundsätzlich nicht der der Klage zugrunde gelegte materiell-rechtliche Anspruch, sondern die aus einem bestimmten Lebenssachverhalt mit dem Klageantrag geltend gemachte Rechtsfolge. Hingegen erwächst die Feststellung von Tatsachen - wie etwa des Vorsatzes - oder Rechtsverhältnissen nicht in Rechtskraft (Zöller/Vollkommer, a.a.O. Rn. 32, 34, 35, jeweils mit weiteren Nachweisen). Demgemäß wird in Fällen, in denen der Gläubiger nicht nur vollstrecken, sondern weitergehend etwa das Vollstreckungsprivileg des § 850 f. Abs. 2 ZPO in Anspruch nehmen oder die Erteilung der Restschuldbefreiung gemäß § 302 InsO verhindern will, die zusätzliche Erhebung einer auf den Schuldgrund bezogenen Feststellungsklage für erforderlich gehalten (BGH, Urt. v. 18.05.2006, XI ZR 187/04, Juris Rn. 12; BGH NJW 2003, 515, 516).

Eine Bindung auch bezüglich des angenommenen Schuldgrundes kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die rechtliche Einordnung den Streitgegenstand individualisiert oder es einen anderen Schuldgrund nicht geben kann (OLG Brandenburg, Urt. v. 29.07.2008, 11 U 121/07 mit nachfolgend mangels Erfolgsaussicht versagter Prozesskostenhilfe für die zugelassene Revision gemäß Beschluss des BGH vom 04.12.2008, XI ZR 154/08, Juris; Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rdn. 35 m.w.N.). So liegt der Fall hier jedoch nicht, wie sich aus der erstinstanzlichen Annahme einer Haftung des Antragstellers aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB und der zweitinstanzlichen Annahme einer Haftung aus (fahrlässiger) Geschäftsführung gegen den Willen des Geschäftsherrn gemäß § 678 BGB ergibt.

Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO) für die beabsichtigte Klage auf Feststellung, dass die im Antrag näher bezeichnete Forderung des Antragsgegners gegen den Antragsteller nicht auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Antragstellers beruht, kann nicht verneint werden.

Allerdings spricht viel dafür, dass das Landgericht den Antragsteller zu Recht als faktischen Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin angesehen hat, zumal der Antragsteller erklärt hat, die ihm von seinem Vater erteilte Generalvollmacht habe den Zweck gehabt sicherzustellen, dass er - der Antragsteller - bei Versterben des Vaters in der Lage sei, die Geschäfte der Gesellschaften wahrzunehmen, insbesondere die Aufgaben des Geschäftsführers zu erfüllen, dass ferner die hier in Rede stehenden Zahlungen in keinem inneren Zusammenhang mit Aufgaben des Antragstellers als Produktionsleiter standen und schließlich der Antragsteller durch Vorlage des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 28.11.2008 - 1 O 349/06 - selbst auf weitere Umstände hinweist, die die Annahme seiner Stellung als faktischer Geschäftsführer stützen. Auch ist der Antragsteller mit Rücksicht auf die rechtskräftige Entscheidung im Vorprozess mit der Behauptung ausgeschlossen, dass durch sein Verhalten kein oder jedenfalls ein geringerer Schaden bei der Insolvenzschuldnerin eingetreten sei. Die Erfolgsaussicht für die beabsichtigte Feststellungsklage kann aber deshalb nicht verneint werden, weil zweifelhaft erscheint, ob der Antragsteller in Bezug auf den Vermögensnachteil der Insolvenzschuldnerin mit dem nach § 266 StGB erforderlichen Vorsatz handelte.

Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand kann dem Antragsteller nicht widerlegt werden, dass er annahm, dass der Insolvenzschuldnerin durch die hier in Rede stehenden Zahlungen zu Gunsten der Firma A KG und Firma B GmbH bei wirtschaftlicher Betrachtung ein Schaden nicht verursacht wurde, weil den genannten Firmen nach seiner Information zu verrechnende oder aufzurechnende Gegenforderungen gegen die Insolvenzschuldnerin zustanden. Die Existenz derartiger Gegenforderungen konnte zwar bisher nicht festgestellt werden. Der als Zeuge vernommene Steuerberater Z1 hat ausgesagt, für die Jahre 2001 und 2002 keinen Abschluss erstellt zu haben und demgemäß nicht zu wissen, ob Gewinne oder Verluste erwirtschaftet wurden. Das Vorhandensein von zu verrechnenden oder aufzurechnenden Gegenforderungen (oder jedenfalls die Vorstellung des Antragstellers von der Existenz derartiger Forderungen) kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, weil sie nach den vertraglichen Beziehungen in dem hier maßgeblichen Zeitraum von Februar 2002 bis Juni 2002 durchaus vorhanden gewesen sein können. Gegenforderungen der Firma A KG gegen die Insolvenzschuldnerin konnten deshalb bestehen, weil die Insolvenzschuldnerin gemäß Vertrag vom 14.04.1996 ihrer Ansprüche aus der Durchführung von Produktionsaufträgen an die Firma A KG abgetreten hatte. Gegenansprüche der Firma B GmbH gegen die Insolvenzschuldnerin konnten deshalb bestehen, weil die Insolvenzschuldnerin gemäß Vertrag vom 19.09.1996 ("Rahmenvereinbarung") ihre Vergütungsansprüche aus den genannten Produktionen, die in der Folgezeit durch Vertragsergänzungen um die hinzugekommenen weiteren Produktionsaufträge erweitert wurden, an die Firma B GmbH abgetreten hatte und ferner gemäß Vertrag vom 11.07.1997 eine Gewinnabführung zu Gunsten der Firma B GmbH vereinbart worden war.

Danach bestehen Zweifel, ob der Antragsteller jeweils in dem Vorsatz handelte, dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin einen Nachteil zuzufügen. Sachvortrag des insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Antragsgegners, der die genannten Zweifel beseitigt, ist nicht ersichtlich.

Der Ausspruch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.§ 184 II InsO bestehen keine Bedenken.

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