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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 21.04.2008
Aktenzeichen: 20 W 394/07
Rechtsgebiete: BerHG, InsO, RVG-VV


Vorschriften:

BerHG § 3
InsO § 305
RVG-VV Anlage 1 Nr. 2503
RVG-VV Anlage 1 Nr. 2504
Schreibt ein Anwalt im Rahmen der Beratungshilfe den einzigen Gläubiger an, um die Höhe der Forderung zu erfahren, so erfüllt diese Tätigkeit die Voraussetzungen der Nr. 2604 (jetzt: 2504) VV auch dann nicht, wenn das Schreiben den Hinweis enthält, dass mit Hilfe der Insolvenzordnung eine Schuldenbereinigung durchgeführt werden sollte.
Gründe:

Der Antragsteller ist für den Rechtssuchenden im Rahmen der Beratungshilfe tätig geworden. Der an das Amtsgericht gerichtete und am 22.02.2006 positiv beschiedene Beratungshilfeantrag lautete auf Beratungshilfe für eine "Tätigkeit mit dem Ziel außergerichtlicher Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 I Nr. 1 InsO)". Der Antragsteller hat unter Vorlage eines Anschreibens vom 28.02.2006 an einen Gläubiger Festsetzung seiner durch die Staatskasse zu zahlenden Gebühren in Höhe von 283,04 € begehrt. Durch Beschluss vom 07.03.2006 hat das Amtsgericht die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags auf 97,44 € festgesetzt. Das Amtsgericht hat die Auffassung vertreten, dass eine Gebühr nach Nr. 2604 VV RVG nicht angesetzt werden könne, da es nur einen Gläubiger gegeben habe. Auf die Erinnerung des Antragstellers hat das Amtsgericht durch richterlichen Beschluss vom 19.05.2006 unter Zulassung der Beschwerde die Vergütung auf 283,04 € festgesetzt und ausgeführt, die Tätigkeit sei nach Nr. 2604 VVRVG mit 224 € zu vergüten, da mit der Formulierung "bis zu 5 Gläubigern" in der besagten Nummer zwangsläufig auch ein Gläubiger erfasst sei. Gegen diesen Beschluss hat der Bezirksrevisor Beschwerde eingelegt, die das Landgericht unter Zulassung der weiteren Beschwerde durch Beschluss vom 25.09.2007 zurückgewiesen hat.

Gegen diesen Beschluss hat die Staatskasse hinsichtlich der zugesprochenen Gebühr nach Nr. 2604 VV weitere Beschwerde eingelegt. Der Antragsteller verteidigt den angefochtenen Beschluss.

Die weitere Beschwerde ist zulässig. Dahinstehen kann, ob die Sache grundsätzliche Bedeutung hat, denn der Senat ist an die Zulassung der weiteren Beschwerde durch das Landgericht gebunden (§§ 56 Abs. 2, 33 VI RVG). Die am 08.10.2007 bzw. 10.10.2007 eingegangene weitere Beschwerde der Staatskasse ist fristgerecht innerhalb der Zweiwochenfrist (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 3 RVG) beim Erstbeschwerdegericht eingelegt worden, da der angefochtene Beschluss erst am 02.10.2007 von der Geschäftsstelle zur Versendung gebracht worden und eine Zustellung nicht erfolgt ist, so dass die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt worden ist (vgl. Riedel/Sußbauer/ Schmal, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Aufl. (2005), § 56 Rn 13).

Die weitere Beschwerde führt zur Abänderung sowohl der landgerichtlichen als auch der amtsgerichtlichen richterlichen Entscheidung. Die weitere Beschwerde ist zwar eine Rechtsbeschwerde, eine weitere Sachverhaltsklärung ist jedoch nicht erforderlich, so dass der Senat abschließend entscheiden kann. Dass das Landgericht die vorgesehene Abhilfeprüfung (§§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 4 S. 1, Abs. 6 S. 4 RVG; vgl. AnwK-RVG/ Schnapp (2006), § 56 Rn 19 ff; Riedel/Sußbauer/ Schmal, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 9. Aufl. (2005), § 56 Rn 22) nicht vorgenommen hat, hindert die Senatsentscheidung ebenfalls nicht (vgl. Baumbach/ Lauterbach/ Albers/ Hartmann, Zivilprozessordnung, 66. Aufl. § 572 ZPO Rn 13 und 17).

