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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.06.2005
Aktenzeichen: 20 W 200/03
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 14 III 2
KostO § 17 II
KostO § 26
1. Überzahlte Handelsregisterkosten auf Grund europarechtswidriger Berechnung des Geschäftswertes sind in Altfällen vom Zeitpunkt der Einzahlung an mit 6 % p. a. zu verzinsen.

2. Auch die Verjährung des Rückzahlungsanspruchs und des Zinsanspruchs beginnt mit der Einzahlung und nicht erst mit der Aufhebung des Kostenansatzes. Die Staatskasse ist grundsätzlich nicht gehindert, sich gegenüber dem Zinsanspruch auf Verjährung zu berufen.


Gründe:

In einer Kostenrechnung vom 16.01.1986 -Kassenzeichen X- wurden der Kostenschuldnerin für die Eintragung der Löschung der Zweigniederlassung O1 Gebühren gemäß §§ 26, 32, 79 KostO a. F. im Gesamtbetrag von 50.786,20 DM unter Zugrundelegung eines Geschäftswertes von 97.132.560,00 DM in Rechnung gestellt. Mit am 23.12.2000 bei Gericht eingegangenem Schreiben vom 19.12.2000 hat die Kostenschuldnerin gegen den Kostenansatz unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH zu den gegen die EG-Richtlinie vom 17.07.1969 (69/335 EWG) verstoßende Berechnung von Handelsregistergebühren gemäß § 26 HGB Erinnerung eingelegt und beantragt, den Kostenansatz aufzuheben, die Kosten neu anzusetzen und den überzahlten Betrag zzgl. 6% Zinsen seit dem 30.01.1986 zurückzuerstatten. Sie hat dazu u. a. vorgetragen, die Kostenrechnung sei fristgerecht binnen zwei Wochen bezahlt worden. Grundlage der Verzinsungspflicht seien die für den hier vorliegenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch entsprechend geltenden §§ 818 Abs. 1, 812 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F., wobei der Zinssatz von 6 % p. a. den in vergleichbaren Fällen getroffenen Regelungen entspreche. Der Vertreter der Staatskasse hat die Verjährung des Rückerstattungsanspruchs geltend gemacht.

Mit Beschluss vom 01.06.2001 (Bl. 60, 61 d. A.) hat das Amtsgericht die Erinnerung zurückgewiesen, da ein etwaiger Rückerstattungsanspruch der Kostenschuldnerin nach § 17 Abs. 2 KostO a. F. verjährt sei, da dieser Anspruch bereits mit Zahlung der Kosten, also 1986 entstanden sei.

Das Landgericht Frankfurt am Main -7. KfH- hat mit Beschluss vom 19.10.2001 (Bl. 63-65 d. A.) auf die Beschwerde der Kostenschuldnerin die angefochtene Kostenrechnung aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, eine neue Kostenrechung zu erteilen, über den Zinsanspruch aber nicht entschieden. Die Kammer hat die Auffassung vertreten, da der Anspruch erst mit Aufhebung des Kostenansatze entstehe, sei keine Verjährung eingetreten.

Unter dem 06.11.2002 hat das Amtsgericht eine berichtigte Kostenrechnung über 1.754,20 € erstellt (Bl. 79 d. A.) und unter Berücksichtigung einer Sollstellung vom 22.07.1986 wegen des Überschusses von 27.095,96 € am 19.12.2002 eine Kassenanordnung erlassen (Bl. 44 a d. A.). In einem Schreiben vom 05.11.2002 hat die Rechtspflegerin eine Verzinsung im Hinblick auf § 17 Abs. 4 KostO n. F. abgelehnt. Hiergegen hat sich die Kostenschuldnerin mit Schreiben vom 18.11.2002 gewandt, das die Rechtspflegerin als Erinnerung gewertet, der sie nicht abgeholfen und die sie mit Verfügung vom 20.12.2002 (Bl. 44 d. A. ) dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt hat. Die 16. KfH des Landgerichts Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 27.03.2003 (Bl. 89-92 d. A.) die Entscheidung der Rechtspflegerin dahin abgeändert, dass der von der Landeskasse an die Kostenschuldnerin zu erstattende Betrag mit 6 % jährlich ab dem 01.01.1996 zu verzinsen sei und die Beschwerde der Kostenschuldnerin im übrigen zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin, mit der sie wie schon in den Vorinstanzen die Auffassung vertritt, die Erhebung der Einrede der Verjährung sei missbräuchlich, da es der Staatskasse nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verwehrt sei, die Verjährungseinrede zu erheben. Wie für den Hauptanspruch, also den Anspruch auf Rückerstattung der überzahlten Kosten, müsse auch für den Zinsanspruch gelten, dass die vierjährige Verjährungsfrist nach § 197 a. F. BGB erst mit der Aufhebung des ursprünglichen Kostansatzes zu laufen beginne. Vor Aufhebung des Kostenansatzes als Justizverwaltungsakt sei die Gebührenzahlung nicht rechtsgrundlos erfolgt und deshalb solange ein Erstattungsanspruch ausgeschlossen. Die - hier nicht anwendbare - Neuregelung zur Verzinsung in § 17 Abs. 2 KostO sei ein weiterer Beleg für die Anwendung der allgemeinen Grundsätze auf den vorliegenden Altfall.

