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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 01.12.2005
Aktenzeichen: 2 Ss-OWi 223/05
Rechtsgebiete: FPersG


Vorschriften:

FPersG § 6 Abs. 2 Nr. 2
Die Ausnahmeregelung aus § 6 Abs. 2 Nr. 2 FPersG i.V.m. Art. 4 Nr. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 greift zugunsten der Deutschen Post AG nicht ein.
Gründe:

I.

Das Amtsgericht Limburg, Zweigstelle Hadamar, setzte durch Urteil vom 23. März 2005 gegen den Betroffenen eine Geldbuße in Höhe von 300 € fest, weil er es vorsätzlich unterlassen habe, als Verantwortlicher im Sinne des Fahrpersonalgesetzes die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Beachtung der Aufzeichnungspflicht zu gewährleisten.

Das Amtsgericht vertrat dabei die Auffassung, die Ausnahmeregelung aus § 6 Abs. 2 Nr. 2 FPersG i.V.m. Art. 4 Nr. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 greife zugunsten der Deutschen Post AG nicht ein.

Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen ist der Betroffene bei der Deutschen Post AG in O1 beschäftigt und bekleidet dort die Funktion des Abteilungsleiters für den Bereich Verkehr der Briefniederlassung. Im Rahmen der Einstellung des Fahrers und Zeugen Z1 hatte der Betroffenen diesen in seinen Tätigkeitsbereich eingeführt und dabei darauf hingewiesen, dass er formalisierte Aufzeichnungen über seine Arbeitszeit als Kraftfahrer nicht machen müsse. Grund hierfür war, dass der Betroffene aufgrund eines von der Deutschen Post AG eingeholten Rechtsgutachtens des Prof. Dr. SV1, O2, aus dem Jahre 1999 sowie verschiedener Urteile des Amtsgerichts Zehdenick der Auffassung war, für die Fahrzeuge der Deutschen Post AG gelte die Ausnahmevorschrift des Art. 4 Nr. 6 der Verordnung (EWG) 3820/85. Der Fahrer Z1 stellte am 22. Oktober 2003 für die Deutsche Post AG mit dem Lkw mit dem amtlichen Kennzeichen ..., dessen zulässiges Gesamtgewicht 3,5 t betrug, Pakete zu, ohne Tageskontrollblätter oder sonstige Arbeitszeitnachweise mitzuführen.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein, mit welcher er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Einzelrichter hat die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, da es geboten sei, das Urteil zur Fortbildung des Rechts nachzuprüfen (§ 80a Abs. 3 OWiG).

II.

Die zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch wegen eines vorsätzlichen Verstoßes des Betroffenen gegen § 6 Abs. 6 S. 7 FPersG (a.F.).

Die Feststellung des Amtsgerichts, der Betroffene als verantwortlicher Abteilungsleiter der Deutschen Post AG (§ 9 Abs. 2 Nr. 1 OWiG) habe schuldhaft nicht die notwendigen Maßnahmen ergriffen, um die Einhaltung der Pflichten des mit der Auslieferung von Paketen betrauten Zeugen Z1 aus § 6 Abs. 6 S. 1-6 FPersG a.F. - die Führung von Aufzeichnungen über Lenkzeiten, sonstige Arbeitszeiten, Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten - zu gewährleisten, ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

a) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 FPersV a. F. (in der seit dem 02. Juli 2005 geltenden Fassung die inhaltsgleichen §§ 21 Abs. 1 Nr. 2, 1 Abs. 6 FPersV) müssen Fahrer von Fahrzeugen, die zur Güterbeförderung dienen und deren zulässiges Gesamtgewicht einschließlich Anhänger oder Sattelanhänger mehr als 2,8 t und nicht mehr als 3,5 t beträgt, sofern diese Fahrzeuge nicht nach § 6 Abs. 2 FPersV hiervon ausgenommen sind, Aufzeichnungen über die Lenkzeiten, alle sonstigen Arbeitszeiten, die Lenkzeitunterbrechungen und die Ruhezeiten führen, und zwar für jeden Tag getrennt, wobei sie die Aufzeichnungen der laufenden Woche und des letzten Tages der Vorwoche, an dem gefahren wurde, mitzuführen und den zuständigen Personen auf Verlangen zur Prüfung auszuhändigen haben. Nach § 6 Abs. 6 S. 7 FPersV a. F. (jetzt § 1 Abs. 6 S. 7 FPersG) ist der Unternehmer verpflichtet, die Aufzeichnungen wöchentlich, oder, im Falle der Verhinderung, sobald wie möglich zu prüfen und unverzüglich die Maßnahmen zu ergreifen, die notwendig sind, um die Beachtung der Sätze 1-6 zu gewährleisten. Wer als Unternehmer oder von diesem beauftragte Person (§ 9 Abs. 2 OWiG) eine Maßnahme nach S. 7 nicht oder nicht rechtzeitig ergreift, handelt ordnungswidrig im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 FPersG (§8 Nr. 2d FPersV).

Der Betroffene als Beauftragter der Deutschen Post AG hat bereits durch seinen Hinweis an den Fahrer Z1, formalisierte Aufzeichnungen über seine Arbeitszeit nicht anfertigen zu müssen, gegen seine Verpflichtungen aus § 6 Abs. 6 S. 7 FPersV a.F. verstoßen.

b) Der Betroffene kann sich nicht mit Erfolg auf die Vorschrift des Art. 4 Nr. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 berufen. Zwar greifen nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 FPersV die Pflichten aus § 6 Abs. 6 FPersV nicht bei Fahrzeugen, welche in Art. 4 Nrn. 4-13 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 genannt sind; nach Art. 4 Nr. 6 dieser Verordnung gilt diese u.a. nicht für Beförderungen mit Fahrzeugen, die von den zuständigen Stellen des Postsachenbeförderungsdienstes eingesetzt sind. Diese Voraussetzungen liegen indes im Falle der Deutschen Post AG nicht vor.

Allerdings ist unter dem Begriff des Postsachenbeförderungsdienstes grundsätzlich sowohl die Brief- als auch die Paketbeförderung zu verstehen (§ 4 Nr. 1 PostG), die Fahrzeuge der Deutschen Post AG sind jedoch, soweit sie Pakete befördern, nicht von der zuständigen Stelle im Sinne des Art. 4 Nr. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 eingesetzt. Hierunter fallen vielmehr nur Fahrzeuge, die im Rahmen einer im öffentlichen Interesse liegenden allgemeinen Dienstleistung, welche unmittelbar von einer Behörde oder unter ihrer Kontrolle von Privatunternehmen erbracht wird, eingesetzt werden (EUGHE 1996, S. 1601 ff = NStZ-RR 1996, 281). Dabei muss sich diese Kontrolle gerade auf die durch die Verordnung bezweckte Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Sicherheit im Straßenverkehr beziehen (BayObLG VRS 98, 313). Hiervon kann im Falle der Deutschen Post AG nicht ausgegangen werden. Diese ist zwar im Bereich des Postwesens Nachfolgerin der Deutschen Bundespost, bei ihr handelt es sich jedoch weder um eine Behörde noch steht sie, was die Ziele der Verordnung (EWG) Nr. 3820/05 anbelangt, unter behördlicher Kontrolle (Hein/Eichhoff/Pukall/Krien, Güterkraftverkehrsrecht, 3. Aufl., S. 110, Nr. 7).

