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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 15.02.2001
Aktenzeichen: 20 W 23/00
Rechtsgebiete: GG, FGG, BGB, BSHG


Vorschriften:

GG Art. 2 Abs. 1
FGG § 56 g Abs. 5 Satz 2
BGB § 1836 c
BGB § 1836 d
BSHG § 76
BSHG § 79 Abs. 1
BSHG § 79 Abs. 3
BSHG § 81 Abs. 1
BSHG § 82
BSHG § 88
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 8
BSHG § 88
BSHG § 415
Zahlung der Vergütung und der Auslagen des Ergänzungsbetreuers aus der Staatskasse bei Mittellosigkeit der Betroffenen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 23/00 3 T 689/99 LG Kassel 783 XVII 300/98 AG Kassel

Entscheidung vom 15.2.2001

In dem Betreuungsverfahren ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 06. Dezember 1999 am 15. Februar 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vergütung und die Auslagen der Betreuerin für die Tätigkeit in der Zeit vom 06. November 1998 bis zum 16. April 1999 aus der Staatskasse zu zahlen sind, weil die Betroffene mittellos ist. Für die Frage der Mittellosigkeit verweisen die zum 01. Januar 1999 in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 1836 c und d BGB n. F. nunmehr ausdrücklich auf die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes ­ BSHG -, auf die die Rechtsprechung überwiegend bereits zuvor zurückgegriffen hat (vgl. BayObLGZ 1995, 212 und FamRZ 1998, 1054; Palandt/Diederichsen, BGB, 59. Aufl., § 1836 c Rn. 1). Gemäß § 1836 d BGB gilt der Betreute als mittellos, wenn er Aufwendungsersatz und Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten bzw. im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufbringen kann, wobei gemäß § 1836 c BGB zur Ermittlung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens auf die Vorschriften der §§ 76, 79 Abs. 1 und 3, 81 Abs. 1, 82 und 88 BSHG zurückzugreifen ist. Für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Betreuten ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz abzustellen (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 474 und BtPrax 1996, 29; OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 799; Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1836 d Rn. 2).

Nach den rechtsfehlerfrei zustande gekommenen und auch mit der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststellungen des Landgerichts verfügte die Betroffene, nachdem sie im Oktober 1998 einen Bestattungsvorsorgevertrag abgeschlossen und an das Bestattungsunternehmen einen Betrag von 5.066,08 DM aus ihrem Sparguthaben überwiesen hatte, nur noch über ein Restvermögen von 3.385,45 DM, welches eindeutig unterhalb der Grenze des sog. kleineren Barbetrages gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG liegt.

Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) kann der von der Betreuten im Oktober 1998 für den Bestattungsvorsorgevertrag aufgewendete Geldbetrag ihrem derzeit noch vorhandenen Vermögen nicht mit der Folge der Verneinung einer Mittellosigkeit fiktiv hinzugerechnet werden. Der an das Bestattungsunternehmen gezahlte Geldbetrag ist aufgrund der vertraglich vereinbarten Zweckbestimmung aus dem Vermögen der Betreuten ausgeschieden und verbindlich festgelegt. Es handelt sich damit grundsätzlich nicht mehr um verwertbares Vermögen im Sinne des § 88 BSHG (vgl. ebenso Schellhorn/Jirasek/Seipp, Sozialhilferecht, 15. Aufl., § 88 BSHG Rn. 12 zu auf Sperrkonten festgelegten Guthaben). Nach den Grundsätzen der Sozialhilfe wirken sich Vermögensdispositionen, die eine Person vor Eintritt der Bedürftigkeit bzw. Mittellosigkeit getroffen hat auf den Umfang der staatlichen Hilfeleistung grundsätzlich nur dann aus, wenn sie in der Absicht getätigt wurden, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Sozialhilfe herbeizuführen (§ 25 Abs. 2 Nr. 1 BSHG). Des weiteren sieht § 92 a Abs. 1 eine Verpflichtung zum Ersatz der Kosten der Sozialhilfe dann vor, wenn die Voraussetzungen für deren Gewährung an sich selbst oder eine unterhaltsberechtigten Angehörigen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt wurden. Dies trifft auf den hier abgeschlossenen Bestattungsvorsorgevertrag nicht zu( vgl. auch VG Sigmaringen BtPrax 1999, 33). Der Umfang der Aufwendungen ist unter Berücksichtigung der bisherigen Lebensverhältnisse der Betroffenen als angemessen einzustufen. Das grundgesetzlich in Art. 2 Abs. 1 geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Recht, über die eigene Bestattung zu bestimmen (vgl. dazu Widmann, FamRZ 1992, 759). Dazu gehört auch die Dispositionsfreiheit, bereits zu Lebzeiten in angemessenem Umfang für die Durchführung und Bezahlung der eigenen Bestattung Sorge zu tragen (ebenso Deinert, FamRZ 1999, 1187, 1189; HK-BUR/Winhold-Schött, § 1836 c BGB Rn. 37; Jürgens, Betreuungsrecht, 2. Aufl., § 1836 c BGB Rn. 13).

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde kann von einem Betreuten, dessen zunächst vorhandenes Vermögen möglicherweise nicht für die gesamte Dauer der Anordnung einer Betreuung zur Bezahlung der Betreuungskosten ausreichen wird, nicht gefordert werden, dass er auf eine angemessene Bestattungsvorsorge verzichtet, um im größtmöglichen Umfang sein Vermögen für die Bestreitung zukünftiger Betreuerkosten anzusparen und sich für den Todesfall auf eine eventuelle Übernahme der Kosten eines sog. Armenbegräbnisses durch den Sozialhilfeträger gemäß § 15 BSHG oder die diesbezügliche Verwendung des zu Lebzeiten belassenen Schonvermögens gemäß § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG verweisen lässt. Eine derart weitgehende Einschränkung der eigenen Lebensgestaltung, die auch die Vorsorge für ein angemessenes Begräbnis umfasst, findet in den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 1836 c und d BGB in Verbindung mit den dort in Bezug genommenen Vorschriften des BSHG keine Stütze.

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