Der angehörte Vertreter des Staatskasse hat sich den Ausführungen des Landgerichts angeschlossen und auf entsprechende Anfrage der Berichterstatterin einen Erlass des Hessischen Ministeriums der Justiz und für Europaangelegenheiten vom 15.07.1998 -5600-II/6-971/97- vorgelegt. Darin wird angekündigt, über die Behandlung von Rechtsbehelfsverfahren sowie von Rückerstattungsansprüchen als Auswirkungen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 02.12.1997 (ZIP 1998,206) werde in einem gesonderten Erlass eingegangen. Im Hinblick auf eine möglicherweise drohende Verjährung von eventuellen Rückerstattungsansprüchen solle seitens der Staatskasse bis zum Abschluss der notwendigen Erhebungen auf die Einrede der Verjährung verzichtet werden. Nach Mitteilung des Vertreters der Staatskasse ist der angekündigte weitere Erlass nicht ergangen und das Ministerium sehe auch keine Notwendigkeit für eine vorläufige Regelung, wie auf Nachfrage telefonisch erklärt worden sei.

Die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin ist zulässig, insbesondere ist die erforderliche Zulassung der weiteren Beschwerde gegeben. Da die angefochtene Entscheidung vor dem 01.07.2004 der Geschäftstelle übermittelt worden ist, finden nach § 163 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 05.05.2004 (BGBl. 2004 Teil I Nr. 21 Seite 718) noch die vor dem 01.07.2004 geltenden Vorschriften für die Beschwerde weiter Anwendung, hinsichtlich der Zulassung also § 14 Abs. 3 Satz 2 KostO a. F.

In der Sache hat die weitere Beschwerde aber keinen Erfolg, da die angefochtene Entscheidung nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 14 Abs. 2 Satz 2 KostO a. F., § 546 ZPO).

Zu Recht wird in dem angefochtenen Beschluss eine Verzinsung des Rückerstattungsanspruchs für die Zeit vor dem 01.01.1996 abgelehnt.

Wie der Senat bereits entschieden hat, sind europarechtswidrig überzahlte Handelsregisterkosten von der Staatskasse ab dem Zeitpunkt der Einzahlung mit 6 % per annum zu verzinsen (NJW-RR 2001, 1579). An dieser Auffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des KG vom 09.11.2004 (Rpfleger 2005, 217) fest, das eine Verzinsungspflicht verneint, weil es an einer eine solche Pflicht aussprechenden Norm fehle und wegen der umfassenden spezialgesetzlichen Regelung des Kostenrechts keine durch Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs und die Regelungen des Bereicherungsrechts zu füllende Lücke vorhanden sei. Dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit gesehen hat für den allerdings erst seit 15.12.2001 geltenden Ausschluss der Verzinsung von Rückerstattungsansprüchen gemäß § 17 Abs. 4 KostO n. F. bestärkt den Senat in der von ihm vertretenen Auffassung, dass für die Altfälle auf die Grundsätze des allgemeinen Erstattungsanspruchs zurückgegriffen werden kann.

