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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 09.09.2002
Aktenzeichen: 20 W 243/02
Rechtsgebiete: KostO


Vorschriften:

KostO § 156 I 2
KostO § 35
KostO § 49
KostO § 147 II
Die Anhörung aller Beteiligter nach § 156 Abs. 1 Satz 2 KostO ist auch im landgerichtlichen Anweisungsbeschwerdeverfahren eine Mussvorschrift. Das auftragsgemäße Ausfüllen eines Wertermittlungsbogens durch den Notar ist kein gebührenfreies Nebengeschäft zur Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung und dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins. Vielmehr entsteht die Gebühr des § 147 Abs. 2 KostO, für die ein Geschäftswert von 10 % des Reinnachlasses angemessen ist.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 243/02

Verkündet am 09.09.2002

In der Notarkostensache

betreffend die Kostenrechnung des Notars zu seiner UR.-Nr. an der beteiligt sind:

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde des Kostengläubigers gegen den Beschluss der 05. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 30.04.2002 am 09.09.2002 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Unter Zurückweisung der weiteren Beschwerde im übrigen wird die Betreuungsgebühr auf 120,00 DM ermäßigt und die Kostenrechnung auf insgesamt 1.833,96 DM = 937,69 EUR abgeändert.

Die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde trägt der Beteiligte zu 2).

Beschwerdewert für das Verfahren der weiteren Beschwerde: 292,60 DM = 149,60 EURO, davon 165,00 DM = 84,35 EUR für den zurückgewiesenen Teil

Gründe:

Der Beteiligte zu 2) beurkundete in seiner UR.-Nr. 38/1999 am 25.01.1999 einen Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) und nahm ihm die eidesstattliche Versicherung nach § 2356 Abs. 2 BGB ab. Der Beteiligte zu 1) unterzeichnete im Beurkundungstermin das amtliche Wertermittlungsformular, das der Beteiligte zu 2) auftragsgemäß vorbereitet hatte anhand von Unterlagen, die der Beteiligte zu 1) auf entsprechende Beratung des Notars beschafft hatte. Das Wertermittlungsformular reichte der Beteiligte zu 2) samt Anlagen mit dem Erbscheinsantrag beim Nachlassgericht ein. Mit Kostenrechnung vom 27.01.1999 (Bl. 32 d.A.) stellte der Notar neben der Gebühr nach § 49 Abs. 2 KostO und Auslagen eine halbe Betreuungsgebühr gemäß § 147 Abs. 2 KostO aus einem Geschäftswert von 260.100,00 DM (30 % des ermittelten Reinnachlasses von 867.000,00 DM) in Rechnung.

Diese Rechnungsposition wurden von der Dienstaufsichtsbehörde des Notars beanstandet, da es sich um ein gebührenfreies Nebengeschäft handele, zumal der Notar für seine Beurkundungsgebühr ohnedies den Nachlasswert zu ermitteln habe. Keinesfalls sei der Geschäftswert angemessen. Der Notar half der Beanstandung nicht ab und beantragte gemäß § 156 Abs. 5 KostO gerichtliche Entscheidung im Hinblick auf die von Mümmler (JurBüro 1989, 313) jetzt vertretene Auffassung. Nach Einholung der Stellungnahme der Dienstaufsicht vom 20.04.2001, für deren Inhalt auf Blatt 8-15 d. A. Bezug genommen wird, hat die Kammer die Kostenberechnung hinsichtlich Betreuungsgebühr abgeändert und ausgeführt, die Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 KostO sei zwar entstanden, aber nur aus dem Mindestwert. Gegen diesen ihm am 29.05.2002 zugestellten Beschluss richtet sich die am 21.06. 2002 bei Gericht eingegangene weitere Beschwerde des Notars, mit der er die Angemessenheit des von ihm der Betreuungsgebühr zu Grunde gelegten Geschäftswertes im Hinblick auf den Umfang seiner Tätigkeit (Einholung von Grundbuchauszügen und Bankauskünften) verteidigt.

Der Beteiligte zu 1), dem im Verfahren de weiteren Beschwerde rechtliches Gehör gewährt worden ist, hat sich nicht geäußert.

