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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 03.12.2002
Aktenzeichen: 20 W 366/02
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1908 i Abs. 1
BGB § 1836 e
BGB § 1836 d
FGG § 69 e
FGG § 56 g
1) Die Festsetzung von Regresszahlungen, die der Betreute wegen von der Staatskasse geleisteter Betreuervergütung erbringen soll, setzt die Feststellung von dessen Leistungsfähigkeit voraus.

2) Ist der Betroffene zum Zeitpunkt der letzten tatrichterlichen Entscheidung wegen fehlender Verwertbarkeit eines Vermögenswertes mittellos, so scheidet die Festsetzung einer Regresszahlung auch zum Zwecke der dinglichen Absicherung des bei später eingetretenen Leistungsfähigkeit des Betreuten festsetzbaren Rückgriffsanspruchs aus.


20 W 366/02

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

In dem Betreuungsverfahren

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der weiteren Beteiligten gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 26. August 2002 am 3. Dezember 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen

Gründe:

Für den Betroffenen, der in einem Wohnheim für psychisch Kranke lebt, besteht seit 1994 eine Betreuung. Er verfügt als Einkommen lediglich über ein monatliches Taschengeld von 86,20 EUR. Gemeinsam mit seiner Mutter und seiner Schwester ist er in ungeteilter Erbengemeinschaft Miteigentümer eines Einfamilienhauses im Wert von ca. 100.000 Euro, das von seiner Mutter bewohnt wird. Das Vormundschaftsgericht forderte zunächst mit Kostenrechnung vom 20. November 2001 von dem Betroffenen die Zahlung von 16.812,08 DM. Bei diesem Betrag handelt es sich um für die Zeit 01. Januar 1999 bis 31. Mai 2001 aus der Staatskasse gezahlte Betreuervergütung und Aufwendungsersatz. Nachdem die Betreuerin für den Betroffenen gegen diese Kostenrechnung Erinnerung eingelegt hatte, erließ der Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts am 25. April 2002 einen Beschluss, wonach der Betroffene eine einmalige Zahlung in Höhe von 16.812,08 DM (= 8.595,88 EUR) an die Staatskasse zu leisten habe, da dieser Betrag aufgrund des Anspruchsüberganges wieder einzuziehen sei.

Gegen diesen Beschluss legte die Betreuerin für den Betroffenen sofortige Beschwerde ein, mit welcher sie im wesentlichen geltend machte, eine Verwertung des Hausgrundstückes komme erst nach dem Tode der Mutter des Betroffenen in Betracht.

Das Landgericht hob den Beschluss des Vormundschaftsgerichts auf und führte zur Begründung im wesentlichen aus, der Betroffene sei mittellos, weil der Gesamthandsanteil an dem Grundbesitz in absehbarer Zeit nicht verwertet werden könne.

Hiergegen wendet sich die weitere Beteiligte mit der vom Landgericht zugelassenen sofortigen weiteren Beschwerde. Sie macht geltend macht, zwar scheide eine Verwertung des Miteigentumsanteils des Betroffenen an dem Hausgrundstück zu Lebzeiten von dessen Mutter sicher aus, es bestehe jedoch die Möglichkeit, den Anteil des Betroffenen an dem Nachlass zur Sicherung der auf die Staatskasse übergegangenen Ansprüche zu verpfänden mit der Folge, dass diese Ansprüche dinglich gesichert und durch die Staatskasse im Falle der Erbauseinandersetzung oder des Grundstücksverkaufs realisiert werden könnten.

II.

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 zulässige sofortige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).

