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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 10.06.2005
Aktenzeichen: 2 U 208/03
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 311 II
Bei Abschluss eines Sozietätsvertrages muss ein Rechtsanwalt auf Krankheiten hinweisen, die zu vorzeitiger Berufsunfähigkeit führen können.
Gründe:

I.

Die Parteien waren in einer überörtlichen Sozietät verbundene Rechtsanwälte.

Der Kläger, der an chronisch fortschreitender ... erkrankt ist, nimmt die Beklagten in Anspruch auf Zahlung einer Abfindung auf der Grundlage des Sozietätsvertrages.

Der Kläger, seit 198... als Anwalt zugelassen, betrieb in O1 eine Anwaltskanzlei, in welcher der Beklagte zu 2) ab 1992 zunächst als Angestellter arbeitete. Der Beklagte zu 1), seit 198... als Rechtsanwalt zugelassen, betrieb in den gleichen Räumlichkeiten eine eigene Kanzlei in Bürogemeinschaft mit dem Kläger.

An der Kanzlei in O1 waren zwei weitere, später ausgeschiedene Rechtsanwälte in Bürogemeinschaft beteiligt, ebenso bestand eine Bürogemeinschaft mit der Ehefrau des Klägers, einer ....

Der Kläger, der gleichzeitig Fachanwalt für ... war, und der Beklagte zu 2) gründeten sodann eine zweite Kanzlei in O2, die sie in Sozietät betrieben.

Unter dem ...7.1993 schlossen die Parteien einen Sozietätsvertrag (Bl. 28ff d. A.) über die Kanzleien in O1 und O2, nach dessen § 9 einem ausscheidenden Gesellschafter folgende Ansprüche zustehen sollten:

- der Anteil am Sachvermögen, welches unwiderlegbar mit 15 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes der letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre festgelegt wurde;

- der Anteil an ausstehenden Honoraren, der unwiderleglich mit 2,5 durchschnittlichen Monatsumsätzen des letzten abgeschlossenen Jahres festgesetzt wurde;

- im Falle eigener Kündigung, ordentlicher Kündigung durch die Sozietät oder Krankheit - sofern binnen drei Jahren keine Tätigkeit als Anwalt im gleichen OLG-Bezirk oder eine vergleichbare Tätigkeit (z. B. als Versicherungs- oder Wirtschaftsjurist oder Konkursverwalter) ausgeübt wurde - der Anteil am Goodwill der Kanzlei, der unwiderleglich auf 20%, für den Kanzleigründer 60 %, des durchschnittlichen Jahresumsatzes, bemessen an den letzten drei Jahren.

Bei außerordentlicher fristloser Kündigung oder eigener Kündigung sollte dem Ausscheidenden kein Anspruch auf Zahlung für den Goodwill zustehen.

Auf den weiteren Inhalt des Sozietätsvertrages vom ...7.1993 (Bl.28-39 d. A.) wird Bezug genommen.

Der vom Kläger im ersten Rechtszug zunächst vorgelegte angebliche Sozietätsvertrag vom ...7.1997 (Bl. 16-27 d. A.), der den Anteil an ausstehenden Honoraren mit 3,5 % durchschnittlichen Monatsumsätzen bewertete, ist unstreitig ein vom Kläger hergestellter und mit Unterschriftsstempeln abgestempelter Entwurf, den die Beklagten nicht unterschrieben haben.

Für die Aufnahme in die Sozietät erhielt der Kläger vom Beklagten zu 1) zuvor 250.000,- DM, wovon der Beklagte zu 2) nichts erfuhr.

Die Sozietät der Parteien wurde zuletzt in zwei Teilkanzleien in O3 und O2 betrieben, wobei der Beklagte zu 1) beim Landgericht O1, der Kläger und der Beklagte zu 2) beim Landgericht O4 und am ... Oberlandesgericht zugelassen waren.

Der Kläger erklärte mit an den Beklagten zu 1) gerichtetem Schreiben vom 1.1.1998, auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages vom ...7.1997 kündige er die Gesellschaft in Form der Sozietät zum ...6.1998 auf, da seine Bemühungen, die Effizienz und Qualität der Arbeit des Beklagten zu 1) zu steigern, gescheitert seien.

Mit Schreiben vom 13.4.1998 bestätigten die Beklagten den Erhalt des Kündigungsschreibens und schlugen die Umwandlung der Sozietät in eine Bürogemeinschaft vor.

Dies lehnte der Kläger mit Schreiben vom ...4.1998 ab und verlangte eine vollständige Trennung.

Am ...4.1998 verzichtete der Kläger in einem Schreiben an den Präsidenten des ... Oberlandesgerichts auf seine Rechte aus der Zulassung als Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen. Eine Kopie hiervon übermittelte er den Beklagten. Im ... 1998 wurde der Kläger aus der Anwaltsrolle gestrichen.

Die Beklagten kündigten dem Kläger fristlos mit Schreiben vom ...5.1998 wegen Verlustes von dessen Anwaltszulassung.