Die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist gem. § 156 Abs. 2 Satz 2 KostO kraft Zulassung in dem Beschluss des Landgerichts statthaft und auch form- und fristgerecht eingelegt. Die erforderliche eigene Beschwer des Notars ist gegeben, da das Landgericht seine Kostenberechnung teilweise entsprechend der Beanstandung der Dienstaufsicht herabgesetzt hat. Einer Anweisung der Dienstaufsicht zur Einlegung der weiteren Beschwerde bedarf es dazu nicht (Senat, Beschluss vom 22.10.2001 - 20 W 387/2001; Korintenberg/Lappe/Bengel/ Reimann: KostO. 15.Aufl., § 156, Rdnr. 76; Egon Schneider: Die Notarkosten-Beschwerde, § 29, Seite 118).

Die weitere Beschwerde ist auch begründet, soweit das Landgericht nur den Mindestwert als Geschäftswert für die Betreuungsgebühr angesetzt hat. Zwar leidet das landgerichtliche Verfahren auch an einem Verfahrensfehler, da der Beteiligte zu 1) nicht beteiligt worden ist. Von einer Aufhebung und Zurückverweisung, da die angefochtene Entscheidung verfahrensfehlerhaft ergangen ist ( §§ 156 Abs.2 Satz 3, Abs. 4 Satz 4 KostO, 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 547 Nr. 4 ZPO n. F. i.V.m. § 26 Nr. 10 EGZPO) hat der Senat jedoch abgesehen und das fehlende rechtliche Gehör dem Beteiligten selbst gewährt.

Nach § 156 Abs. 1 Satz 2 KostO, der kraft der Verweisung in §156 Abs. 6 Satz 1 KostO n.F. = Abs.5 Satz 1 a.F. auch für die Anweisungsbeschwerde gilt, soll das Landgericht vor der Entscheidung die Beteiligten hören, wobei es sich, wie allgemein anerkannt, um eine Mussvorschrift handelt. Zu den Beteiligten gehören außer dem Notar und dem beschwerdeführenden Kostenschuldner auch alle sonstigen Kostenschuldner nach §§ 2 und 3 KostO oder den Vorschriften bürgerlichen Rechts (Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann: KostO, 15. Aufl., § 156, Rdnr. 51,52 und § 14 Rdnr. 101; Rohs/Wedewer: KostO, § 156 Rdnr. 36). Dabei spielt es wegen der Rechtskraftwirkung (vgl. Bengel aaO., § 156 Rdnr. 95, 96) keine Rolle, ob das Landgericht die Anweisungsbeschwerde für begründet erachtet oder nicht (OLG Oldenburg JurBüro 1997, 376). Vorliegend hat das Landgericht den Kostenschuldner nicht am Verfahren beteiligt und nur dem Notar rechtliches Gehör zu der dienstlichen Stellungnahme der Dienstaufsicht vom 20.04.2001 gewährt. Da das Landgericht aber auch dem Beteiligten zu 1) neben dem Notar und der Dienstaufsichtsbehörde seine Entscheidung bekannt gemacht hat, also keine völlige Versagung des rechtlichen Gehörs in der Form, dass ein (hier als Kostenschuldner) materiell Beteiligter überhaupt keine Kenntnis vom Verfahren erlangt hat, muss nicht unwiderlegbar vermutet werden, dass die Entscheidung auf diesem Verfahrensverstoß beruht, weil der absolute Beschwerdegrund der mangelnden Vertretung entsprechend § 547 Nr. 4 ZPO n.F. (= § 551 Nr. 5 ZPO a.F.) anzunehmen ist (Keidel/Kunze/Winkler: FGG,14. Aufl., § 12 Rdnr. 152 und §27, Rdnr. 40; Jansen: FGG, 2. Aufl., § 27, Rdnr. 29). Der Senat konnte vielmehr dem Beteiligten zu 1) selbst rechtliches Gehör gewähren und nachdem kein neuer streitiger Sachvortrag gehalten wurde, der entscheidungserheblich gewesen wäre, auch selbst auf der bisherigen Tatsachengrundlage entscheiden. Dies führt zu einer Abänderung der von der Dienstaufsicht beanstandeten Betreuungsgebühr auf der Grundlage eines Geschäftswertes von 10 % des Reinnachlasses, also 86.700,00 DM, woraus die hälftige Gebühr sich 1999 auf 120,00 DM belief. Der Senat folgt der Auffassung des Landgerichts, dass die Ausfüllung des Wertermittlungsformulars aus Anlass der Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung nach § 2356 Abs. 2 BGB kein gebührenfreies Nebengeschäft im Sinn der §§ 147 Abs. 2, 35 KostO darstellt. Mit der Ausfüllung des Wertermittlungsformulars wird weder die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung nach § 2356 Abs. 2 BGB, noch der mitbeurkundete Antrag auf Erteilung eines Erbscheins vorbereitet oder gefördert. Daher findet hier der Auffangtatbestand des § 147 Abs. 2 KostO Anwendung. Die Ermittlung des Reinnachlasses für die Kostenberechnung des Notars ist zu unterscheiden von der Notwendigkeit dieser Ermittlung für die Beurkundung als Amtstätigkeit. Die Ausfüllung des Wertermittlungsformulars ist auch ein anderer Sachverhalt als die Beschaffung von Personenstandsurkunden, die bei der Beurkundung der eidesstattlichen Versicherung verwendet werden. Aber auch insoweit wird von einem Teil der Literatur die Entstehung der Betreuungsgebühr nach § 147 Abs. 2 KostO bejaht ( Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann: KostO, 15. Aufl., § 49, Rdnr. 10; Mümmler JurBüro 1989, 314, insoweit anderer Auffassung Rohs/Wedewer: KostO, 2. Aufl., 2001, § 49, Rdnr. 10)). Dem Vortrag des Beteiligten zu 2), er sei von dem Beteiligten zu 1) entsprechend beauftragt worden, ist der Kostenschuldner trotz Gelegenheit zur Stellungnahme nicht entgegengetreten.

