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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 22.05.2008
Aktenzeichen: 20 W 38/08
Rechtsgebiete: BGB, VBVG


Vorschriften:

BGB § 1836 Abs. 2
BGB § 1908 Abs. 1
BGB § 1908 i
VBVG § 3
VBVG § 4
VBVG § 5
Als Kontroll- oder Höchstwert für die einem ehrenamtlichen Betreuer nach dem Ermessen des Vormundschaftsgerichts ausnahmsweise zuzubilligende Vergütung kann nicht auf die Vergütung eines entsprechenden Berufsbetreuers nach §§ 4, 5 VBVG zurückgegriffen werden; eher kommt insoweit die Vergütung des Berufsvormundes nach § 3 VBVG in Betracht.
Gründe:

I.

Der Betreuer ist seit 2003 für die 74jährige Betroffene, die an einem Parkinsonsyndrom sowie einer Demenz leidet, als Betreuer für die Aufgabenkreise der Vermögenssorge sowie der Vertretung gegenüber Heim- und Klinikleitung, Behörden, Versicherungen und sonstigen Institutionen bestellt. Er ist von Beruf Bankkaufmann und führt die Betreuung ehrenamtlich. Die Betroffene, die keine Familienangehörigen hat, lebt bisher trotz ihrer stetig fortschreitenden Erkrankung in ihrem eigenen Appartement in einer Seniorenresidenz. Der Betreuer organisiert und überwacht ihre dortige Versorgung durch eine Haushaltshilfe sowie drei studentische Hilfskräfte. Die Betroffene verfügt über Geldvermögen in der Größenordnung von zirka 150.000,-- EUR, welches aus verschiedenen Konten und Wertpapieren sowie diesbezüglichen Depots besteht und von dem Betreuer durch diverse jeweils vormundschaftsgerichtlich genehmigte Neuanlagen gewinnbringend verwaltet wird. Der Betreuer kümmert sich des Weiteren um die Beihilfeangelegenheiten der Betroffenen sowie die Vermietung eines älteren Einfamilienhauses, bei dem des öfteren Renovierungsarbeiten zu organisieren sowie Probleme mit den Mietern zu regeln sind.

Zwischenzeitlich wurde die Betreuung wegen des erneut verschlechterten Gesundheitszustandes der Betroffenen mit Beschluss des Vormundschaftsgerichts vom 11. April 2008 um die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge sowie der Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen erweitert.

In der Vergangenheit wurden dem Betreuer jeweils unter Beteiligung der auch im hiesigen Verfahren bestellten Verfahrenspflegerin Jahresvergütungen für 2003/2004 von 3.200,-- EUR, für 2004/2005 von 2.600,-- EUR und für 2005/2006 in Höhe von 2.100,-- EUR bewilligt.

Für seine Tätigkeit in der Zeit vom 06. Februar 2006 bis 05. Februar 2007 bat der Betreuer unter Hinweis auf den unverändert hohen Zeitaufwand sowie die Verantwortung für die Betreuung erneut um Festsetzung einer Vergütung in Höhe von 2.100,-- EUR. Dem trat die Verfahrenspflegerin mit dem Einwand entgegen, dass ein Berufsbetreuer mit der beruflichen Qualifikation eines Bankkaufmannes für die vorliegende Betreuung gemäß §§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 VBVG lediglich eine Vergütung in Höhe von viereinhalb Stunden monatlich zu je 33,50 EUR, mithin 1.809,-- EUR beanspruchen könne und die Vergütung für einen ehrenamtlichen Betreuer nicht höher ausfallen dürfe, so dass sie eine Vergütung von 1.800,-- EUR für angemessen und sachgerecht erachte.

Das Amtsgericht setzte mit Beschluss vom 24. Oktober 2007 für den ehrenamtlichen Betreuer eine Vergütung in Höhe von 2.100,-- EUR fest und führte zur Begründung aus, die vorliegende Betreuung erfordere weiterhin ein großes Verantwortungsbewusstsein und nicht unerheblichen Zeitaufwand. Da einem Berufsbetreuer der höchsten Vergütungsstufen ein Jahresbetrag von 2.376,-- EUR zugestanden hätte, erscheine es angemessen, dem Betreuer, der über mehr als durchschnittliche Kenntnisse verfüge, eine Vergütung im Sinne eines "Mittelwertes" zwischen den Vergütungsstufen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Ziff. 1 und 2 VBVG zu bewilligen.

Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Verfahrenspflegerin wies das Landgericht mit Beschluss vom 15. Januar 2008 zurück und führte zur Begründung aus, es könne dahinstehen, ob eine Begrenzung der Vergütung des ehrenamtlich tätigen Betreuers auch nach Inkrafttreten der Bestimmungen des VBVG durch den dort vorgegebenen Rahmen erfolgen müsse. Auch wenn man hiervon ausgehe, sei jedoch als Vergleichsmaßstab nicht die hypothetische Vergütung heranzuziehen, die dem konkret bestellten ehrenamtlichen Betreuer zustünde, wenn er berufsmäßig tätig wäre, sondern die Vergütung, die einem gleichermaßen geeigneten Berufsbetreuer festzusetzen wäre. Da die Betreuung hier sowohl besondere Kenntnisse im Bezug auf die Verwaltung des nicht unerheblichen Vermögens der Betroffenen als auch darüber hinaus einen besonderen Einsatz bei der Organisation der Wohnverhältnisse erfordere, läge die Bestellung eines Berufsbetreuers nach der höchsten Vergütungsstufe nahe, dem mit 2.376,-- EUR eine höhere Jahresvergütung als die hier festgesetzte zustünde.

Mit der gegen den landgerichtlichen Beschluss gerichteten sofortigen weiteren Beschwerde macht die Verfahrenspflegerin geltend, auch nach Inkrafttreten des VBVG dürfe dem ehrenamtlichen Betreuer nur eine Vergütung festgesetzt werden, die diejenige eines berufsmäßigen Betreuers entsprechender beruflicher Qualifikation nicht überschreite.

Der ehrenamtliche Betreuer hat sich im Verfahren der sofortigen weiteren Beschwerde nicht geäußert.

II.

Die kraft Zulassung im angefochtenen Beschluss gemäß § 56 g Abs. 6 Satz 2 FGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung des Rechts beruht. Die durch den Rechtspfleger des Vormundschaftsgerichts auf 2.100,-- EUR festgesetzte und von dem Landgericht mit seiner Beschwerdeentscheidung gebilligte Jahresvergütung für den ehrenamtlichen Betreuer ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach §§ 1908 i Abs. 1, 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB wird die Betreuung durch einen ehrenamtlich tätigen Betreuer, dessen vorrangige Bestellung vor dem Berufsbetreuer das Gesetz in § 1897 Abs. 6 BGB ausdrücklich hervorhebt, grundsätzlich unentgeltlich geführt. Nach §§ 1908 i Abs. 1, 1936 Abs. 2 BGB kann das Vormundschaftsgericht dem ehrenamtlichen Betreuer aus besonderen Gründen gleichwohl eine angemessene Vergütung bewilligen, soweit dies der Umfang oder die Schwierigkeit der Betreuungstätigkeit rechtfertigt und der Betreute nicht mittellos ist. Dies kommt in Betracht, wenn besondere Umstände vorliegen, die Unterschiede zu einer üblicherweise ehrenamtlich zu führenden Betreuung aufweisen und die unentgeltliche Führung deshalb ausnahmsweise nicht zumutbar erscheinen lassen. Sowohl die Bewilligung dem Grunde nach als auch deren Bemessung der Höhe nach sind in das pflichtgemäße Ermessen des Vormundschaftsgerichts gestellt (vgl. BT-Drucks. 15/4874 S. 32; MünchKomm. BGB/Wagenitz, § 1836 Rn. 71; Palandt/Diedrichsen, BGB, 67. Aufl., § 1836 Rn. 7). Als Maßstab für die Ausübung des diesbezüglichen Ermessens nennt das Gesetz den Umfang oder die Schwierigkeit der Betreuungsgeschäfte. Dabei war bereits zu der bis zum Inkrafttreten des 2. BtÄndG zum 01. Juli 2005 geltenden, wortgleichen Vorgängervorschrift des § 1836 Abs. 3 BGB a.F. anerkannt, dass es für den Umfang der Betreuungsgeschäfte im Wesentlichen auf den mit der Führung der Betreuungsgeschäfte verbundenen Zeitaufwand ankommt, der nicht im einzelnen nach Stunden berechnet werden muss, jedoch in seiner ungefähren Größenordnung im Wege der Schätzung festgestellt werden kann (vgl. BayObLG FamRZ 1992, 854; 1998, 1052 und 2004, 1138 sowie OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 1533 ). Für die Beurteilung der Schwierigkeit ist auf die Bedeutung der dem Betreuer obliegenden Geschäfte, die Anforderungen, die ihre sachgerechte Erledigung objektiv erfordert und der sich hieraus ergebende Grad der Verantwortung abzustellen. In Bezug auf eine Vermögensverwaltung können sich derartige Schwierigkeiten auch aus dem Umfang, der Art und der Zusammensetzung des zu verwaltenden Vermögens ergeben; überdurchschnittliche Schwierigkeiten können des Weiteren aber auch bei der Erledigung anderer Aufgabenkreise auftreten (vgl. BayObLG FamRZ 2004, 1138; MünchKomm./ Wagenitz, a.a.O., Rn. 67; Palandt/Diedrichsen, a.a.O., Rn. 9 m.w.N.).

