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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 23.06.2005
Aktenzeichen: 20 W 272/05
Rechtsgebiete: HGB


Vorschriften:

HGB § 25
Die Eintragung eines Haftungsausschlusses in das Handelsregister nach § 25 Abs. 2 HGB kommt nicht in Betracht, wenn es an einer Geschäftsübernahme sowie einer Vereinbarung fehlt, weil neben einem fortbestehenden Handelsgeschäft eine weitere Gesellschaft mit identischem oder ähnlichem Namen gegründet und betrieben wird.
Gründe:

I.

Die Antragstellerin meldete unter dem ... 2004 die Gesellschaft sowie einen Haftungsausschluss zur Eintragung in das Handelsregister an.

Der eingereichte Gesellschaftsvertrag enthält hierzu folgende Passage:

IV. Haftungsbeschränkung

1. Eine Gesellschaft gleichen Namens ist/war im Handelsregister des Amtsgerichts Hanau unter HRB 91106 verzeichnet. Sie ist durch Verschmelzungsvertrag des amtierenden Notars von heute (UR-Nr. .../2004) auf die Firma A mbH (HRB 12516) verschmolzen worden und damit erloschen.

2. Die Erschienenen gehen davon aus, dass die heute gegründete Gesellschaft möglicherweise im Firmenkern identisch ist mit beiden vorbezeichneten Unternehmen. Die neue Gesellschaft betreibt darüber hinaus dieselben Geschäfte wie die beiden genannten Unternehmen in denselben Geschäftsräumen mit denselben Mitarbeitern. Deshalb kommt eine Haftung der neuen Gesellschaft für die Verbindlichkeiten beider Firmen in Betracht (§ 25 HGB).

3. Das ist aber nicht gewollt. Eine Haftung der heute neu gegründeten Firma "B GmbH" für die Schulden der A mbH sowie der auf diese verschmolzenen alten Firma "B GmbH" (HRB 91106) wird ausdrücklich ausgeschlossen. Die Geschäftsführer sollen die Eintragung des Haftungsausschlusses im Handelsregister herbeiführen.

Der Registerrichter teilte mit Schreiben vom 13. Januar 2005 mit, die Eintragung der Gesellschaft könne erst erfolgen, wenn die Löschung der gleichnamigen, an der Verschmelzung beteiligten Gesellschaft erfolgt sei; die Eintragung des Haftungsausschlusses komme mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 25 HGB nicht in Betracht. Nachdem der Registerrichter seine Rechtsauffassung bezüglich der Unzulässigkeit der Eintragung des Haftungsausschlusses erneut dargelegt und die Antragstellerin auf einer diesbezüglichen Entscheidung beharrt hatte, trug das Amtsgericht mit Verfügung vom 29. März 2005 die Gesellschaft in das Handelsregister ein und lehnte mit Beschluss vom selben Tage die Eintragung des Haftungsausschlusses ab.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin vom 14. April 2005 wies das Landgericht mit Beschluss vom 02. Mai 2005 (nicht: 02. Mai 2004 / offensichtliches Schreibversehen) zurück und führte zur Begründung aus, die Antragstellerin habe kein Handelsgeschäft übernommen, sondern bei ihrer Gründung aus freien Stücken eine Firmierung gewählt, die nach ihrer Befürchtung eine Rechtsscheinshaftung auslösen könne. Damit setze sie sich durch eigenes Handeln der Gefahr einer Haftung aus, was nicht dazu führen könne, dass sie die Privilegierung des § 25 Abs. 2 HGB in Anspruch nehmen könne. Mit der hiergegen gerichteten, am 23. Mai 2005 bei Gericht eingegangenen weiteren Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Ziel auf Eintragung des Haftungsbeschränkungsvermerks im Handelsregister fort.

II.

Die zulässige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO). Die Vorinstanzen haben die Eintragung des Haftungsausschlusses zu recht abgelehnt.

