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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.06.2003
Aktenzeichen: 20 W 182/2003
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 43 I Nr. 1
WEG § 46 a
ZPO § 36 I Nr. 6
ZPO § 696 I 1
ZPO § 699 I 3
Bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen einem Prozessgericht und einem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nur entsprechende Anwendung, so dass die tatsächlichen als verbindlich gewollten Unzuständigkeitserklärungen als Voraussetzung der Zuständigkeitsbestimmung ausreichen und keine erfolglose Anfechtung der jeweiligen Abgabebeschlüsse erforderlich ist. Die Beteiligten müssen allerdings zumindest formlos über den Kompetenzkonflikt informiert worden sein, lediglich intern gebliebene Aktenvermerke stellen keine taugliche Unzuständigkeitserklärung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (analog) dar. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 699 Abs. 1 Satz 3 ZPO ist das WEG-Gericht als Prozessgericht auch dann für die Erteilung eines Teilvollstreckungsbescheides zuständig, wenn das Mahngericht trotz erkennbar nur zum Teil eingelegten Widerspruchs das Verfahren komplett abgegeben hat.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 182/2003 02 - 1744066-09-N AG Hünfeld

Entscheidung vom 5. Juni 2003

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Vorlage des Amtsgerichts Lampertheim vom 23.04.2003 am 05.06.2003 beschlossen:

Tenor:

Eine Entscheidung über die Vorlage zur Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (analog) ergeht nicht.

Gründe:

Die Antragsteller erwirkten am 13.12.2003 einen Mahnbescheid des AG Hünfeld wegen rückständigen Wohngeldes aus 2001 von 2.990, 61 EUR nebst Kosten und Zinsen gegen den Antragsgegner. Der Mahnbescheid wurde dem Antragsgegner laut Zustellungsurkunde am 18.12.2002 zugestellt. Der Antragsgegner legte am 30.12. 2002 Widerspruch wegen eines Teils der Hauptforderung von 394,09 EUR und wegen der Verfahrenskosten ein, worauf das Verfahren antragsgemäß an das Amtsgericht Lampertheim abgegeben wurde, wo die Akten am 03.02.2003 eingingen. Der Rechtspfleger des AG Lampertheim- WEG- Abteilung- sandte die Akten mit dem am 06.03.2003 beim Amtsgericht Hünfeld eingegangenen und der abgegebenen Akte nachgesandten Antrag auf Erlass eines Teilvollstreckungsbescheids vom 05.03.2003 zurück an das AG Hünfeld. Dieses legte in einem Vermerk vom 27.03.2003 seine Auffassung nieder, dass das Prozessgericht zum Erlass des Teilvollstreckungsbescheids zuständig sei, da dieser Antrag erst nach der Abgabe gestellt worden sei. Gemäß einem weiteren Vermerk vom 07.04. 2003 gab der Rechtspfleger des AG Lampertheim die Akten nochmals an das AG Hünfeld zurück, weil die Abgabe keine Bindungswirkung entfaltet habe, soweit kein Widerspruch eingelegt wurde und der Erlass des Teilvollstreckungsbescheids durch das Gericht, bei dem das maschinelle Mahnverfahren eingeführt ist, der Prozessökonomie entspreche. Dieser Auffassung trat der Rechtspfleger des Mahngerichts in einem Vermerk vom 15.04.2003 unter Hinweis auf Entscheidungen des OLG Düsseldorf und des OLG Frankfurt am Main entgegen. Mit Beschluss vom 23.04.2003, der nach dem Akteninhalt den Beteiligten nicht bekannt gemacht worden ist, erklärte sich das AG Lampertheim für örtlich unzuständig für den Erlass des Teilvollstreckungsbescheids und legte die Akten zur Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main vor.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist als das gemeinsame obere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht berufen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen aber nicht vor. Zwar ist das für die Zuständigkeitsbestimmung nach § 37 Abs. 1 ZPO erforderliche Gesuch hier in der Vorlage durch das Amtsgericht Lampertheim enthalten.

Da die Unzuständigkeitserklärung mit Beschluss des AG Lampertheim vom 23.04.2003 nach dem Akteninhalt den Beteiligten aber nicht bekannt gemacht worden ist, also nicht nach außen gedrungen und nur ein gerichtsinterner Vorgang geblieben ist, liegt keine für das Bestimmungsverfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO taugliche Entscheidung des Amtsgerichts Lampertheim vor. Diese Norm gilt unmittelbar nur für Zuständigkeitsstreitigkeiten der ordentlichen Gerichte in sämtlichen Verfahren nach der ZPO gilt (Zöller/Vollkommer: ZPO, 23. Aufl., § 36 Rdnr. 23), sie wird vorliegend nur entsprechend angewendet, da es hier um einen negativen Kompetenzkonflikt zwischen Prozessgericht und Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf der Grundlage von § 46 a WEG geht. Bei nur entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genügt zwar die tatsächlich als verbindlich gewollten Leugnung der eigenen Zuständigkeit, es bedarf also keiner rechtskräftigen Entscheidung darüber. Die Unzuständigkeitserklärung muss aber den Beteiligten - zumindest formlos- bekannt gemacht worden sein (OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 429; BayObLGZ 1994, 91, 93; Keidel/Kuntze/Winkler: FGG, 15. Aufl., § 14; Zöller, aaO., Rdnr. 25, jeweils mit weiteren Hinweisen). Da die Akte keine Verfügung über die Herausgabe des Beschlusses vom 24.03.2003 an die Beteiligten enthält, kann aber auch nicht von einer formlosen Bekanntgabe ausgegangen werden. Auch im Vorfeld dieses Beschlusses ist der Kompetenzkonflikt nach der ersten Abgabe an das AG Lampertheim nur mittels Aktenvermerke ausgetragen worden. Diese sind als lediglich gerichtsinterne Vorgänge den Beteiligten gegenüber nicht wirksam und können auch bei entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht als Unzuständigkeitserklärungen im Sinn dieser Vorschrift angesehen werden (BGH NJW 1998, 1312= FamRZ 1998, 609, 610; OLG Brandenburg aaO., Seite 430; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann: ZPO, 60. Aufl., § 36 Rdnr. 36).