Bis zum Inkrafttreten des 2. BtÄndG wurde bisher in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, dass die Vergütung, die einem Berufsbetreuer für die Führung der konkreten Betreuung zu bewilligen wäre, als Kontroll- und Höchstwert der Vergütung des ehrenamtlich tätigen Betreuers herangezogen werden kann, da eine Kommerzialisierung der ehrenamtlichen Betreuung nicht dem gesetzlichen Leitbild entspricht und die nur in Ausnahmefällen zu bewilligende Vergütung so bemessen werden soll, dass sie dem Betreuer für die Aufgabenerfüllung unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit einen Ausgleich schaffen soll (vgl. BayObLG FamRZ 2004, 1138; MünchKomm./Wagenitz, a.a.O., § 1836 Rn. 71). Die Heranziehung der Vergütung des Berufsbetreuers als Kontroll- und Höchstwert für die angemessene Vergütung eines ehrenamtlichen Betreuers kann jedoch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG) durch das 2. BtÄndG zum 01. Juli 2005 nicht mehr aufrechterhalten werden. Hierzu hat bereits das OLG Karlsruhe (NJW-RR 2007, 1084) zutreffend darauf hingewiesen, dass nach Einführung des VBVG im Unterschied zur Rechtslage nach dem BVormVG die Höhe der Vergütung des Berufsbetreuers erstmals nicht mehr von dem zeitlichen Aufwand für die Führung der konkreten einzelnen Betreuung abhängig ist, sondern nunmehr ein System der Pauschalierung der Vergütung der Berufsbetreuer auch bezüglich des Zeitansatzes eingeführt wurde, bei dem für vermögende Betreute eine Differenzierung nur noch bezüglich der Zeitdauer der laufenden Betreuung sowie des ständigen Aufenthaltes des Betreuten innerhalb oder außerhalb einer Heimeinrichtung vorgenommen wird. Hiermit wurde nach der gesetzlichen Intention auf eine Vereinfachung der Abrechnung der Berufsbetreuungen abgezielt und im Wege einer Mischkalkulation davon ausgegangen, dass insgesamt für die Berufsbetreuer bei Führung von insgesamt ca. 40 bis 50 Betreuungen auskömmliche Einnahmen im Sinne einer Mischkalkulation erreicht werden können (vgl. BT-Drucks. 15/2494, S. 35 ff.). Demgegenüber stellt die gesetzliche Regelung für die dem ehrenamtlichen Betreuer eines vermögenden Betreuten ausnahmsweise zuzubilligende Vergütung in § 1836 Abs. 2 BGB, der mit dem früher einschlägigen § 1836 Abs. 3 BGB a.F. wörtlich übereinstimmt, weiterhin auf den Umfang und die Schwierigkeit der konkreten Betreuung ab, so dass hier der jeweilige Zeitaufwand des ehrenamtlichen Betreuers im Unterschied zur Vorschrift des § 4 VBVG nach wie vor zu berücksichtigen ist. Die vom Gesetzgeber nach der neuen Rechtslage somit bewusst geschaffenen Unterschiede bezüglich der Vergütung der Berufsbetreuer und der ehrenamtlichen Betreuer stehen einer weiteren Heranziehung des für die konkrete Betreuung einem Berufsbetreuer hypothetisch zu bewilligenden Betrages als Höchst- oder Vergleichswert für den ehrenamtlichen Betreuer nunmehr entgegen (vgl. ebenso OLG Karlsruhe, a.a.O.; Palandt/Diedrichsen, BGB, a.a.O., Rn. 11; ErmanSaar, BGB, 12. Aufl., § 1836 Rn. 6; Bienwald FamRZ 2006, 1302; Jurgeleit/Maier, Betreuungsrecht, § 1836 BGB, Rn. 16).