Die vorinstanzlichen Entscheidungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand. Die angefochtenen vorinstanzlichen Entscheidungen haben sich lediglich damit auseinandergesetzt, ob statt der Gebühr nach Nr. 2603 VV die Gebühr nach Nr. 2604 VV RVG auch dann festzusetzen ist, wenn nur ein Gläubiger beteiligt ist. Hierzu hat die Richterin in der amtsgerichtlichen Entscheidung im Ergebnis herausgestellt, dass die Anwaltsgebühren nach der Anzahl der Gläubiger gestaffelt sind und sich aus dem Wortlaut des Vergütungsverzeichnisses nicht ergibt, dass beim Vorhandensein nur eines Gläubigers der Anwalt auf die wesentlich niedrigere Geschäftsgebühr der Nr. 2603 VV zurückgeworfen sein soll. Dem ist das Landgericht gefolgt.

Die Vorinstanzen sind zunächst zutreffend stillschweigend davon ausgegangen, dass grundsätzlich ein Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse auf die Beratungshilfebewilligung gestützt werden kann, ohne dass weiter hinterfragt werden kann, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe für ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren vorgelegen haben (vgl. Schoreit/ Dehn, BerH/ PKH, § 56 BerHG Rn 4).

Nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO muss der Schuldner dem Gericht mit seinem schriftlich einzureichenden Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder unverzüglich danach eine Bescheinigung vorlegen aus der sich ergibt, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans innerhalb der letzten sechs Monate vor dem Eröffnungsantrag erfolglos versucht worden ist. Dabei ist der Plan beizufügen, die wesentlichen Gründe für das Scheitern sind zu nennen. Dadurch soll dem Gericht die Einschätzung ermöglicht werden, ob die Durchführung des Schuldenbereinigungsverfahrens Aussicht auf Erfolg hat. Der Plan besteht in der Regel aus einer Kopie des Angebots, das den Gläubigern zugesandt wurde. Hieraus ergibt sich regelmäßig auch der Vorschlag zur Gesamtlösung (Kohte/ Ahrens/ Grote, Verfahrenskostenstundung, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren (2006), § 305 Rn 13b). Für die Tätigkeit des Rechtsanwalts im Rahmen von Beratungshilfe zur Herbeiführung solcher außergerichtlicher Einigung erhält der Rechtsanwalt, wovon die Vorinstanzen ebenfalls ausgegangen sind, nach Nr. 2604 (nach Umnummerierung durch Art. 5 Abs. 1 Ziff. 4b KostRmodG jetzt Nr. 2504 VV; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, Vorbem. zu 2004 -2507) eine Gebühr, die bei bis zu fünf Gläubigern 224 € beträgt (Gerold/ Schmidt/ v.Eicken/ Madert, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, VV 2500-2508 Rn 37).

Die Vorinstanzen haben die Frage, ob die Formulierung "bis zu 5 Gläubiger" in der genannten Vorschrift auch den Fall erfasst, dass nur ein Gläubiger bei der außergerichtlichen Einigung über die Schuldenbereinigung aufgrund eines Plans vorhanden ist, bejaht. Zwar ist den Vorinstanzen darin zuzustimmen, dass die Formulierung " bis zu 5 Gläubiger" vom Wortlaut her die Auslegung nahe legt, dass damit sämtliche Gläubigerzahlen von 1 bis 5 abdeckt sind. Dies ist für alle Fälle, in denen mehrere Gläubiger vorhanden sind, auch problemlos, weil die Zahlenreihe der Gläubiger notwendigerweise immer mit 1 beginnt. Zweifel könnten sich aber daraus ergeben, dass das gerichtliche Schuldenbereinigungsplanverfahren bei nur einem Gläubiger nicht greifen kann und sich deswegen auch die Frage stellt, ob nicht damit auch das Vorschaltverfahren nach § 305 InsO praktisch Sinn entleert ist und nicht mehr geeignet, die Spezialvergütungsvorschrift der Nr. 2604/ 2504 VV auszufüllen. Dem Schuldner, dessen einziger Gläubiger dem angebotenen Plan nicht zustimmt, ist nämlich der Weg der gerichtlichen Schuldenbereinigung versperrt, weil die Möglichkeit der Zustimmungsersetzung durch das Gericht von einem zustimmenden Mehrheitsquorum auf der Gläubigerseite abhängt (§ 309 Abs. 1 InsO), welches im Fall eines ablehnenden Einzelgläubigers nie erreicht werden kann, während es im Fall der Zustimmung des Gläubigers bei der gütlichen Einigung zwischen Gläubiger und Schuldner ohne weitere Anrufung des Gerichts bleibt.