Im übrigen hat jede Auslegung der Ausnahmevorschriften des Art. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/05 zu beachten, dass sie die Ziele dieser Verordnung nicht beeinträchtigt, welche zum einen darin liegen, die Arbeitsbedingungen und die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern, zum anderen aber auch, Ungleichheiten zu beseitigen, welche den Wettbewerb konkurrierender Unternehmen beeinträchtigen könnten (so die Präambel zu der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85). Die Deutsche Post AG besitzt lediglich noch im Bereich von Teilen der Brief- und Katalogbeförderung eine (zeitlich befristete) gesetzliche Exklusivlizenz (§ 51 PostG), während sie sich im Bereich der Paketbeförderung im Wettbewerb mit anderen Anbietern befindet. Soweit sie daher Pakete (allein oder neben Briefsendungen) befördert, erhielte sie gegenüber den Wettbewerbern im Bereich der Paketzustellung einen nicht gerechtfertigten Wettbewerbsvorteil, falls sie die Bestimmungen der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 im Gegensatz zu diesen nicht einhalten müsste, welcher bereits darin zu sehen wäre, dass sie ihre Fahrzeuge nicht mit den Kontrollgeräten versehen und diese auch nicht warten müsste. Die in Art. 4 Nr. 6 der VO (EWG) Nr. 3820/85 aufgeführten Ausnahmen sind vor dem Hintergrund der Ziele dieser Verordnung eng auszulegen. Die Ausnahmen in Art. 4 Nr. 6 dieser Verordnung beruhen allein auf der Art der betreffenden Dienste, danach sind allein im öffentlichen Interesse liegende Dienste privilegiert, nicht aber andere Tätigkeiten, auch wenn diese damit in Zusammenhang stehen (EUGH, Rechtssache C-116/91, British Gas, Urteil vom 25. Juni 1992, EUGHE 1992, 4071 ff, 4086 ff.; EUGH NStZ-RR 1996, 281 f.). Dies führt jedoch zu dem Ergebnis, dass sich die Deutsche Post AG zumindest im Bereich der Paketbeförderung nicht auf die Ausnahme des Art. 4 Nr. 6 der VO (EWG) Nr. 3830/85 berufen kann.

Soweit Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 festlegt, dass sich diese nicht auf Fahrzeuge bezieht, deren zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 t beträgt, kann der nationale Gesetz- und Verordnungsgeber hinsichtlich der Lenkzeiten etc. eigene Regelungen treffen (OLG Köln VRS 74, 390 ff.). Der deutsche Verordnungsgeber hat hiervon mit der Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1 FPersV a.F. Gebrauch gemacht.

c) Die Argumentation des Betroffenen, welche im wesentlichen auf die Sonderstellung der Deutschen Post AG abzielt, wonach diese im Zuge der Privatisierung Beamte der Deutschen Bundespost übernehmen musste, teilweise beliehener Unternehmer ist und eine flächendeckende Grundversorgung mit Postdienstleistungen an allen 6 Werktagen sicherstellen muss, greift demgegenüber nicht durch. Diese besonderen Umstände hat nämlich der Gesetzgeber im Zuge der Postreform bereits berücksichtigt.

Ziel der Postreform ist vor allem ein chancengleicher und funktionsfähiger Wettbewerb (Art. 87f GG; §§ 1, 2 Abs. 2 Nr. 2 PostG). Zwar unterliegt die Deutsche Post AG in bestimmten Dingen der Aufsicht der zuständigen Behörden (§ 3 BAPostG), diese Aufsicht bezieht sich aber gerade nicht auf eine Überwachung der Einhaltung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr. Die Deutsche Post AG stellt sich ihrer eigenen Satzung nach als ein Dienstleistungsunternehmen insbesondere für Kommunikation, Transport und Logistik dar, welches auch Produkte und Dienstleistungen auf Rechnung Dritter anbieten kann (§ 2 der Satzung, BGBl. I 1994, 2325 ff., 2343 ff.). Würde sie dabei im Gegensatz zu Wettbewerbern von bestimmten Sozialvorschriften im Straßenverkehr allgemein befreit, müsste dies auch für das Anbieten von Produkten und Dienstleistungen auf Rechnung Dritter gelten, damit aber zu einer Wettbewerbsverzerrung in diesen Bereichen führen. Die für die Deutsche Post AG geltenden Einschränkungen durch Beamte (Art. 143b Abs. 3 S. 1 GG) und in anderen Bereichen hat der Gesetz- und Verordnungsgeber bei der Entgeltregulierung bereits berücksichtigt (vgl. dazu §§ 20 Abs. 2 S. 2 PostG, 3 Abs. 4 PEntgV). Grundsätzlich richtet sich nämlich die Preisregulierung für Postdienstleistungen allein nach den Kosten einer effizienten Leistungsbereitstellung (§§ 20 I PostG, 5 PUDLV, 3 II PEntgV), Sonderregelungen in diesem Bereich wurden vor allem aus der Erkenntnis heraus geschaffen, dass eine solche Preisgestaltung allein den Sonderpflichten der Deutschen Post AG nicht ausreichend gerecht würde (vgl. Sedemund/v. Danwitz in Beck`scher PostG Kommentar, RdNr. 15 zu § 20 PostG). Auch die Einräumung von Exklusivrechten zugunsten der Deutschen Post AG sollte gerade eine Benachteiligung gegenüber hinzu kommenden Wettbewerbern verhindern (BVerfG NVwZ 2004, 329 ff.).

