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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.12.2001
Aktenzeichen: 2 Ws (B) 450/01 OWiG
Rechtsgebiete: StVG, OWiG, BKatV


Vorschriften:

StVG § 25
StVG § 25 Abs. 1 S. 1
StVG § 25 Abs. 2 a
OWiG § 79 Abs. 1 Nr. 3
OWiG § 79 Abs. 6
BKatV § 2 Abs. 2 S. 2
BKatV § 2 Abs. 1
BKatV § 2 Abs. 2
Von der Verhängung des gesetzlichen Regelfahrverbotes kann bei der dritten Geschwindigkeitsüberschreitung innerhalb einer kurzen Zeit auch nicht unter dem Gesichtspunkt nachhaltiger wirtschaftlicher Existenzgefährdung (Kurierdienst mit Kfz) abgesehen werden.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

BESCHLUSS

In der Bußgeldsache

gegen ...

wegen Verkehrsordnungswidrigkeit

hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ­ Senat für Bußgeldsachen ­ auf die Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 4. Oktober 2001 am 4. Dezember 2001 beschlossen:

Tenor:

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße von 150,- DM verhängt. Ihm wird ferner untersagt, für die Dauer eines Monats Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Rechtskraft dieses Beschlusses (5. Dezember 2001).

Der Betroffene hat die Kosten der Rechtsbeschwerde einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen.

Zusätzlich angewendete Vorschrift: § 25 StVG.

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 400,- DM festgesetzt. Die Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main rügt mit ihrer auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Rechtsbeschwerde die Nichtverhängung eines Fahrverbots. Das von der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

II.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts betreibt der Betroffene als selbständiger Unternehmer mit zwei ihm gehörenden Kraftfahrzeugen einen Kurierdienst. Die Fahrten führt er alle selbst aus. Mit Bußgeldbescheid vom 15. Juni 2000, rechtskräftig seit 8. Juli 2000, wurde gegen ihn wegen einer am 26. April 2000 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung um 39 km/h eine Geldbuße in Höhe von 150,- DM festgesetzt. Mit Bußgeldbescheid vom 17. August 2000, rechtskräftig seit 5. September 2000, wurde gegen ihn wegen einer weiteren Geschwindigkeitsüberschreitung um 27 km/h, begangen am 21. Juli 2000, eine Geldbuße in Höhe von 80,- DM festgesetzt. Nach den Feststellungen in dem vorliegenden Verfahren hat der Betroffene als Führer des PKW ... am 1. Juni 2001 um 15.16 Uhr auf der ...-Allee, Höhe ...Straße, in F. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h unter Berücksichtigung der Meßtoleranz um 31 km/h überschritten. Den Verzicht auf die Anordnung eines Fahrverbots unter Erhöhung der Geldbuße hat das Amtsgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:

"Es reichte jedoch nach Auffassung des Gerichts eine bloße Erhöhung des Bußgeldes zur Einwirkung auf den Betroffenen aus. Der Betroffene hat sich in der Hauptverhandlung geständig und einsichtig gezeigt. Er ist aus beruflichen Gründen auf seinen Führerschein angewiesen. Der Betroffene hat in der Hauptverhandlung glaubhaft dargelegt, daß er wegen der zu verzeichnenden finanziellen Belastungen weder einen Fahrer anstellen noch einen vierwöchigen Verdienstausfall verkraften könnte. Aus diesen Gründen hat der Betroffene auch jahrelang keinen Urlaub genommen. Die Inanspruchnahme von Urlaub während der Dauer eines einmonatigen Fahrverbots kommt deshalb auch jetzt nicht in Betracht. Eine solche scheidet auch deshalb aus, weil der Betroffen konkrete Befürchtungen hat, daß die Firma, für die er Kurierdienste als Subunternehmer leistet, sich dann nach einem anderen Vertragspartner umsehen würde. Eine weitere Aufnahme von Krediten ist nicht möglich, weil es bereits in der Vergangenheit Probleme mit der finanzierenden Bank gab und es auch schon zur Einleitung von Zwangsvollvollstreckungsmaßnahmen gekommen ist."

III.

Die nach § 79 Abs.1 Nr.3 OWiG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und ebenso begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig. Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Rechtsbeschwerde ist der Schuldspruch rechtskräftig. Wegen der Wechselwirkung zwischen Geldbuße und Fahrverbot wird der Rechtsfolgenausspruch von der Rechtsbeschwerde allerdings in vollem Umfang erfaßt.