Dieser Frage braucht indessen insoweit nicht weiter nachgegangen zu werden, denn der Antragsteller hat - selbst wenn man einen Anwendungsfall der Nr. 2604/ 2504 n. F. VV auch bei nur einem Gläubiger annimmt - keine anwaltliche Tätigkeit auf der Grundlage eines Plans im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 1 InsO entfaltet. In dem vorgelegten Anschreiben des Antragstellers vom 28.02.2006 ist von einem Plan keine Rede, vielmehr bittet der Antragsteller darin lediglich um eine aktuelle Forderungsaufstellung, die er prüfen werde, um dann diesem Gläubiger und den anderen einen entsprechenden Tilgungsplan unterbreiten zu können. Weitere Gläubiger gab es indessen nicht. Die Bemühungen des Antragstellers haben mit dem einen Schreiben ein Ende gefunden.

Diese anwaltliche Tätigkeit ist aber kein Tätigwerden auf der Grundlage eines Plans im Sinn von § 305 Abs. Nr. 1 InsO, sondern allenfalls eine entfernte Vorstufe dazu. Das Einzelschreiben übersteigt inhaltlich nicht die Anforderung an ein Erstschreiben mit dem Ziel, sich über die Höhe der Verbindlichkeiten bei diesem Gläubiger ein Bild zu machen und den Gläubiger später vielleicht zu einer isolierten Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarung zugunsten des Auftragsgebers bewegen zu können. Es handelt sich damit inhaltlich um eine durch Nr. 2603 VV (jetzt 2503 VV) erfasste Tätigkeit. Die Nr. 2603/ 2503 n. F. VV sieht für das Betreiben eines Geschäfts die Entstehung einer Geschäftsgebühr vor, wie sie dem Antragsteller in der Erstfestsetzung auch zugebilligt wurde.

Dass der Antragsteller in dem Anschreiben weiter erwähnt hat, es sei beabsichtigt, mit Hilfe der Insolvenzordnung eine Schuldenbereinigung durchzuführen, führt selbst dann nicht zu einer Anwendung der Nr. 2604 VV (jetzt 2504 VV), wenn man bei einer Verschuldung gegenüber nur einem Gläubiger die Anwendbarkeit der Vorschrift bejahte. Der schlichte Hinweis in dem Anschreiben erscheint vor dem Hintergrund, dass weitere Gläubiger nicht vorhanden waren und die Höhe der Schulden bei dem einzigen Gläubiger, einem anderen Anwaltsbüro, erst erfragt wurde, der Schuldstatus des Schuldners also sehr überschaubar war, nur als Worthülse. Die angedeutete Absicht, ein Insolvenzverfahren anzustreben, ist für sich allein nicht geeignet, das Anschreiben als Teil einer außergerichtlichen Schuldenbereinigung im Sinne von § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO vor Einleitung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens erscheinen zu lassen. Für einen außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuch ist - auch wenn dieser im Insolvenzverfahren keiner richterlichen Inhaltskontrolle unterliegt (Kohte/ Ahrens/ Grote, Verfahrenskostenstundung, Restschuldbefreiung und Verbraucherinsolvenzverfahren (2006), § 305 Rn 1 und 9; Braun/ Buck, InSo (2007), § 305 Rn 11) - eine gewisse Gesamtschau der Forderungen jedenfalls im Ansatz gefordert einschließlich irgendwie gearteter ergebnisorientierter Überlegungen zum Lösungsvorschlag, ohne dass es hier näherer Ausführungen zu den Mindestvoraussetzungen bedarf. Diese Anforderungen erfüllt das lediglich Erkundungen einziehende Einzelschreiben keinesfalls (so im Ergebnis auch LG Hannover, JurBüro 2007, 251 ff = Niedersächs. Rechtspfleger 2007, 220, zitiert nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 38. Aufl. 2008, VV 2503 - 2507 Rn 4; zu den Anforderungen an einen Einigungsversuch vgl. MünchKommInsO-Ott (2003), § 305 Rn 16 ff). Nach alledem muss es hinsichtlich der Erstattungsfestsetzung bei dem zunächst festgesetzten Betrag verbleiben.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 56 Abs. 2 RVG.

Ende der Entscheidung

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