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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.08.2000
Aktenzeichen: 20 W 288/00
Rechtsgebiete: UmwG, KostO


Vorschriften:

UmwG § 79 ff.
UmwG § 2 Nr. 1
KostO § 67
KostO § 30
KostO § 26
KostO § 14 Abs. 5
Die Vorschriften der Kostenordnung verstoßen nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, auch wenn sie den tatsächlichen Aufwand möglicherweise übersteigen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 288/00

6 T 20/00 LG Darmstadt

Entscheidung vom 22.8.2000-12-07

In der Grundbuchsache ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Kostenschuldnerin gegen den Beschluss des Landgerichts in Darmstadt vom 26.4.2000 am 22.8.2000 beschlossen:

Tenor:

Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die Einleitung des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 177 EWG-Vertrag bei dem EuGH kommt nicht in Betracht.

Gründe:

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss statthafte weitere Beschwerde (§ 14 Abs. 3 S. 2 KostO) ist auch ansonsten zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Die von dem Amtsgericht für die beantragten Eintragungen in das Grundbuch erhobenen Gebühren rechtfertigen sich sowohl der Höhe als dem Grunde nach aus den in der Kostenrechnung vom 26.1.2000 ( AZ: 9-D1-2777-015) genannten Vorschriften der Kostenordnung. Gleiches gilt im Hinblick auf die geforderte Katasterfortschreibungsgebühr, die ihre Grundlage in § 1 des Gesetzes über die Wiedereinführung der Katasterfortschreibungsgebühren vom 20.10.1959 (Hess. GVBl. S. 65) hat.

Dies wird von der Kostenschuldnerin auch nicht in Frage gestellt, die allein einwendet die Erhebung von Gebühren , die den tatsächlichen Aufwand für die Grundbuchberichtigungen übersteigen würden, der im Zusammenhang mit der Verschmelzung zweier Genossenschaften entstehe, verstoße gegen die Richtlinie 69/3357 EWG des Rates vom 17.7.1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der durch die Richtlinie 85/3037 EWG des Rates vom 10.6.1985 geänderten Fassung.

Die Kostenschuldnerin hat daher angeregt, das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 177 EWG-Vertrag beim EUGH einzuleiten.

Nach Auffassung des Senats verstoßen die Vorschriften der KostO bezüglich der Eintragung der Volksbank D. als Rechtsnachfolgerin der Volksbank P. (§ 60 Abs, 1KostO) sowie die Berichtigung der Grundbücher der Volksbank D. gemäß § 67, 30 KostO (Namensänderung) nicht gegen Europäisches Gemeinschaftsrecht, auch wenn es sich um Gebühren handelt, die den tatsächlichen Aufwand möglicherweise übersteigen.

Dem stehen auch nicht die von der Kostenschuldnerin angeführten Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 2.12.1997 ( Fantask", ZIP 1998,206 und vom 29.9.1999 Modelo" Slg.1999 I-6449) entgegen. Im Fantask- Fall" ging es um die Eintragungskosten für die Ersteintragung von Kapitalgesellschaften und für Kapitalerhöhungen. Der EuGH sah in der dänischen Gebührenregelung (Grundgebühr + zusätzliche Abgabe iHv 4% des gezeichneten oder zugeführten Kapitals) einen Verstoß gegen das Verbot indirekter Steuern nach Art. 10 der Richtlinie, da sich die Eintragungsgebühr nicht am tatsächlichen Aufwand für die Vornahme der Eintragung orientiere. Hieran anschließend hat das Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG DB 1999,209) und ihm folgend auch der Senat (Beschluss vom 29.3.1999 - 20 W 567/98) entschieden, daß § 26 KostO gegen Europäisches Gemeinschsftsrecht verstoße. Beide Entscheidungen betrafen die Handelsregistereintragung einer Zweigniederlassung einer Kapitalgesellschaft. Das Bayerische Oberste Landesgericht hat darüberhinausgehend auch die GmbH & Co. KG zu den Kapitalgesellschaften im Sinne von Art. 3 der Richtlinie angesehen (BayObLG ZIP 1999,363; noch anders Senatsbeschluss vom 28.3.2000 - 20 W 125/2000).

Im Modelo-Fall" ging es um die Notarkosten für die öffentliche Beurkundung der Erhöhung des Kapitals sowie der Änderung der Firma und Verlegung des Sitzes einer Kapitalgesellschaft. Der EuGH sah in der portugiesischen Regelung ( Grundgebühr + degressive veränderliche Gebühr, berechnet nach dem Wert des Geschäfts) ebenfalls einen Verstoß gegen das Verbot indirekter Steuern, weil nach portugiesischem Recht die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft zwingend eine notarielle Beurkundung vorsehe, die portugiesischen Notare Beamte seien, die einen Teil der Gebühren an den Staat abführen müssten und sich die Abgabe nicht am tatsächlichen Aufwand orientiere.

Abweichend von den oben zitierten Entscheidungen geht es im vorliegenden Fall weder um eine Handelsregistereintragung einer Kapitalgesellschaft oder ihr gleichzustellenden Personengesellschaft noch findet die Gesellschaftssteuerrichtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 17.7.1969 hier überhaupt Anwendung. Eine Vorlageverpflichtung nach Art. 177 EWG-Vertrag kommt daher nicht in Betracht, denn es geht nicht um eine Auslegung von Gemeinschaftsrecht.