In einem Aktenvermerk vom ...6.1998 bot der Kläger den Beklagten an, bestimmte Mandate gegen Teilung der Gebühren weiterzubearbeiten.

Am ...6.1998 kündigte der Kläger als Vermieter den Mietvertrag mit der Sozietät über die Büroräume in O3.

Die Beklagten verlegten die Teilkanzlei daraufhin zurück nach O1, schlossen diese später allerdings mangels wirtschaftlichen Erfolges. Sie betreiben heute noch die Sozietät mit Sitz in O2.

Der Kläger berechnete mit Schreiben vom ...8.1998 sein Auseinandersetzungsguthaben mit 681.928,- DM (Bl. 122, 123 d. A.) auf der Grundlage der Gewinnermittlungen der Sozietät für 1995, 1996 und 1997 (Bl. 124ff d. A.), die von seiner als ... tätigen Ehefrau aufgestellt wurden. Auf den näheren Inhalt dieser Berechnung und der Gewinnermittlungen wird verwiesen.

Im ersten Rechtszug hat der Kläger vorgetragen, der Sozietätsvertrag sei nicht durch Kündigung, sondern durch sein krankheitsbedingtes Ausscheiden beendet worden.

Die Beklagten hätten spätestens seit 1994, als der Kläger wegen der diagnostizierten ... mehrere Wochen in einer ... Klinik gewesen sei, von der unheilbaren schweren Krankheit erfahren, die auch sichtbar gewesen sei. Seit Herbst 1997 sei es zu einer Verschlechterung der Symptome gekommen. Der Kläger hat hierzu ein für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte bestimmtes Gutachten des Zeugen Z1 vom ...3.1998 vorgelegt (Bl. 265ff d. A.), von dem allerdings die Seite 9 durch eine offensichtlich nicht zum Gutachten gehörende Seite ersetzt ist. Die richtige Seite 9 wurde von dem Zeugen Z1 anlässlich seiner Vernehmung vorgelegt (Bl. 669 d. A.). Aus ihr ergibt sich, dass bereits 1985 zweifelsfrei die Diagnose ... bestand.

Auf den weiteren Inhalt des Gutachtens wird verwiesen.

Der Kläger trägt weiter vor, die Beklagten hätten auch ein Verfahren des Klägers vor dem Sozialgericht geführt (Bl. 672ff d. A.).

Die Kanzlei sei allein vom Kläger gegründet worden. Dieser habe auch 60 % des Umsatzes erwirtschaftet, woraus die unterschiedliche Verteilung des prozentualen Anteils am Goodwill resultiere. Die Beklagten versuchten, den Kläger als ehemaligen Hauptleistungsträger der Sozietät um seine berechtigte Abfindung zu bringen.

Zur Widerklage hat der Kläger vorgetragen, die Gesellschaft sei nicht auseinandergesetzt. Es sei nicht ersichtlich, dass den Beklagten, die ihm seinen Ausgleichsanspruch vorenthielten, das Guthaben auf dem Konto allein zustünde.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 358.056,48 € abzüglich 76.693,78 € anerkannter Verbindlichkeiten nebst 4 % seit Rechtshängigkeit bis zum 31.5.2000 sowie 5 % Zinsen über dem Leitsatz der Europäischen Zentralbank seit dem 1.6.2000 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen;

widerklagend haben sie beantragt,

den Kläger zu verurteilen, gegenüber der A...bank, , O5, seine Zustimmung zur Auflösung des bei der A...bank, Filiale O2, geführten Kontos Nr. ... und die Freigabe des von der A...bank vom vorgenannten Konto auf ein Sparkonto transferierten Guthabens in Höhe von 22.420,35 DM zugunsten der Beklagten zu erklären;

im Wege der Hilfswiderklage:

den Kläger zu verurteilen, an sie in das Gesellschaftsvermögen der GbR B und C, O2,

1. 26.001,95 € (= 50.885,39 DM)

2. weitere 24.830, - €

3. weitere 26.299,22 €,

4. weitere 63.911,49 € sowie

5. weitere 4.754,23 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, dem Kläger stehe weder ein Abfindungsanspruch zu, wenn er aufgrund eigener Kündigung, noch wenn er durch fristlose Kündigung aus der Sozietät ausgeschieden sei.

Die Beklagten haben vorgetragen, der Kläger habe erstmals in dem vorliegenden Rechtsstreit eingeräumt, an ... zu leiden, was er in der Vergangenheit stets schroff in Abrede gestellt habe. Er habe stattdessen behauptet, die offenkundige Behinderung von ... und ... sei auf eine Lähmung nach einer ... in der Vergangenheit aufgetreten.

Alle Parteien seien gemeinsam Kanzleigründer gewesen.

Der Kläger habe 1993 den Sozietätsvertrag in Kenntnis seiner schweren Erkrankung geschlossen, um sich einen Abfindungsanspruch zu verschaffen.

Der geltend gemachte Abfindungsanspruch, berechnet aus dem Umsatz, stehe in auffälligem Missverhältnis zu den erwirtschafteten Gewinnen der Kanzlei. Der Kläger hätte bis zum 73. Lebensjahr arbeiten müssen, um einen vergleichbaren Verdienst auf der Grundlage der gemeinsam erwirtschafteten Gewinne zu erzielen.