Die Einrede der Verjährung durch die Staatskasse ist weder grundsätzlich ausgeschlossen, noch ihre Erhebung im vorliegenden Fall rechtsmissbräuchlich. Es kann dahingestellt bleiben, wie die Rechtslage in anderen Bereichen des Verwaltungsrechts sein mag. Die in § 17 Abs. 2 KostO a. F. getroffene Verjährungsregelung von Kostenrückerstattungsansprüchen setzt voraus, dass die Staatskasse grundsätzlich die Verjährungseinrede erheben kann, da die Verjährung jedenfalls nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist. Es ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn sich die Staatskasse vorliegend auf Verjährung beruft. Bis zur Entscheidung des EuGH vom 02.12.1997 -Rs C-188/95- (ZIP 1998, 206) waren die der Kostenschuldnerin in Rechnung gestellten Löschungskosten nicht rechtswidrig und die Kostenschuldnerin ließ sich bis Ende 2000 Zeit, die nachträglich eingetretene Rechtswidrigkeit geltend zu machen. Besondere Umstände, die die Erhebung der Verjährungseinrede entsprechend den Anforderungen des § 242 BGB rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen würden (vgl. BayObLG JurBüro 2001, 104; KG FGPrax 2003, 89, 92 und Rpfleger 2005, 217), sind weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. Auch europäische Rechtsvorschriften stehen der Einrede der Verjährung nicht entgegen. In der bereits zitierten Entscheidung des EuGH wird die Berufung auf eine nationale Verjährungsfrist, die vom Zeitpunkt der Fälligkeit der betreffenden Forderung an läuft, ausdrücklich zugelassen. Wenn hinsichtlich der Geltendmachung der Verjährung des Rückerstattungsanspruchs selbst keine Bedenken bestehen, kann für den vorliegend nur noch streitgegenständlichen Zinsanspruch nichts anderes gelten. Soweit nach dem vom Vertreter der Staatskasse mitgeteilten Erlass vom 15.07.1998 auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet werden sollte, galt dies nach dem Wortlaut aber nur für den Rückerstattungsanspruch selbst, nicht für den Zinsanspruch. Nachdem aber die Verjährungseinrede bezüglich des Rückerstattungsanspruchs nicht zum Erfolg geführt hat und dieser nicht mehr Gegenstand des jetzigen Verfahrens ist, kann dahingestellt bleiben, ob dem Erlass hätte gefolgt werden müssen.

Nach ganz überwiegender Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1999, 1229; OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, 296; OLG Bremen NJW-RR 2000, 174; BayObLG JurBüro 2001, 104; KG Rpfleger 2003, 149 und Rpfleger 2005, 217; OLG Stuttgart Rpfleger 2004, 380) entsteht der Rückzahlungsanspruch des Kostenschuldners bereits mit Überzahlung und zu diesem Zeitpunkt beginnt auch die Verjährung zu laufen. Nach anderer Auffassung (OLG Köln NJW-RR 1992, 1086 und ihm folgend OLG Oldenburg, Beschl. vom 28.03.2000 -5 W 11/00-; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann: KostO, 16. Aufl., § 17, Rdnr. 24; Hartmann: Kostengesetze, 35. Aufl., § 17, Rdnr. 4) entsteht der Rückzahlungsanspruch und beginnt die Verjährung erst mit der Aufhebung des Kostenansatzes. Der Senat schließt sich der überwiegenden Auffassung an. Der Rückzahlungsanspruch ist die Kehrseite des Gebührenanspruchs der Staatskasse, der nach § 7 KostO mit der Beendigung des gebührenpflichtigen Geschäfts auch ohne Kostenansatz fällig wird. Darüber hinaus würde die Verjährungsregelung weitgehend ins Leere laufen, wenn Verjährungsbeginn erst die Aufhebung des Kostenansatzes wäre.

Für die vorliegend zu entscheidende Frage der Verjährung der Zinsforderung für die Zeit vor dem 01.01.1996 kann diese Frage aber eigentlich dahingestellt bleiben.

Da die Kostenrechnung vom 16.01.1986 erst mit Beschluss der KfH vom 19.10.2001 aufgehoben worden ist - die berichtigte Kostenrechnung mit einem Rückzahlungsbetrag von 27.095,96 € datiert vom 06.11.2002 - wäre entsprechend der von der Kostenschuldnerin im Anschluss an das OLG Köln vertretenen Auffassung der Rückforderungsanspruch frühestens am 19.10.2001 entstanden. Mangels Anspruchsentstehung vor diesem Zeitpunkt käme aber auch kein früherer Verzinsungsbeginn in Betracht, insbesondere nicht ab Zahlung seit 30.01.1986, wie von der Kostenschuldnerin beantragt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 14 Abs. 7 KostO a. F.

Ende der Entscheidung

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