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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 12.11.2008
Aktenzeichen: 20 W 468/07
Rechtsgebiete: WEG


Vorschriften:

WEG § 21
WEG § 23
WEG § 28
1. Zur Frage, wann von einer Beschlussfassung in einer Wohnungseigentümerversammlung ausgegangen werden kann.

2. Informiert der Versammlungsleiter in einer Wohnungseigentümerversammlung die Wohnungseigentümer zu einem bestimmten Punkt, ohne dass es zu einer Abstimmung kommt, oder tauschen sich die Wohnungseigentümer über eine bestimmte Angelegenheit aus, treffen sie aber zu dieser keine Bestimmung, existiert kein Wohnungseigentümerbeschluss. Gibt es keinen Beschluss, kann ein solcher auch nicht gerichtlich für ungültig erklärt werden.


Gründe:

Der Antragsteller ist Mitglied der sich aus dem Rubrum ergebenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Mit Beschluss vom 16.05.2001 wurde eine Sonderumlage "Revitalisierung" beschlossen. Dieser Beschluss ist nicht angefochten worden. Er wurde auch umgesetzt. Bezüglich des Miteigentumsanteils des Antragstellers wurde eine Sonderumlage von 7.395,-- DM angefordert und gezahlt. Im Oktober 2004 erhielt der Antragsteller eine Zusammenstellung der Kosten für Revitalisierung 2001 bis 2003. Da der Antragsteller mit der Verwendung der Sonderumlage nicht einverstanden war, beantragte er eine Abänderung des am 16.05.2001 gefassten Beschlusses in der Art und Weise, dass ein Beschluss gefasst werden sollte, die Sonderumlage Revitalisierung unter Abänderung des Beschlusses vom 16.05.2001 nicht entsprechend dem Miteigentumsanteil auf alle Eigentümer, sondern ausschließlich gemäß § 4 Ziffer 4 der Teilungserklärung vom 06.12.1986 (Bl. 35 ff. d. A.) auf die jeweiligen Eigentümer der Laden-/Teileigentumseinheiten umzulegen. In einer Miteigentümerversammlung vom 31.08.2006 wurde über die vom Antragsteller begehrte Neuverteilung der Revitalisierungskosten nicht abgestimmt.

Der Antragsteller hat mit am 26.09.2006 beim Amtsgericht eingegangenem Antrag beantragt, den am 31.08.2006 unter TOP 9 gefassten Negativbeschluss für ungültig zu erklären und die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft auf Zustimmung zu verurteilen. Hilfsweise hat er beantragt festzustellen, dass die Antragsgegner verpflichtet sind, folgenden Tagesordnungspunkt zur Beschlussfassung in der nächsten Eigentümerversammlung zu stellen: "Die Eigentümergemeinschaft möge beschließen, die Sonderumlage Revitalisierung unter Abänderung des Beschlusses vom 16.05.2001 nicht entsprechend den Miteigentumsanteilen auf alle Eigentümer, sondern ausschließlich gemäß § 4 Ziffer 4 der Teilungserklärung auf die jeweiligen Eigentümer der Ladenteileigentumseinheiten umzulegen." Die Antragsgegner sind den Anträgen entgegengetreten und haben deren Zurückweisung beantragt.

Durch Beschluss vom 03.04.2007 (Bl. 150 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, hat das Amtsgericht die Anträge zurückgewiesen. Hiergegen hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er seine Anträge weiter verfolgt hat. Er hat die Auffassung vertreten, dass ein Anspruch auf Abänderung des Beschlusses vom 16.05.2001 bestehe, weil der darin vereinbarte Kostenverteilungsschlüssel grob unbillig sei. Die Antragsgegner sind dem Antrag entgegengetreten und haben ihrerseits gegen den amtsgerichtlichen Beschluss Beschwerde eingelegt, mit der sie sich gegen die Kostenentscheidung gewandt haben.