Der Geschäftswert für die Gebühr des § 147 Abs. 2 KostO ist hier, da er nicht feststeht, nach § 30 Abs. 1 KostO unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nach freiem Ermessen zu bestimmen, wobei nach neuerer Rechtsprechung dem Notar auch im Fall des § 31 Abs. 1 KostO echtes Ermessen zu kommen soll mit der Folge, dass eine eigene Ermessensentscheidung des Gerichts die Feststellung eines Ermessensfehlers beim Notar voraussetzt ( Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann aaO., § 147, Rdnr. 187 und § 156 Rdnr. 65 m. w. H.). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese für die Fälle des echten Ermessens nach § 30 Abs. 2 und Abs. 3 KostO entwickelten Grundsätze auch im Fall des § 30 Abs.1 KostO gelten, obwohl hier kein fiktiver Wert geschätzt wird wie bei § 30 Abs. 2 KostO. Der Beteiligte zu 2) hat jedenfalls sein Ermessen durch den Ansatz von 30 % des Reinnachlasses als Beziehungswert überschritten, ebenso wie das Landgericht bei dem Ansatz des Mindestwertes unabhängig von der Höhe des Massewertes. Die Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls erfordert auch hier die Berücksichtigung des Reinnachlasses als Beziehungswert, da vorliegend - wie auch sonst im Normalfall - ein höherer Nachlass sich aus mehreren Einzelgegenständen zusammensetzt, was eine umfangreichere Ermittlung und Zusammenstellung erfordert. Es ist deshalb nicht dem Tätigkeitsumfang angemessen, wenn unabhängig von dem Massewert in jedem Fall der Mindestgebührenwert gelten soll, wie das Landgericht meint. Allerdings ist auch der Ansatz von 30 % des Reinnachlasses, den der Beteiligte zu 2) vorgenommen hat, unangemessen, denn nur bei verantwortungsvollen Überwachungstätigkeiten eines Notars im Rahmen von Vertragserfüllung oder Haftungsübernahmen kommt dieser Prozentsatz des Beziehungswertes in Betracht ((vgl. Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann aaO., § 147, Rdnr. 188, 189 m.w.H.). Hier hat jedoch der Beteiligte zu 1) das Wertermittlungsformular selbst unterzeichnet und nach dem Vortrag des Beteiligten zu 2) auch Unterlagen selbst beschafft, wenn auch auf Weisung des Beteiligten zu 2). Darüber hinaus ist für die Angemessenheit des Geschäftswertes - anders als bei der Entstehung der Gebühr- das parallele eigene Interesse des Notars an der ihm obliegenden Geschäftswertermittlung für die Beurkundungsgebühr zu berücksichtigen. Daher hält der Senat insgesamt einen Geschäftswert von 10 % des Beziehungswertes für angemessen und hat die Kostenrechnung entsprechend ermäßigt.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 156 Abs. 5 Satz 2, 131 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 30 Abs. 1 KostO. Von der Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten nach § 156 Abs. 5 Satz 2 KostO wurde mangels anwaltlicher Vertretung abgesehen.

des § 147 Abs. 2 KostO, für die ein Geschäftswert von 10 % des Reinnachlasses angemessen ist.

Ende der Entscheidung

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