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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 17.10.2008
Aktenzeichen: 2 Not 17/07
Rechtsgebiete: BNotO, BGB, BeurkG, FAO, ZPO, BRAO


Vorschriften:

BNotO § 6 Abs. 3 S. 2
BNotO § 111
BNotO § 111 Abs. 1
BNotO § 111 Abs. 2
BNotO § 111 Abs. 4 S. 2
BGB § 2356 Abs. 2
BeurkG § 38
FAO § 8 Ziff. 1
ZPO § 323 Abs. 4
ZPO § 794 Abs. 1 Ziff. 5
BRAO § 30 Abs. 2
BRAO § 39
BRAO § 201 Abs. 2
BRAO § 202 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I.

Der Antragsteller und der weitere Beteiligte bewarben sich mit 5 anderen Rechtsanwälten um eine vom Antragsgegner am 1. ... 2007 im Justiz-Ministerial-Blatt für Hessen für den Amtsgerichtsbezirk O1 ausgeschriebene Stelle. Das Auswahlverfahren wurde gemäß Abschnitt A II des Runderlasses zur Ausführung der Bundesnotarordnung vom 25. Februar 1999, geändert durch Runderlass vom 10. August 2004, durchgeführt. Der weitere Beteiligte hat danach 171,65 Punkte erhalten, der Antragsteller 171,05 Punkte. Der Antragsgegner hat den Antragsteller mit Verfügung vom 13. Dezember 2007 davon unterrichtet, dass beabsichtigt sei, die ausgeschriebene Notarstelle mit dem weiteren Beteiligten zu besetzen, der eine höhere Punktzahl erreicht habe.

Gegen diese Verfügung wendet sich der Antragsteller mit seinem am 27. Dezember 2007 bei Gericht eingegangenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem er im Wesentlichen die Bewertung der Urkundsgeschäfte des weiteren Beteiligten angreift.

Der Antragsteller beantragt,

den Bescheid des Antragsgegners vom 13. Dezember 2007, Az. II a R 2157/04 - I/3 -, aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, die im Justiz-Ministerial-Blatt für Hessen vom 1. ... 2007 ausgeschriebene Notarstelle im Landgerichtsbezirk O1 mit dem Antragsteller zu besetzen,

hilfsweise,

den Antragsgegner zu verpflichten, den Antrag des Antragstellers auf Bestellung zum Notar im Amtsgerichtsbezirk O1 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Antragsgegner hat sich dem Antrag des Antragstellers angeschlossen.

Der weitere Beteiligte beantragt,

den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung, greift die Bewertung der Urkundsgeschäfte bei dem Antragsteller an und macht geltend, dass ihm der Antragsgegner zu Unrecht Sonderpunkte vorenthalten habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 111 Abs. 1 und 2 BNotO zulässig und mit seinem Hilfsantrag begründet.

1. Entgegen der mit Schriftsatz vom 8. September 2008 vertretenen Auffassung des Antragstellers entbindet der Umstand, dass sich der Antragsgegner dem Antrag des Antragstellers angeschlossen hat, den Senat nicht von einer Prüfung in der Sache. Der Antragsteller geht zwar zutreffend davon aus, dass es sich bei dem Verfahren nach § 111 BNotO um ein sogenanntes echtes Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit handelt, bei dem sich zwei oder mehrere Beteiligte mit entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen und das Gericht über behauptete subjektive Rechte oder Berechtigungen zu entscheiden hat (BGH, NJW 1970, 427). Daraus folgt aber nicht, dass Antragsteller und Antragsgegner unter Ausschaltung des weiteren Beteiligten, dessen Rechte von dem Ausgang des Rechtsstreits unmittelbar tangiert sind, durch übereinstimmende Anträge das Ergebnis des Verfahrens bestimmen könnten; vielmehr ist der weitere Beteiligte ein gleichrangiger Verfahrensbeteiligter, dessen Antrag, der zu den Anträgen der anderen Beteiligten gegenläufig ist, nicht übergangen werden kann. Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann auch nicht ernsthaft an der wirksamen Beteiligung des - bereits materiell von dem Ausgang des Verfahrens betroffenen - weiteren Beteiligten an dem Verfahren gezweifelt werden.