Ein angemeldeter Haftungsausschluss ist gemäß § 25 Abs. 2 HGB in das Handelsregister einzutragen, wenn die Haftungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB gegeben sind. Ob die Haftungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB erfüllt sind, hängt von der rechtlichen Wertung eines oft komplexen Sachverhaltes ab und muss im Einzelfalle gegebenenfalls im Zivilrechtswege entschieden werden. Dabei besteht in Rechtsprechung und Literatur sowohl über die dogmatische Begründung als auch über die Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen erheblicher Streit (vgl. zum Meinungsstreit MünchKomm/Lieb, HGB, § 25 Rn. 9 ff; Koller/Roth/Morck, HGB, 5. Aufl., § 25 Rn. 2 ff; K. Schmidt, Handelsrecht, 5. Aufl., § 8 I 2 und II 1 b sowie BGH NJW 1992, 911 und 1996, 2866 jeweils m. w. N.). Insbesondere in der Rechtsprechung wird der Haftungszweck des § 25 Abs. 1 HGB darin gesehen, dass bei einem Wechsel des Inhabers eine durch tatsächliche Umstände nach außen dokumentierte Unternehmenskontinuität auch mit einer Haftungskontinuität verbunden sein soll, was häufig zu einer weiten Auslegung der Haftung führt. Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt die in § 25 Abs. 2 HGB gesetzlich eingeräumte Möglichkeit eines Haftungsausschlusses eine besondere Bedeutung (vgl. BGH a.a.O.). Es muss auf diesem Hintergrund grundsätzlich als berechtigtes Anliegen einer Gesellschaft akzeptiert werden, zu verhindern, dass einerseits das Registergericht die Eintragungsfähigkeit eines Haftungsausschlusses verneint, auf der anderen Seite aber ein Prozessgericht auf Klage eines einzelnen Gläubigers die Haftungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 1 HGB annimmt. Deshalb besteht in der obergerichtlichen Rechtsprechung Einigkeit darüber, dass es für die Eintragungsfähigkeit eines angemeldeten Haftungsausschlusses als ausreichend anzusehen ist, wenn sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Beurteilungskriterien ergibt, dass die Möglichkeit einer Bejahung der Haftungsvoraussetzungen jedenfalls ernsthaft in Betracht zu ziehen ist (vgl. OLG Hamm NJW-RR 1994, 1119; LG Berlin NJW-RR 1994, 609; OLG Düsseldorf NZG 2003, 774; BayObLG NZG 2003, 482; OLG Frankfurt NJW-RR 2001, 1404; HK-Ruß HGB, 5. Aufl., § 25 Rn. 16; Koller/Roth/Morck, a.a.O., Rn. 8).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze sind hier die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 und 2 HGB nicht gegeben.

Zwar kommt eine Fortführung der Firma jedenfalls in Bezug auf die erst durch die Eintragung der Verschmelzung erloschene Gesellschaft mit der identischen Firma in Betracht. Für die A mbH erscheint sie jedoch wegen der nur ähnlichen, aber nicht identischen Firma als äußerst zweifelhaft.