Auch im allgemeinen Straßenverkehr sind Sonderrechte, welche noch der Deutschen Bundespost zustanden, inzwischen gestrichen worden. So bestehen die Sonderrechte der Deutschen Bundespost, später allgemein der Postunternehmen, gemäß § 35 Abs. 7 StVO nicht mehr. Soweit die Deutsche Bundespost die Abgasuntersuchung für ihre Fahrzeuge früher selbst durchführen hatte können, wurde dies für die Fahrzeuge der Nachfolgeunternehmen bis längstens 31.12.1997 ermöglicht (§ 47a Abs. 8 S. 2 StVZO). Damit wird das Bemühen des Gesetz- und Verordnungsgebers, Sonderrechte der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost abzubauen, um diesen nicht Vorteile im Verhältnis zu den Mitbewerbern zu belassen, belegt. In der amtlichen Begründung zur Änderung des § 35 Abs. 7 StVO gemäß Verordnung vom 17.12.1997 (BTDrucks 13/8016 S. 34) lautet es daher u.a. "Mit Aufhebung der Monopole im Telekommunikationsbereich ist das in § 35 Abs. 7 StVO zugunsten der Deutschen Telekom AG statuierte Sonderrecht aus wettbewerbspolitischen Gründen nicht länger zu rechtfertigen. ... Vor der Poststrukturreform war die Beförderung von Postsendungen eine hoheitliche Aufgabe der damals bestehenden Deutschen Bundespost"... In der weiteren Begründung zur Beschlussempfehlung lautet es sodann (BTDrucks 13/8776 S. 41): "Aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit konnte es auch nicht bei der bisherigen alleinigen Berechtigung der Deutschen Post AG verbleiben, vielmehr erfasst die Vorschrift nunmehr potentiell alle Unternehmen, die Grundversorgungsleistungen nach dem PostG erbringen".

d) Eine andere Beurteilung wäre auch dann nicht gerechtfertigt, wenn andere Länder der Europäischen Union die Ausnahmeregelungen des Art. 4 Nr. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 auf ihre bereits privatisierten Postdienste noch anwenden sollten. In diesem Falle wäre es Sache der hierfür zuständigen Stellen, auf eine Gleichbehandlung innerhalb der Europäischen Union hinzuwirken. Auf eine Gleichbehandlung im Unrecht besteht jedenfalls kein Anspruch. Abgesehen davon verfolgt die Europäische Union gerade das Ziel einer Verwirklichung des Binnenmarktes im Postsektor innerhalb ihres Raumes. Dies ist ausdrückliche Zielsetzung der Richtlinie 97/67/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 (ABl. EG Nr. L 15 vom 21.01.1998, S. 14). Nach dieser Richtlinie (Art. 7 Abs. 3) entscheiden das europäische Parlament und der Rat über die weitere schrittweise und kontrollierte Liberalisierung des Marktes für Postdienste, insbesondere im Hinblick auf die grenzüberschreitende Post und Direktwerbung, dabei dürfen die Mitgliedstaaten ausdrücklich einen Fonds zur Sicherung der Universaldienste einrichten (Art. 9 Abs. 4), während die mit den Universaldiensten betrauten Unternehmen in ihrer Rechnungslegung zwischen den ihnen reservierten und nicht reservierten Bereichen trennen müssen (Art. 14), um nicht durch Quersubventionen vom reservierten zum nicht reservierten Bereich den Wettbewerb in letzterem zu beeinträchtigen (28. Begründungserwägung zur Richtlinie). Damit soll aber gerade in dem Bereich, für den keine Exklusivrechte festgelegt sind, innerhalb der Europäischen Union ein chancengleicher Wettbewerb ermöglicht werden.