Durch den angefochtenen Beschluss (Bl. 183 ff. d. A.), auf dessen Einzelheiten ebenfalls verwiesen wird, hat das Landgericht die sofortigen Beschwerden zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Hauptantrag des Antragstellers unbegründet sei, weil am 31.08.2006 von der Wohnungseigentümergemeinschaft kein anfechtbarer Beschluss gefasst worden sei. Auch der Hilfsantrag sei unbegründet. Es sei kein zulässiger Antrag auf Beschlussfassung gestellt worden.

Gegen diesen am 19.11.2007 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller mit am 03.12.2007 eingegangenem Schriftsatz sofortige weitere Beschwerde eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 17.12.2007 (Bl. 196 ff. d. A.) im Einzelnen begründet hat. Er rügt die Rechtsanwendung durch das Landgericht. Die Antragsgegner sind der sofortigen weiteren Beschwerde nicht entgegengetreten.

Die sofortige weitere Beschwerde des Antragstellers ist gemäß § 45 Abs. 1 WEG a. F. statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der angefochtene Beschluss beruht nicht auf einer Verletzung des Rechts, auf die hin er durch den Senat als Rechtsbeschwerdegericht lediglich zu überprüfen ist, §§ 43 Abs. 1 WEG a. F., 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO.

So ist es ist aus Rechtsgründen zunächst nicht zu beanstanden, dass das Landgericht den Hauptantrag zurückgewiesen hat. Die tatsächliche Feststellung des Landgerichts dahingehend, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft am 31.08.2006 keinen Beschluss gefasst hat, hat das Landgericht frei von Verfahrensfehlern und somit nach den §§ 43 Abs. 1 WEG a. F., 27 Abs. 1 Satz 2 FGG, 559 Abs. 2 ZPO bindend für das Rechtsbeschwerdegericht getroffen. Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht kann in diesem Zusammenhang die tatsächliche Würdigung durch die Tatsacheninstanzen gemäß den genannten Vorschriften nicht auf ihre sachliche Richtigkeit, sondern nur darauf überprüfen, ob ihr Ergebnis auf einem Rechtsfehler beruht (vgl. im Einzelnen Senat, Beschluss vom 01.02.2007, 20 W 8/06 = ZWE 2007, 370 m. w. N.). Solche Rechtsfehler sind vorliegend nicht ersichtlich. Aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung ergibt sich, dass unter TOP 9 lediglich die Verwalterin auf ein Schreiben verwiesen und eine Erklärung abgegeben hat. Ausweislich des Protokolls hat sodann der Antragsteller seine abweichende Rechtsauffassung dargelegt. Eine Beschlussfassung der Gemeinschaft kann daraus nicht entnommen werden. Sie wird auch vom Antragsteller nicht konkret behauptet. Konkrete Einwendungen gegen diese Tatsachenfeststellung durch das Landgericht erhebt die sofortige weitere Beschwerde denn auch gar nicht, sondern rügt, dass über den Antrag des Antragstellers weder diskutiert noch abgestimmt worden sei. Informiert aber der Versammlungsleiter die Wohnungseigentümer zu einem bestimmten Punkt, ohne dass es zu einer Abstimmung kommt, oder tauschen sich die Wohnungseigentümer über eine bestimmte Angelegenheit aus, treffen sie aber zu dieser keine Bestimmung, gibt es keinen Beschluss (Jennißen/Elzer, WEG, Vor §§ 23 bis 25 Rz. 59 m. w. N.). Gibt es keinen Beschluss, kann ein solcher aber auch nicht gerichtlich für ungültig erklärt werden (Riecke/Drabek, Fachanwaltskommentar Wohnungseigentumsrecht, 2. Aufl., § 23 WEG Rz. 61).