Der Umsatz sei von den Sachbearbeitern, nicht vom Akquisiteur erwirtschaftet.

Dass die meisten Einnahmen aus Mandaten des Klägers resultierten, erkläre sich im übrigen daraus, dass der Kläger eingehende Neumandate auf seinen Namen habe eintragen lassen, die Geschäfte dann jedoch anteilig auf die Beklagten verteilt habe, so dass diese die Gebühren erwirtschaftet hätten, ohne dass dies durch Umtragung berücksichtigt worden sei.

Im übrigen stehe dem Kläger ein Anspruch auf Zahlung für den Goodwill nicht zu, da dieser im Bezirk des ... Oberlandesgerichts eine Unternehmensberatung eröffnet habe, die auch Rechtsberatung betreibe.

Der Kläger sei 199... anschließend als Unternehmensberater in O2 tätig gewesen.

Darüber hinaus habe der Kläger jahrelang persönliche Verbindlichkeiten von den Konten der Sozietät beglichen. Unstreitig wurden die Beiträge des Klägers zum Versorgungswerk der Rechtsanwälte vom Sozietätskonto abgebucht, nach der Berechnung der Beklagten 99.410,40 DM. Um diesen Betrag sei der Kläger ungerechtfertigt bereichert, mit dem Rückforderungsanspruch rechnen die Beklagten auf.

Seit Frühjahr 1997 habe der Kläger zunehmend Entnahmen in der Kanzlei in O3 getätigt. Zwischen 1995 und 1997 habe der Kläger einschließlich der Zahlung für eine private ... 16.623,23 DM entnommen, die Beklagten dagegen nur jeweils 1.154,22 DM.

Er habe auch die Zinsen und Tilgung eines privaten Darlehens vom Sozietätskonto abbuchen lassen.

Der Kläger habe in vielfacher Hinsicht gegen nachwirkende Treuepflichten verstoßen und zwar durch die Fälschung des Sozietätsvertrages, um seine Abfindung zu erhöhen, durch haltlose Beschuldigungen der Beklagten vor der Rechtsanwaltskammer, durch Nichtfreigabe der Sozietätskonten und Verweigerung der Mitwirkung bei der Auszahlung von Mandantengeldern.

Mit Schriftsatz vom 5.3.2001 (Bl. 436 d. A.) haben die Beklagten die Anfechtung des Sozietätsvertrages erklärt aufgrund einer Besprechung vom 28.2.2001 mit dem ehemaligen, im Jahr 1991 ausgeschiedenen Sozius des Klägers, dem Zeugen Z2, der mitgeteilt habe, der Kläger habe ihn im Jahr 1988 unterrichtet, er leide unter ..., der Zeuge Z2 solle darüber jedoch Stillschweigen bewahren. Im Sozietätsvertrag mit dem Zeugen Z2 sei demzufolge für den Fall der Verschlimmerung der Krankheit vereinbart worden, dass der Zeuge die Hauptarbeit in der Kanzlei übernehme bei gleichem Entnahmerecht.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Fragen, ob die Verdachtsdiagnose ... den Beklagten bekannt war und ob der Kläger 1988 den Zeugen Z1 über seine Erkrankung informiert und um Stillschweigen gebeten habe, durch Vernehmung der Zeugen D, E und F, Z4, G, Z1, Z2 und H gemäß Beweisbeschluss vom 8.8.2001 (Bl. 582ff d. A.), vom 30.8.2001 (Bl. 654 d. A.), vom 3.9.2001 (Bl. 704ff d. A.) und vom 23.1.2002.

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschriften der öffentlichen Sitzungen vom 30.8.2001 (Bl. 643ff d. A.) und 17.4.2002 (Bl. 762ff d. A.) verwiesen.

II.

Das Landgericht Gießen hat in anderer Besetzung durch Urteil vom 7.8.2003 (Bl. 915ff d. A.) die Klage abgewiesen.

Auf die Widerklage hat es den Kläger verurteilt, gegenüber der A...bank, , O5, seine Zustimmung zur Auflösung des bei der A...bank, Filiale O2, geführten Kontos Nr. ... und die Freigabe des von der A...bank vom vorgenannten Konto auf ein Sparkonto transferierten Guthabens in Höhe von 22.420,35 DM zugunsten der Beklagten zu erklären.

Es hat ausgeführt, die bestehenden Ausgleichsansprüche aus § 9 Nr. 1 des Sozietätsvertrages seien durch die anerkannten Verbindlichkeiten bereits aufgezehrt.

Dem Kläger stehe ein Ausgleichsanspruch für den Goodwill nach § 9 Ziffer 2 des Sozietätsvertrages nicht zu, weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für die Kammer nicht zweifelhaft sei, dass der Kläger die Beklagten nicht über seine Krankheit ... aufgeklärt habe, obwohl sich aus der Aussage des Zeugen Z2 ergebe, dass dem Kläger seine gesundheitliche Situation bekannt war.