2. Die sachliche Prüfung führt zu dem Ergebnis, dass der Antragsgegner seine Auswahlentscheidung auf der Grundlage unzutreffender Tatsachen getroffen und über die Besetzung der ausgeschriebenen Stelle neu zu entscheiden hat.

a) Der Antragsgegner hat für den Antragsteller und den weiteren Beteiligten folgende Bewertung zum Ausgangspunkt genommen:

Bewerber Weiterer Beteiligter Antragsteller

 Bewerber Weiterer Beteiligter Antragsteller
Rang 1 2
2. Staatsexamen 45,95 52,8
RA-Tätigkeit 45 40,25
Fortbildungen 29,5 53
Beurkundungen 47,2 25
Sonderpunkte 4 0
Ergebnis 171,65 171,05

Dabei unterteilt sich die Bewertung für die Urkundsgeschäfte wie folgt:

 Urkundsgeschäft Weiterer Beteiligter Antragsteller
Urkunden insgesamt 609 248
Für bis 200 Urkunden:   
Privilegiert 102 x 0,2 = 20,4 26 x 0,2 = 5,2
Sonstige 98 x 0,1 = 9,8 174 x 0,1 = 17,4
Für 201 bis 500 Urkunden 300 x 0,05 = 15 48 x 0,05 = 2,4
Für 501 bis 1000 Urkunden 109 x 0,1 pro volle 50 = 2  
Zusammen 47,2 Punkte 25 Punkte

b) Dem Antragsgegner sind bei der Ermittlung der Gesamtpunktzahl der Urkundsgeschäfte für den weiteren Beteiligten sachliche Fehler unterlaufen.

aa) Einigkeit besteht zwischen den Beteiligten dahingehend, dass bei dem weiteren Beteiligten zunächst rechnerisch zutreffend 609 Urkunden zugrunde gelegt wurden und die rechnerische Verteilung auf privilegierte und nicht privilegierte Urkunden korrekt erfolgte.

bb) Allerdings sind bei dem weiteren Beteiligten 4 Urkunden fälschlicherweise als privilegiert anerkannt worden, was zu einem Abzug von 0,4 Punkten führt. Dies war zwischen den Beteiligten zunächst unstreitig. Soweit nunmehr der weitere Beteiligte mit Schriftsatz vom 24. September 2008 einen Abzug für zwei Urkunden (UR-Nr. A/2007 und A/2007 Vertretung Notar Z) verneint, weil sie nicht als privilegiert berücksichtigt worden seien, trifft dies nicht zu. Diese Urkunden sind im Vertretungszeitraum vom 04. Juni bis 24. Juni 2007 beurkundet und deshalb als privilegierte Urkunden einbezogen worden; der Antragsteller, der die Einbeziehung rügt, hat in seiner Antragsbegründung den Beginn des Zeitraums lediglich fälschlicherweise mit 14. Juni angegeben.

Damit verringert sich für den weiteren Beteiligten die Punktzahl im Bereich der Urkunden auf 46,8 (98 Urkunden x 0,2 = 19,6, 102 Urkunden x 0,1 = 10,2, 300 Urkunden x 0,05 = 15 und 109 Urkunden x 1,0 pro volle 50 Urkunden = 2) und insgesamt auf 171,25.

cc) Weiterhin sind dem weiteren Beteiligten 4 Urkunden aus dem Jahr 1994 mit dem Inhalt "Erbscheinsantrag und eidesstattliche Versicherung" sowie weitere 19 Urkunden anerkannt worden, deren Gegenstand in der Urkundenrolle entweder mit "Erbscheinsantrag" oder mit "Erbscheinsverhandlung" angegeben ist.

Demgegenüber sind bei dem Antragsteller 4 Urkunden aus 2007 nicht berücksichtigt worden, deren Beurkundungsinhalt in der Bescheinigung des vertretenen Notars mit "Eidesstattliche Versicherung (Erbscheinsantrag)" angegeben ist, wobei unter Entwurfstätigkeit/Vollzugshandlungen "Entwurf/Antrag auf Erteilung des Erbscheins beim Nachlassgericht" angeführt ist.