Allerdings wird in der Literatur teilweise eine Anlehnung an die Stundensätze des § 3 VBVG für die Vergütung des Vormundes für vertretbar erachtet, da dort wie zuvor nach dem BVormVG weiterhin nach der tatsächlich aufgewandten Zeit abgerechnet wird und nur bezüglich der beruflichen Qualifikation eine Pauschalierung bezüglich des Stundensatzes vorgenommen wird. Dabei wird zugleich in Ausnahmefällen eine Überschreitung der Stundensätze des § 3 VBVG für möglich erachtet , jedoch zugleich darauf hingewiesen, dass die besondere Schwierigkeit der Geschäfte bei dem ehrenamtlichen Betreuer bereits im Rahmen der Prüfung, ob ihm dem Grunde nach eine Vergütung zu bewilligen ist, Berücksichtigung findet. Eine derartige Heranziehung der Vergütung des Vormundes nach § 3 VBVG als Kontroll- und Höchstwert für die Ermessensvergütung des ehrenamtlichen Betreuers nach § 1836 Abs. 2 BGB erscheint zwar vertretbar.

Ob sie als Obergrenze herangezogen werden muss, bedarf jedoch im vorliegenden Falle keiner Entscheidung, da sie jedenfalls nicht überschritten wird.

Es lässt keinen Rechtsfehler erkennen, dass die Vorinstanzen dem Grunde nach die Bewilligung einer Vergütung für den ehrenamtlichen Betreuer, der mit der Betroffenen nicht verwandt ist und sie vor Beginn seiner Tätigkeit nicht einmal kannte, im Hinblick auf Umfang, Verantwortung und Schwierigkeit der Geschäfte für angemessen erachtet haben.

Aber auch der Höhe nach ist der zugebilligte Betrag rechtlich nicht zu beanstanden. Denn die hier dem ehrenamtlichen Betreuer zugebilligte Jahresvergütung in Höhe von 2.100,-- EUR entspräche bei Zugrundelegung des für einen Bankkaufmann nach § 3 VBVG vorgesehenen Stundensatzes von 25,-- EUR übertragen auf einen beruflich tätigen Vormund einem jährlichen Zeitaufwand von 84 Stunden und somit einem monatlichen Zeitaufwand von sieben Stunden. Die aus der Akte ersichtlichen Aktivitäten des Betreuers lassen jedoch erkennen, dass auch bei professioneller Ausübung seiner Tätigkeit hier jedenfalls ein höherer Zeitaufwand als zwei Stunden in der Woche regelmäßig erforderlich ist und auch erbracht wird. Denn der Zeitaufwand des ehrenamtlichen Betreuers bezieht sich nicht nur auf die Verwaltung des in unterschiedlichen Formen angelegten Geldvermögens, sondern auch auf die zahlreiche Aktivitäten erfordernde laufende Vermietung des Einfamilienhauses, die sich für die Betroffene in monatlichen Mietzahlungen in der Größenordnung von ca. 800,-- EUR niederschlagen, und insbesondere in der einen besonderen Zeitaufwand erfordernden Organisation der tatsächlichen Betreuung und Versorgung der Betroffenen in ihrer eigenen Wohnung, die bisher trotz des sich stetig verschlechternden Gesundheitszustandes eine Übersiedelung in eine Heimeinrichtung entsprechend den Wünschen der Betroffenen verhindern konnten.

Zu Recht hat das Landgericht deshalb darauf hingewiesen, dass es sich hier insgesamt um eine nicht nur zeitaufwändige, sondern auch inhaltlich und bezüglich der Verantwortung anspruchsvolle Betreuung handelt, die im Falle der beruflichen Führung in aller Regel die Auswahl eines Betreuers aus der höchsten Vergütungsgruppe erfordert hätte.

Nach alledem ist die hier von den Vorinstanzen dem ehrenamtlichen Betreuer in Anwendung des § 1836 Abs. 2 BGB zugebilligte Vergütung unter Berücksichtigung von Umfang, Schwierigkeit und der mit der Betreuungstätigkeit verbundenen Verantwortung rechtlich nicht zu beanstanden.

Die sofortige weitere Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 3 KostO.

Ende der Entscheidung

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