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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 05.07.2004
Aktenzeichen: 20 W 44/04
Rechtsgebiete: InsO, WEG, ZPO


Vorschriften:

InsO § 87
InsO § 178 III
WEG § 47
ZPO § 91 a
1. Bei übereinstimmender Erledigungserklärung in der Rechtsmittelinstanz wird die Vorentscheidung wirkungslos. Das Rechtsmittelgericht hat über die Kosten beider Instanzen nach billigem Ermessen zu entscheiden, wobei grundsätzlich auf den mutmaßlichen Ausgang des Verfahrens bei streitiger Durchführung abzustellen und für die außergerichtlichen Kosten nur in Ausnahmefällen eine Erstattung anzuordnen ist.

2. Erledigt sich ein Verfahren gegen einen insolventen Wohnungseigentümer wegen Beitreibung von rückständigem Wohngeld dadurch, dass die Hauptforderung zur Insolvenztabelle festgestellt wird, ist bei der Entscheidung über die Tragung der Gerichtskosten nach Erledigungserklärung auch der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu beachten.


OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 44/04

In der Wohnungseigentumssache

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der 19. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 03.12.2003

am 05.07.2004 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert. Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des amtsgerichtlichen und beider Beschwerdeverfahren. Außergerichtliche Kosten im amtsgerichtlichen und in beiden Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen. Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 300,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die Antragsteller und die Fa. ABC ... mbH & Co (im weiteren ABC) bildeten die Wohnungseigentümergemeinschaft ... Str. ... in O 1. Mit am 17.09.2001 bei Gericht eingegangenem und der ABC am 11.10.2001 zugestellt Antrag begehrten die Antragsteller die Verpflichtung der ABC zur Zahlung von rückständigem Wohngeldvorschuss in Höhe von 2.780, 43 DM nebst Zinsen. Die ABC verwies auf mit Beschluss des AG Offenbach am Main vom 14.09.2001 nach §§ 21, 22 InsO angeordneten Sicherungsmaßnahmen und die Bestellung des Antragsgegners als vorläufigen Insolvenzverwalter. Nach Zustellung der Antragsschrift an diesen erließ das Amtsgericht am 03.12.2001 einen Beschluss gegen den Antragsgegner über die beantragte Wohngeldzahlung unter Auferlegung der gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten des Verfahrens (Bl. 19-21 d. A.). Gegen den ihm am 12.12.2001 zugestellten amtsgerichtlichen Beschluss hat der Antragsgegner mit am 19.12.2001 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt. Nachdem das Beschwerdeverfahren zunächst entsprechend § 240 ZPO unterbrochen war und die Hauptforderung aus dem amtsgerichtlichen Beschluss am 17.01.2003 zur Insolvenztabelle festgestellt worden war, haben die Beteiligten im Erstbeschwerdeverfahren übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitige Kostenanträge gestellt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 03.12.2003 (Bl. 85-89) den Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte auferlegt und keine Erstattung der außergerichtlichen Kosten angeordnet.

Gegen den ihm am 10.01.2004 zugestellten landgerichtlichen Beschluss hat der Antragsgegner mit am 21.01. 2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt und beantragt unter Aufhebung der Vorentscheidungen die Kosten des Verfahrens den Antragstellern aufzuerlegen, hilfsweise festzustellen, dass es sich bei den Kosten des Beschlusses des Amtsgerichts um eine reine Insolvenzforderung handelt. Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, in erster Linie sei zu beanstanden, dass es die Kammer bei der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung belassen hat, obwohl nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 31.10.2001 und der Unterbrechung des Rechtsstreits nach § 240 ZPO ohne Aufnahme durch die Beteiligten keine Entscheidung mehr habe ergehen dürfen. Bei Aufrechterhaltung der amtsgerichtlichen Kostenentscheidung würde eine einfache Insolvenzforderung zur Masseverbindlichkeit. Die Antragsteller sind der Beschwerde entgegengetreten. Sie halten sie für unzulässig, da der Beschwerdewert nicht erreicht sei.

Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 2) ist zulässig (§§ 43 WEG, 20 a Abs. 2, 27 Abs. 2 FGG).

