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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.08.2003
Aktenzeichen: 20 W 33/03
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 45 I
WEG § 18
WEG § 51
Die nach § 45 Abs. 1 WEG zur Zulässigkeit der Beschwerde erforderliche Beschwer eines Wohnungseigentümers, der einen Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung über die Beauftragung des Verwalters bzw. eines Rechtsanwalts mit seiner Abmahnung wegen fortgesetzter Störung des Hausfriedens angreift, übersteigt 750,00 EUR. Der zur Abmahnung ermächtigende Beschluss ist ebenso wie der Abmahnungsbeschluss selbst nur auf formelle Mängel zu überprüfen, nicht jedoch darauf, ob die Abmahnung materiell berechtigt war.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN Beschluss

20 W 33/2003

Entscheidung vom 29.08.2003

In der Wohnungseigentumssache

betreffend die Wohnungseigentümergemeinschaft M...-K...-Straße ..., 6... G-...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 27.10.2002 am 29.08.2003 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsteller wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Erstbeschwerde nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesen wird.

Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert der weiteren Beschwerde wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Beteiligten sind die Mitglieder der Eigentümergemeinschaft M...-K...-Straße ... in G.... In der Eigentümerversammlung vom 19.02.2002, bei der alle Wohnungseigentümer anwesend bzw. vertreten waren (Bl. 5 d. A.), wurde zu TOP 9 beschlossen, die Hausverwaltung zu beauftragen, die Antragsteller wegen fortgesetzter Störung des Hausfriedens (§ 14 Abs. 1 WEG) von einem Rechtsanwalt abmahnen zu lassen, wobei die Beteiligten zu 3) und 4) von den Kosten befreit wurden. In dem Einladungsschreiben vom 04.02.2002 zu dieser Versammlung war der TOP 9 nicht enthalten, erst unter dem 14.02.2002 verschickte die Verwalterin eine um diesen Tagesordnungspunkt erweiterte Einladung (Blatt 38, 43, 44 d. A.). In einem Schreiben vom 04.03.2002 (Blatt 11, 12 d.A.) wies der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegner die Antragsteller auf der Grundlage des zu TOP 9 gefassten Beschlusses darauf hin, dass sie u. a. durch beleidigende Äußerungen gegenüber Mitbewohnern und der Hausverwaltung den Hausfrieden erheblich gestört hätten und dieses Verhalten sogar Mieter zum Auszug veranlasst habe, weshalb mit diesem Schreiben eine Abmahnung im Sinn des § 18 Abs. 1 und 2 WEG erfolge.

Mit am 19.03.2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz haben die Antragsteller (neben der jetzt nicht mehr im Streit befindlichen Anfechtung der unter TOP 2 der Versammlung vom 19.02.2002 beschlossenen Gesamt- und Einzelabrechung wegen einer unberücksichtigten Vorauszahlung von 283,00 DM) auch begehrt, die zu TOP 9 beschlossene Abmahnung für ungültig zu erklären. Dieser Beschluss sei schon wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. 2 WEG unwirksam. Auch sei die Abmahnung ungerechtfertigt, da die Vorfälle, auf die sie gestützt wurden, nicht konkretisiert worden seien. Die Antragsteller hätten sich lediglich gegen unzumutbare Lärmbelästigungen von Mietern gewendet, denen auch fristlos gekündigt werden musste.

Diesen Antrag hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 29.07.2002 (Bl. 88-92 d. A.) zurückgewiesen mit der Begründung, ob sachliche Gründe eine Abmahnung der Antragsteller rechtfertigten, sei von dem nach § 51 WEG für die Klage auf Entziehung des Wohnungseigentums zuständigen Zivilprozessgericht zu prüfen. Im Beschlussanfechtungsverfahren sei der Abmahnungsbeschluss nur auf formelle Mängel zu überprüfen. Insoweit sei durch die Anwesenheit aller Wohnungseigentümer bzw. die fehlende Rüge des Einberufungsmangels in der Eigentümerversammlung eine Heilung eingetreten.

Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragsteller mit Beschluss vom 27.10.2002 (Blatt 127- 130) als unzulässig verworfen, da der erforderliche Beschwerdewert von 750 EUR nicht überschritten sei. Ein vermögenswertes Interesse an der Änderung der angefochtenen Entscheidung stehe den Antragstellern nur bezogen auf die laut Kostenrechnung vom 04.03.2002 (Blatt 13 d. A.) 287,07 EUR betragenden Anwaltskosten der Abmahnung zu.

Gegen diesen dem Verfahrensbevollmächtigten laut Empfangsbekenntnis am 11.11.2002 (Bl. 132 d. A.) zugestellten Beschluss des Landgerichts haben die Antragsteller mit am 25.11.2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt. Zur Begründung der Zulässigkeit der Erstbeschwerde tragen die Antragsteller vor, Beschwerdegegenstand sei die Aufhebung des Abmahnungsbeschlusses und nicht die Aufhebung der anwaltlichen Kostenrechung für diese Abmahnung. Beschwerdegegenstand und Beschwer der Antragsteller seien deckungsgleich.

Die Antragsgegner sind der weiteren Beschwerde entgegengetreten.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG statthafte sofortige weitere Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist auch sonst ohne Rücksicht auf die Höhe der Beschwer schon allein deshalb zulässig, weil die Erstbeschwerde der Antragsteller verworfen worden ist (Palandt/Bassenge: BGB, 62. Aufl., § 45 WEG, Rdnr. 4; Meyer/Holz in Keidel/Kuntze/Winkler: FGG, 15. Aufl., § 27, Rdnr. 2 und 4 m.w.H.).

Die weitere Beschwerde ist insoweit begründet, als das Landgericht die Erstbeschwerde als unzulässig verworfen hat mangels Überschreitens einer Beschwer der Antragsteller von 750 EUR. Insoweit beruht die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§§ 43 Abs. 1 WEG, 27 FGG, 546 ZPO). Zwar ist das Landgericht im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdewert nach der Beschwer und dem Änderungsinteresse des Beschwerdeführers richtet, wobei es allein auf die Entscheidung zur Hauptsache ankommt und Nebenentscheidungen ebenso wie die Kosten außer Betracht bleiben (BayObLG ZWE 00, 461; Niedenführ/Schulze: WEG, 6. Aufl., § 45 Rdnr. 9 und 11; Palandt/Bassenge, aaO., § 45 Rdnr. 3). Dieses Interesse der Antragsteller hat die Kammer jedoch zu gering bewertet, in dem sie lediglich die Anwaltskosten für das Abmahnungsschreiben berücksichtigt hat. Es entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen, in Zweifelsfällen, zu denen auch solche gehören, in denen die Bestimmung des Geschäftswertes oder der Beschwer mangels konkreter Anhaltspunkte weitgehend Ermessenssache ist, von der Zulässigkeit eines Rechtsmittels auszugehen und in der Sache zu entscheiden (BayObLG WuM 1994, 565, 566; Senat Beschluss vom 18.02.2002 ­20 W 272/01-); so ist beispielsweise auch bei einer bloß optischen Beeinträchtigung eines Beschwerdeführers eine Großzügige Schätzung vorzunehmen (KG WE 1995, 123). In der Sache besteht kein entscheidender Unterschied zwischen dem hier streitgegenständlichen Beschluss der Gemeinschaft und der Fallgestaltung, dass die Gemeinschaft selbst die Abmahnung beschließt, denn die Hausverwaltung bzw. der von ihr zu einzuschaltende Rechtsanwalt wurde bereits mit der Abmahnung selbst beauftragt und nicht erst mit der Prüfung, ob eine derartige Maßnahme überhaupt in Betracht kommt. Die beschlossene Beauftragung der Hausverwaltung hat auch schon zur einer Abmahnung der Antragsteller durch einen Rechtsanwalt geführt, die auf die Schaffung der Voraussetzungen einer Entziehung des Wohnungseigentums nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG gerichtet ist. Da die Erhaltung des Wohnungseigentums aber zu dem gewichtigsten Interesse eines Wohnungseigentümers gehört, ist sein vermögenswertes Interesse daran, dass nicht die Voraussetzungen für ein künftiges Entziehungsverfahren geschaffen werden können, jedenfalls höher als 750,00 EUR zu bewerten (OLG Düsseldorf NZM 2000, 878; Niedenführ/ Schulze: WEG, 6. Aufl., § 45 Rdnr. 13 a).

