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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 27.06.2000
Aktenzeichen: 2 Ss 131/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 417
StPO § 400 Abs. 1 Alt. 2
StPO § 400 Abs. 1
StPO § 400
Zulässigkeit des Rechtsmittels eines Nebenklägers mit dem Ziel einer Verurteilung des Angeklagten nicht nur wegen eines Nebenklagedelikts, sondern auch eines Nichtnebenklagedelikts.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

2 Ss 131/00

3 Js 6220.3/98 ­ 4 Ns (B 52) (LG Limburg an der Lahn)

In der Strafsache gegen gegen ... wegen Körperverletzung.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 18. Januar 2000 hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ­ 2. Strafsenat ­ in der Sitzung vom 27. Juni 2000, an der teilgenommen haben: ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten, der auch die Kosten und Auslagen der Nebenklägerin in der Revisionsinstanz zu tragen hat, verworfen.

Gründe:

Dem Angeklagten war in einer Antragsschrift gem. § 417 StPO und in einer Anklageschrift vorgeworfen worden, sich des Fahrens ohne Fahrerlaubnis und einer vorsätzlichen Körperverletzung sowie einer Freiheitsberaubung zum Nachteil der Nebenklägerin schuldig gemacht zu haben. Das Amtsgericht Hadamar verband die beiden Verfahren, sprach den Angeklagten in der Hauptverhandlung vom 18. 02. 1999 vom Vorwurf der vorsätzlichen Körperverletzung und dem der Freiheitsberaubung frei und verurteilte ihn Wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen in Höhe von jeweils 20.-- DM. Gegen dieses Urteil legte die Nebenklägerin Berufung mit der Begründung ein, sie erstrebe die Verurteilung des Angeklagten wegen der zu ihrem Nachteil begangenen Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Das. Landgericht verurteilte den Angeklagten auf die Berufung der Nebenklägerin wegen Freiheitsberaubung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Nötigung sowie wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Gesamtgeldstrafe von 55 Tagessätzen in Höhe von jeweils 40,-- DM.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.

Die Revision ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Zunächst ist festzustellen, daß die Berufung der Nebenklägerin zulässig war. Durch § 400 Abs. 1 Alt. 2 StPO ist nämlich nur ein Rechtsmittel des Nebenklägers ausgeschlossen, das ausschließlich das Ziel verfolgt, die Verurteilung des Angeklagten wegen Gesetzesverletzungen zu erreichen, die nicht zum Anschluß einer Nebenklage berechtigen. Nicht ausgeschlossen sind damit Rechtsmittel des Nebenklägers, die sich gegen einen Freispruch mit dem Ziel der Verurteilung (auch) wegen eines Nebenklagedeliktes richten, wobei es unschädlich ist, wenn dieses tateinheitlich mit einem Nichtnebenklagedelikt zusammentrifft (vergl. Riegner, Auswirkungen des § 400 I StPO auf Berufung und Revision des Nebenklägers, NStZ 1990, 11 (13) mit ausführlichen Nachweisen in Rspr. u. Zit.). Das Landgericht hat mit dem angegriffenen Urteil § 400 Abs. 1 StPO auch nicht dadurch verletzt, daß es den Angeklagten nicht nur wegen des Nebenklagedeliktes der Körperverletzung sondern auch wegen der tateinheitlich verwirklichten Offizialdelikte Freiheitsberaubung und Nötigung verurteilt hat. Mit der Einfügung des § 400 StPO im Rahmen des Opferschutzgesetzes vom 18.12.1986 wurden die Einschränkungen der Rechtsmittelbefugnis des Nebenklägers gegenüber der der Staatsanwaltschaft, die bis dahin von der Rechtsprechung entwickelt worden waren, erstmals auf eine gesetzliche Grundlage gestellt und zusätzlich erweitert. Insofern war das Problem neu zu erörtern, ob ein Rechtsmittel des Nebenklägers, das wegen der möglichen Verurteilung wegen eines Nebenklagedelikts oder der rechtlichen Möglichkeit der Einbeziehung eines im angegriffenen Urteil nicht berücksichtigten Nebenklagedelikts zulässig ist, auch dann Erfolg haben und zur Verurteilung ausschließlich wegen eines Nichtnebenklagedeliktes führen kann, wenn die nähere Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht ergibt, daß das in Betracht genommene Nebenklagedelikt nicht vorliegt. Riegner führt in seinem o.a. Aufsatz zu Recht aus, daß diese Wirkung eines Rechtsmittels des Nebenklägers mit dem Anschluß eines (nur) auf eine Verurteilung wegen eines Nichtnebenklagedeliktes gerichteten Rechtsmittels in § 400 Abs. 1 Alt. 2 StPO nicht vereinbar ist. Er plädiert dafür ­ und dem stimmt der Senat zu ­, die Aufhebung des angegriffenen Urteils vom Vorliegen eines Fehlers des Ausgangsgerichts bei der Behandlung eines Nebenklagedeliktes abhängig zu machen und erst bei der nach einer Aufhebung erforderlichen neuen Sachentscheidung die Kognitionspflicht des damit befaßten Gerichtes auf die gesamte Tat im materiellrechtlichen Sinne inclusive der Nichtnebenklagedelikte zu erstrecken (Riegner, a.a.0. S. 16). Diese Auffassung wird auch in den in den einschlägigen Kommentaren zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vertreten.

Für die Revision bedeutet dies eine Beschränkung des Prüfungsumfangs durch das Revisionsgericht auf die Verletzung Nebenklagedelikte beinhaltender materiellrechtlicher Vorschriften und die Zulässigkeit von Verfahrensrügen nur für die Fälle, in denen die Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt werden, die sich (auch) auf die Behandlung eines Nebenklagedeliktes auswirken können. Für die Berufungsinstanz hat diese Auffassung zur Folge, daß eine Berufung des Nebenklägers nur zu Aufhebung des angegriffenen Urteils zum Nachteil des Angeklagten führen kann, wenn - wie vorliegend - in der Berufungshauptverhandlung (auch) ein Nebenklagedelikt nachgewiesen wird. Dann kann aber ­ wie hier erfolgt ­ auch wegen tateinheitlich begangener Nichtnebenklagedelikte verurteilt werden (so auch Riegner, a.a.0. S. 16). Nur für den Fall, daß ein Nebenklagedelikt in der Berufungshauptverhandlung nicht nachgewiesen werden kann, wäre eine Berufung des Nebenklägers auch dann als unbegründet zu verwerfen, wenn sich das Vorliegen eines durch dieselbe Handlung verwirklichten Nichtnebenklagedeliktes ergibt.

Diese Auffassung ist auch bei genauem Lesen der in der Revisisonsbegründung und der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht zitierten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGHSt 41, 140/144; 43, 15/16) zu entnehmen. Dies würde deutlicher werden, wenn der Bundesgerichtshof ­ wie Riegner a.a.0. ­ jeweils das Beiwort "auch" vor die Worte "ein Nebenklagedelikt betreffen" gesetzt hätte. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs kommt aber unzweifelhaft dadurch zum Ausdruck, daß er in seiner Entscheidung BGHSt 39, 390 (391) ausführt, der Tatrichter habe allerdings nach Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht alle in Tateinheit mit dem Nebenklagedelikt stehenden Deliktewiederum zu prüfen.

Auch im übrigen läßt die Überprüfung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs des angegriffenen Urteils Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen. Insbesondere ist auch die Bemessung der Tagessatzhöhe in Anbetracht der dargestellten wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Angeklagten noch vertretbar.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus 473 Abs. 1 StPO.



Ende der Entscheidung

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