Der Rechtsfolgenausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. 1. Zutreffend geht das Amtsgerichts zunächst davon aus, daß die in § 2 Abs.2 S.2 BKatV umschriebenen Voraussetzungen für die Anordnung eines sog. Regelfahrverbots gegeben sind, weil gegen den Betroffenen binnen Jahresfrist wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist. Die Erfüllung dieses Tatbestands indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs.1 S.1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, daß es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf (vgl. BGHSt 38,125,134). Die Regelungen des § 2 Abs.1,2 BKatV sind verfasssungsgemäß (vgl. BVerfG NJW 1996,1809).

2. Die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall von dem Fahrverbot sind nicht gegeben.

Gründe für eine Minderung des sog. Erfolgs- und Handlungsunwerts sind weder ersichtlich noch dargetan. Auch unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit durfte hier nicht von der Anordnung eines Fahrverbots abgesehen werden. Das wäre möglich, wenn das Fahrverbot zu einer Härte ganz außergewöhnlicher Art, z.B. zum Verlust des Arbeitplatzes bei einem Arbeitnehmer oder zum Existenzverlust bei einem Selbständigen führen würde. Berufliche Nachteile auch schwerwiegender Art sind jedoch grundsätzlich hinzunehmen. Nach der Neuregelung in § 25 Abs. 2a StVG, wonach ein verhängtes Fahrverbot maximal 4 Monate aufgeschoben werden kann, ist bei der Frage, ob und inwieweit wirtschaftliche Nachteile für die Beurteilung der Angemessenheit und Vertretbarkeit eines Fahrverbots überhaupt von Bedeutung sind, ein noch strengerer Maßstab als in der Vergangenheit anzulegen. Einem Betroffenen ist deshalb nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 10. Januar 2001 ­ 2 Ws (B) 4/01 OWiG m.w.N.) grundsätzlich zuzumuten, durch eine Kombination verschiedener Maßnahmen die Zeit des Fahrverbots zu überbrücken, zum Beispiel durch Inanspruchnahme von Urlaub, Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Inanspruchnahme einer Fahrgemeinschaft, Anstellen eines bezahlten Fahrers usw. Die hierdurch auftretenden finanziellen Belastungen hat der Betroffenen hinzunehmen, notfalls durch Aufnahme eines Kredits. Im Hinblick auf die verhältnismäßig kurze Dauer des Fahrverbots von einem Monat bewe- gen sich eventuelle finanzielle Belastungen ohnehin in einem überschaubaren und grundsätzlich zumutbaren Rahmen.

Daß ein solcher Ausnahmefall vorliegt, hat das Amtsgericht nicht hinreichend festgestellt. Mit Recht machen die Amtsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main geltend, daß das Vorliegen eines Ausnahmefalles nicht ­ wie hier - ausschließlich aus der nicht näher belegten Einlassung des Betroffenen abgeleitet werden darf (vgl. OLG Celle, NZV 1996,117; OLG Koblenz, NZV 1996,373, 1997,48). Anlaß für eine kritische Würdigung der Einlassung des Betroffenen bestand auch deshalb, weil er den Kurierdienst nach seinen Angaben mit zwei Kraftfahrzeugen betreibt, alle Kurierfahrten jedoch selbst ausführt und darüber hinaus die monatlichen Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Vor allem hat das Amtsgericht jedoch verkannt, daß der Gesichtspunkt einer nachhaltigen Existenzgefährdung zurückzutreten hat, wenn ein Betroffener ­ wie hier ­ in der relativen kurzen Zeitspanne von April 2000 bis Juni 2001 bereits zum dritten Mal einschlägig wegen Geschwindigkeitsüberschreitung in Erscheinung getreten ist (vgl. Senatsbeschluß vom 25. April 1995 ­ 2 Ws (B) 187/95 OWiG; OLG Hamm, NZV 1995,498). Andernfalls könnte ein Betroffener die an sich unzumutbaren Folgen als Freibrief für wiederholtes Fehlverhalten ausnutzen (vgl. Deutscher, NZV 1997,18,27). Selbst bei Existenzgefährdung kann in dem vorliegenden Fall deshalb nicht von der Anordnung eines Fahrverbots abgesehen werden. Notfalls muß der Betroffene auch eines seiner Kraftfahrzeuge verkaufen und den Kurierdienst mit einem Aushilfsfahrer aufrechterhalten.

IV.

Es ist nicht ersichtlich, daß weitere erhebliche Feststellungen zum Rechtsfolgenausspruch getroffen werden könnten. Der Senat kann deshalb gemäß § 79 Abs.6 OWiG in der Sache selbst entscheiden und die Regelsanktionen von einer Geldbuße in Höhe von 150,- DM sowie einem Fahrverbot von einem Monat verhängen.

Der Betroffene hat die Kosten des für ihn nachteilig entschiedenen Rechtsmittels einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen (§ 465 StPO).



Ende der Entscheidung

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