Den Beklagten stehe insoweit ein Schadenersatzanspruch aus culpa in contrahendo zu, von den Verpflichtungen aus der Goodwill-Vereinbarung befreit zu werden.

Der Kläger könne hinsichtlich der Widerklage als ausgeschiedener Gesellschafter am Aktivgeschäft der Gesellschaft nicht mehr teilhaben, weshalb es ihm verwehrt sei, Vermögen der Gesellschaft zu blockieren. Er sei vielmehr auf seine Ausgleichsansprüche zu verweisen.

Auf die weitergehenden Entscheidungsgründe wird verwiesen.

III.

Gegen dieses Urteil, welches dem Kläger am 19.8.2003 (Bl. 932 d. A.) zugestellt wurde, hat dieser am 12.9.2003 (Bl. 940 d. A.) Berufung eingelegt, die nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.12.2003 (Bl. 956 d. A.) am 19.12.2003 begründet worden ist (Bl. 957 d. A.).

Mit der Berufung verfolgt der Kläger wie im ersten Rechtszug den geltend gemachten Anspruch auf Abfindungszahlung sowie die Abweisung der Widerklage weiter.

Der Kläger rügt sowohl eine Rechtsverletzung bei der Bewertung der festgestellten Tatsachen als auch eine fehlerhafte Würdigung der Beweise.

Das Landgericht habe eine vorvertragliche Aufklärungspflicht angenommen, die nicht bestehe.

Mit Schriftsatz vom 27.9.2004 trägt der Kläger vor, die Beweiswürdigung sei von drei Richtern vorgenommen worden, von denen keiner die Zeugen gehört habe. Die Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme sei im vorliegenden Fall unverzichtbar, da es auf Nuancen und den persönlichen Eindruck der Zeugen ankomme.

Sofern eine Aufklärungspflicht bestehe, sei sie nicht verletzt worden, da der Kläger erst Ende 1997 eine verbindliche Diagnose erhalten habe, dass er an ... leide. Außerdem treffe die Beklagten ein erhebliches Mitverschulden, da die Behinderung des Beklagten erkennbar gewesen sei. Ein Schaden sei nicht entstanden. Ein Ersatzanspruch sei jedenfalls verwirkt.

Dem Kläger stehe wegen des offenen Abfindungsanspruchs ein Zurückbehaltungsrecht hinsichtlich Ansprüchen der Beklagten auf Freigabe von Konten zu.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

1. das Urteil des Landgerichts Gießen vom 7.8.2003 abzuändern und der Klage antragsgemäß stattzugeben;

2. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das Urteil des Landgerichts.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung vom 19.12.2003 (Bl. 975ff d. A.), des Schriftsatzes vom 4.2.2004 (Bl. 996f d. A.), der Berufungserwiderung vom 16.4.2004 (Bl. 1032ff d. A.) sowie den Schriftsatz vom 27.9.2004 (Bl. 1097ff d. A.) sowie die nicht nachgelassenen Schriftsätze vom 11.4.2005 (Bl. 1134ff d. A.), 18.4.2005 (Bl. 1142ff d. A. - entgegen der Auffassung des Klägers ist dieser Schriftsatz von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt unterzeichnet) und vom 1.6.2005 (Bl. 1173ff d. A.) verwiesen.

Der Senat hat seine Rechtsauffassung in zwei Beschlüssen zur Prozesskostenhilfe vom 18.2.2004 (Bl. 1004ff d. A.) und 15.7.2004 (Bl. 1067ff d. A.) dargelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

IV.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden; §§ 517, 519, 520 ZPO.

In der Sache kann der Berufung kein Erfolg beschert sein.

Ein Verfahrensfehler ist nicht feststellbar, wie der Senat bereits mit Beschluss vom 15.7.2004 festgestellt hat:

"Der Einwand, der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme sei dadurch verletzt, dass kein Mitglied der letztlich das Urteil fällenden Kammer bei den Zeugenvernehmungen in den mündlichen Verhandlungen vom 30.8.2001 und 17.4.2002 anwesend gewesen sei (Bl. 1054 d. A.), greift nicht durch.

Existiert eine amtliche Urkunde über die Aussage eines Zeugen, so kann der Zeugenbeweis durch den Urkundenbeweis ersetzt werden, da eine dem § 250 StPO entsprechende Vorschrift im Zivilprozess fehlt (vgl. Damrau in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Auflage 2000, § 373 Rn. 20). Das Sitzungsprotokoll über die Vernehmung eines Zeugen stellt eine solche Urkunde dar.

Die erkennende Kammer konnte den protokollierten Inhalt der Zeugenaussagen vollumfänglich verwerten und ihrer Entscheidung zugrunde legen.

Die Zivilprozessordnung geht - wie die Einrichtungen des beauftragten und ersuchten Richters zeigen - davon aus, dass das erkennende Gericht eine Beweiswürdigung auch dann vornehmen darf, wenn es die Beweisaufnahme nicht selbst durchgeführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 30.1.1990, XI ZR 162/89, in: NJW 1991, 1302).

