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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 01.03.2006
Aktenzeichen: 2 Ws 170/05
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 172
Für die Zulässigkeit eines Klageerzwingungsantrages ist es nicht erforderlich, dass in der Antragsschrift zusätzlich eine Darstellung des Gangs des Ermittlungsverfahrens, eine Auseinandersetzung mit den Bescheiden der Staatsanwaltschaft und Angaben darüber enthalten sind, wann die angegriffene Entscheidung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht dem Antragsteller oder dessen Prozessbevollmächtigten zugegangen und wann die sogenannte Vorschaltbeschwerde bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht eingegangen ist.
Gründe:

Der Beschuldigte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH, gegen die der Antragsteller in einem Zivilprozess vor dem Landgericht O1 - Az.: ... - Zahlungsklage in Höhe von 200.000 Euro erhob. Im Termin am 1.6.2004 vor der 2. Zivilkammer des Landgerichts O1 schloss der Antragsteller und der Beschuldigte als Insolvenzverwalter einen Vergleich, in dem sich der Beklagte (= Beschuldigter) sich verpflichtete, zur Tabelle zu Gunsten des Klägers (= Antragsteller) über den bereits festgestellten Betrag von 110.000 Euro hinaus einen weiteren Betrag in der Hauptsache von 14.000 Euro festzustellen. Hinsichtlich der Gerichtskosten einigte man sich darauf, dass der Beklagte 60 %, die Klägerin 40 % zu tragen habe, die außergerichtlichen Kosten der Parteien wurden gegeneinander aufgehoben. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22.7.2004 setzte das Landgericht O1 fest, dass der Beschuldigte als Insolvenzverwalter an die Antragstellerin 2620, 80 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 9.6.2004 zu erstatten habe. Mit Schreiben vom 21.10.2004 teilte der Bevollmächtigte des Beschuldigten mit, dass bereits am 14.7.2004 die Unzulänglichkeit der Masse erklärt worden war, die Forderung der Antragstellerin aus dem Vergleich fortan als Altmasse-Verbindlichkeit behandelt werde und somit gem. § 210 InsO von der Zwangsvollstreckung ausgenommen sei.

Die Antragstellerin wirft dem Beschuldigten vor, sie durch Täuschung zum Abschluss des Vergleichs gebracht zu haben. Der Beschuldigte habe im Termin am 1.6.2004 auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters ausdrücklich zugesichert, dass er aus der Insolvenzmasse zumindest die von ihm zu tragenden bislang angefallenen Gerichtskosten würde begleichen können, wobei ihm - dem Beschuldigten und seinem Bevollmächtigten bewusst gewesen sei, dass er bei einer Kostentragungspflicht in Höhe von 60 % mit mehr als 2500 Euro rechnen musste. Hätte die Antragstellerin gewusst, dass der Beschuldigte alsbald nach Vergleichsabschluss ihre Kostenerstattungsansprüche durch die Masse-Unzulänglichkeitserklärung entwerten würde, hätte sie den Vergleich nicht abgeschlossen.

Sie erstattete deshalb unter dem 1.8.2005 eine Strafanzeige gegen den Beschuldigten. Die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht O1 stellte das Verfahren am 16.9.2005 mit einer ausführlichen Begründung gem. § 170 Abs. 2 StPO ein. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde der Antragstellerin verwarf die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main mit Bescheid vom 8.11.2005. Zur Begründung verwies sie auf den Bescheid der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht O1. Zusätzlich führte sie unter anderem folgendes aus:

"Ergänzend ist, nachdem die Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Marburg vorlag, der Richter des Zivilverfahrens beim Landgericht O1, Az.: ..., Vorsitzender Richter am Landgericht B, angehört worden. Vorsitzender Richter am Landgericht C hat die Darstellung des Zeugen, Rechtsanwalt Z1, wonach es allen Prozessbeteiligten klar gewesen sei, dass das Verfahren ....gewesen sei bestätigt. Außerdem hat er angegeben, dass er sich - auch insofern übereinstimmend mit dem Angaben des Zeugen Z1 und des Beschuldigten selbst - nicht daran erinnern könne, dass der Beschuldigte zugesagt habe, die Masse könne auf jedenfall die Kosten des Verfahrens bedienen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung. Zudem Antrag hat die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht unter anderem wie folgt Stellung genommen:

"Der rechtzeitig gestellte Antrag auf Klageerzwingung entspricht jedoch im übrigen nicht vollständig den Formerfordernissen, die an einen Antrag auf Klageerzwingung gem. § 172 Abs. 3 StPO gestellt werden. Zwar enthält er ein aus sich heraus verständliche und nachvollziehbare Schilderung des gesamten Sachverhalts und schildert zutreffend den Gang des Ermittlungsverfahrens. Die Gründe, die zur Einstellung des Ermittlungsverfahrens führte, werden ebenfalls zutreffend wiedergegeben und es werden ausführlich die Überlegungen für die behauptete Unrichtigkeit der staatsanwaltschaftlichen Entscheidung wiedergegeben. Allerdings enthält der Klageerzwingungsantrag keine Angaben dazu, wann die angegriffene Entscheidung der Staatsanwaltschaft Marburg den Prozessbevollmächtigten zugegangen und wann die Beschwerde bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht O1 eingegangen ist, sodass anhand des vorliegenden Antrags nicht ohne Rückgriff auf die Akten beurteilt werden kann, ob die Beschwerde rechtzeitig eingelegt worden ist. Die Wahrung der Frist zur Einlegung der Beschwerde nach § 172 Abs. 1 StPO ist auch nicht so offensichtlich, das entsprechende Darlegungen entbehrlich wären."

Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht beantragt daher, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.

Der Senat teilt nicht die Ansicht der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, nach der neben den im Gesetz selbst (§ 172 Abs. 3 StPO) genannten Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Klageerzwingungsantrages in der Antragsschrift zusätzlich eine Darstellung des Gangs des Ermittlungsverfahrens, eine Auseinandersetzung mit den Bescheiden der Staatsanwaltschaft und Angaben darüber enthalten sein müssen, wann die angegriffene Entscheidung der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht dem Antragsteller oder dessen Prozessbevollmächtigten zugegangen und wann die sogenannte Vorschaltbeschwerde bei der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht eingegangen ist.

Der Senat verkennt nicht, dass die weit überwiegende Anzahl der Oberlandesgerichte und die herrschende Meinung in der Literatur diese Rechtsansicht teilen, wobei einige Oberlandesgerichte etwas differenzierende Auffassungen über die Ausführlichkeit dieser Angaben vertreten (vgl. zu diesem Meinungsstand Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 172, Rdnr. 26 und 27, KK, StPO, 5. Aufl., § 172, Rdnr. 14). Das Bundesverfassungsgericht hat diese Auslegung des § 172 Abs. 3 StPO auch für verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen (BVerfG, Beschl. v. 26.10.1978 (Vorprüfungsausschuss) - 2 BvR 684/78; BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des 2. Senats v. 16.4.1992 - 2 BvR 877/89, abgedruckt in NJW 1993, 382, 383; BverfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 8.10.2003 - 2 BvR 1465/01). Während allerdings in den Entscheidungen vom 26.10.1978 und vom 14.5.1988 diese zusätzlich neben dem Gesetzestext von den Oberlandesgerichten geforderten Voraussetzungen noch relativ uneingeschränkt gebilligt wurden, in dem dazu ausgeführt wurde, es erscheine sachgerecht, die Pflicht zur Tatsachenermittlung auch auf Daten sowohl des Zugangs des Einstellungsbescheides als auch des Eingangs der Beschwerdeschrift zu erstrecken, um eindeutig verspätete Anträge ohne weitere Prüfung abweisen zu können. Denn es müsse angesichts der für ein solchen Antrag zur Verfügung stehenden Frist von einem Monat ab Zugang des Beschwerdebescheids der Generalstaatsanwaltschaft zumutbar sein, dass sich der mit der Abfassung des Antrags befasste Anwalt durch Akteneinsicht anhand der Eingangsstempel Kenntnis über die im Antrag aufzuführenden Daten verschaffe. So zeigen die neueren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (2. Kammer des 2. Senats vom 16.4.1992 [abgedruckt in NJW 1993, 382, 383] und der 1. Kammer des 2. Senats vom 8.10.2003 - 2 BvR 1465/01 - [abgedruckt in NStZ 2004, 215, 216]) deutlich die Tendenz auf, die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Klageerzwingungsantrag nicht zu überspannen und diese von dem Oberlandesgerichten aufgestellten Erfordernisse nicht in jedem Fall schablonhaft anzuwenden. So wird in der Entscheidung vom 16.4.1992 unter anderem ausgeführt, es sei verfassungsrechtlich zwar unbedenklich, wenn das Oberlandesgericht fordere, ein Antragsteller müsse grundsätzlich das Datum des Eingang seiner Beschwerde beim Generalstaatsanwalt angeben, es sei aber mit Artikel 3 Abs. 1 GG in seiner Bedeutung als Willkürverbot nicht vereinbar, ohne Begründung davon auszugehen, die Erklärung des Beschwerdeführers in seinem Klageerzwingungsantrag, er habe "am 21. November 1988....Einstellungsbeschwerde erhoben", genüge dem nicht. Nach Artikel 103 Abs. 1 GG hätten Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich vor Erlass der Entscheidung zu dem grundliegenden Sachverhalt zu äußern. Dem entspräche auf der anderen Seite die Pflicht des Gerichts, den Vortrag der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Die Ausgestaltung dieses, auch im Klageerzwingungsverfahren zu beachtenden Grundsatzes sei zwar den einzelnen Verfahrensordnungen überlassen. Deshalb gewähre Art. 103 Abs. 1 GG keinen Schutz dagegen, dass das Gericht das Vorbringen aus Gründen des materiellen oder formellen Rechts unberücksichtigt lasse. Die Nichtberücksichtigung von Vorbringen verstoße aber dann gegen Artikel 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet und unter Berücksichtigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich sei.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8.10.2003 folgt in dieser einschränkenden Tendenz unter anderem mit der Ausführung, es wäre mit Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren, wenn der Antragsteller die Einhaltung der Beschwerdefrist nur mit der Angabe des Eingangsdatums der Beschwerdeschrift bei der Staatsanwaltschaft - das er unter Umständen mit größerem Aufwand in Erfahrung bringen muss - gem. § 172 Abs. 3 S. 1 StPO darlegen könne. Dem öffentlichen Interesse an einer hinreichenden Darlegung der Einhaltung der Beschwerdefrist sei auch schon Genüge getan, wenn der Antragsteller den Posteinwurftag der Beschwerdeschrift angebe und danach noch 2 Postbeförderungstage bis zum Ablauf der Beschwerdeschrift verblieben. Vorsorgliche Darlegung für den Fall einer außergewöhnlichen langen Postlaufzeit seien vor Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu rechtfertigen. Diese Tendenz der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist von Stoffers in einer Anmerkung zu der Entscheidung vom 16.4.1992 (NStZ 1993, Hefte 10, Seite 497 ff.) und von Asber in einer Anmerkung zu der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm, Beschl. v. 3.12.1991 - 1 Ws 619/91 - , (abgedruckt in NStZ 1992, Heft 11, S. 555 ff.) ausdrücklich begrüßt worden.