Soweit die sofortige weitere Beschwerde ausgehend davon darauf abstellt, dass auch ein sogenannter "Nichtbefassungsbeschluss" anfechtbar wäre, ist zum Einen darauf hinzuweisen, dass sich auch eine derartige Willensbekundung der Wohnungseigentümer nebst Feststellung und Verkündung eines Beschlussergebnisses (vgl. zu diesem Erfordernis: Jennißen/Elzer, WEG, Vor §§ 23 bis 25 Rz. 62; Riecke/Drabek, a.a.O., § 23 WEG Rz. 61) aus dem Protokoll und im Übrigen auch aus dem Sachvorbringen des Antragstellers nicht ergibt. Zum Anderen wäre ein derartiger Beschluss auch nicht anfechtbar, da er sich in der Verweigerung der positiven Beschlussfassung erschöpft und dessen Ungültigerklärung daran nichts ändert (vgl. hierzu BayObLG FGPrax 2004, 17; BayObLGZ 1972, 150; Riecke/Drabek, a.a.O., § 23 WEG Rz. 61; Staudinger/Bub, BGB, Stand Juli 2005, § 23 WEG Rz. 160).

Der auf positive Beschlussfassung - anderweitige Umlage der Sonderumlage unter Abänderung des Sonderumlagenbeschlusses vom 16.05.2001 - gegenüber den Antragsgegnern gerichtete Antrag (vgl. dazu OLG München OLGR 2007, 552) bzw. auch der Hilfsantrag (vgl. dazu - insbesondere auch zur Frage des richtigen Antragsgegners - Senat ZMR 2004, 288) scheiden aus den vom Landgericht im Einzelnen ausgeführten Gründen aus, wollte man sie denn überhaupt für zulässig erachten. Das Begehren des Antragstellers entspricht insgesamt jedenfalls nicht ordnungsgemäßer Verwaltung im Sinne des § 21 Abs. 4 WEG.

Nach den Feststellungen des Landgerichts, die von der weiteren Beschwerde auch nicht konkret angegriffen werden, ist durch den beanstandeten Beschluss vom 16.05.2001 eine Sonderumlage beschlossen worden. Die zugrunde liegenden Maßnahmen sind nach den Feststellungen des Landgerichts in der Folgezeit durchgeführt und auch bereits abgerechnet worden, so dass der Beschluss auf Erhebung einer Sonderumlage in allen Einzelheiten vollzogen worden ist. Gegen diese Feststellungen wendet sich - wie gesagt - die weitere Beschwerde nicht. Die Festsetzung einer Sonderumlage ist ein Nachtrag zum Wirtschaftsplan, der dadurch ergänzt und geändert wird. Sie wird in der Jahresabrechnung oder ggf. auch gesondert abgerechnet (vgl. Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl., § 28 Rz. 31). Vorliegend ist der Sonderumlagenbeschluss - da nicht angefochten - bestandskräftig und auch nicht nichtig, wie die Vorinstanzen zutreffend dargestellt haben (vgl. dazu BayObLG NJW-RR 2004, 228; Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl., § 16 Rz. 28; Riecke/Abramenko, a.a.O., § 28 WEG Rz. 35). Die Grundsätze, die der Senat im zitierten Beschluss vom 19.05.2005 im Verfahren 20 W 414/02 (= OLGR 2006, 136) zur Änderung des Verteilungsschlüssels dargelegt hatte (vgl. nun § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG), greifen hier nicht. Ob ein solcher Anspruch auf Änderung des Verteilungsschlüssels bestünde, kann mit dem Landgericht dahinstehen. Der gesetzliche oder der von den Wohnungseigentümern vereinbarte hiervon abweichende Verteilungsschlüssel gilt solange, als er nicht durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer oder eine sie ersetzende rechtskräftige gerichtliche Entscheidung abgeändert worden ist (BayObLG NZM 1998, 813; vgl. auch Niedenführ/Kümmel/Vandenhouten, WEG, 8. Aufl., § 16 Rz. 95; Palandt/Bassenge, BGB, 67. Aufl., § 10 WEG Rz. 14). Auf bereits entstandene und abgerechnete Kosten kann ein solcher Anspruch also keinen Einfluss mehr haben, abgesehen davon, dass der Antragsteller sich ausweislich der Antragsschrift offensichtlich darauf berufen will, dass der vereinbarte Verteilungsschlüssel nicht korrekt angewendet worden sei. Auch die von der weiteren Beschwerde zitierte Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 29.03.2000 kann dieser nicht zu Erfolg verhelfen. Zwar mag im Einzelfall die Abänderung oder Aufhebung eines bestandskräftigen Eigentümerbeschlusses nach § 242 BGB verlangt werden können, wenn außergewöhnliche Umstände das Festhalten an der bestehenden Regelung als grob unbillig und damit als gegen Treu und Glauben verstoßend erscheinen lassen würden und sich die Treuwidrigkeit aus neu hinzugetretenen Umständen ergibt. Ist aber die Abrechnung bestandskräftig, steht fest, welche tatsächlichen Kosten entstanden sind, und wie hoch hieran die einzelnen Anteile des Wohnungseigentümers sind; die Kostenkalkulation im Wirtschaftsplan bzw. der Sonderumlage wird dadurch ersetzt (Jennißen, WEG, § 28 Rz. 63). An einer Änderung der Sonderumlage - lägen denn die oben genannten Voraussetzungen überhaupt vor - kann dann kein Interesse des einzelnen Wohnungseigentümers mehr bestehen. Sollte die bereits erfolgte Abrechnung noch nicht bestandskräftig sein - was der Antragsteller nicht einmal vorgetragen hat -, gilt nichts anderes. Dann kann der Antragsteller gegen die Abrechnung vorgehen; ein ggf. unzutreffender Verteilungsschlüssel im Sonderumlagenbeschluss wäre insoweit nicht bindend (Jennißen, WEG, § 28 Rz. 8; Bärmann/Pick/Merle, WEG, 9. Aufl., § 28 Rz. 35). Auch dann kann kein Interesse bestehen, nochmals eine Entscheidung über die der vorliegenden Abrechnung vorangegangene Sonderumlage herbeizuführen.

