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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 10.01.2003
Aktenzeichen: 2 U 207/99
Rechtsgebiete: ABGB


Vorschriften:

ABGB § 9
Zur Frage der Wirksamkeit einer AGB-Klausel des Leasinggebers, in der die Gefahr des zufälligen Untergangs des Leasingguts (hier: PKW) auf den Leasingnehmer abgewälzt worden ist, ohne dass der Leasinggeber sich nicht auch verpflichtet hat, ihm etwaige Ansprüche aus der Verletzung seines Eigentums an der Leasingsache abzutreten. Zur Klärung dieser Frage ist die Revision zugelassen worden.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 U 207/99

Verkündet am 10.1.2003

In dem Rechtsstreit

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 2. Zivilsenat - durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.09.2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Limburg a. d. Lahn - 2. Zivilkammer - vom 22.09.1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung fallen der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 30.000,- EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin als Leasinggeberin verlangt von der Beklagten als Leasingnehmerin nach Kündigung eines Leasing Vertrags wegen (angeblichen) Diebstahls des Leasingfahrzeugs entsprechend Nr. XV ihrer AGB (Bl. 20 d.A.) Erfüllung des sich nach ihrer Abrechnung ergebenden Ausgleichsanspruchs.

Die AGB der Klägerin enthalten unter Nr. X "Versicherungsschutz und Schadenabwicklung" u. a. folgende Regelungen (Bl. 19 d.A.):

"1. Für die Leasingzeit hat der Leasingnehmer eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung mit einer pauschalen Deckungssumme von DM 2 Mio. und eine Fahrzeugvollversicherung mit einer Selbstbeteiligung von höchstens DM 2.000,- abzuschließen. Der Leasingnehmer ermächtigt den Leasinggeber und die BMW Bank GmbH, einen Sicherungsschein bezüglich der Fahrzeugvollversicherung zu Gunsten der BMW Immobilien Vermietung GmbH zu beantragen und Auskunft über die vorgenannten Versicherungsverhältnisse einzuholen ...

4. Der Leasingnehmer ist auch über das Vertragsende hinaus - vorbehaltlich eines Widerrufs durch den Leasinggeber - ermächtigt und verpflichtet, alle fahrzeugbezogenen Ansprüche aus einem Schadenfalls im eigenen Namen und auf eigene Kosten geltend zu machen. Zum Ausgleich des Fahrzeugschadens erlangte Beträge hat der Leasingnehmer im Reparaturfall zur Begleichung der Reparaturrechnung zu verwenden.

5. Entschädigungsleistungen für Wertminderung sind in jedem Fall an den Leasinggeber weiterzuleiten

6. Bei Totalschaden oder Verlust des Fahrzeugs kann jeder Vertragspartner den Leasingvertrag zum Ende eines Vertragsmonats kündigen. ..."

Nr. XI 1 der AGB der Klägerin lautet wie folgt:

"Für Untergang, Verlust, Beschädigung und Wertminderung des Fahrzeugs und seiner Ausstattung haftet der Leasingnehmer dem Leasinggeber auch ohne Verschulden, jedoch nicht bei Verschulden des Leasinggebers. Dem Leasingnehmer steht jedoch das in X. 6 geregelte Kündigungsrecht zu."

Aufgrund der Diebstahlsanzeige der Beklagten kündigte die Klägerin gemäß Nr. X 6 ihrer AGB den Leasingvertrag. Ihren Ausgleichsanspruch gegen den Beklagte hat sie auf 36.568,60 DM beziffert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 137- 139d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte, die gemäß Nr. X 1 der AGB der Klägerin eine Kaskoversicherung für das Leasingfahrzeug abgeschlossen hatte, hat den Kaskoversicherer wegen des Verlusts des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Ihre Berufung gegen das klageabweisende Urteil hat das OLG Frankfurt am Main - 3. Zivilsenat - vom 02.05.2002 zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat - wie auch schon die Vorinstanz - ausgeführt, der Kaskoversicherer sei leistungsfrei geworden, da die Beklagte die sie nach dem Versicherungsvertrag treffenden Obliegenheiten dadurch verletzt hat, dass sie in ihrer Schadensanzeige nicht offenbart habe, dass sie das später - angeblich - gestohlene Fahrzeug einem Dritten zu einer Fahrt nach Tschechien überlassen habe. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt, über die bislang nicht entschieden worden ist.

Das Landgericht hat der Klage unter Abweisung im übrigen in Höhe von 35.623,55 DM nebst Zinsen und Mahnkosten stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Regelungen in den AGB der Klägerin zur Überwälzung der Sachgefahr auf den Leasingnehmer seien wirksam, weswegen der Klägerin der geltend gemachte Ausgleichsanspruch - neben der bis zum Ausspruch der Kündigung fällig gewordenen Leasingrate nebst Verzugszinsen und sonstigen Mahnkosten - auch im Falle des Diebstahls des Fahrzeugs zustehe.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils (Bl. 139 - 143 d.A.) Bezug genommen.