e) Zutreffend ist das Amtsgericht auch von vorsätzlichem Handeln des Betroffenen ausgegangen. Der Betroffene hat den Fahrer Z1 in Kenntnis der grundsätzlichen Pflichten aus § 6 Abs. 6 FPersV a.F. bewusst davon abgehalten, die in dieser Vorschrift genannten Aufzeichnungen etc. zu führen. Der Verbotsirrtum des Betroffenen, welcher darin bestand, dass er der Auffassung war, dass zu Gunsten der Deutschen Post AG die Ausnahmevorschrift des Art. 4 Nr. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 eingreife, war nicht unvermeidbar, so dass der Vorsatz nicht entfiel. Nach eigenem Vortrag war dem Betroffenen bewusst, dass die Rechtslage obergerichtlich nicht geklärt war. Die von dem Betroffenen angeführte Auskunft der Europäischen Kommission an die Bundesregierung vom 12. September 1995 besagt lediglich, dass Art. 4 Nr. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 für alle Fahrzeuge gelte, welche die dort genannten Dienstleistungen im Interesse der Allgemeinheit erbringen, wobei es nicht darauf ankomme, ob es sich um behördliche oder private Fahrzeuge handele, geht aber nicht darauf ein, welche Leistungen der Postdienste noch hierunter fallen. Diese Auskunft liegt auch zeitlich vor der Richtlinie 97/67/EG und vor dem Inkrafttreten der Postreform II durch das Postgesetz vom 22.12.1997. Abgesehen davon hat gerade das Bundesministerium für Verkehr mit Schreiben vom 12. Februar 1998 an die Deutsche Post AG unter Hinweis auf die Entscheidung des EUGH vom 21. März 1996 (EUGHE 1996, 1601 ff.) die Auffassung vertreten, alle Fahrzeuge der Deutschen Post AG unterlägen in vollem Umfang den Sozialvorschriften der EG, weil diese ein privates Unternehmen sei und nicht der vom EUGH für erforderlich gehaltenen behördlichen Kontrolle unterliege. Der Betroffene durfte sich unter diesen Umständen in Kenntnis der rechtlichen Problematik nicht auf das Ergebnis eines von seinem Arbeitgeber eingeholten Rechtsgutachtens und auf verschiedene Urteile des Amtsgerichts Zehdenick, in welchen die Anwendbarkeit des Art. 4 Nr. 6 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 bejaht worden war, verlassen; er hätte vielmehr die bis zu diesem Zeitpunkt einzige ergangene obergerichtliche Entscheidung (BayObLG, Beschluss vom 30.12.1999, VRS 98, 313), in welcher, wenn auch für einen Subunternehmer der Deutschen Post AG, eindeutig ausgeführt worden war, dass sich die Deutsche Post AG im Bereich der Paketbeförderung nicht mehr auf Art. 4 Nr. 6 der VO (EWG) Nr. 3820/85 berufen könne, berücksichtigen müssen und können, zumal sich die einschlägige Kommentarliteratur einhellig in gleicher Weise geäußert hatte.

f) Auch die Höhe der festgesetzten Geldbuße ist nicht zu beanstanden. Innerhalb des Bußgeldrahmens hat das Tatgericht die Leitgesichtspunkte des § 17 Abs. 3 OWiG berücksichtigt und dabei zutreffend neben der großen Bedeutung der Ordnungswidrigkeit berücksichtigt, dass der Betroffene zwar vorsätzlich handelte, jedoch der Auffassung war, sich richtig zu verhalten. Angesichts der festgestellten monatlichen Nettoeinkünfte in Höhe von 3.300 € ist der Betroffene hinsichtlich der festgesetzten Geldbuße in Höhe von 300 € ohne weiteres als leistungsfähig anzusehen.

2. Einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EUGH) bedurfte es nicht. Allerdings steht dem EUGH die verbindliche Auslegung des Rechts der Europäischen Gemeinschaften zu (Art. 234 Abs. 1 EGV), so dass ein nationales Gericht, dessen Entscheidung mit Rechtsmitteln nicht mehr angefochten werden kann, in einer solchen Frage auch zur Anrufung des Europäischen Gerichtshofes verpflichtet sein kann (Art. 234 Abs. 3 EGV), wobei es im Falle eines Unterlassens u.U. gegen das Gebot des gesetzlichen Richters verstößt (BVerfG NJW 2001, 1267 f.). Eine Vorlage an den EUGH kann jedoch unterbleiben, wenn die vom nationalen Gericht beabsichtigte Auslegung der betreffenden Regelung derjenigen des EUGH in einem anderen Verfahren entspricht (BGHSt VRS 68, 313 ff.). Der innere Grund für eine Vorabentscheidung des EUGH kann insbesondere entfallen, wenn die gestellte Frage bereits in einem gleich gelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung war (EuGHE 1963, 63 ff, 68, 80 ff; EUGHE 1982, 3415 ff, 3427 ff.). Dabei hat allein das betreffende nationale Gericht zu beurteilen, ob die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrecht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt, und kann demgemäß davon abzusehen, dem EUGH eine vor ihm aufgeworfene Frage der Auslegung des Gemeinschaftsrechts vorzulegen (EUGHE 2001, 4109 ff. unter Hinweis auf das Urteil des EUGH vom 06.10.1982 in der Rechtssache 283/81). Ein solcher Fall ist vorliegend gegeben.

Zwar ist eine ausdrückliche Entscheidung des EUGH zur Auslegung des Art. 4 Nr. 6 VO (EWG) Nr. 3820/85 in Bezug auf die hier zu beurteilende Frage der Postsachenbeförderung noch nicht ergangen. In der vom EUGH am 25.06.1992 entschiedenen Rechtssache C-116/91 ging es um die Tätigkeiten von ..., welches ein Leitungsnetz für Gas betreibt und in diesem Zusammenhang über das ausschließliche Recht verfügt, Gas über Leitungen auf bestimmte Grundstücke zu liefern, welches aber auch im Wettbewerb mit anderen Unternehmen Gasgeräte veräußert. Der EUGH (EUGHE 1992, 4071 ff, 4086 ff.) hat für diesen Fall entschieden, dass die Ausnahme des Art. 4 Nr. 6 der VO (EWG) Nr. 3820/85 nicht für solche Fahrzeuge gelte, welche ganz oder teilweise zur Beförderung von Gasgeräten verwandt würden. Dem entspricht jedoch die vorliegende Fallkonstellation völlig, denn auch die Deutsche Post AG verfügt lediglich noch in einem Teilbereich der Brief- und Katalogbeförderung über eine - zeitlich befristete - gesetzliche Exklusivlizenz (§ 51 PostG), während sie im Bereich der Paketbeförderung im Wettbewerb mit anderen Unternehmen steht. Ein vernünftiger Zweifel an der Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf den vorliegenden Fall besteht daher nicht. Die vom Senat vertretene Auffassung entspricht daneben auch der einhelligen Meinung in der Literatur (Hein/Eichhoff/Pukall/Krien a.a.O.; Rang in Frohnmeyer/Mückenhaus, EG-Verkehrsrecht, LZ 71, RdNr. 23; Mindorf, Sozialvorschriften, Lenk- und Ruhezeiten im Straßenverkehr, 2002, S. 220; Schulz in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, RdNr. 9 zu Art. 4 Verordnung (EWG) Nr. 3820/85) und der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung (BayObLG a.a.O.).

Auch für eine Vorlage an den Bundesgerichtshof nach § 121 Abs. 2 GVG sind die Voraussetzungen nicht gegeben.

Eine Abweichung zu der Entscheidung des OLG Zweibrücken vom 02.02.1988 (VRS 95, 145 ff.) besteht nicht, da die Entscheidung der hier maßgeblichen Rechtsfrage dort offen gelassen wurde und auch nicht entscheidungserheblich war.

Demgegenüber hat das BayObLG (VRS 98, 313 ff.) über die maßgebliche Rechtsfrage in gleicher Weise wie der Senat entschieden.

III.

Die Rechtsbeschwerde war daher mit der Kostenfolge aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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