Das Oberlandesgericht Celle hat bereits in seiner Entscheidung vom 16.8.1988 - 1 Ws 210/88 - (NStZ 89, Heft 1, S. 43 ff.) entschieden, die Auffassung vertreten, für das Klageerzwingungsverfahren müsse es bei denjenigen Erfordernissen verbleiben, die das Gesetz ausdrücklich aufstelle. In diesem Beschluss ging es um die der betreffenden Antragsschrift fehlende Auseinandersetzung mit den Bescheid der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht und dem Beschwerdebescheid der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht. Hinsichtlich der ebenfalls geforderten Darlegung des Einhaltens der Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 StPO hat das Oberlandesgericht Celle an dieser Rechtsauffassung festgehalten (OLG Celle, OLGSt (1989), § 172 StPO, Nr. 27).

Das Oberlandesgericht Celle setzt sich mit dieser Rechtsprechung auch nicht in Widerspruch zu den oben angeführten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Dieses hat sich nämlich nur zu den verfassungsrechtlichen Grenzen des Verfahrens geäußert, nicht aber zu der Frage, wie § 172 StPO als Vorschrift einfachen Rechts zu interpretieren ist. Dies ist Aufgabe der Fachgerichte (vgl. BVerfG, Beschl. v. 16.4.1992, 2 BvR 877/89, abgedruckt in NJW 1993, 382, 383).

