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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.12.2002
Aktenzeichen: 20 W 189/02
Rechtsgebiete: WEG, KostO


Vorschriften:

WEG § 48 III 2
KostO § 31
Gegenüber einer Geschäftswertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren, die das mit der Hauptsache befasste Landgericht trifft, ist die unbefristete, zulassungsfreie Erstbeschwerde gegeben.
20 W 189/02

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

In der Wohnungseigentumssache

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 02.05.2001 am 9. Dezember 2002 beschlossen:

Tenor:

Unter Zurückweisung der Beschwerde der Antragstellerin im übrigen wird der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 47.192,18 DM=24.128,98 EUR abgeändert.

Gründe:

Die Antragstellerin hat mit ihrem erstinstanzlichen Antrag die Ungültigerklärung der zu TOP 2 der Eigentümerversammlung 01.09.1999 (Bl. 19 d. A.) gefassten Beschlüsse über die Genehmigung der Jahresabrechung 1998 und der Entlastung der Verwalterin für diesen Zeitraum begehrt.

Das Amtsgericht hat den Antrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 15.09.2000 zurückgewiesen und der Antragstellerin die gesamten Kosten des Verfahrens, ein-schließlich der außergerichtlichen der Antragsgegner auferlegt (Bl. 93-95 d. A.). Eine Geschäftswertfestsetzung ist im amtsgerichtlichen Verfahren nicht erfolgt, weder vorläufig, noch in der abschließenden Entscheidung.

Die Antragstellerin hat mit ihrer Beschwerde geltend gemacht, der Geschäftsführer der Verwalterin habe sich mit den ihm erteilten Vollmachten nicht an der Abstimmung über TOP 2 beteiligen dürfen. Außerdem sei die Jahresabrechnung nicht ordnungs-gemäß, wie die Antragstellerin in einem Schreiben vom 14.08.1999 mit über 20 Positionen (Bl. 160 d.A.) im einzelnen ausgeführt hat, insbesondere werde die Antragstellerin durch die Einzelabrechung nicht in die Lage versetzt, die umlagefähigen Nebenkosten mit ihrer Mieterin abzurechnen. Ausdrücklich hat die Antragstellerin auch die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten in der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung gerügt

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin als unzulässig verworfen, da das vermögenswerte Interesse der Antragstellerin an der Entscheidung allenfalls 1.216,95 DM betrage, und in dem Beschluss vom 02.05.2001 den Geschäftswert auf 79.011,52 DM festgesetzt. Dabei hat es für die Anfechtung der Gesamtjahresabrechung 10 % des Gesamtabrechungsvolumens von 368.193,38 DM und für die Anfechtung der Einzelabrechnung den auf die Antragstellerin entfallenden Anteil von 5.372,84 DM zu Grunde gelegt. Die Anfechtung der Verwalterentlastung ist mit weiteren 10 % des Gesamtabrechungsvolumens 1998 bewertet worden (Bl. 8, 185 d. A.)

Dagegen richtet sich die im April 2002 bei Gericht eingegangene Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie geltend macht, im Hinblick auf den unter 1.500,00 DM liegenden Beschwerdewert stünden die ca. 25.400,00 DM an Verfahrenskosten entsprechend dem vom Landgericht festgesetzten Geschäftswert nicht in einem angemessenen Verhältnis, weshalb der Wert nach § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG zu ermäßigen sei. Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung vorgelegt.

Die gemäß §§ 31 Abs. 3 Satz 1, 14 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 KostO a.F. statthafte, zulassungsfreie und unbefristete Beschwerde (KG WoM 1996, 306; OLG Stuttgart Die Justiz 1997, 130; OLG Zweibrücken NZM 2001, 245; BayObLG NZM 2001, 246; Bärmann/Pick/Merle: WEG, 8. Aufl., § 48, Rdnr. 61; Niedenführ/Schulze: WEG, 6. Aufl., § 48 Rdnr. 23) gegen die Geschäftswertfestsetzung, die das in zweiter Instanz mit der Hauptsache befasste Landgericht getroffen hat, ist nur zum Teil begründet.

Der Geschäftswert gemäß § 48 Abs. 3 WEG richtet sich - anders als der Beschwerdewert - grundsätzlich nach dem Interesse aller Beteiligten an der Entscheidung. Dies dient unter anderem dem Zweck, die Wohnungseigentümer dazu anzuhalten, die über ihre subjektiven Interessen hinausgehende Wirkung des Verfahrens auf die anderen Beteiligten zu bedenken und von der leichtfertigen Stellung eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung abzusehen (Staudinger/Wenzel: WEG, 12. Aufl., § 48, Rdnr. 15).