Der Senat konnte aber von einer Aufhebung und Zurückverweisung absehen und selbst in der Sache entscheiden, weil es für die Entscheidung aus Rechtsgründen nicht darauf ankommt, ob die Abmahnung der Antragsteller, mit der die Verwalterin bzw. ein von ihr einzuschaltender Rechtsanwalt beauftragt war, materiell gerechtfertigt war.

In der Sache kann die weitere Beschwerde der Antragsteller keinen Erfolg haben, weil die Erstbeschwerde zwar nicht unzulässig, aber unbegründet war. Wie das Amtsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist der Eigentümerbeschluss, einen Wohnungseigentümer unter Hinweis auf § 18 WEG abzumahnen, im Beschlussanfechtungsverfahren nur darauf zu überprüfen, ob formelle Mängel vorliegen, nicht jedoch darauf, ob die Abmahnung materiell gerechtfertigt ist. Dies gilt jedenfalls dann, wenn darin ein die Entziehung generell rechtfertigender Grund, wie hier die fortgesetzte Störung des Hausfriedens, genannt wird. Dies entspricht der allgemeinen Auffassung (LG Düsseldorf ZMR 1991, 314; BayObLG NJW-RR 1996, 12; Bärmann/Pick/Merle: WEG, 9. Aufl., § 18 Rdnr. 42; Palandt/Bassenge: WEG, 62. Aufl., § 18, Rdnr. 2; Niedenführ/Schulze, aaO., § 18 Rdnr. 14; Staudinger/Kreuzer: WEG, 12. Aufl. § 18 Rdnr. 17), von der abzuweichen der Senat keine Veranlassung sieht. Was für den die Abmahnung selbst enthaltenden Beschluss gilt, muss in gleicher Weise auch für den Beschluss der Gemeinschaft gelten, der einen Verwalter ermächtigt, mit der Abmahnung einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Im sachlichen Gehalt der Beschlussfassung besteht kein Unterschied, unterschiedlich ist nur die Modalität der Ausführung der Abmahnung. Auch unter Berücksichtigung von Art. 14 GG kann das Rechtsschutzinteresse der Antragsteller nicht zu einer Änderung der unterschiedlichen gerichtlichen Zuständigkeiten, wie sie in §§ 18 und 51 WEG normiert sind, führen. Ob das Entziehungsverfahren nach § 18 WEG aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist, hat das nach § 51 WEG zuständige Amtsgericht im Zivilprozess zu prüfen, dem gemäß hat das Prozessgericht auch über die Berechtigung der Abmahnung zu entscheiden.

Dass bei Anwesenheit aller Wohnungseigentümer in der Versammlung trotz Verstoß gegen § 23 Abs. 2 WEG gefasste Beschlüsse gültig sind (vgl. Niedenführ/Schulze, aaO., § 23 Rdnr. 10 m. w. H.), hat das Amtsgericht bei seiner Überprüfung auf formelle Mängel ebenso zutreffend festgestellt. Dieser formelle Mangel wird in der weiteren Beschwerde auch nicht mehr gerügt.

Die Gerichtskosten ihrer im Ergebnis erfolglosen weiteren Beschwerde haben die Antragsteller zu tragen (§§ 47 Satz 1 WEG, 97 Abs. 1 ZPO analog). Dagegen sah der Senat keine Veranlassung zur Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten (§ 47 Satz 2 WEG).

Den Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde (§ 48 Abs. 3 WEG) hat der Senat entsprechend der unbeanstandet gebliebenen Wertfestsetzung der Vorinstanzen festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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