Deshalb sah sich auch der erkennende Senat nicht gehindert, in seiner Entscheidung vom 14.10.1992 - 2 Ws 171/92 - seine ständige Rechtsprechung weiter zu verfolgen, dass die Wiedergabe der Bescheide der Staatsanwaltschaft und die Auseinandersetzung mit diesen Bescheiden grundsätzlich nicht zu den formellen Voraussetzungen eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 StPO gehören. In den Gründen dieses Beschlusses heißt es unter anderem wie folgt:

"Das Oberlandesgericht soll aufgrund des Antrags in den Stand gesetzt werden zu entscheiden, ob die vom Antragsteller unterbreiteten Tatsachen und Beweismittel ein genügenden Anlass zur Anklageerhebung bieten. Dabei ist es unerheblich, aus welchen Gründen die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren eingestellt und die Beschwerde des Verletzten zurückgewiesen hat, da die Entscheidung ohne irgendeine Bindung an die Auffassung der Staatsanwaltschaft zu treffen ist. Bei einer schwierigen Rechts- und Beweislage kann die Kenntnis von den Erwägungen der Staatsanwaltschaft sicherlich hilfreich sein. Dies rechtfertigt jedoch nicht eine Ausdehnung der Anforderungen an einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung über den Wortlaut des § 172 Abs. 3 StPO hinaus. Eine solche Ausdehnung bedeutet eine zusätzliche formale Schranke, die die Rechtsverfolgung für den Antragsteller unnötig erschwert. Schließlich lässt sich die Forderung nach einer Auseinandersetzung mit den Bescheiden der Staatsanwaltschaft nicht mit dem erforderlichen Nachweis einer Verletzung des Legalitätsprinzips rechtfertigen. Für die Entscheidung über die Anordnung der Anklageerhebung kommt es nicht darauf an, warum die Staatsanwaltschaft diese unterlassen hat. Die Kontrolle im Klageerzwingungsverfahren kann allein darin bestehen zu entscheiden, ob zur Zeit der Entscheidung des Oberlandesgerichts genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage besteht."

An dieser Rechtsprechung hat der Senat festgehalten und Ausnahmen unter anderem dazu lediglich dann für gegeben angenommen, wenn die Antragsschrift lediglich ein inhaltsloses Wiederholen der Strafanzeige darstellt oder es absolut unverständlich bleibt, warum bei einem derartig einfach gelagerten Sachverhalt (gegebene Strafbarkeit) die Staatsanwaltschaft das Verfahren eingestellt hat.

Der Senat nimmt das gegebene Verfahren nunmehr zum Anlass, nochmals klarzustellen, dass er es für die Zulassung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung auch nicht für erforderlich hält, dass der Antragsteller in der Antragsschrift vorträgt, wann der Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft ihm oder seinem Prozessbevollmächtigten zuging und ob die Frist für die "Vorschaltbeschwerde" eingehalten worden ist. Es muss für die Zulässigkeit des Klageerzwingungsantrages grundsätzlich bei denjenigen Erfordernissen verbleiben, die das Gesetz ausdrücklich aufstellt. Soweit nicht praktische oder zwingende theologische Gründe es erfordern, dürfen nicht zusätzliche formale Schranken errichtet werden, die die Verwirklichung eines materiellen Rechts erschweren. Die Wahrung des Legalitätsprinzips, dass die Klageerzwingung auf Initiativen des Verletzten sichert, ist von zu hoher Bedeutung, als dass sie durch unnötige, vom Gesetz nicht vorgesehene strenge Anforderungen im formellen Bereich unterlaufen werden dürfte. Die Zulässigkeitsprüfung darf nicht formalistischer Selbstzweck werden. Dieses Ausdehnen und Erweitern von formellen Zulässigkeitsvoraussetzungen durch die überwiegende Anzahl der Oberlandesgerichte ist uns besondere deshalb verwunderlich, weil auf fast allen anderen Sachgebieten bei der Prüfung von Zulässigkeitsvoraussetzungen im Allgemeinen sehr großzügig verfahren wird. So bei den Zulassungsrechtsbeschwerden im Bereich der Ordnungswidrigkeiten und der Strafvollzugssachen, bei denen es ausdrückliche Zielrichtung der Legislative war, den weiteren Rechtsweg zum Oberlandesgericht und damit die Möglichkeit einer zweiten gerichtlichen Entscheidung einzuschränken, während es sich doch vorliegend um das Erreichen der ersten und einzigen gerichtlichen Entscheidung handelt.