Die Grundsätze der freien Beweiswürdigung und der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme gebieten lediglich, dass das Gericht nur das berücksichtigen darf, was auf der Wahrnehmung aller an der Entscheidung beteiligter Richter beruht oder aktenkundig ist und wozu die Parteien sich zu erklären Gelegenheit hatten (vgl. BGH, a.a.O.).

Gegen diese Grundsätze hat das Landgericht vorliegend nicht verstoßen. Im angefochtenen Urteil fehlen, wie der Kläger zu Recht feststellt, Ausführungen über die Glaubwürdigkeit der einzelnen Zeugen. Solche Ausführungen waren auch nicht notwendig, da das Landgericht - insoweit nachvollziehbar begründet - mangels anderer Anhaltspunkte allen Zeugen geglaubt und die protokollierten Zeugenaussagen widerspruchsfrei zueinander in Beziehung gesetzt hat, um seine Überzeugung darzulegen."

Das Landgericht hat in der Sache zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen.

Dem Kläger steht zwar dem Grunde nach ein Ausgleichsanspruch zu. Der inzwischen schwerkranke Kläger war nach dem Gutachten des Versorgungswerks der Rechtsanwälte vom ...3.1998 zu diesem Zeitpunkt bereits zu 100 % erwerbsunfähig. Das Ausscheiden des Klägers und die Rückgabe der Zulassung aus gesundheitlichen Gründen war notwendig, auch wenn dies von ihm zunächst nicht offengelegt wurde.

Die vom Kläger anerkannten Verbindlichkeiten der Sozietät übersteigen den nachweisbaren Abfindungsanspruch des Klägers aus § 9 Nr. 1 a und b des Sozietätsvertrages, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Ein Ausgleichsanspruch für den Goodwill der Sozietät kann nicht nach § 9 Nr. 2 des Sozietätsvertrages berechnet werden.

Das Berufungsgericht folgt insoweit der Rechtsauffassung des Landgerichts:

Der Kläger kann sich wegen Verschuldens bei Vertragsschluss - culpa in contrahendo - nicht auf Klauseln des Sozietätsvertrages berufen, die ihm Versorgungsleistungen für den Fall des krankheitsbedingten Ausscheidens zubilligen, auf die sich die Beklagten in sicherer Kenntnis der schweren Erkrankung nicht eingelassen hätten.

Die dem vorliegenden Fall zugrundeliegenden Schuldverhältnisse sind vor dem 1.1.2002 entstanden. Deshalb ist das bis zum 31.12.2001 geltende Recht anzuwenden (Art 229 § 5 Satz 1 BGB), insbesondere die Grundsätze der culpa in contrahendo.

Das Berufungsgericht hat dem Kläger aus diesem Grunde bereits die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der Berufung versagt und hierzu im Beschluss vom 18.2.2004 Folgendes ausgeführt:

"Das Landgericht Gießen hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass die schwere Erkrankung des Klägers, ..., wegen des progressiven Verlaufs, der in der Regel zur vorzeitigen Berufsunfähigkeit führt, ein Umstand war, auf welchen der Kläger seine Sozien hätte ausdrücklich hinweisen müssen. Die Beklagten mussten die Chance erhalten, sich entscheiden zu können, ob und unter welchen Bedingungen sie an diesem Risiko teilhaben würden.

Dies ergibt sich aus der Treuepflicht, die Gesellschaftern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGHZ 30, 195, 201; 44, 40; 64, 253, 257; 68, 81, 82; WM 2002, 2507-2508) gegenüber den Mitgesellschaftern obliegt und die bis zur vollständigen Beendigung des Gesellschaftsverhältnisses fortdauert (MünchKomm. BGB/Ulmer, 3. Aufl. § 705 Rdn. 182 f.; § 738 Rdn. 4; Baumbach/Hopt, HGB 30. Aufl. § 109 Rdn. 23 f.). Die Treuepflicht verlangt von den Gesellschaftern, die Belange der Mitgesellschafter nicht zu beeinträchtigen. Hierzu gehört es, Mitgesellschafter über Vorgänge vollständig und zutreffend zu informieren, die deren mitgliedschaftliche Vermögensinteressen berühren, ihnen aber nicht bekannt sein können (vgl. BGH 2. Zivilsenat, Urteil vom 9. September 2002, Az: II ZR 198/00 WM 2002, 2507-2508).

Die Frage, ob höchstpersönliche Angelegenheiten in Vertragsverhältnissen offengelegt werden müssen, ist nach Abwägung der Interessen beider Vertragsparteien zu beantworten (vgl. Bundesverfassungsgericht, 1. Senat, Beschluss vom 11. Juni 1991, Az: 1 BvR 239/90; BVerfGE 84, 192-197). Im Falle eines Sozietätsvertrages, der neben einer langfristigen Bindung weitreichende Versorgungsbestimmungen trifft, müssen solche Umstände offenbart werden, die es naheliegend erscheinen lassen, dass ein vorzeitiger Versorgungsfall eintreten könnte.

