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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.08.2002
Aktenzeichen: 20 W 233/02
Rechtsgebiete: GG, FGG, UmwG


Vorschriften:

GG Art. 101 I S. 2
FGG § 5
UmwG § 306
Eine Bestimmung eines gemeinsamen zuständigen Gerichts für mehrere Spruchstellenverfahren bei einer Unternehmensverschmelzung durch Aufnahme kann nicht in analoger Anwendung von § 5 I S. 1 FGG erfolgen, wenn die Bestimmung nur auf Anregung von Verfahrensbeteiligten erfolgen soll (Abgrenzung zu BayObLG v. 19.10.2001, 3 Z AR 36/01 und vom 05.02.2002, Az. 3Z AR 2/02).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 233/02 32 Akt E 23/01 KfH Landgericht Stuttgart

Verkündet am 12.8.2002

In dem Spruchstellenverfahren

vor dem Landgericht Frankfurt am Main und in dem vor dem Landgericht Stuttgart anhängigen Spruchverfahren (32 AktE 23/01 KfH)

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf den Antrag der Antragsgegnerin in den Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main und dem Landgericht Stuttgart vom 10.06.2001 und dem Antrag des gemeinsamen Vertreters im Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart vom 15.07.2002

am 12.08.2002 beschlossen:

Tenor:

Eine Zuständigkeitsbestimmung wird abgelehnt.

Gründe:

Mit Eintragung im Handelsregister der Antragsgegnerin am 30. Mai 2001 sind vier Gesellschaften auf die Antragsgegnerin verschmolzen worden. Die Gesellschafter bzw. Aktionäre der vier übertragenden Gesellschaften erhielten im Zuge der Verschmelzung Aktien der Antragsgegnerin. Von Aktionären von zwei der vier Gesellschaften sind Spruchverfahren auf Zahlung einer baren Zuzahlung gem. § 15 I UmwG eingeleitet worden und zwar am 22. Juni 2001 von einem Aktionär der ehemaligen vordem Landgericht Frankfurt am Main. Diesem Verfahren, das am 19.12.2001 im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden ist, haben sich sechs weitere Antragsteller angeschlossen. Am 24.07.2001 wurde von Aktionären der ehemaligen vor dem Landgericht Stuttgart ein Spruchverfahren eingeleitet. Dieses Verfahren, das am 30.10.2001 im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden ist, wird von vier Antragstellern betrieben.

Die Antragsgegnerin hat beim Landgericht Stuttgart beantragt,

die Sache an das Landgericht Frankfurt analog § 4 FGG zu verweisen.

Diesem Antrag ist das Landgericht Stuttgart nicht nachgekommen. Das Landgericht Frankfurt am Main hält sich ebenfalls für zuständig.

Die Antragsgegnerin beantragt nunmehr beim Senat analog § 5 FGG das zuständige Gericht zu bestimmen, wobei die Antragsgegnerin anregt, das LG Frankfurt am Main für zuständig zu erklären. Diesem Antrag hat sich der Vertreter der außenstehenden Aktionäre des Spruchverfahrens bei dem Landgericht Frankfurt am Main inhaltlich angeschlossen.

Der Vertreter der außenstehenden Aktionäre des Spruchverfahrens vor dem Landgericht Stuttgart beantragt, zum gemeinsamen Gericht für die Entscheidung beider Spruchstellenverfahren das Landgericht Stuttgart zu bestimmen. Er begründet das damit, dass bei der KAWAG der Anteil des sich in der Hand außenstehender Aktionäre befindlichen Grundkapitals prozentual höher gewesen sei als bei der MKV.

Der Senat lehnt eine Zuständigkeitsbestimmung ab. Zuständig für das Spruchverfahren ist jeweils das Landgericht am Sitz des übertragenden Rechtsträgers (§ 306 I UmwG). Damit ergibt sich nach dem Gesetz sowohl die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt am Main als auch die des Landgerichts Stuttgart für das jeweils anhängig gemachte Verfahren.

Ein direkter Anwendungsfall für eine Zuständigkeitsbestimmung nach den §§ 4 und 5 FGG ist nicht gegeben. Eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 4 FGG scheidet aus, weil es sich bei den beiden Spruchverfahren um verschiedene Regelungsgegenstände und nicht um dieselbe Sache handelt. Es besteht auch kein Streit und keine Ungewissheit über die örtliche Zuständigkeit der angerufenen Gerichte im Sinne von § 5 FGG. Dies wird vorliegend auch weder von der Antragsgegnerin noch von dem Vertreter der außenstehenden Aktionäre vor dem Landgericht Stuttgart bezweifelt. Sie halten aber eine analoge Anwendung des § 5 FGG für möglich und geboten. Das BayObLG hat eine Gerichtsstandsbestimmung für das Spruchstellenverfahren in entsprechender Anwendung von § 5 I S. 1 FGG aus Zweckmäßigkeitserwägungen für zulässig gehalten, wenn zwei Gesellschaften auf eine dritte Gesellschaft verschmolzen werden und die Sitze der verschmolzenen Gesellschaften in verschiedenen Landgerichtsbezirken liegen (BayObLG v. 19.10.2001, DB 2001, 2640 ff= NZG 2002, 96 = ZIP 2002, 669 = AG 2002, 395 und BayObLG v. 05.02.2002, ZIP 2002, 671). In entsprechender Anwendung des § 4 FGG hat das Landgericht Dortmund sein Verfahren an das Landgericht Düsseldorf verwiesen (ZIP 1999,1711 = NZG 1999, 1175 = AG 2000, 48).