Nach den durch das BtÄndG mit Wirkung zum 01. Januar 1999 in Kraft gesetzten Regelungen der §§ 1908 i Abs.1,1835 Abs. 4, 1836 a BGB kann der Berufsbetreuer bei Mittellosikeit des Betreuten Aufwendungsersatz und Vergütung nach Maßgabe des § 1 BVormVG aus der Staatskasse verlangen. Die diesbezüglichen Ansprüche des Betreuers gegen den Betreuten gehen im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs auf die Staatskasse über, soweit diese Zahlungen hierauf an den Betreuer erbracht hat, und erlöschen erst in 10 Jahren vom Ablauf des Jahres an, in dem die Staatskasse die Zahlungen erbracht hat (§§ 1908 i Abs. 1, 1836 e Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB). Damit soll ein Regreß der Staatskasse gegen den Betreuten ermöglicht werden, wenn dieser zur Deckung des angefallenen Anspruchs zumindest teilweise oder in Raten in der Lage ist, zunächst zu Unrecht für leistungsunfähig gehalten wurde oder nachträglich leistungsfähig geworden ist ( vgl. BT-Drucks. 13/7158 S. 32; Sonnenfeld, Betreuungs- und Pflegschaftsrecht, 2. Aufl. Rn. 250a; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1836 e Rn. 1). Zur Realisierung dieses Regreßanspruches sehen die §§ 69 e, 56 g Abs. 1 Satz 1 und 2 FGG vor, dass das Vormundschaftsgericht durch Beschluss gleichzeitig mit der Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Auslagen und Vergütung des Betreuers oder -wenn dies zweckmäßig ist- gesondert, Höhe und Zeitpunkt der von dem Betreuten nach den §§ 1836 c, 1836 e BGB an die Staatskasse zu leistenden Zahlungen bestimmt.

Ein solcher Regress setzt die nach § 1836 c BGB zu bestimmende Leistungsfähigkeit des Betreuten voraus (vgl. BT-Drucks. 13/7158, S. 32; Jürgens, Betreuungsrecht, § 56 g FGG Rn. 18; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1836 e Rn. 2; Keidel/KuntzeWinkler, FGG, 14. Aufl., § 56 g Rn. 19; BayObLG FamRZ 2000, 562 und NJW-RR 2002, 943; OLG Düsseldorf, FG Prax 2001, 110). Nach § 1836 d BGB gilt der Betreute als mittellos, wenn er den Aufwendungsersatz oder die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten oder nur im Wege gerichtlicher Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen aufbringen kann. Zur Ermittlung des einzusetzenden Einkommens und Vermögens verweist § 1836 c BGB auf dort näher bezeichnete Bestimmungen des BSHG, wobei zur Konkrtisierung des einzusetzenden Vermögens gemäß § 1836 e Ziffer 2 BGB auf § 88 BSHG zurückzugreifen ist. Maßgeblich für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Betreuten ist der Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz (vgl. BayObLG FamRZ 1993, 474 und BtPrax 1996, 29; OLG Zweibrücken FamRZ 1999, 799; OLG Frankfurt am Main FGPrax 2001, 116). Nach § 88 Abs. 1 BSHG ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen, soweit es nicht zum in § 88 Abs. 2 BSHG näher bezeichneten Schonvermögen zählt oder seine Verwertung eine Härte i. S. d. § 88 Abs. 3 BSHG bedeuten würde. Verwertbar sind sämtliche Vermögensgegenstände, die einer eigenständigen Verwertung sei es durch Belastung, Verpfändung, Bestellung eines Nießbrauchs oder Veräußerung zugänglich sind (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl. § 88 Rn. 12; Fichtner, BSHG, § 88 Rn. 3; Oberlandesgericht Frankfurt am Main BtPrax 2001,167). Die Verwertbarkeit ist in wirtschaftlicher Hinsicht zu beurteilen, so dass Vermögensgegenstände ausscheiden, deren Einsatz aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist (vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1234).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Landgericht zutreffend zu der Feststellung gelangt, dass die Festsetzung eines Rückgriffsanspruches derzeit wegen Mittellosigkeit des Betroffenen ausscheidet.

Hierzu hat das Landgericht zunächst zu Recht darauf verwiesen, dass das Hausgrundstück zwar nicht dem Schonvermögen des § 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG unterfällt, da es nicht von dem Betroffenen selbst, sondern von dessen Mutter bewohnt wird. Des weiteren wurde zutreffend festgestellt, dass im Hinblick auf die gesamthänderische Bindung innerhalb der Erbengemeinschaft gemäß § 2033 Abs. 2 eine Verwertung des Miteigentumsanteils des Betroffenen an dem Hausgrundstück selbst als einzelnem Nachlassgegenstand ausscheidet.