Das verständliche Interesse des Klägers, seine Beschwerden und Befürchtungen nicht zum Gegenstand allgemeiner Diskussion zu machen, welches durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG geschützt wird, tritt hinter dem elementaren Interesse der Beklagten zurück, nicht ohne ihre Kenntnis in einem frühen Stadium der eigenen Berufstätigkeit für die Versorgung eines Kollegen aufkommen zu müssen, der absehbar früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden muss, als dies altersmäßig zu erwarten wäre, und der hiermit auch bei Abschluss des Sozietätsvertrages zumindest rechnen musste.

Hinsichtlich der vom Gericht des ersten Rechtszuges zu der Kenntnis der Parteien von der Erkrankung festgestellten Tatsachen ergeben sich auch nach den Ausführungen in der Berufungsbegründung keine konkreten Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachen, die eine erneute Feststellung gebieten würden.

Dem Kläger war die Diagnose der ... gestellt worden, wobei nicht erheblich ist, dass dies möglicherweise nur eine von mehreren Möglichkeiten war.

Dies ergibt sich unzweifelhaft aus den Aussagen der Zeugen D, G und Z2. Aus dem ... Gutachten des Zeugen Z1 vom ...6.2000 ergibt sich, dass ab 1990 eine zunehmend progrediente Verschlechterung des Krankheitsbildes eingetreten war. Die Krankheitssymptome intensivierten sich und eine Sehverschlechterung kam hinzu.

Die Beklagten wurden hierüber 1993 nicht aufgeklärt. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass im Zusammenhang mit dem Abschluss des Sozietätsvertrages ein offenes Gespräch über die genaue Natur der Erkrankung des Klägers nicht stattgefunden hat.

Nach den Feststellungen des Landgerichts gab es zwar Anhaltspunkte für die Beklagten, die wahre Natur der offenkundigen ...behinderung und ...schwäche des Klägers zu erraten, jedoch hat der Kläger - möglicherweise aus dem sehr verständlichen Bedürfnis heraus, die bedrohlichen Folgen der ... zu verdrängen - es vermieden, Klarheit zu schaffen. Dies geht zu seinen Lasten.

Die von der Berufung geäußerten Bedenken gegen die Überzeugung des Landgerichts, der Kläger sei seiner Offenbarungspflicht nicht nachgekommen und eine Aufklärung sei auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil die Beklagten ohnehin Bescheid gewusst hätten, greifen nicht durch. Der Senat vermag in der Beweiswürdigung der Kammer des Landgerichts weder eine Missachtung des Parteivortrags, offenkundige Widersprüche zu den sich aus den Protokollen ergebenden Zeugenaussagen, noch einen Verstoß gegen Denkgesetze zu erblicken.

Anhand der ...behinderung allein konnten die Beklagten nicht erkennen, dass es sich um eine ...erkrankung handelte, welche sich stetig verschlechtern und die berufliche Zukunft des Klägers bedrohen würde. Eine auf die ...fähigkeit beschränkte Erkrankung hätte selbst im Falle gravierender Verschlechterung die berufliche Zusammenarbeit der Parteien nicht ernsthaft in Frage gestellt. Gleiches gilt für die Schwäche des... .

Es war auch nicht Sache der Beklagten, im Hinblick auf mögliche im Büro und im gemeinsamen Bekanntenkreis kursierende Gerüchte den Kläger unter Verstoß gegen jedes zwischenmenschliche Taktgefühl auszufragen, ob er nicht etwa doch unter ... leide. Der Kläger selbst hätte den Mut finden müssen, seine Kollegen darüber aufzuklären, dass ... eine ernstzunehmende mögliche Ursache seiner Beschwerden war.

Den protokollierten Angaben der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, dass den Beklagten vor Abschluss des Sozietätsvertrages die Tragweite der gesundheitlichen Beeinträchtigung einschließlich der damit verbundenen ungünstigen Prognose bewusst war.

Aus den Angaben der Zeugen Z2 und H folgt, dass der Kläger nicht wollte, dass über seine Erkrankung gesprochen wurde und den Zeugen Z2 sogar zum Stillschweigen verpflichtet hat.

Nach den Angaben des Zeugen G, der selbst über die Natur der Krankheit informiert war, hat der Kläger gegenüber den Beklagten immer den unklaren Begriff "meine Krankheit" verwendet.

Der Zeuge F, der Bruder des Klägers, hat die direkte Frage des Beklagten zu 1) nach einer möglichen ...-Erkrankung damit beantwortet, dass er nicht daran glaube.

Auch die Zeugin H, eine langjährige Angestellte, kannte bis zum Ausscheiden des Klägers nur Gerüchte.

Ein konkretes Gespräch, in dem der Begriff der ... seitens des Klägers gefallen sein soll, konnte nur die Ehefrau des Klägers, die Zeugin Z3, angeben. Nach dem Protokoll hat die Zeugin Z3 angegeben "sicherlich" habe der Kläger ins Gespräch gebracht, dass der Verdacht auf ... gefallen sei, er allerdings von dieser Diagnose nichts halte. Die Formulierung "sicherlich" bedeutet, dass die Zeugin es für wahrscheinlich hielt, dass das betreffende Thema zur Sprache kam. Das ist nicht ausreichend, um eine erneute Beweisaufnahme durch den Senat zu rechtfertigen.