Insofern rügt der Antragsteller zutreffend eine Ungleichbehandlung beider Bewerber. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei sämtlichen Urkunden um notarielle Erbscheinsanträge mit eidesstattlicher Versicherung nach § 2356 Abs. 2 BGB handelt. Der weitere Beteiligte hat klargestellt, dass der Begriff "Erbscheinsverhandlung" gleichbedeutend mit "Antrag auf Erteilung eines Erbscheins" einschließlich der dafür erforderlichen eidesstattlichen Versicherung gebraucht wurde.

In diesem Sinne wird der Begriff auch in gerichtlichen Entscheidungen verwendet (vgl. BGH, NJW-RR 2001, 217; OLG Hamm, FamRZ 1994, 994; KG, DNotZ 2007, 393; unklarer dagegen KG, NJW-RR 99, 861). Hinsichtlich der Urkunden des Antragstellers (UR-Nr. C/2007, D/2007, E/2007 und F/2007 Vertretung Notar W) kann den Angaben der Bescheinigung des vertretenen Notars entnommen werden, dass der Antragsteller nicht nur eine bloße eidesstattliche Versicherung beurkundet hat, sondern dies in die Vollzugstätigkeit eines Erbscheinsantrags bei dem Nachlassgericht eingebettet war. Deshalb geht der Senat davon aus, dass es sich ebenfalls um "Erbscheinsverhandlungen" handelte.

Dies hat zur Folge, dass die jeweiligen Urkundsgeschäfte bei der Berechnung der Urkundsgeschäfte des Antragstellers und des weiteren Beteiligten gleich zu behandeln sind. Entweder sind sie bei beiden Bewerbern in die Bewertung einzubeziehen, oder sie sind bei beiden unberücksichtigt zu lassen. Dabei kann offen bleiben, ob der Auffassung des Antragstellers gefolgt werden kann, wonach es sich bei diesen Urkundsgeschäften um bloße, nach Abschnitt A II. Ziff. 3 d des Runderlasses i.V.m. § 38 BeurkG nicht anzurechnende eidesstattliche Versicherungen handele, die auch unter Einbeziehung eines (anschließenden) Erbscheinsantrags nicht berücksichtigungsfähig seien.

Denn sowohl die einheitliche Berücksichtigung als auch die Nichtberücksichtigung führt zu einem Punktevorsprung des Antragstellers gegenüber dem weiteren Beteiligten: Bei Berücksichtigung wären bei dem Antragsteller 4 weitere Urkunden, davon 2 privilegiert (UR-Nr. E/2007 und F/2007) hinzurechnen, was in der Gesamtbewertung 171,45 Punkte ergäbe, während der weitere Beteiligte bei 171,25 Punkten verbliebe.

Antragsteller Weiterer Beteiligter

Mit "Erbscheinsangelegenheiten" Mit "Erbscheinsangelegenheiten"

 Antragsteller Weiterer Beteiligter
Mit "Erbscheinsangelegenheiten" Mit "Erbscheinsangelegenheiten"
252 Urkunden insgesamt 609 Urkunden insgesamt
28 privilegiert x 0,2 = 5,6 98 privilegiert x 0,2 = 19,6
172 x 0,1 = 17,2 102 x 0,1 = 10,2
52 x 0,05 = 2,6 300 x 0,05 = 15
 109 x 1 pro volle 50 = 2
= 25,4 = 46,8
= insgesamt 171,45 = insgesamt 171,25

Bei Nichtberücksichtigung wären bei dem weiteren Beteiligten 23 Urkunden in Abzug zu bringen, davon 2, die als privilegiert berücksichtigt wurden (UR-Nr. G/2007 Notar Z und UR-Nr. H/05 Notar Y).

