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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Urteil verkündet am 13.07.2005
Aktenzeichen: 2 UF 13/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1581
BGB § 1603
Nach der Neufassung der Unterhaltsgrundsätze mit Wirkung zum 1.7.2005 ist die Begründung einer Haushaltsgemeinschaft mit einem neuen leistungsfähigen Partner durch den Unterhaltspflichtigen allein kein Grund für eine Reduzierung des Selbstbehalts (Ziff. 21.5.3 der Unterhaltsgrundsätze in der Fassung zum 1.7.2005). Siehe auch BGH NJW 2003, 3770, 3771 = FamRZ 2004, 24.
Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, auf das wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht den Beklagten zur Zahlung von rückständigem Kindesunterhalt an den Kläger zu 2) verurteilt, nämlich zum einen für den Zeitraum vom 01.07.2001 bis 31.08.2002 in Höhe von 2.408,88 EUR nebst Zinsen sowie für den Zeitraum vom 01.07.2003 bis 29.02.2004 in Höhe von 120 EUR. Letzteres ist aufgrund eines Anerkenntnisses des Beklagten erfolgt und nicht Gegenstand der Berufung. Die ursprünglich auch für die Klägerin zu 1) erhobene Stufenklage auf Unterhalt (gemäß § 1615 l Abs. 2 BGB) ist nach Auskunftserteilung ohne Bezifferung der Leistungsstufe zurückgenommen worden.

Mit seiner Berufung erstrebt der Beklagte Herabsetzung des ausgeurteilten Kindesunterhalts für die Zeit von Juli 2001 bis August 2002 auf noch 806,26 EUR, da er nur in diesem Umfang in diesem Zeitraum leistungsfähig gewesen sei. Er nimmt die Feststellung des Amtsgerichts über sein bereinigtes Nettoeinkommen in diesem Zeitraum in Höhe von monatlich 857,59 EUR hin, beanstandet jedoch, dass das Amtsgericht seinen Selbstbehalt von tabellarisch monatlich 840 EUR um 20 % auf 672 EUR monatlich wegen der ersparten Haushaltskosten durch das Zusammenleben mit seiner neuen Partnerin gekürzt habe. Zum einen bestehe diese Partnerschaft erst seit Februar 2002 und damit nur für einen Teil des streitgegenständlichen Zeitraums. Zum anderen sei auch für diesen Zeitraum eine Herabsetzung seines Selbstbehalts nicht gerechtfertigt, da eine solche Haushaltsersparnis tatsächlich nicht eingetreten sei.

Der Beklagte beantragt,

wie erkannt.

Der Kläger zu 2) beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bestreitet aufgrund der Erörterung im Verhandlungstermin den vom Beklagten behaupteten Beginn seiner Wirtschaftsgemeinschaft mit der neuen Partnerin nicht mehr, verteidigt jedoch für die Folgezeit die vom Amtsgericht vorgenommene Herabsetzung des Selbstbehalts.

Die Berufung hat in vollem Umfang Erfolg.

Für einen Teil des streitigen Unterhaltszeitraums, nämlich für die Zeit bis Januar 2002, liegen, wie im Laufe des Berufungsverfahrens unstreitig gestellt, bereits die tatsächlichen Voraussetzungen für eine Herabsetzung des Selbstbehalts des Beklagten nicht vor.

Für den Anschlusszeitraum ist die vom Amtsgericht vorgenommene Kürzung aus Rechtsgründen nicht gerechtfertigt. Die Frage, ob und ggf. in welchem Umfang der dem Unterhaltspflichtigen zustehende Selbstbehalt wegen der Ersparnisse infolge gemeinsamer Haushaltsführung mit einem neuen Partner herabzusetzen ist, wird von der Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Der BGH hat verschiedentlich (u. a. in der vom Amtsgericht zitierten Entscheidung vom 29.10.2003, NJW 2003, 3770, 3771 = FamRZ 2004, 24) einen dahingehenden Abzug des Tatrichters gebilligt, jedoch nicht vorgeschrieben. Diese Frage ist demnach dem Tatrichter vorbehalten, dem auch im Übrigen die Bestimmung der Selbstbehalte, Unterhaltsquoten und Bedarfstabellen überlassen ist.