Die hierzu gleichfalls gehörte Zeugin Z4, die geschiedene Ehefrau des Beklagten zu 2), konnte sich an das Gespräch nicht erinnern. Ihre Erinnerung, den Beklagten zu 2) nach gesundheitlichen Problemen des Klägers befragt zu haben mit der Antwort, der Kläger spreche hierüber nicht, passt auch nicht zu der angeblich freimütigen Diskussion der Erkrankung des Klägers.

Insofern kann der Senat ein zwingendes Indiz für eine definitive Kenntnis der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht feststellen.

Auch eine Verwirkung - richtiger: nachträgliche stillschweigende Akzeptanz der Erkrankung mit der Folge der Treuwidrigkeit einer Berufung auf die mangelnde Aufklärung - ist nicht zweifelsfrei erkennbar.

Nachdem das Landgericht alle erforderlichen Feststellungen getroffen hat und weitere Feststellungen nicht zu erwarten sind, kann das Berufungsgericht nicht erneut in die Beweisaufnahme eintreten.

Soweit der Kläger im zweiten Rechtszug mit Schriftsatz vom 4.2.2004 einen weiteren Zeugen einführen will, ist zum einen nicht dargelegt, dass die Benennung dieses Beweismittels in erster Instanz ohne Nachlässigkeit des Klägers unterblieben ist; § 531 Abs. 2 ZPO. Dass dem Kläger erst nach dem Telefongespräch im Januar 2004 eingefallen ist, dass er diesen Zeugen benennen könnte, ändert nichts daran, dass ihm die Benennung vorher möglich war.

Zum anderen ist der Vortrag, es sei über die Krankheit gesprochen worden und die Beklagten seien bestens über die Verdachtsmomente der ...-Erkrankung informiert gewesen, auf Ausforschung gerichtet, da die Gespräche zwischen den Parteien und dem Zeugen auch nach Abschluss des Sozietätsvertrags noch stattgefunden haben sollen, ohne dass eine zeitliche Eingrenzung erkennbar ist."

An dieser Auffassung hält der Senat fest. Aus dem vom Kläger unterdrückten Blatt 9 des Gutachtens von Z1 ergibt sich, dass die Diagnose der ... seit 1985 zweifelsfrei feststand. Dieser Umstand hätte den Beklagten ausdrücklich mitgeteilt werden müssen vor Abschluss des Sozietätsvertrages.

Für den Senat besteht auch kein Zweifel, dass das Verschweigen der Krankheit gegenüber den Beklagten ebenso wie die Vorlage eines nicht unterschriebenen Vertrages oder einer falschen Gutachtenseite im Prozess Ausdruck der tiefen Verzweiflung des Klägers über den unverschuldeten Zusammenbruch seiner Lebensplanung ist, wie sie der Gutachter Z1 in seinem Gutachten beschrieben hat. Bei allem Verständnis für das schwere Schicksal des Klägers konnte dieser nicht erwarten, dass die Beklagten, die ihr eigenes Leben wirtschaftlich aufzubauen hatten, in Unkenntnis der gesundheitlichen Situation des Klägers für dessen Versorgung aufkommen würden.

Der Kläger ist zwar der Auffassung, die Beklagten hätten mit der Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung jederzeit rechnen müssen. Es sei aus diesem Grunde nicht einzusehen, dass sie bei Kenntnis des Gesundheitszustandes des Klägers den Vertrag in der vorliegenden Form nicht abgeschlossen hätten. Dies ist aber lediglich das gewöhnliche Risiko, welches jeder Anwalt, der einen Sozietätsvertrag schließt, im Vertrauen auf eine langjährige Zusammenarbeit eingeht, weil üblicherweise aufgrund der damit verbundenen wirtschaftlichen Nachteile niemand willkürlich eine Sozietät aufkündigt.

Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass jemand mit einem unheilbar erkrankten Kollegen eine Vereinbarung trifft, die ihm Versorgungsverpflichtungen in kaum erfüllbarer Höhe auferlegt.

Es wird insoweit zur Vermeidung ständiger Wiederholungen auf die Ausführungen in den Beschlüssen des Senats vom 15.7.2004 und 12. 5. 2005 verwiesen.

Auf der Grundlage des Sozietätsvertrag ist die Klageforderung unbegründet.