Dies ergäbe insgesamt einen Abzug von 1,2 Punkten, so dass er auf insgesamt 170,05 Punkte käme bei 171,05 Punkten des Antragstellers:

 Antragsteller Weiterer Beteiligter
Ohne "Erbscheinsangelegenheiten" Ohne "Erbscheinsangelegenheiten"
248 Urkunden insgesamt 586 Urkunden insgesamt
26 privilegiert x 0,2 = 5,2 96 privilegiert x 0,2 = 19,2
174 x 0,1 = 17,4 104 x 0,1 = 10,4
48 x 0,05 = 2,4 300 x 0,05 = 15
 86 x 1 pro volle 50 = 1
= 25 = 45,6
= insgesamt 171,05 = insgesamt 170,05

dd) Soweit der Antragsteller moniert, dass bei dem weiteren Beteiligten eine weitere Urkunde zu Unrecht einbezogen wurde, ändert dies nichts an dem Ergebnis, da es bei über 500 Urkunden nur einen Punkt bei vollen 50 Urkunden gibt.

ee) Soweit der weitere Beteiligte erstmals mit Schriftsatz vom 24. September 2008 die Auffassung vertritt, auch die Urkunde UR-Nr. K/07 Vertretung Notar Y sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, vermag der Senat dem nicht zu folgen, da es sich nicht um eine von dem weiteren Beteiligten in vollem Umfang selbst entworfene Urkunde handelt.

c) Allerdings sind auch bei den Urkundsgeschäften des Antragstellers Abzüge vorzunehmen.

aa) Die Urkunde UR-Nr. L/1998 (Vertretung Notar X) wurde unstreitig doppelt gezählt. Aufgeführt werden sollte nach Angaben des Antragstellers die ansonsten nicht berücksichtigte Urkunde UR-Nr. M/1999, bei der es sich allerdings um eine bloße eidesstattliche Versicherung handelt, die nicht gewertet werden kann. Von daher ist eine Urkunde zu streichen. Gleiches gilt für die Urkunde UR-Nr. N/2001 (Vertretung Notar X), bei der es sich unstreitig nur um eine Unterschriftsbeglaubigung (Grundschuldbestellung ohne Zwangsvollstreckungsunterwerfung) handelt. Demnach sind zunächst 2 nicht privilegierte Urkunden in Abzug zu bringen.

bb) Bei der Urkunde UR-Nr. O/2006 (Vertretung Notar W) handelt es sich ebenfalls unstreitig nur um eine Unterschriftsbeglaubigung, so dass sie nicht zu berücksichtigen ist.

cc) Kein Abzug hat aber für die Urkunden UR-Nr. P/2001 und R/2001 (Vertretung Notar W) zu erfolgen. Der Senat hat sich im Termin zur mündlichen Verhandlung durch Einsicht in die ihm vorgelegten Kopien der entsprechenden Urkunden davon überzeugt, dass Gegenstand jeweils eine Grundschuldbestellung mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung war.

Auch für die Urkunde UR-Nr. S/02 (Vertretung Notar W) ist ein Abzug nicht vorzunehmen. Der Antragsteller hat ausführlich dargelegt, dass und warum es sich nicht um eine bloße Unterschriftsbeglaubigung, sondern um eine beurkundete Vollmacht gehandelt hat.

Demnach sind bei dem Antragsteller insgesamt 3 nicht privilegierte Urkunden abzuziehen.

Daraus folgt für die Berechnung hinsichtlich des Antragstellers:

Ohne "Erbscheinsangelegenheiten" 245 Urkunden insgesamt 26 privilegiert x 0,2 = 5,2 174 x 0,1 = 17,4 45 x 0,05 = 2,25 = 24,85 = insgesamt 170,90 Mit "Erbscheinsangelegenheiten" 249 Urkunden insgesamt 28 privilegiert x 0,2 = 5,6 172 x 0,1 = 17,2 49 x 0,05 = 2,45 = 25,25 = insgesamt 171,30

Damit liegt der Antragsteller ohne Berücksichtigung der Erbscheinsangelegenheiten mit 0,85 Punkten (170,90 Punkte zu 170,05 Punkten des weiteren Beteiligten) und bei Berücksichtigung der Erbscheinsangelegenheiten mit 0,05 Punkten (171,30 Punkte zu 171,25 Punkten des weiteren Beteiligten) knapp vor dem weiteren Beteiligten.