Der Senat lässt es dahinstehen, ob eine analoge Anwendung der genannten Vorschriften in Betracht kommt, wenn wie in den zitierten Fällen, die jeweils zuständigen Gerichte aus Zweckmäßigkeitsgründen das Spruchstellenverfahren verweisen oder ihre Verfahren zur Bestimmung eines gemeinsamen Gerichts aus Zweckmäßigkeitsgründen vorlegen (krit. Dazu Bork, Gerichtszuständigkeit für Spruchverfahren bei Verschmelzung, NZG 2002, 163). Der Senat hält es aber nicht für vertretbar, die Verfahrensakten von beiden Gerichten anzufordern, um auf Antrag von Verfahrensbeteiligten zu prüfen, ob die Zuständigkeitsbestimmung zweckmäßig wäre und bejahendenfalls, welches Gericht bestimmt werden sollte.

Zwar ist es bei Streit oder Ungewissheit über die örtliche Zuständigkeit nach § 5 FGG neben der Vorlage eines am Zuständigkeitsstreit beteiligten Gerichts möglich, dass ein Bestimmungsverfahren durch Anrufung eines Beteiligten eingeleitet wird oder dass das obere Gericht von Amts wegen tätig wird (Keidel/ Kuntze/ Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 14. Aufl. 1999, § 5 Rn 22). Für eine analoge Zuständigkeitsbestimmung aus Zweckmäßigkeitsgründen ist hier aber kein Raum, weil die analoge Anwendung hier ein aufwändiges Verfahren einleiten würde, das dem Zweck der Verfahrensförderung zuwiderläuft. Es müssten die Verfahrensakten angefordert, also den zuständigen Gerichten im laufenden Verfahren entzogen werden. Allen Beteiligten müsste rechtliches Gehör gewährt werden, gegebenenfalls auch mehrfach, falls hinsichtlich des gemeinsamen Gerichts keine Einigkeit herrscht und neue Aspekte auftauchen. Dann müsste der Verfahrensstand der einzelnen Verfahren geprüft werden und entschieden werden, welches der befassten Gerichte am zweckmäßigsten mit der Entscheidung betraut werden soll. Dementsprechend hat es das BayOblG in seiner Entscheidung vom 19.10.2001 (a. a. O.) auch auf Vorlage des LG München abgelehnt, eine Zuständigkeitsregelung nach Zweckmäßigkeitsgesichtpunkten zu treffen, bevor nicht der für die Zweckmäßigkeitsbeurteilung maßgebliche Sachverhalt zwischen den beteiligten Gerichten geklärt worden ist.

Es erscheint auch nicht mit Art. 10112 GG vereinbar (vgl. hierzu auch Bork, Gerichtszuständigkeit für Spruchverfahren bei Verschmelzung, NZG 2002, 163), die jeweiligen Gerichte, die nach der jetzigen Gesetzeslage zuständig sind und die Verfahren auch bearbeiten, auf diese Weise zu behindern und deren Zuständigkeit ohne direkte gesetzliche Regelungskompetenz gleichsam von oben herab aus Zweckmäßigkeitsgründen in Frage zu stellen. In einem solchen Fall obliegt es bis zu einer gesetzlichen Regelung dieses Problems den beteiligten Gerichten, sich widersprechende Entscheidungen möglichst zu vermeiden. Beide Gerichte wissen um das andere Verfahren. Beide Gerichten haben entschieden, das jeweils anhängig gemachte Verfahren zu fördern, um es einer Entscheidung zuführen zu können. Soweit aus den Frankfurter Verfahrensakten ersichtlich, haben auch schon Kontakte zwischen den Vorsitzenden der beteiligten Kammern stattgefunden. Diese Situation ist auch nicht mit einem positiven Kompetenzkonflikt i. S. v. § 5 FGG vergleichbar, der entsteht, wenn zwei oder mehrere Gerichte mit derselben Sache befasst worden sind und wenn jedes die Zuständigkeit für sich in Anspruch nimmt, zugleich den Vorzug des anderen nicht anerkennt und somit eine Abgabe des Verfahrens an ein zuständiges Gericht unterbleibt (vgl. Keidel/ Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 14. Aufl. 1999, §5 Rn.11).

Der Senat hält es auch nicht für vertretbar, eine Legitimation für eine Zuständigkeitsregelung in diesem Fall aus dem Referentenentwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des gesellschaftlichen Spruchverfahrens (NZG 2002, 25 ff) zu beziehen. Dort ist in § 2 I Spruchverfahrensneuordnungsgesetz (Entwurf) eine Regelungszuständigkeit entsprechend §§ 4 und 5 FGG zwar dann vorgesehen, wenn mehrere Landgerichte für eine Sache zuständig sind. Nach der Einzelbegründung des Referentenentwurfs führt das zu einer Zuständigkeit des mit der Sache zunächst befassten Gerichts (NZG, 2002, 25 ff, 28). Der Referentenentwurf bestätigt allerdings, dass hier in der Praxis ein Regelungsbedürfnis gesehen wird und besteht (so auch Bork, Zuständigkeitsprobleme im Spruchverfahren, ZIP 1998, 550 ff m. w. Vorschlägen). Ohne eine gesetzliche Regelung muss es aber bei der Zuständigkeit der jeweils angerufenen Gerichte bleiben, jedenfalls so lange diese kein Konzentrationserfordernis sehen, um zu möglichst gleichen Bewertungen zu kommen.

Ende der Entscheidung

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