Des weiteren ist auch der Erwerb des Handelsgeschäftes dieser beiden mittlerweile verschmolzenen Gesellschaften durch die neu gegründete GmbH nicht gegeben. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist zwar- wie bereits ausgeführt - von der Rechtsprechung im Hinblick auf die Interpretation des Haftungszweckes seit je her weit ausgelegt worden. Auf eine wirksame rechtsgeschäftliche Übertragung soll es nach der Rechtsprechung hierbei gerade nicht entscheidend ankommen, da die vertraglichen Hintergründe für den Rechtsverkehr nicht in Erscheinung treten. Vielmehr soll die gesetzliche Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB im Wesentlichen von den nach außen in Erscheinung tretenden, tatsächlichen Umständen abhängen. Dementsprechend hat die Rechtsprechung einen Erwerb nicht nur dann angenommen, wenn der zugrundeliegende Vertrag nichtig oder anfechtbar ist, sondern auch dann, wenn es an einer rechtsgeschäftlichen Übertragung des Handelsgeschäftes überhaupt fehlte, aber eine tatsächliche Übernahme des Unternehmens erfolgte (vgl. BGHZ 18, 248; NJW 1984, 1168, 1986, 581 und 1992, 911). Maßgeblich ist hiernach, ob eine tatsächliche, einverständliche Übernahme des Geschäftsbetriebes in seinem Kern stattgefunden hat (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1995, 1310; Koller/Roth/Morck, a.a.O. Rn. 4; Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl., § 25 Rn. 5; BayObLG NJW-RR 1988, 870). Daran fehlt es hier. Denn die Antragstellerin hat zwar die mit der durch Verschmelzung erloschenen GmbH identische Firma nicht zufällig, sondern bewusst angenommen und betreibt nach eigenen Angaben die selben Geschäfte wie die beiden verschmolzenen Unternehmen in den selben Geschäftsräumen mit den selben Mitarbeitern. Es fehlt jedoch an einer Geschäftsübernahme, da hier ein Inhaberwechsel überhaupt nicht stattgefunden hat. Denn nach der Verschmelzung besteht nicht nur die aufnehmende A mbH als Rechtsträger fort, sondern das Vermögen der auf diese verschmolzenen früheren B GmbH geht ebenfalls auf diese Gesellschaft über, die als Rechtsnachfolgerin den Gläubigern auch für deren Verbindlichkeiten haftet, § 20 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. Des weiteren ist der Anmeldung zu entnehmen, dass die A mbH ihren eigenen Geschäftsbetrieb unverändert fortführt. Offenbar soll die neu gegründete Gesellschaft neben den verschmolzenen Gesellschaften im gleichen Geschäftszweig tätig werden und deren vorhandene Mitarbeiter und Räumlichkeiten nutzen. Dann fehlt es aber an der für die Anwendung des § 25 Abs. 1 HGB zwingend erforderlichen Voraussetzung des Wechsels des Inhabers des Unternehmens (so ausdrücklich BGH NJW 1992, 911). Ob dem gegenüber hier eine Haftung der Antragstellerin für Verbindlichkeiten der beiden miteinander verschmolzenen Gesellschaften wegen des wohl bewußt geschaffenen Anscheins einer Firmen- und Unternehmensidentität nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen außerhalb des Anwendungsbereiches des § 25 Abs. 1 HGB gegeben sein kann (vgl. hierzu Baumbach/Hopt, a.a.O., § 25 Rn. 5 und § 5 Rn. 9 ff), bedarf im Rahmen des registergerichtlichen Verfahrens keiner Entscheidung.

Unabhängig davon, dass hier ein Fall des § 25 Abs. 1 HGB nicht gegeben ist, fehlt es für einen Haftungsausschluss nach § 25 Abs. 2 HGB zusätzlich auch an der hierfür erforderlichen Vereinbarung zwischen den beteiligten Gesellschaften. Denn hier liegen nur die einseitigen Erklärungen der beiden Gesellschafter der neu gegründeten Antragstellerin vor, für die Schulden der beiden anderen Gesellschaften nicht haften zu wollen. Eine vertragliche Vereinbarung mit den beiden anderen Gesellschaften, die zum damaligen Zeitpunkt beide noch existierten, weil deren Verschmelzung erst später mit der Eintragung in das Handelsregister wirksam wurde, lässt sich der Handelsregisteranmeldung jedoch nicht entnehmen. Dafür reicht insbesondere eine Personenidentität zwischen den Gesellschaftern der neu gegründeten GmbH und den Geschäftsführern der beiden anderen Gesellschaften nicht aus. Denn hierzu wäre jedenfalls die Erklärung erforderlich gewesen, zusätzlich auch als Vertretungsorgan für diese Gesellschaften zu handeln und eine vertragliche Einigung herbeizuführen, die über die Gründung der neuen Gesellschaft in der Funktion als deren Gesellschafter hinausgeht. Eine solche Vereinbarung ist vorliegend aber nicht angemeldet worden.

Zwar wird teilweise die Auffassung vertreten, dass auf eine Vereinbarung dann verzichtet werden kann, wenn in Fällen eines nicht rechtsgeschäftlich sondern nur tatsächlich vollzogenen Inhaberwechsels dem neuen Inhaber der frühere als Vertragspartner fehlt (vgl. hierzu BayObLGZ 1987, 449 = NJW-RR 1988, 870; Wilhelm NJW 1986, 1797; MünchKomm/Lieb, a.a.O.,Rn. 114; Baumbach/ Hopt, a.a.O., § 25 Rn. 13; K. Schmidt, a.a.O., § 8II 3 a) eine solche Fallkonstellation ist vorliegend jedoch wegen des Fortbestandes der mittlerweile verschmolzenen Gesellschaften und deren Handelsgeschäft nicht gegeben.