Auch in der Spruchpraxis der Familiensenate des Oberlandesgerichts ist dies bislang nicht einheitlich gehandhabt worden, weshalb auch die Unterhaltsgrundsätze des Oberlandesgerichts, in denen die bisherige Rechtsprechung in Ausfüllung der gesetzgeberischen Generalklauseln zusammengefasst ist, hierzu keine Aussage enthalten haben.

Nunmehr enthält die Neufassung mit Wirkung zum 01.07.2005 aufgrund dahingehender erzielter Übereinstimmung der Mitglieder der Familiensenate des Oberlandesgerichts den Grundsatz, dass die Begründung einer Haushaltsgemeinschaft mit einem neuen leistungsfähigen Partner allein kein Grund für eine Reduzierung des Selbstbehalts ist (Ziff. 21.5.3 der Unterhaltsgrundsätze in der Fassung zum 01.07.2005). Dies beruht auf der Erwägung, dass derartige wirtschaftliche Vorteile eine Folge der Gestaltung der privaten Lebensverhältnisse des Unterhaltsschuldners sind, vergleichbar der Verringerung von einzelnen Bedarfspositionen innerhalb des Warenkorbes, der nur in seiner Summe den Selbstbehalt definiert, hinsichtlich der einzelnen Positionen jedoch nach dem Belieben des Schuldners verschoben und ausgetauscht werden kann. Reduziert etwa der Unterhaltsschuldner seinen Wohnbedarf durch Umzug in eine billigere Wohnung, ändert er seine Verbrauchsgewohnheiten oder verzichtet er zum Beispiel auf kulturelle oder sonstige Bedürfnisse, die in dem Warenkorb definiert sind, kommt diese Ersparnis den anderen Bedarfspositionen und nicht dem Unterhaltsgläubiger zugute. Nicht anders ist zu bewerten, wenn er sich mit einem neuen Partner zu einer Wohnbedarfsgemeinschaft zusammenschließt und dadurch hinsichtlich einzelner Bedarfspositionen Ersparnisse erzielt. Hiervon abzugrenzen sind geldwerte Vorteile, die aufgrund eines Rechtstitels erlangt werden, etwa die Gebrauchsnutzung einer Wohnung aus dinglichem Recht oder als Teil der Arbeitsvergütung, der Gebrauchsvorteil des auch privat genutzten Dienst-Pkw (Ziffer 4 der Unterhaltsgrundsätze) oder Ähnliches.

Diese Bewertung enthält nur scheinbar einen Wertungswiderspruch zu dem je nach Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft differenzierten Bedarf des mit dem Pflichtigen zusammenlebenden Ehegatten (Ziffer 22 der Unterhaltsgrundsätze). Unter dieser Ziffer werden die mit dem Unterhaltsanspruch des Gläubigers konkurrierenden gleich- oder vorrangigen Unterhaltsansprüche des Ehegatten des Pflichtigen definiert. Dieser ist aufgrund seiner ebenfalls gegebenen Gläubigerstellung Bestandteil des jeweiligen Unterhaltssystems, was im Fall des neuen Partners des Unterhaltspflichtigen, der selbst in keinerlei Beziehung zu den Unterhaltsansprüchen steht, nicht der Fall ist.

Diesen Erwägungen schließt sich der Senat, auch aus Gründen der Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit der Rechtsprechung, an.

Der Beklagte ist damit nur leistungsfähig mit dem Differenzbetrag zwischen dem festgestellten bereinigten Nettoeinkommen von 897,59 EUR und dem zu wahrenden Selbstbehalt von 840 EUR von 57,59 EUR, alles monatlich, insgesamt für 14 Monate 806,26 EUR, wie zugestanden.

Da in der Berufungsbegründungsschrift keine Ausführungen zu den vom Amtsgericht ausgeurteilten Zinsen gemacht werden, ist der Berufungsantrag dahin zu deuten, dass neben dem zugestandenen Betrag auch die anteiligen Zinsen umfasst sind.

Die Berufung hat damit insgesamt mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO Erfolg.

Die Entscheidung über die erstinstanzlichen Kosten folgt aus §§ 92, 93 d ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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