Die Verteilung der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens durch das Landgericht ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der Senat als Rechtsbeschwerdegericht kann die als Ermessensentscheidung ergangene Kostenentscheidung nur auf ihre Gesetzmäßigkeit (§ 27 FGG) überprüfen, nämlich darauf, ob von ungenügenden und verfahrenswidrigen Feststellungen ausgegangen wurde, ob wesentliche Umstände außer Betracht gelassen wurden, ob gegen die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wurde, oder ob von dem Ermessen ein dem Sinn und Zweck des Gesetzes zuwider laufender oder die Grenzen des eingeräumten Ermessens überschreitender und damit rechtlich fehlerhafter Gebrauch gemacht wurde (vgl. Senat, Beschluss vom 22.04.2003, 20 W 122/03; Niedenführ/Schulze, WEG, 7. Aufl., § 47 Rz. 23; Bärmann/Pick/Merle, a.a.O., § 47 Rz. 56, je m. w. N.). Nach diesem Prüfungsmaßstab lässt die Entscheidung keinen Rechtsfehler erkennen; die weitere Beschwerde erhebt insoweit auch keine Einwendungen. Die vom Landgericht insoweit angestellten Erwägungen stellen sich jedenfalls nicht als ermessensfehlerhaft dar.

Es entspricht billigem Ermessen, dass der Antragsteller die Gerichtskosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen hat, § 47 Satz 1 WEG a. F..

Gründe, die Erstattungsfähigkeit außergerichtlicher Kosten im Verfahren der weiteren Beschwerde anzuordnen, § 47 Satz 2 WEG a. F., hat der Senat nicht gesehen, da er seine Entscheidung zumindest in Teilen auf anderweitige Erwägungen als das Landgericht gestützt hat.

Die Wertfestsetzung beruht auf derjenigen des Landgerichts, § 48 Abs. 3 WEG a.F..

Ende der Entscheidung

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