Gegen das ihr am 29.09.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.10.1999 Berufung eingelegt, die sie nach Verlängerung der Begründungsfrist bis 29.12.1999 am 28.12.1999 begründet hat.

Die Beklagte behauptet auch weiterhin, dass das Leasingfahrzeug am 31.01.1996 gestohlen worden sei. Sie ist zum einen der Ansicht, dass die Abwälzung der Sachgefahr auf den Leasingnehmer im Falle des unverschuldeten Untergangs des Leasingfahrzeugs - hier infolge Diebstahls - in Nr. X 1 der AGB der Klägerin unwirksam sei, da in den AGB nicht geregelt sei, dass dem Leasingnehmer die Leistungen aus der Kaskoversicherung anzurechnen seien.

Zum anderen hat sie die Auffassung vertreten, dass ein Zahlungsanspruch der Klägerin jedenfalls so lange nicht fällig sei, als der Deckungsschutzprozess zwischen ihr und der Kaskoversicherung nicht abgeschlossen sei.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags. Insbesondere tritt sie der Auffassung der Beklagten zur Unwirksamkeit der Haftungsabwälzungsklausel in ihren AGB sowie zur mangelnden Fälligkeit der Ausgleichszahlung entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vertrags der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Entscheidungsgründe:

Die an sich statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518, 519 ZPO a.F.). Das somit zulässige Rechtsmittel hat indessen in der Sache keinen Erfolg.

Soweit die Beklagte mit der bis zur Kündigung der Klägerin fällig gewordenen Leasingrate für Februar 1996 in Rückstand geraten war, steht ihre Zahlungspflicht außer Frage. Hiergegen wendet sie sich auch nicht. Der Klägerin steht gegen sie aber auch der vom Landgericht ermittelte Ausgleichsanspruch nach erfolgter Kündigung des Leasingvertrags zu, da der Leasingnehmer nach Nr. XI ihrer AGB die Sachgefahr auch bei einem von ihm nicht zu vertretenden Verlust des Fahrzeugs - hier des behaupteten Diebstahls- zu tragen hat. Bedenken gegen die Wirksamkeit dieser Gefahrtragungsklausel bestehen nicht.

Allerdings wird allgemein die Verlagerung der Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer nur dann als angemessen im Sinne von § 9 AGBG angesehen, wenn dem Leasingnehmer zum Ausgleich alle Ersatz- und Versicherungsansprüche des Leasinggebers abgetreten werden. Die Frage, ob der Leasinggeber in seinen AGB die Sachgefahr nur dann wirksam auf den Leasingnehmer abwälzen kann, wenn er sich darin gleichzeitig verpflichtet, etwaige von der Versicherung erhaltene Ersatzleistungen auf die vom Leasingnehmer nach Vertragsbeendigung geschuldete Ausgleichszahlung anzurechnen, ist- soweit ersichtlich - bislang höchstrichterlich nicht entschieden worden. Von der hierzu veröffentlichten Rechtsprechung der Oberlandesgerichte wie auch der Kommentarliteratur wird sie durchweg bejaht (OLG Hamburg MDR99, 420; OLG Düsseldorf, ZIP 83, 1092; Graf von Westphalen, Der Leasingvertrag, 5. Aufl., Rn. 930; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 7. Aufl., Rn. 1117; Wolf/Horn/Ündacher, AGBG, Rn. L 40). Dies wird damit begründet, dass die Verlagerung der Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer nur dann als angemessen im Sinne von § 9 AGBG angesehen werden kann, wenn dem Leasingnehmer als Ausgleich alle Ersatz- und Versicherungsansprüche des Leasinggebers abgetreten werden. Dem liegt jedoch der Sachverhalt zugrunde, dass der Leasinggeber sich die Ansprüche aus der Kaskoversicherung vom Leasingnehmer als dem Versicherungsnehmer hat abtreten lassen. Um einen solchen Fall handelt es sich hier indessen nicht. Denn die AGB der Klägerin - insbesondere die Bestimmungen über "Versicherungsschutz und Schadenabwicklung" in Nr. X ihrer AGB- enthalten eine solche Abtretung nicht.

Zwar trifft den Versicherungsnehmer nach Nr. X 1 der AGB die Verpflichtung, für das Leasingfahrzeug eine Kaskoversicherung abzuschließen. Es handelt sich dabei um eine Versicherung für fremde Rechnung im Sinne von § 74 VVG, mit der das Sachinteresse des Leasinggebers an der Leasingsache versichert ist. Dies ändert indessen nichts daran, dass allein der Versicherungsnehmer - hier also der Leasingnehmer - allein berechtigt ist, über die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zu verfügen und sie gerichtlich geltend zu machen (Prölss/Martin, VVG, § 75 Anm. 3).