Zwar steht der Verwertbarkeit einer Vermögensmasse nicht generell entgegen, dass es zunächst noch einer Auseinandersetzung zwischen mehreren Mitberechtigten bedarf (vgl. OLG Zweibrücken NJWE-FER 2001,233 und OLG Oldenburg Rpfleger 2000, 456 für Anteil am Nachlass; OLG Frankfurt am Main, BtPrax 2001, 167 für einen GmbH-Anteil). Es muss jedoch für die Annahme einer Verwertbarkeit eine Realisierung in angemessener Zeit möglich sein ( vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1234; OLG Oldenburg Rpfleger 2000, 456 und NJWE-FER 2001, 233 ). Hiernach hat das Landgericht für den vorliegenden Fall mit zutreffenden tatsächlichen Erwägungen eine realisierbare Verwertungsmöglichkeit durch Erbauseinandersetzung im Wege der Klage verneint, da zum einen die Erzielung eines wirtschaftlich vertretbaren Erlöses zweifelhaft erscheint und eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft im Wege der Zwangsversteigerung wegen des damit verbundenen Verlustes der Wohnung für die Mutter eine Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 S. 1 BSHG bedeuten würde.

Die diesbezüglichen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts über die derzeit fehlende Verwertbarkeit werden von der weiteren Beteiligten nicht in Zweifel gezogen. Des weiteren vermag aber auch die von ihr angesprochene Möglichkeit der Verpfändung des Anteils des Betroffenen am Nachlass eine andere Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Eine solche Verpfändung wäre zwar rechtlich gemäß § 2033 Abs. 1 BGB zulässig. Eine Verwertbarkeit kann jedoch hieraus nicht abgeleitet werden. Denn bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise läßt sich durch eine solche Verpfändung ein entsprechender Mittelzufluss etwa durch Gewährung eines Bankdarlehens angesichts der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Betroffenen nicht realisieren. Eine Verpfändung würde den Betroffenen deshalb nicht in die Lage versetzen, die ihm mit dem angefochtenen Regreßbeschluss aufgegebene Zahlung der Betreuerkosten an die Staatskasse zu leisten. Somit verbleibt es dabei, dass der Betroffene derzeit nicht über verwertbares Vermögen verfügt und ihm deshalb eine Verpflichtung zur Rückzahlung der Betreuervergütung und Auslagen im Wege des Regresses gemäss §§ 69 e, 56 g Abs. 1 S. 1 und 2 FGG, 1908 i Abs. 1, 1836 c und e BGB durch Beschluss zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landgerichtes nicht auferlegt werden konnte.

Auf die von der weiteren Beteiligten erstrebte Absicherung der bei später eintretender Leistungsfähigkeit des Betroffenen festsetzbaren Rückgriffsansprüche durch Eintragung einer (Zwangs-)Hypothek im Grundbuch hat die Staatskasse mangels gesetzlicher Vorschrift keinen Anspruch ( vgl. OLG Düsseldorf FGPrax 2001, 110). Zwar sieht § 89 BSHG bei Existenz von Vermögen, dessen Verwertung nicht sofort möglich oder zumutbar ist, eine Gewährung der Sozialhilfe als Darlehen vor, die von der dinglichen Absicherung des Rückzahlungsanspruches abhängig gemacht werden kann. Für die Betreuervergütung wurde eine solche Absicherung der Staatskasse aber gesetzlich nicht verankert, da § 1836 c Ziffer 2 BGB nur auf § 88 BSHG, nicht jedoch auf den nachfolgenden § 89 BSHG verweist.

Die sofortige weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Der Senat weist abschließend darauf hin, dass über die Erinnerung des Betroffenen gegen die Kostenrechnung vom 20. November 2001 bisher noch nicht entschieden wurde und § 137 Nr. 16 KostO als zu erhebende Auslagen nur an den Verfahrenspfleger, nicht aber an den Betreuer gezahlte Beträge nennt.

Ende der Entscheidung

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