d) Soweit der Antragsteller einen Nachweis des weiteren Beteiligten betreffend einen 2 1/2 - tägigen Intensivkurs zum Gesellschaftsrecht vom 9. bis 11. November 2000 vermisst, ist dieser in den Unterlagen vorhanden, so dass kein Abzug bei den für Fortbildungen anerkannten Punkten zu erfolgen hat.

e) Der weitere Beteiligte kann dem punktmäßigen Vorsprung des Antragstellers nicht entgegen halten, der Antragsgegner hätte ihm, dem weiteren Beteiligten, weitere Sonderpunkte wegen besonderer notarspezifischer Qualifikationsmerkmale zuerkennen müssen.

aa) Der Antragsgegner war nicht veranlasst, durch Sonderpunkte zu berücksichtigen, dass der weitere Beteiligte seit 1993 Fachanwalt für Verwaltungsrecht ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar die Tätigkeit als Fachanwalt Hinweise darauf geben, inwieweit der jeweilige Schwerpunkt der Anwaltstätigkeit "notarnäher" oder "notarferner" ausgestaltet ist. Allerdings genügt die bloße Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung für sich allein nicht, um der anwaltlichen Tätigkeit ein "notarnahes" Gepräge zu geben mit der Folge einer Berücksichtigung nach Abschnitt A II. Ziff. 3 e cc) des Runderlasses. Die Qualifikation als Fachanwalt muss vielmehr auf einem Gebiet erworben werden, das typischerweise den materiellen Kernbereich notarieller Tätigkeit berührt (BGH, NJW 2006, 3211). Dies hat der Bundesgerichtshof in vorbenannter Entscheidung "jedenfalls" für das Familienrecht, das Erbrecht, das Handels- und Gesellschaftsrecht sowie das Steuerrecht bejaht, und auch für das Fachgebiet Bau- und Architektenrecht hat er angesichts der nach der Fachanwaltsordnung nachzuweisenden besonderen Kenntnisse im Bauvertragsrecht und im Recht der Architekten und Ingenieure Anhaltspunkte dafür gesehen, aus dieser Qualifikation als Fachanwalt Rückschlüsse auf eine "notarnahe" anwaltliche Tätigkeit zu ziehen.

Solche Rückschlüsse sind aber für den Fachanwalt für Verwaltungsrecht nicht naheliegend, da diese Qualifikation nicht auf einem Gebiet erworben wird, das typischerweise den materiellen Kernbereich notarieller Tätigkeit berührt. Der Antragsteller weist zutreffend darauf hin, dass nach § 8 Ziff. 1 FAO besondere Kenntnisse auf dem Gebiet des allgemeinen Verwaltungsrechts, des Verfahrensrechts und des Rechts der öffentlichen Ersatzleistung als Pflichtprogramm gefordert werden. Darüber hinaus müssen nach § 8 Ziff. 2 FAO in zwei weiteren Bereichen des besonderen Verwaltungsrechts besondere Kenntnisse nachgewiesen werden, wovon ein Bereich aus dem öffentlichen Baurecht, dem Abgabenrecht, dem Wirtschaftsverwaltungsrecht, dem Umweltrecht oder dem öffentlichen Dienstrecht kommen muss. Daraus folgt, dass sich an die Qualifikation als Fachanwalt für Verwaltungsrecht nicht in jedem Fall und typischerweise der Rückschluss auf ein "notarnahes" Gepräge der anwaltlichen Tätigkeit knüpfen lässt, da diese Fachanwaltsbezeichnung auch durch Kenntnisse auf Gebieten erworben werden kann, die zur Tätigkeit als Notar keinerlei Berührungspunkte aufweisen. Zwar macht der weitere Beteiligte geltend, die besonderen Kenntnisse nach § 8 Ziff. 2 FAO gerade in den Bereichen öffentliches Baurecht und Abgabenrecht erworben zu haben. Allerdings steht damit nicht ein notarnahes Gepräge der anwaltlichen Tätigkeit fest, da die Qualifikation des Fachanwalts für Verwaltungsrecht weiter gefasst ist und sich aus ihr nicht typischerweise ergibt, dass der Anwalt in Folge des Erwerbs der Fachanwaltsqualifikation schwerpunktmäßig "notarnäher" tätig geworden ist. Dies könnte dann allenfalls im Wege der Einzelfallprüfung zu Inhalt und Umfang der anwaltlichen Tätigkeit ermittelt werden. Für eine solche Einzelfallprüfung fehlt es aber an ausreichenden Kriterien für eine vergleichende Bewertung, so dass eine Berücksichtigung ausscheidet.

