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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 08.04.2002
Aktenzeichen: 20 W 368/01
Rechtsgebiete: BVormVG


Vorschriften:

BVormVG § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2
Das mit der Approbation zum Tierarzt abgeschlossene Hochschulstudium der Veterinärmedizin vermittelt Fachkenntnisse, die für die Führung von Betreuungen mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge nutzbar sind, sodass die Vergütung mit dem Stundensatz gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG gerechtfertigt ist.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 368/01

In dem Betreuungsverfahren ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 28. August 2001 am 08. April 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen. Die Bet. zu 2) hat der Betreuerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens sofortigen weiteren Beschwerde zu erstatten.

Beschwerdewert: 55,59 DM = 28,42 EURO

Gründe:

Der Betreuerin wurde nach erfolgreich abgeschlossenem Studium der Veterinärmedizin 1994 die Approbation als Tierärztin erteilt. Sie unterrichtet seit Sommer 1999 als Dozentin an einer einem Stadtkrankenhaus angeschlossenen Krankenpflegeschule in den Fächern Allgemeine und spezielle Arzneimittellehre", Allgemeine Krankheitslehre", Physik", und Chemie". Sie wurde mit Beschluss vom 21. Februar 2001 zur Berufsbetreuerin für den mittellosen Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung und Entscheidung über die Unterbringung, Vermögenssorge und Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und ähnlichen Einrichtungen bestellt. Für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 13. März 2001 bis zum 26. Mai 2001 setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 28. Juni 2001 antragsgemäss Betreuervergütung auf der Grundlage eines Stundensatzes von 60,-- DM und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 148,46 DM einschließlich Mehrwertsteuer fest. Hiergegen wendete sich die Bet. zu 2) mit der vom Amtsgericht zugelassenen sofortigen Beschwerde, mit welcher sie die Auffassung vertrat, das von der Betreuerin abgeschlossene Studium der Veterinärmedizin habe keine besonderen betreuungsrelevanten Kenntnisse. Die sofortige Beschwerde wurde durch Beschluss des Landgerichts vom 28. August zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Bet. zu 2) mit der sofortigen weiteren Beschwerde.

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 5 Satz 2 FGG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig. Sie führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Gesetzes beruht.

Gemäß §§ 1836 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, 1836 a BGB bemisst sich die Vergütung des Berufsbetreuers, die bei Mittellosigkeit des Betreuten aus der Staatskasse zu zahlen ist, nach § 1 BVormVG.

Gemäß § 1 Abs. 1 BVormVG ist für jede Stunde der für die Führung der Betreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit ein der Qualifikation des Betreuers entsprechender vom Gesetzgeber in einer typisierten dreistufigen Skala verbindlich festgelegter Betrag zuzüglich Mehrwertsteuer vorgesehen. Der Mindestsatz beträgt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 BVormVG 35,-- DM. Verfügt der Vormund über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Vormundschaft nutzbar sind, so erhöht sich die Vergütung auf 45,-- DM, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre erworben sind, und auf 60,-- DM, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Ausbildung an einer Hochschule erworben sind. Abgeschlossene Ausbildungen, die diesen beiden Qualifikationen vergleichbar sind, werden ihnen gleichgestellt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 BVormVG).

Besondere, für die Führung einer Betreuung nutzbare Fachkenntnisse sind solche, die bezogen auf ein bestimmtes Fachgebiet über ein Grundwissen deutlich hinausgehen und geeignet sind, die Geschäftsführung des Betreuers zu erleichtern, weil sie ihn befähigen, seine Aufgaben zum Wohle des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14; Palandt/Diederichsen, BGB, 61 Aufl., § 1836 Rn. 14; Bay- ObLG BtPrax 2000, 81). Dabei müssen diese Fachkenntnisse nicht das gesamte Anforderungsprofil aller theoretisch in Betracht kommenden Betreuungsaufgaben abdecken. Vielmehr reicht es aus, wenn sie zur Bewältigung bestimmter betreuungstypischer Aufgabenkreise verwendbar sind (vgl. BT-Drucks. 13/1758 S. 14/15; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836 a BGB Rn. 50; Palandt/Diederichsen, a.a.O., § 1836 a Rn. 2; OLG Zweibrücken FGPrax 2001, 21). Angesichts der gesetzlichen Betonung der rechtlichen Betreuung (§ 1901 Abs. 1 BGB) kommt rechtlichen Kenntnissen hierbei eine besonders grundlegende Bedeutung zu. Betreuungsrelevant sind im allgemeinen ferner Kenntnisse in den Bereichen Medizin, Psychologie, Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Soziologie und Wirtschaft, wobei die Ausbildung in ihrem Kernbereich und nicht nur am Rande auf die Vermittlung derartiger Kenntnisse ausgerichtet sein sollte (vgl. BayObLG a.a.O. und BtPrax 2000, 124/125).

Ob ein Berufsbetreuer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG erfüllt, obliegt der Beurteilung des Tatrichters und kann vom Rechtsbeschwerde-gericht lediglich auf Rechtsfehler überprüft werden (§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG), die nur vorliegen, wenn der Tatrichter einen unbestimmten Rechtsbegriff verkannt hat, von ungenügenden oder verfahrenswidrig zustande gekommenen Feststellungen ausgegangen ist, wesentliche Umstände außer Betracht gelassen, gegen Denkgesetze verstoßen oder allgemein bekannte Erfahrungssätze nicht beachtet hat (vgl. BayObLG BtPrax 2000, 81/82 und 124/125). Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze weist die Entscheidung des Landgerichts keine Rechtsfehler auf. Das Landgericht hat zunächst unter sachgerechtem Rückgriff auf die Approbationsordnung für Tierärzte festgestellt, dass das Studium der Tiermedizin mit Anatomie, Physiologie, allgemeine Pathologie, allgemeine Therapie, allgemeine Infektions- und Seuchenlehre sowie Pharmakologie und Toxikologie in erheblichem Umfang Pflichtlehrveranstaltungen und Prüfungsfächer beinhaltet, die auch Gegenstand des Studienganges der Humanmedizin sind. Es hat sodann die zwischen den Studiengängen der Human- und Veterinärmedizin bestehenden Unterschiede klar herausgearbeitet und festgestellt, dass die von einem Veterinärmediziner erworbenen Fachkenntnisse einen Betreuer jedenfalls besonders befähigen, die Erforderlichkeit ärztlicher Hilfe und Behandlung zu beurteilen, die medizinische Behandlung des Betreuten zu organisieren sowie medizinische Sachverständigengutachten zu verstehen und hieraus rechtsfehlerfrei gefolgert, dass besondere betreuungsrelevante Fachkenntnisse jedenfalls für den Aufgabenkreis der Gesundheitssorge vorhanden sind.

Des weiteren hat das Landgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass es auf eine konkrete Nutzbarkeit der besonderen Fachkenntnisse für die einzelne Betreuung im Hinblick auf die gesetzliche Vermutungsregelung des § 1 Abs. 2 Satz 1 BVormVG grundsätzlich nicht ankommt (vgl. OLG Zweibrücken FGPrax 2000, 238 und 2001, 21).

Die sofortige weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten beruht auf § 13 a Abs. 1 S. 1 FGG.

Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1 KostO.

Das mit der Approbation zum Tierarzt abgeschlossene Hochschulstudium der Veterinärmedizin vermittelt Fachkenntnisse, die für die Führung von Betreuungen mit dem Aufgabenkreis der Gesundheitssorge nutzbar sind, sodass die Vergütung mit dem Stundensatz gemäss § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BVormVG gerechtfertigt ist.

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