Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 11.03.2005
Aktenzeichen: 2 U 5/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 317
BGB § 319
ZPO § 538 II 3
Zur Frage, ob nach dem in zweiter Instanz erfolgten Wegfall der Einrede des Schiedsgutachtenvertrages, die in erster Instanz zur Abweisung der Klage als derzeit unbegründet geführt hat, die Zurückverweisung in entsprechender Anwendung des § 538 Nr. 3 ZPO zulässig ist
Gründe:

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts in den angefochtenen Urteilen wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Sie bedürfen keiner Änderungen und Ergänzungen. Konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen begründen und deswegen eine erneute Feststellung gebieten, bestehen nicht. Das Berufungsgericht hatte sie daher seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit Urteilen vom 27.10.2003 (4 O 114/03 Landgericht Limburg a. d. Lahn) und 28.11.2003 (4 O 112/03 Landgericht Limburg a. d. Lahn) hat das Landgericht die Klagen mit der Begründung abgewiesen, sie seien mangels vorgängiger Einholung eines Schiedsgutachtens gemäß §§ 5 Abs. 1, 19 Abs. 2, 20 des Pachtvertrags der Parteien vom 08.12.1995 derzeit unbegründet.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihren Berufungen. Der Senat hat beide Sachen im Einzelrichtertermin vom 04.08.2004 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Die Klägerin greift die Urteile im Wesentlichen damit an, dass das Landgericht ihr rechtsfehlerhaft keine Frist zur Beibringung der Schiedsgutachten gesetzt habe, und wiederholt im Übrigen zur Frage der Mangelhaftigkeit des Pachtobjekts im Zeitpunkt seiner Rückgabe ihren erstinstanzlichen Sachvortrag unter Bezugnahme auf die von ihr vorgelegten Privatgutachten A und B.

Nach Erlass der angefochtenen Urteile haben die Parteien sich auf den Sachverständigen Dr. C als Schiedsgutachter geeinigt. Dieser hat den Parteivertretern mit Schreiben vom 22.07.2004 mitgeteilt, dass er keine Möglichkeit sehe, ein Schiedsgutachten auf der Grundlage des Pachtvertrags der Parteien zu erstellen (Bl. 292 d.A. 2 U 5/04).

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Urteile den Beklagten zu verurteilen, an sie 17.211,39 EUR sowie 26.564,58 EUR, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 8% über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufungen zurückzuweisen.

Er bestreitet die geltend gemachten Ansprüche nach Grund und Höhe und macht insbesondere geltend, dass die Ersatzansprüche der Höhe nach nicht hinreichend substantiiert seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

II.

Die zulässigen Berufungen der Klägerin führen zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht (§ 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO analog).

Nach dem Schiedsgutachtenvertrag der Parteien vom 18.12.1995 (Bl. 69 d.A. 2 U 254/03) hat der Gutachter bei Meinungsverschiedenheiten in den Fällen des § 20 des Pachtvertrags sein Gutachten "nach freiem Belieben zu erstellen (in entsprechender Anwendung des § 319 Abs. 2 BGB)". Kann oder will der Gutachter, auf den die Parteien sich geeinigt haben, keine Leistungsbestimmung treffen, sieht das Gesetz keine gerichtliche Leistungsbestimmung - etwa nach § 319 Abs. 1 S. 2 BGB - vor. Tritt dieser Fall ein, wird der Schiedsgutachtenvertrag unwirksam (Palandt-Heinrichs, 64. Aufl., § 319 BGB, Rn. 9). Dies hat grundsätzlich zur Folge, dass das Gericht über die Ersatzansprüche des Klägers nach Grund und Höhe - gegebenenfalls nach Beweisaufnahme - selbst zu entscheiden hat. In entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verweist das Berufungsgericht die Sache jedoch an das Landgericht zurück.