Für das weitere Verfahren ist vorsorglich zu bemerken, dass zuständiges Gericht das Amtsgericht Lampertheim -Wohnungseigentumsgericht- und für die Erteilung des Teilvollstreckungsbescheids dessen Rechtspfleger (§ 20 Nr. 1 RPflG) berufen ist. Mit der Abgabe nach § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das in dem Mahnantrag für die Durchführung des streitigen Verfahrens als zuständig angegebene und nach § 46 a Abs. 1 Satz 2 WEG auch ausschließlich zuständige AG Lampertheim endete das Mahnverfahren und mit dem Akteneingang am 03.03.2003 dort wurde der Mahnantrag als Antrag nach § 43 Abs. 1 WEG anhängig (§ 46 a Abs. 1 Satz 4 WEG). Der Antrag auf Erteilung des Teilvollstreckungsbescheids datiert vom 05.03.2003 und ist erst am 06.03.2003 beim AG Hünfeld eingegangen, also nach Abgabe und Akteneingang beim AG Lampertheim.

Für die komplette Abgabe des Verfahrens, also auch insoweit, als kein Widerspruch eingelegt worden ist, fehlte aber die gesetzliche Grundlage nach § 696 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Deshalb hätte von vornherein beim AG Hünfeld eine Differenzierung des Vorgangs vorgenommen werden müssen und eine Abgabe nur hinsichtlich des Teils, bezüglich dessen Widerspruch eingelegt worden ist, erfolgen dürfen. Sodann wäre vom Mahngericht nach Eingang (entweder direkt beim Mahngericht oder nach Übersendung durch das Prozessgericht) des Antrages auf Erlass des Teilvollstreckungsbescheides über diesen Antrag zu entscheiden gewesen. Es ist streitig, ob auch bei fehlenden Voraussetzungen für eine Abgabe der § 699 Abs. 1 Satz 3 ZPO anzuwenden ist, mit der Folge dass für den Erlass des (Teil-) Vollstreckungsbescheids das Wohnungseigentumsgericht zuständig ist und nicht das Mahngericht. Der Senat folgt wie bereits der 21. Zivilsenat des Oberlandesgerichts in seinem Beschluss vom 10.09.1997 (AR 72/97) und das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Beschluss vom 12.12.1998 (19 Sa 88/98) der Auffassung, dass im Interesse der Verfahrensbeschleunigung und zur Vermeidung von Unübersichtlichkeit auch im Fall einer vollständigen Abgabe trotz eindeutig erkennbarem Teilwiderspruch der Rechtsgedanke des § 699 Abs. 1 Satz 3 ZPO anzuwenden ist (so auch Musielak/Voit: ZPO, 3. Aufl., § 699 Rdnr. 4; Stein/Jonas: ZPO, 21. Aufl., § 699 Rdnr. 9; Thomas/Putzo: ZPO, 24. Aufl., § 699, Rdnr. 13; anderer Auffassung: OLG München NJW-RR 1989, 128; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann: ZPO, 61. Aufl., § 699, Rdnr. 12; Holch in Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 699, Rdnr. 35; Wieczorek/Olzen: ZPO, 3. Aufl., § 699, Rdnr. 35; Zöller/Vollkommer: ZPO, 23. Aufl., § 699, Rdnr. 11). Im vorliegenden Fall besteht ein besonderer Grund für die Zuständigkeit des AG Lampertheim als Prozessgericht zur Entscheidung über den Antrag auf Teilvollstreckungsbescheid aus prozessökonomischen Gründen noch darin, dass der Antragsgegner Widerspruch auch gegen die Verfahrenskosten insgesamt erhoben hat, also über die gesamten Verfahrenskosten nach § 47 WEG zu entscheiden sein wird (Hansens Rpfleger 1992, 277, 280). Dagegen kann die Tatsache, dass beim Mahngericht das automatisierte Mahnverfahren betrieben wird, dann wenn bereits eine vollständige Abgabe an das Prozessgericht erfolgt ist, keine besondere Beschleunigung mehr bewirken, wie der Verfahrensablauf hier gezeigt hat.

Ende der Entscheidung

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