bb) Weiterhin nicht gefolgt werden kann der Auffassung des weiteren Beteiligten, dass die notarspezifischen Teile der Lehrgänge zum Erwerb der besonderen Kenntnisse auf dem Gebiet des Familienrechts mit 2 Punkten (für zwei Halbtage) hätten berücksichtigt werden müssen.

Zum einen hat der weitere Beteiligte bereits für seine Qualifikation als Fachanwalt für Familienrecht 3 Sonderpunkte erhalten, so dass die weitere Berücksichtigung von Lehrgangsteilen, die zum Erwerb der Fachanwaltsbezeichnung gedient haben, im Ergebnis zu einer doppelten Berücksichtigung führen würde.

Zum anderen ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2006, 3211) der Erwerb der theoretischen Kenntnisse, die Voraussetzung für die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung sind, nicht dem Besuch von Fortbildungsveranstaltungen im Sinne von A II Ziff. 3 c) des Runderlasses gleichzustellen. Denn Vorbereitungskurse erfüllen nur dann die Anforderungen des § 6 Abs. 3 S. 2 BNotO an eine notarspezifische Fortbildung, wenn es sich um Veranstaltungen handelt, in denen die erforderlichen Rechtskenntnisse den Teilnehmern unter Beachtung der besonderen Anforderungen und Gegebenheiten des Notarberufs nahe gebracht werden. Das kann aber bei Kursen, die das Ziel haben, eine Fachanwaltsbezeichnung zu erwerben, nicht angenommen werden.

Zudem weist der Antragsteller zu Recht darauf hin, dass die notarspezifischen Bereiche der entsprechenden Fortbildungen nicht getrennt geprüft wurden. Ausweislich des Zeugnisses des Deutschen Anwaltsinstituts e.V. vom 30. Juni 2006 hat der weitere Beteiligte 3 schriftliche Leistungskontrollen "aus verschiedenen Bereichen des Lehrgangs" erfolgreich bestanden; daraus ergibt sich aber gerade nicht eine "erfolgreiche Teilnahme" an einem Fortbildungskurs in einem notarspezifischen Rechtsgebiet, wie es A II Ziff. 3 c des Runderlasses erfordert.

cc) Weiterhin ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dem weiteren Beteiligten keine Sonderpunkte für seine Dissertation zu den Problemen der Abänderungsklage bei rechtskräftigen, nicht rechtskräftigen und nicht rechtskraftfähigen abzuändernden Titeln zugesprochen hat.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2006, 3211) besagt eine Promotion nur, dass der Bewerber in der Lage ist, wissenschaftlich zu arbeiten. Eine solche allgemeine juristische Leistung hat grundsätzlich keine Aussagekraft für die Befähigung, das Amt als Notar in der täglichen Praxis auszuüben.

Hinzu kommt, dass die 153 Seiten lange Dissertation auch keinen speziellen notarspezifischen Bezug aufweist. Soweit es um vollstreckbare - gerichtliche und notarielle - Urkunden nach § 794 Abs. 1 Ziff. 5 ZPO geht, beschäftigt sich der weitere Beteiligte ab S. 140 allein mit der Frage ihrer Abänderbarkeit, nicht jedoch mit Fragen ihrer Errichtung oder mit sonstigen praktischen notarrechtlichen Aspekte. Der weitere Beteiligte prüft insoweit, ob ein Erhöhungsbegehren nur nach § 323 Abs. 4 ZPO unter "entsprechender" Anwendung der Abs. 1 - 3 geltend gemacht werden kann oder ob der Gläubiger eine einfache Leistungsklage erheben kann. Dies sind aber keine notarspezifischen Fragestellungen.

dd) Der Antragsgegner war auch nicht gehalten, die Referendariat - Pflichtwahlstation des weiteren Beteiligten im Bereich "Notariat" durch die Vergabe von Sonderpunkten anzuerkennen.

