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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.02.2001
Aktenzeichen: 20 W 323/2000
Rechtsgebiete: FGG, BGB, BSHG


Vorschriften:

FGG § 56 g Abs. 5 Satz 2
BGB § 1836 c
BGB § 1836 d
BSHG § 76
BSHG § 79 Abs. 1
BSHG § 79 Abs. 3
BSHG § 81 Abs. 1
BSHG § 82
BSHG § 88
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 7
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 2
BSHG § 39 Abs. 1 Satz 1
BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2
BSHG § 88 Abs. 3 Satz 3
Zahlung der Vergütung und der Auslagen des Ergänzungsbetreuers aus der Staatskasse bei Mittellosigkeit der Betroffenen.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 323/00 3 T 752/99 LG Kassel 783 XVII 5392/92 AG Kassel

Entscheidung vom 5.2.2001

In dem Betreuungsverfahren ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 28. April 2000 am 05. Februar 2001 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG statthafte und auch im übrigen zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der Sache nicht begründet, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Vergütung und die Auslagen des Ergänzungsbetreuers aus der Staatskasse zu zahlen sind, weil die Betroffene mittellos ist. Für die Frage der Mittellosigkeit verweisen die zum 01. Januar 1999 in Kraft getretenen Vorschriften der §§ 1836 c und d BGB n. F. nunmehr ausdrücklich auf die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes ­BSHG­, auf die die Rechtsprechung überwiegend bereits zuvor zurückgegriffen hat (vgl. BayObLGZ 1995, 212; Palandt/Diederichsen, BGB, 59. Aufl., § 1836 c Rn. 1). Gemäß § 1836 d BGB gilt der Betreute als mittellos, wenn er Aufwendungsersatz und Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten bzw. im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufbringen kann, wobei gemäß § 1836 c BGB zur Ermittlung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens auf die Vorschriften der §§ 76, 79 Abs. 1 und 3, 81 Abs. 1, 82 und 88 BSHG zurückzugreifen ist. Für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Betreuten ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz abzustellen (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 474; OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 799; Palandt/Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1836 d Rn. 2).

Nach den rechtsfehlerfrei zustande gekommenen Feststellungen des Landgerichts verfügt die Betroffene neben dem eindeutig unterhalb der Grenze liegenden Monatseinkommen von 301,60 DM und dem als Schonvermögen geltenden Bankguthaben von 824,94 DM als einzigem Vermögenswert über den ihr zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruches eingeräumten Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an der für ihre eigenen Wohnzwecke bestimmten und von ihr bereits bewohnten näher bezeichneten Eigentumswohnung im Wert von ca. 130.000,-- DM. Da die Betroffene zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts als Eigentümerin der Wohnung noch nicht im Grundbuch eingetragen war, entfällt die Verpflichtung zur Einsetzung dieses Vermögens entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht nach § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG, wohl aber nach der Vorschrift des § 88 Abs. 2 Nr. 2 BSHG. Denn aufgrund der getroffenen vertraglichen Vereinbarungen ist der Pflichtteilsanspruch in der hier nunmehr konkretisierten Form zur baldigen Beschaffung von Wohneigentum im Sinne der Nr. 7 dieser Vorschrift bestimmt. Des weiteren dient das zu erwerbende Wohneigentum zu Wohnzwecken der Betroffenen, die aufgrund ihrer geistigen Behinderung durch das Down-Syndrom als Behinderte im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 BSHG einzustufen ist. Die durch Teilungserklärung bereits entstandene Eigentumswohnung liegt mit einer Größe von 74 qm auch eindeutig innerhalb der Angemessenheitsgrenze des § 88 Abs. 2 Nr. 7 Satz 2 BSHG in Verbindung mit § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 des 2. Wohnungsbaugesetzes. Der Zweck des baldigen Erwerbes dieser für eigene Wohnzwecke der Behinderten bestimmten Eigentumswohnung würde durch den anderweitigen Einsatz dieses Vermögens zum Zwecke der Aufbringung der Betreuervergütung auch gefährdet, da angesichts des Wertes des im Wege des Vergleiches ermittelten Pflichtteilsanspruches und der Eigentumswohnung gemäß der ortsgerichtlichen Schätzung kein ausreichender Überschuss verbleibt.

Angesichts dieser Wertansätze und der eindeutig im Interesse der behinderten Betroffenen liegenden Abgeltung des Pflichtteilsanspruches durch Überlassung der Eigentumswohnung durch ihre Mutter als Erbin kann entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde die Zulässigkeit dieser Vereinbarung nicht von der Erzielung eines Überschusses, der zur Begleichung der Ergänzungspflegerkosten ausreicht, oder deren Übernahme durch die Erbin oder den LWV als Überleitungsberechtigten abhängig gemacht werden.

Des weiteren kann aus dem Umstand, dass die Einschaltung eines Ergänzungsbetreuers für die Realisierung des Anspruchs auf Verschaffung des Eigentums an der Wohnung zur Abgeltung des Pflichtteilsanspruches erforderlich war, nicht geschlossen werden, dass die damit verbundenen Aufwendungs- und Vergütungsansprüche zwingend und vorrangig aus diesem Vermögenswert zu tragen sind. Dem stehen die Vorschriften der §§ 1836 c und d BGB in Verbindung mit § 88 Abs. 2 Nr. 2 und 7 BSHG entgegen, die eine derartige Einschränkung gerade nicht enthalten.

Auf die Frage der Anwendbarkeit der besonderen Härteregelung des § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG für in einer Werkstatt für Behinderte beschäftigte Personen in Bezug auf die Betreuervergütung kommt es somit nicht mehr an.

Da zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichts über den Anspruch auf Verschaffung des Eigentums an der Wohnung hinaus weiteres Vermögen der Betroffenen nicht vorhanden war, ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass es derzeit an den Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 56 g Abs. 1 Satz 2 FGG fehlt.



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