Ferner drängt sich die Frage auf, ob das Fordern von zusätzlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung über den Wortlaut des § 172 Abs. 3 StPO hinaus, noch mit dem Grundsatz der Notwendigkeit eines fairen Verfahrens vereinbar ist. Die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, die über die Beschwerde des Anzeigeerstatters - falls er Verletzter ist - gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht gem. § 172 Abs. 1 StPO entscheidet, sofern die Staatsanwaltschaft nicht selbst der Beschwerde abhilft, kann die Beschwerde unter anderem dann als unzulässig verwerfen, wenn sie nicht fristgemäß, d. h. innerhalb von 2 Wochen nach der Bekanntmachung des Bescheids gem. § 171 StPO eingelegt worden ist (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 172, Rdnr. 14). Somit ist von Gesetzes wegen die Möglichkeit gegeben, den Antragsteller frühzeitig auf ein nicht fristgerechtes Handeln hinzuweisen und ein eventuelles Reagieren darauf zu erleichtern. Verwirft die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht dagegen die Beschwerde nicht als verfristet und gibt keinen entsprechenden Hinweis darauf, verwirft vielmehr die Beschwerde aus sachlichen Gründen, so muss doch der Beschwerdeführer davon ausgehen, seine Beschwerde sei als fristgerecht und damit zulässig behandelt worden. Er hat somit aufgrund des Verhaltens der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht überhaupt keine Veranlassung dazu, in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 3 StPO auf die Frist des § 172 Abs. 1 S. 1 StPO die entsprechenden Daten (Bekanntmachung und Eingang der Beschwerde) einzugehen, da auch der Wortlaut des Gesetzes die Darlegung der Einhaltung der Frist für die Vorschaltbeschwerde nicht als Zulässigkeitsvoraussetzung für einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung anführt. Es ist auch schwerlich nachzuvollziehen, dass die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht die Beschwerde sachlich entscheidet und - so zumindestens die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main - in der dem sachlichen Bescheid gem. § 172 Abs. 2 S. 1 StPO obligatorischen Rechtsmittelbelehrung in soweit lediglich ausführt:

"....der Antrag auf gerichtliche Entscheidung muss die Tatsachen, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, und die Beweismittel angeben. Er muss von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Prozesskostenhilfe gelten die selben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Das Gesuch muss den Sachverhalt schildern und erkennen lassen, warum der Bescheid angefochten werden soll. Es muss gleichfalls binnen einem Monat bei Gericht vorliegen....."

Der die gerichtliche Entscheidung Beantragende erhält somit auch in der Rechtsmittelbelehrung kein Hinweis darauf, dass er in seinem Antrag über die im Gesetz angeführten Zulässigkeitsvoraussetzungen hinaus, dass Einhalten der Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 StPO durch die entsprechenden Daten vorzutragen hat, um eine Sachentscheidung des Gerichts erreichen zu können. Versäumt er es, diesen Anforderungen gerecht zu werden, wird er damit konfrontiert, dass nunmehr die Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht sich in ihrer Stellungnahme zu seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung auf das Nichtvorbringen der zusätzlich aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen beruft und beantragt, seinen Antrag als unzulässig zu verwerfen und zwar sogar in den Fällen, in dem die Beschwerdefrist des § 172 Abs. 1 StPO tatsächlich eingehalten wurde. Die Oberlandesgerichte, die die Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung von diesen zusätzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen abhängig machen, billigen damit dieses den Antragsteller zumindestens überraschende Verhalten der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht.

Aus alldem folgt die Rechtsansicht des Senats, dass es für die Zulässigkeit eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 172 Abs. 2 StPO grundsätzlich ausreicht, wenn die Antragsschrift den im Gesetz zum Ausdruck kommenden Zulässigkeitserfordernissen Rechnung trägt.

Der danach zulässige Antrag ist aber aus den im Ergebnis zutreffenden Gründen des Bescheids der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht O1 vom 18.9.2005 und dem Beschwerdebescheid der Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht vom 8.11.2005 unbegründet. Entgegen der in seiner Antragsschrift vorgetragenen Auffassung des Antragstellers ist es im Klageerzwingungsverfahren durchaus zulässig, im Rahmen der notwendigen Prüfung, ob ein hinreichender Tatverdacht vorliegt, eine prognostizierende Beweiswürdigung vorzunehmen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Aufl., § 174 Rdz. 2 und § 170 Rdz. 1 ff.). Für die Anordnung der Anklage ist es nämlich erforderlich, dass nach dem gesamten Akteninhalt bei vorläufiger Tatbewertung die Verurteilung des Beschuldigten mit Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O.). Dies ist hier - insbesondere unter Berücksichtigung der ergänzend eingeholten Äußerung des Vorsitzenden Richters am Landgericht C - nicht der Fall.

Die Kosten und Auslagenentscheidung beruht auf den §§ 174 Abs. 1, 177, 464a StPO.

Ende der Entscheidung

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