Zwar mag der weitere Beteiligte bereits durch diese Wahlstation besondere Einblicke in die Arbeit und den Ablauf eines Notariats erhalten haben. Die Qualifikation durch praktische Notartätigkeit wird aber bereits in A II Ziff. 3 d des Runderlasses für Urkundsgeschäfte während einer Notarvertretung und in A II Ziff. 3 e aa) des Runderlasses für Langzeitvertretungen erfasst. Für eine darüber hinausgehende Berücksichtigung rein vorbereitender Unterstützung eines amtierenden Notars, der die Urkundsgeschäfte verantwortlich vornimmt, ist daneben nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich kein Raum (vgl. BGH, NJW 2007, 1283). Daran ändert nach Auffassung des Senats auch der Umstand nichts, dass die Unterstützungstätigkeiten des weiteren Beteiligten im Rahmen seiner Pflichtwahlstation erfolgten.

ee) Schließlich rügt der weitere Beteiligte zu Unrecht, dass er für die Notariatsverwaltung des verstorbenen Notars Dr. V nur einen Sonderpunkt erhalten hat. Er ist der Auffassung, dass es nicht gerechtfertigt sei, diese Verwaltungstätigkeit als lediglich durchschnittlich zu bezeichnen, da ein umfangreiches Notariat aus 43-jähriger Notariatstätigkeit habe abgewickelt werden müssen.

Insoweit verweist der Antragsgegner aber zutreffend darauf, dass der erhöhte logistische Aufwand bei der Abwicklung aufgrund des großen Umfangs des Notariats keine hervorzuhebende Tätigkeit auf notarspezifischem Gebiet bedeutet, sondern lediglich allgemeinen büroorganisatorischen Charakter hat. Soweit der weitere Beteiligte 73 Urkunden selbst vorbereitet, beurkundet und bis zur vollständigen Abwicklung vollzogen hat, ist dies bereits im Rahmen der Urkundsgeschäfte berücksichtigt. Welchen Umfang der Vollzug der noch laufenden Urkundsgeschäfte angenommen hatte, ist weder vorgetragen noch belegt worden. Von daher ist die Zuerkennung von 0,5 Punkten pro Halbjahr nicht ermessensfehlerhaft.

f) Damit verbleibt es bei der oben ermittelten Punkteverteilung, derzufolge der Antragsteller knapp vor dem weiteren Beteiligten auf Rang 1 liegt.

Das führt allerdings nicht dazu, dass der Antragsgegner unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids zu verpflichten wäre, die ausgeschriebene Stelle mit dem Antragsteller zu besetzen. Die Sache ist nämlich noch nicht zu Gunsten des Antragstellers zur Endentscheidung reif. Zwar ist es nicht zu beanstanden, wenn die Justizverwaltung die Bewerberauswahl nach der durch die errechneten Gesamtpunktzahlen ermittelten Rangfolge vornimmt, sofern nicht - was hier nicht der Fall ist - die in das Punktesystem aufgenommenen Kriterien und sonst eingeflossenen Gesichtspunkte im jeweiligen Einzelfall unangemessen gewichtet sind (BGH, NJW-RR 2008, 567). Allerdings kommt hier eine Prüfung des Antragsgegners in Betracht, ob in einer Gesamtschau für die unter e) genannten Leistungen des weiteren Beteiligten zusammen Sonderpunkte zu vergeben sind (vgl. BGH, NJW 2007, 1283 Rn. 43 unter juris).

Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner zu erkennen gegeben hat, nunmehr den Antragsteller zum Notar ernennen zu wollen. Dies führt nicht dazu, dass das Gericht eine entsprechende Verpflichtung auszusprechen hätte.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 111 Abs. 4 S. 2 BNotO i.V.m. § 201 Abs. 2, 39 BRAO.

Der Geschäftswert wurde nach § 111 Abs. 4 S. 2 BNotO, 202 Abs. 2 BRAO, 30 Abs. 2 KostO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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