Art. 4 der Richtlinie enthält ein Verzeichnis der Vorgänge, die die Erhebung der Gesellschaftsteuer auslösen und der Vorgänge, die die Mitgliedstaaten einer solchen Steuer unterwerfen können. Voraussetzung dafür, ob der durchgeführte Verschmelzungsvorgang und ­ entscheidend ­ die hierdurch ausgelösten Grundbucheintragungen unter die Richtlinie fällt, ist folglich, dass er unter eine der Fallgestaltungen subsumiert werden kann, die in Art. 4 beschrieben sind, auf den Art. 10 lit. a und b der Richtlinie verweist (EuGH WM 1999,343). Dazu kommt das in Art. 10 lit. c der Richtlinie ausgesprochene Verbot, Abgaben auf die Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität zu erheben, der eine Gesellschaft aufgrund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann.

Im Hinblick auf den vorliegenden Sachverhalt ist festzustellen, dass der gebührenauslösende Vorgang weder unter Art. 4 noch Art. 10 c der Richtlinie fällt.

Die Verschmelzung zweier Genossenschaften vollzieht sich nach §§ 79 ff., 2 Nr. 1 UmwG durch Übertragung eines Verbandes auf einen anderen, bereits bestehenden Verband. Als Folge hiervon gehen mit der Eintragung in das Register auch die Vermögenswerte auf den übernehmenden Rechtsträger über (§ 20 UmwG), so dass hinsichtlich des Immobiliarvermögens eine Berichtigung des Grundbuches erforderlich wird. Die in diesem Zusammenhang eingeforderten Gebühren treffen eine Gesellschaft weder im Zusammenhang mit einer Erhöhung ihres Kapitals noch aufgrund ihrer Rechtsform, also des Instrumentes zur Kapitalansammlung. Sie knüpfen an an einen normalen Erwerbsvorgang, der im Grundbuch verlautbar wird und zwar unabhängig davon, ob eine Kapitalgesellschaft oder ihr gleichzustellende Personengesellschaft erwirbt oder eine natürliche Person. Die betreffenden Abgaben werden weder auf die Kapitalzuführung als solche, noch wegen der Formalitäten im Zusammenhang mit der Rechtsform der Gesellschaft erhoben, so dass die Beibehaltung dieser Gebühren auch nicht die mit der Richtlinie verfolgten Ziele gefährden. Sie beruhen vielmehr auf dem im deutschen Rechtssystem verankerten Abstraktionsprinzip, das neben dem schuldrechtlichen (Grund-)Geschäft den dinglichen Übertragungsakt (dingliches Rechtsgeschäft) zum Vollzug des Eigentumserwerbs erfordert.

Soweit die Kostenschuldnerin einwendet, die erhobenen Gebühren stünden in keinem Verhältnis zu dem tatsächlichen Aufwand, der bei der Grundbucheintragung anfällt, weil bereits sämtliche Rechtsfragen von dem Rechtspfleger bei Eintragung in das Genossenschaftsregister geprüft werden, bestehen nach Auffassung des Senats keine durchgreifenden verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den Kostenrechnungen zugrundegelegten Gebührenvorschriften, aus denen sich die Höhe der einzelnen Gebühren errechnet.

Gebühren sind öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die aus Anlass individuell zurechenbarer, öffentlicher Leistungen dem Gebührenschuldner durch eine öffentlichrechtliche Norm oder sonstige hoheitliche Maßnahme auferlegt werden und dazu bestimmt sind, in Anknüpfung an diese Leistung deren Kosten ganz oder teilweise zu decken (BVerfGE 50, 217 [226] = NJW 1979,1345). Aus dieser Zweckbestimmung, Einnahmen zu erzielen, um speziell die Kosten ganz oder teilweise zu decken, folgt indes nicht, dass die Gebührenhöhe durch die Kosten der Leistung der öffentlichen Hand allgemein oder im Einzelfall in der Weise begrenzt sein müsse, dass Gebühren diese Kosten nicht übersteigen oder unterschreiten dürfen (BVerfG aaO). Innerhalb seiner jeweiligen Regelungskompetenz verfügt der Gesetzgeber über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum, welche individuell zurechenbare öffentliche Leistungen er einer Gebührenpflicht unterwerfen, welche Gebührenmaßstäbe er hierfür aufstellen und welche über die Kostendeckung hinausreichende Zwecke er mit einer Gebührenregelung anstreben will (BVerfG aaO ).

Allgemeine Grenzen ergeben sich insoweit aus dem Gleichheitsgrundsatz ( Art. 3 Abs. 1 GG) und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BVerfG aaO; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO 14. Auflage, § 32 Rn7).

Diese Verfassungsgrundsätze sind nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht verletzt.

Der mit den Gebührenvorschriften der KostO maßgeblich verfolgte Zweck der Kostendeckung wird relativiert durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nach dem die staatliche Leistung für den einzelnen auch erschwinglich" bleiben muss, d. h. sie darf nicht außer Verhältnis stehen zu der wirtschaftlichen Bedeutung, die das Geschäft für den Kostenschuldner hat (KLBR aaO). Im Ergebnis wird dieser Ausgleich erreicht durch eine Bindung der Gebührenhöhe an den Wert des einzutragenden Rechts. Dabei kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass es Fälle gibt, in denen die gebührenpflichtige staatliche Leistung die wirtschaftliche Bedeu- tung des Geschäftes übersteigt. Diese Grenze ist hier nach Auffassung des Senats angesichts der tatsächlich erhobenen Gebühren von 11.060.- DM, 1.106.- DM und 710.- DM im Vergleich mit dem Gegenstand des Geschäfts (Eigentumseintragung betreffend drei Grundstück im Werte von insgesamt 7,3 Mio DM und Namensumschreibung bei insgesamt 5 Grundstücken im Wert von 1,1813 Mio DM) nicht überschritten.

Der Ausspruch über die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten beruht auf § 14 Abs. 5 KostO.

Ende der Entscheidung

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