Zwar muss culpa in contrahendo nicht zwangsläufig zu einem ersatzlosen Wegfall der Klauseln führen, wenn der Kläger nach den Vorstellungen der Parteien über einen größeren Mandantenstamm oder ein besseres Akquisitionsvermögen verfügte, und dies durch die von dem Beklagten zu 1) geleistete Vorauszahlung oder Entnahmen des Klägers nach den Vorstellungen der Parteien nicht ausgeglichen gewesen wäre. Vielmehr wäre auch eine Anpassung des Vertrages in Betracht gekommen mit geringeren Versorgungsleistungen oder einem höheren Entnahmeanteil für den Kläger. Der Senat ist jedoch nicht befugt, von Amts wegen eine Anpassung des Vertrages vorzunehmen für die Parteien, die hierzu trotz mehrfacher Hinweise im Beschluss vom 15. Juli 2004 und in der mündlichen Verhandlung vom 6.4.2005 keine Anträge gestellt oder Vorstellungen entwickelt haben. Eine Vertragsanpassung hätte auf vielfältige Weise geschehen können wie der Senat im Beschluss vom 12. Mai 2005 dargelegt hat. Für den Senat ist nicht erkennbar, ob und in welcher Weise sich die Parteien redlicherweise geeinigt hätten, wenn über die Krankheit des Klägers offen gesprochen worden wäre. Dies hat der Senat nochmals dargelegt in seinem Vergleichsvorschlag vom 12.5.2005. Da auch die nicht nachgelassenen Schriftsätze hierzu keine Ausführungen enthalten, sieht der Senat keine Veranlassung nochmals in die mündliche Verhandlung einzutreten.

Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass auch der von den Beklagten vorgetragene status quo als Ausgleich akzeptabel gewesen wäre, wonach der Kläger zumindest Mehrentnahmen in Form der Versorgungsbeiträge aus dem Sozietätsumsatz entnahm. Angesichts dessen, dass der Beklagte zu 2) ebenfalls eine Kanzlei in die Sozietät einbrachte und der Beklagte zu 1) dem Kläger einen Anteil von dessen Kanzlei für 250.000,- DM abkaufte, ist nicht zweifelsfrei erkennbar, dass dem Kläger in jedem Fall aus Billigkeitsgründen eine Mindestsumme zusteht, die der Senat schätzen könnte.

Die Berechnungen des Klägers begegnen überdies - ungeachtet der Einwendungen der Beklagten - bereits aus sich heraus Bedenken. Hierauf weist der Senat lediglich ergänzend hin für den Fall, dass die Parteien außergerichtlich noch eine Einigung über eine Ausgleichszahlung anstreben. Der Kläger übersieht bei seinen Darlegungen stets, dass er von seinem wirtschaftlichen Anteil am eingebrachten Goodwill vor Abschluss des Sozietätsvertrages einen Anteil von 250.000,- DM an den Beklagten zu 1) verkauft hatte, so dass sein fiktiver Anteil, den er im Schriftsatz vom 14.3.2001 mit 740.000,- DM beziffert hat, um diesen Betrag zu kürzen wäre. Der Kläger übersieht weiterhin, dass die von ihm eingebrachte Kanzlei nach eigenem Vorbringen belastet war mit Schulden, die von einer alkoholkranken Kollegin der Parteien verursacht, aber von den Parteien in Form eines Darlehens aus den Einnahmen der Sozietät abbezahlt werden mussten. Auch unter diesen Gesichtspunkten wäre eine zusätzliche Versorgung des Klägers für den Fall des vorzeitigen krankheitsbedingten Ausscheidens nicht zwingend redlicherweise zu vereinbaren gewesen.

Es fehlt für eine Schätzung an einer Grundlage, da nicht feststeht, dass die Parteien in Kenntnis aller Umstände auf jeden Fall eine andere Lösung gewählt hätten. Eine richterliche Schätzung ist unzulässig, wenn dem Richter greifbare Anhaltspunkte als Grundlage seiner Entscheidung gänzlich fehlen, und damit das richterliche Ermessen "völlig in der Luft hängen" würde (BGH 1. Zivilsenat, Urteil vom 18. April 2002, Az: I ZR 262/99, TranspR 2003, 29-32).

Die Widerklage ist begründet wie das Landgericht zutreffend erkannt hat.

Die Anwaltssozietät in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht nach dem Ausscheiden des Kläger aus den Beklagten zu 1) und 2).

Das Bankkonto, dessen Freigabe die Beklagten erstreben, gehört unstreitig zum Sozietätsvermögen. Die Sozietät ist nicht aufgelöst und befindet sich nicht im Auseinandersetzungsstadium, sondern besteht mit den Gesellschaftern der Beklagtenseite fort, welche den Anspruch für die Gesellschaft geltend machen können.

Der Kläger ist unstreitig aus der Gesellschaft ausgeschieden und erhebt schuldrechtliche Ansprüche auf Vermögensausgleich gegen die übrigen Gesellschafter, die den Anspruch der Gesellschaft auf Freigabe ihres Kontos nicht berühren.

Ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines nicht schlüssig berechenbaren Ausgleichsanspruchs kommt nicht in Betracht.

Nach allem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Ziffer 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nach § 543 ZPO nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat, sondern sich in der Beurteilung der Tatsachen eines Einzelfalles erschöpft, und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts in dieser Sache erfordern.

Der Streitwert für den zweiten Rechtzug beträgt 369.519,82 €, wovon 11.463,34 € auf die Widerklage entfallen.

Ende der Entscheidung

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