Etwas anderes mag zwar dann gelten, wenn dem Leasinggeber ein Sicherungsschein erteilt worden ist, wonach diese allein zur Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag befugt ist. Nach Nr. X 1 ihrer AGB war die Klägerin berechtigt, die Erteilung eines solchen Sicherungsscheins zu beantragen. Von diesem Recht hat sie indessen nicht Gebrauch gemacht. Ob die Klägerin, wie die Beklagte unwidersprochen behauptet, im Besitz des Versicherungsscheins ist, ist unerheblich. Versicherungsschein und Sicherungsschein sind nicht identisch. Der Besitz des Versicherungsscheins gibt dem Versicherten nach § 75 Abs. 2 VVG ohne Zustimmung des Versicherungsnehmers nicht das Recht, die Ansprüche wegen Verlustes der versicherten Sache gerichtlich geltend zu machen.

Allerdings könnte die AGB-mäßige Abwälzung der Sachgefahr auf den Leasingnehmer nur dann wirksam sein, wenn der Leasinggeber sich auch verpflichtet, etwaige Ansprüche aus der Verletzung seines Eigentums an der Leasingsache an den Leasingnehmer abzutreten. Eine derartige Regelung ist in den AGB der Klägerin nicht enthalten. Hieraus ergibt sich nach Ansicht des Senats indessen nicht die Unwirksamkeit der Gefahrtragungsklausel.

Zwar wird in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur teilweise die Überbürdung der Sach- und Preisgefahr auf den Leasingnehmer nur dann als "AGB-fest" angesehen, wenn ihm alle Ersatzansprüche des Leasinggebers, also auch solche aus Verletzung seines Eigentums an dem Leasinggut nach § 823 BGB abgetreten werden oder insoweit eine Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch des Leasinggebers angeordnet wird, wobei die Abtretung oder Anrechnung aller Ersatzansprüche in den AGB selbst vorgesehen sein muss, da eine solche Regelung nicht wegen Selbstverständlichkeit entbehrlich ist (so OLG Düsseldorf, ZIP 83, 1092, 1093; wohl auch OLG Hamburg MDR99, 420; Wolf/Horn/Ündacher, § 9 AGBG, L 40; Reinking/Eggert, Rn. 117). Demgegenüber wird in der Kommentarliteratur auch die Auffassung vertreten, der Leasinggeber sei in den Fällen, wo es um Schadensersatzansprüche wegen Verletzung seines Eigentums geht (§ 823 Abs. 1 BGB), nicht verpflichtet, in den Leasing-AGB zu bestimmen, dass auch eine solche Ersatzleistung auf seinen Schadensersatzanspruch angerechnet wird (so Graf von Westphalen, Rn. 941, 942). Dies wird damit begründet, dass diese Anrechnung eine Selbstverständlichkeit ist, die sich aus dem Rechtsgedanken des § 255 BGB ableiten lässt.

Dem schließt der Senat sich an.

Der Berechnung des Ausgleichsanspruchs der Klägerin, wie er vom Landgericht vorgenommen worden ist, ist die Beklagte nicht entgegengetreten.

Der sie danach treffenden Zahlungspflicht kann die Beklagte nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass sie erst nach erfolgloser Inanspruchnahme der Kaskoversicherung fällig wird.

Wie der BGH in BGHZ 116, 278 ausgeführt hat, ist der Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens des Leasinggebers und damit auch dessen Ausgleichsanspruch nach Kündigung aufgrund Verlustes des Leasingfahrzeugs im Falle der erfüllungshalber erfolgten Abtretung der Ansprüche des Leasingnehmers aus der Kaskoversicherung zwar erst dann fällig, wenn er seine Sachwertansprüche erfolglos gegenüber der Versicherung geltend gemacht hat. Im Streitfall ist eine solche Forderungsabtretung indessen nicht erfolgt. Eine entsprechende Regelung ist in den AGB der Klägerin - wie ausgeführt - nicht enthalten.

Die Beklagte hat die Kosten ihrer Berufung zu tragen, da das Rechtsmittel keinen Erfolg hat (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision gegen dieses Urteil war deswegen zuzulassen, weil die Frage, ob die formularmäßige Abwälzung der Sachgefahr auf den Leasingnehmer auch ohne Abtretung der aus der Verletzung des Eigentums des Leasinggebers an dem Leasinggut hergeleiteten Schadensersatzansprüche (§ 823 BGB) wirksam ist, bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist.

Ende der Entscheidung

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