Das Landgericht hat nach übereinstimmender Erledigungserklärung erstmals eine isolierte Kostenentscheidung getroffen. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 100,00 € und auch in der Hauptsache wäre der Beschwerdewert des § 45 Abs. 1 WEG von 750,00 € überschritten. Die Beschwerde ist im Umfang des Tenors auch begründet, denn die angefochtene Entscheidung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

Zunächst ist klar zu stellen, dass die übereinstimmende Erledigungserklärung im Erstbeschwerdeverfahren zur Folge hat, dass die Entscheidung des Amtsgerichts (mit Ausnahme der Kostenentscheidung) wirkungslos geworden ist (Keidel/Kuntze/Winkler: FGG, 15. Aufl., § 19, Rdnr. 94) und das Beschwerdegericht über die Kosten beider Instanzen gemäß § 47 WEG nach billigem Ermessen zu entscheiden hat. Aus den Gründen, nicht jedoch aus dem Tenor des landgerichtlichen Beschlusses ist ersichtlich, dass eine Entscheidung auch über die Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens getroffen wurde dahingehend, dass es bei der Kostentragung der gesamten -gerichtlichen und außergerichtlichen- Kosten des amtsgerichtlichen Verfahrens durch den Antragsgegner bleiben soll entsprechend den für das Beitreibungsverfahren üblicherweise geltenden Grundsätzen. Dies wird von dem Antragsgegner zu Recht beanstandet.

Die Unterbrechung des amtsgerichtlichen Verfahrens gemäß § 240 Satz 1 ZPO, der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines materiell Beteiligten auch in Wohnungseigentumsverfahren entsprechende Anwendung findet (Niedenführ/Schulze, aaO., vor §§ 43 ff., Rdnr. 181) trat mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 31.10.2001 unabhängig von der Kenntnis des Gerichts ein. Der trotz Unterbrechung ergangene Beschluss des Amtsgerichts vom 03.12.2001 war aber nicht nichtig, sondern auch während der Unterbrechung anfechtbar (BGHZ 66, 59, 61; BGH NJW 1995, 2563 und NJW 1997, 1445; Zöller/Greger: ZPO, 24. Aufl., § 240 Rdnr. 3). Diese Anfechtung im Beschwerdeverfahren hätte ohne die Erledigungserklärung zur Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses aus verfahrensrechtlichen Gründen führen müssen sowie zur Zurückverweisung, da die Wohngeldforderung nur noch als Insolvenzforderung durch Anmeldung zur Insolvenztabelle geltend gemacht werden konnte (§§ 35, 87,174 InsO). Bis feststand, ob die Feststellung zur Insolvenztabelle erfolgt oder die Forderung bestritten wird, musste das amtsgerichtliche Verfahren in der Schwebe bleiben. Wegen der Wirkung der Eintragung der festgestellten Hauptforderung in die Insolvenztabelle als rechtskräftiges Urteil gegenüber dem Insolvenzverwalter nach § 178 InsO durfte keine weitere Titulierung im WEG-Verfahren erfolgen bzw. die bereits erfolgte Titulierung wäre auf Grund der Beschwerde aufzuheben gewesen. Eine neue Sachentscheidung im amtsgerichtlichen Verfahren setzte die Aufnahme des Verfahrens nach einem Bestreiten der Forderung im Insolvenzverfahren voraus, zu dem es aber nicht gekommen ist. Vielmehr ist durch die Feststellung der Hauptforderung zur Insolvenztabelle die Erledigung des im zweiten Rechtszug noch anhängigen Beitreibungsverfahrens eingetreten. Die entsprechende Erledigungserklärung durch die Beteiligten ist auch erfolgt.