Die Frage, ob nach dem in zweiter Instanz erfolgten Wegfall der Einrede des Schiedsgutachtenvertrags, die in erster Instanz zur Abweisung der Klage als derzeit unbegründet geführt hat, die entsprechende Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO rechtfertigt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten und bislang nicht höchstrichterlich entschieden (bejahend: OLG Frankfurt MDR 85, 150; Baumbach/Albers, 63 Aufl., § 538 ZPO, Rn. 11; AK-Ankermann, § 538 ZPO, Rn. 13; Walchshöfer in Festschrift für Schwab S. 530/531; verneinend: Stein-Jonas/Grunsky, Aufl. 1993, § 538 ZPO, Rn. 13; Thomas-Putzo/Reichold, 26. Aufl., § 538 ZPO, Rn. 17; Wieczorek-Gerken, 3. Aufl., § 538 ZPO, Rn. 43; MK-ZPO/Rimmelspacher, § 538 ZPO, Rn. 14; Musielak/Ball, 4. Aufl., § 538 ZPO, Rn. 23). Der Einzelrichter schließt sich aus folgenden Erwägungen der erstgenannten Auffassung an:

Der Vorschrift des § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Zurückverweisung dann erfolgen kann, wenn das Erstgericht sich mit dem Streitstoff sachlich nicht befasst hat. Dies ist der Sache nach auch dann der Fall, wenn das Gericht ein Urteil erlassen hat, das einer Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage gleichkommt, weil es sich aus materiell-rechtlichen Gründen an einer Sachentscheidung - etwa wegen der Einrede des Schiedsgutachtenvertrags - gehindert sieht. Es erscheint daher sachgerecht, auch in einem solchen Fall in entsprechender Anwendung des § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO die Sache an das Erstgericht zurück zu verweisen. Dem entspricht auch die dem Berufungsgericht durch das ZPO-Reformgesetz zugewiesene Aufgabe als Instrument der Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung (vgl. Musielak/Ball, § 529 ZPO, Rn. 1). Hierzu würde es in krassem Widerspruch stehen, wenn das Berufungsgericht nach Wegfall des einer Sachprüfung durch das Landgericht entgegenstehenden Hindernisses wie der Einrede des Schiedsgutachtenvertrags, aufgrund derer das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat, nunmehr selbst die dann erforderlichen Beweise erheben müsste.

Nichts anderes hat im Ergebnis auch dann zu gelten, wenn die Schiedsgutachtenabrede infolge Weigerung des von den Parteien gemeinsam benannten Schiedsgutachters, ein Schiedsgutachten zu erstellen, unwirksam geworden ist. Auch bei einer solchen Sachlage muss es dem erstinstanzlichen Gericht, das die Klage mangels vorgängiger Vorlage des Schiedsgutachtens zu Recht als derzeit unbegründet abgewiesen hat, vorbehalten bleiben, die nunmehr erforderlich werdenden tatsächlichen Feststellungen selbst zu treffen.

Der Fall liegt insoweit anders als beispielsweise bei einer Klageabweisung, die zu Unrecht auf Verjährung gestützt worden ist, da dann eine Fehlerkontrolle und Fehlerbeseitigung durch das Berufungsgericht zu erfolgen hat, die gegebenenfalls auch die Nachholung der vom Erstgericht rechtsfehlerhaft unterlassenen Tatsachenfeststellungen umfasst.

Den nach § 538 Abs. 2 ZPO erforderlichen Antrag einer Partei auf Zurückverweisung der Sache an das Landgericht hat der Beklagte im Einzelrichtertermin vom 11.02.2005 (Bl. 482/483 d.A.) gestellt.

Die Auffassung des Beklagten, die geltend gemachten Ersatzansprüche seien bereits nicht hinreichend substantiiert und die Klage schon aus diesem Grunde abzuweisen, teilt der Einzelrichter nicht, da die Privatgutachten A und B jedenfalls die an einen substantiierten Parteivortrag zu stellenden Anforderungen erfüllen.

Da die Frage, ob der in zweiter Instanz erfolgte Wegfall der Einrede des Schiedsgutachtenvertrags - auch in Gestalt seiner nachträglichen Unwirksamkeit infolge Weigerung des Schiedsgutachters, ein Gutachten zu erstellen - bislang nicht höchstrichterlich entschieden worden ist und sowohl von grundsätzlicher Bedeutung ist als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert, war die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

Zurück