Da bereits aus diesen Gründen die Eintragung eines Haftungsausschlusses nach § 25 Abs. 2 HGB ausscheidet, kann dahin stehen, ob der Eintragung eines Haftungsausschlusses außerdem auch der zwischenzeitlich seit der Anmeldung vergangene Zeitraum von 5 Monaten entgegensteht. Hierzu ist in der zivilrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein Haftungsausschluss gemäß § 25 Abs. 2 HGB durch Publizierung im Handelsregister nur dann materielle Wirkung entfalten kann, wenn die Eintragung und Bekanntmachung unverzüglich nach der haftungsbegründenden Geschäftsübernahme selbst erfolgen. Deshalb müssen die Registereintragung und ihre Bekanntmachung alsbald nach diesem Wechsel bewirkt werden (vgl. RGZ 75, 139; BGH NJW 1959, 241; BayObLG WM 1984, 1533; OLG Hamm NJW-RR 1994, 1119 und 1999, 396; OLG Frankfurt NJW-RR 2001, 1404; OLG Düsseldorf NZG 2003, 1774; BayObLG NZG 2003, 482). Dabei trifft das Risiko einer verzögerten Eintragung und Bekanntmachung denjenigen, der das Handelsgeschäft übernommen hat, ohne dass es auf dessen Verschulden oder auf ein solches des Registergerichts ankommen kann. Hat sich die an die Geschäftsübernahme anknüpfende Verkehrsauffassung, der neue Unternehmensträger sei zur Übernahme der Verbindlichkeiten des früheren Geschäftsinhabers bereit, schon erkennbar verfestigt, so ist in der zivilrechtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass die auf diesem Rechtsschein beruhende Haftung nach § 25 Abs. 1 HGB nicht mehr durch eine zeitlich nach dieser Verfestigung erfolgende Eintragung und Bekanntmachung eines Haftungsausschlusses beseitigt werden kann (vgl. BGHZ 21, 1, 3). Deshalb hat das Registergericht die Eintragung eines angemeldeten Haftungsausschlusses dann zu versagen, wenn offensichtlich ist, dass dessen materielle Wirksamkeit wegen des langen Zeitablaufes seit der Geschäftsübernahme keinesfalls mehr erreicht werden kann (vgl. RGZ 131, 12 ff; BayObLG, OLG Hamm, OLG Düsseldorf und OLG Frankfurt jeweils a.a.O.). Die Frage, welche Zeitabstände in diesem Zusammenhang noch hingenommen werden können, wird allerdings nicht einheitlich beurteilt, sondern ist durch eine vielfältige Kasuistik geprägt. Gegen die Annahme starrer und für alle Einzelfälle verbindlicher Fristen werden Bedenken geäußert (Baumbach/Hopt, a.a.O., § 25 Rn. 15). Während in der älteren Rechtsprechung die Wirksamkeit eines Haftungsausschlusses gemäß § 25 Abs. 2 HGB durch Eintragung im Handelsregister und Bekanntmachung im zeitlichen Abstand von sechs bis zehn Wochen nach der Geschäftsübernahme bereits ausgeschlossen wurde (vgl. RGZ 75, 139; RG HRR 1932 Nr. 256; BGHZ 291,4) und das OLG Celle (OLG Report Celle 2000, 220) nach Ablauf von vier Monaten einen nicht mehr zu beseitigenden Rechtsschein der Haftung bejaht hat, wurde durch das OLG Hamm in einem Falle ein Zeitablauf von acht Monaten als zu lang eingestuft (NJW-RR 1994, 1119/1121), während in einem anderen Einzelfall eine Eintragung nach fünf Monaten noch für möglich erachtet wurde (NJW-RR 1999, 398). Das OLG Düsseldorf hält ebenfalls die Eintragung eines Haftungsausschlusses 5 Monate nach der Vereinbarung noch für möglich (OLG Düsseldorf NZG 2003, 774).

Der Senat hat die Eintragung von Haftungsausschlüssen nach einem Zeitablauf von mehr als zehn Monaten (NJW-RR 2001, 1404) bzw. sieben Monaten (Beschluss vom 27. Mai 2002 - 20 W 176/02) als verspätet abgelehnt.

Ob der hier verstrichene Zeitraum von gut fünf Monaten eine Eintragung noch gestattet hätte, erscheint bedenklich, bedarf aus den ausgeführten Gründen hier jedoch keiner abschließenden Entscheidung.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.

Ende der Entscheidung

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