Bei einer übereinstimmenden Erledigungserklärung ist über die Gerichtskosten gemäß § 47 WEG nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere aber der voraussichtliche Ausgang des Verfahrens bei Fortsetzung ohne die Erledigung zu berücksichtigen, wobei jedoch die Rechtslage nicht in allen Einzelheiten geprüft zu werden braucht und weitere Ermittlungen allein wegen der Kostenentscheidung nicht erfolgen dürfen (Niedenführ/Schulze: WEG, 6. Aufl., vor §§ 43 ff., Rdnr. 216 ) Der Senat kann die als Ermessensentscheidung ergangene Kostenentscheidung nur auf ihre Gesetzesmäßigkeit überprüfen, nämlich darauf, ob von ungenügenden oder verfahrenswidrigen Feststellungen ausgegangen wurde, ob wesentliche Umstände außer Betracht gelassen wurden, ob gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrenssätze verstoßen wurde oder ob von dem Ermessen ein dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufender oder die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreitender und damit rechtlich fehlerhafter Gebrauch gemacht wurde (BayObLGZ 1990, 28, 31; BayObLG WE 1994, 150; Staudinger/Wenzel: WEG, 12. Aufl., § 47, Rdnr. 34; Niedenführ/Schulze: WEG, 6. Aufl., § 47, Rdnr. 23). Nach diesen Kriterien ist es aus Rechtsgründen zu beanstanden, dass der Antragsgegner die Gerichtskosten des amtsgerichtlichen Verfahrens tragen soll. Das Landgericht hat einen wesentlichen Umstand außer Betracht gelassen, indem es allein auf die materielle Begründetheit abgestellt hat, ohne zu berücksichtigen, dass sich der Anspruch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzverwalter richtete und dieser keinen Anlass zur Klageerhebung gab, weil er die streitgegenständliche Forderung nach Anmeldung im Insolvenzverfahren nicht bestritten, sondern zur Tabelle festgestellt hat. Neben der Begründetheit der Forderung war deshalb auch der Rechtsgedanke des § 93 ZPO zu berücksichtigen und die Entscheidung der Kammer hinsichtlich der Gerichtskosten des amtsgerichtlichen Verfahrens abzuändern. Für die außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens kommt wieder der allgemeine Grundsatz des FGG-Verfahrens zum Tragen, dass die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten grundsätzlich selbst tragen, weil von hier nicht gegebenen Ausnahmefällen abgesehen, das Unterliegen bzw. Obsiegen im Verfahren dafür nicht maßgeblich ist. Auch wenn ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, müssen besondere Gründe vorliegen, die es rechtfertigen, ihm die außergerichtlichen Kosten des Gegners aufzuerlegen (Bärmann/Pick/Merle: WEG, 9. Aufl., § 47 Rdnr. 42; Niedenführ/Schulze, aaO., § 47, Rdnr. 8). Die besonderen Gründe für die Anordnung einer Erstattung sind auch im Beitreibungsverfahren gegen einen säumigen Wohnungseigentümer nicht gegeben, wenn der Antrag auf Verpflichtung zur Zahlung zwar materiell-rechtlich begründet ist, aber aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht zum Erfolg führen kann. Dies selben Kriterien gelten auch für die Kosten des Beschwerdeverfahrens, so dass das voraussichtliche Unterliegen der Antragsteller dazu führt, dass sie die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen haben, während für die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten zu dem Unterliegen noch besondere Umstände hinzutreten müssten, die vorliegend nicht ersichtlich sind.

Da der Antragsgegner nach der Entscheidung des Senats nicht mit Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das Verfahren vor dem Amtsgericht belastet wird und die Entstehung eigener außergerichtlicher Kosten mangels anwaltlicher Beteiligung am erstinstanzlichen Verfahren nicht ersichtlich ist, konnte dem Hilfsantrag, festzustellen, dass es sich bei den Kosten des amtsgerichtlichen Beschlusses um eine reine Insolvenzforderung handle, nicht stattgegeben werden. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob ein derartiger Antrag im Verfahren der Überprüfung einer isolierten Kostenentscheidung zulässig wäre.

Die Gerichtskosten der weiteren Beschwerden haben die Beteiligten zu 1) gemäß §§ 47 Satz 1 WEG, 91 Abs. 1 ZPO (analog) zu tragen. Für die ausnahmsweise Anordnung der Erstattung der außergerichtlicher Kosten im Verfahren der weiteren Beschwerde nach § 47 Satz 2 WEG sah der Senat keine Veranlassung.

Die Wertfestsetzung beruht auf § 48 Abs. 3 WEG und berücksichtigt, dass Gegenstand der weiteren Beschwerde nur mehr die Kostentragung war.

Ende der Entscheidung

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