Der Geschäftswert bei der Anfechtung von Beschlüssen über die Jahresabrechnung bestimmt sich deshalb nach allgemeiner Auffassung nach einem Bruchteil von 20 - 25 % des Gesamtvolumens, wodurch im Regelfall auch dem verfassungsrechtlich garantierten Grundsatz des gleichen Zugangs zu den Gerichten Rechung getragen wird. Wenn im Einzelfall das Eigeninteresse des anfechtenden Wohnungseigentümers - wie vorliegend - deutlich unter 25 % des Gesamtvolumens liegt, so kann eine weitere Herabsetzung geboten sein ( BayObLG WuM 1992, 714; OLG Hamm NZM 2001, 549; Bärmann/Pick/Merle: WEG, 8. Aufl., § 48, Rdnr 22 mit weiteren Nachweisen; Niedenführ/Schulze: WEG, 6. Aufl., § 48, Rdnr. 40; Staudinger/Wenzel, aaO., § 48, Rdnr. 20). Dem hat die Kammer bereits dadurch Rechung getragen, dass sie nur 10 % des Gesamtvolumens berücksichtigt hat. Eine Reduzierung auf die Kosten einer erneuten Eigentümerversammlung, wie sie im Fall der Anfechtung allein nur aus verfahrensrechtlichen Gründen angezeigt wäre, kommt vorliegend nicht in Betracht, da die Antragstellerin sich auch gegen die Ordnungsmäßigkeit der Gesamtabrechnung, nicht nur der Beschlussfassung gewendet hat. Da die Antragstellerin zusätzlich auch die Einzelabrechung angefochten hat, weil darin die auf ihre Mieterin umzulegenden Nebenkosten nicht aufgeführt sind, war die Summe der Einzelabrechung zusätzlich zu berücksichtigen (Merle, aaO., Rdnr. 22; Niedenführ/Schulze, aaO.), wovon das Landgericht zutreffend ausgegangen is

Begründet ist die Beschwerde dagegen insoweit, als die Kammer auch für die Anfechtung des Beschlusses über die Verwalterentlastung weitere 10 % des Gesamtvolumens der Jahresabrechung angesetzt hat.

Nach der überwiegenden Auffassung, der sich auch der Senat anschließt, richtet sich der Geschäftswert für die Anfechtung von Beschlüssen über die Entlastung des Verwalters in erster Linie danach, ob und in welchem Umfang Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter in Betracht kommen (BayObLG WuM 1999, 185; Niedenführ/Schulze, aaO., Rdnr. 38; Merle, aaO., Rdnr. 21). Dies entspricht am ehesten der Bedeutung des Entlastungsbeschlusses als negativem Schuldanerkenntnis gemäß § 397 Abs. 2 BGB dahingehend, dass den Wohnungseigentümern keine Ansprüche gegen den Verwalter wegen solcher Vorgänge zustehen, die bekannt oder bei zumutbarer Sorgfalt erkennbar waren (Niedenführ/Schulze, aaO., § 28, Rdnr. 159; zu den Entlastungswirkungen im einzelnen: Köhler ZMR 1999, 293, 294). Da das Verfahren nicht ergeben hat, dass derartige Ansprüche in Betracht kämen, muss der Geschäftswert insoweit geschätzt werden, wobei der Senat in entsprechender Anwendung von § 30 Abs. 2 KostO a. F. den Regelwert von 5.000,00 DM angesetzt hat. Der vom Landgericht angenommene Wert in Höhe von 10 % des Abrechungsvolumens (so auch Staudinger/Wenzel, aaO, Rdnr. 22 unter Berufung auf AG Hildesheim ZMR 1986, 23, 24), erscheint dagegen zu pauschal und bei großen Gemeinschaften wie vorliegend überhöht. Andererseits werden Beträge von 1.000,00 DM bzw. 500,00 EUR (so BayObLG WuM 1999, 185; Niedenführ/Schulze, aaO., § 48, Rdnr. 38) der Bedeutung der Entlastung für die Beteiligten und den Verwalter, wie oben ausgeführt, nicht gerech

Es kann auch nicht die Rede davon sein, dass die nach dem vom Senat festgesetzten Wert zu berechnenden Kosten des Verfahrens zu dem Interesse der Antragstellerin an der Ungültigkeitserklärung der Genehmigung der Jahresabrechung und der Verwalterentlastung nicht in einem angemessenen Verhältnis stünden (§ 48 Abs. 3 Satz 2 WEG).

Die Verfahrenskosten auf der Grundlage dieses Geschäftswertes dürften insgesamt 11.000,00 DM nicht wesentlich übersteigen, wobei fast 7.000,00 DM an geschätzten Rechtsanwaltskosten der Antragsgegner auf der entgegen dem Grundsatz, dass die Beteiligten in WEG-Verfahren ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich (auch im Fall des Obsiegens) selbst tragen, angeordneten Kostenerstattung in der amtsgerichtlichen Entscheidung beruhen. Bei der Abwägung nach § 48 Abs. 3 Satz 2 WEG ist zwar auf die Verhältnisse des Einzelfalls abzustellen. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob auch eine Kostentragungspflicht hinsichtlich der gegnerischen Anwaltskosten zu berücksichtigen ist, mit der nach den Grundsätzen des FGG-Verfahrens bei Abwägung des Kostenrisikos nicht zu rechnen war, oder ob nur auf die Gerichtskosten und die eigenen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten abzustellen ist. Auch die geschätzten Verfahrenskosten von 11.000,00 DM erfordern bei Abwägung der Interessen der Antragstellerin gegenüber den Interessen der übrigen Beteiligten an einer wirksamen Jahresabrechung bzw. Verwalterentlastung keine weitere Ermäßigung wegen der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Justizgewährungspflicht. Allerdings wäre das Kostenrisiko der Antragstellerin schon in erster Instanz vor Augen geführt worden, wenn die Vorschussanforderung auf Grund einer vorläufigen Geschäftswertfestsetzung erfolgt wäre bzw. in der amtsgerichtlichen Entscheidung der Geschäftswert festgesetzt worden wäre

Die Nebenentscheidungen hinsichtlich der Gebührenfreiheit und der Kostenerstattung beruhen auf § 31 Abs. 3 Satz 2 und 3 KostO a. F..

Ende der Entscheidung

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