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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 13.02.2006
Aktenzeichen: 20 W 484/05
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 1897
FGG § 69 i VI
Bei Verlängerung der Betreuung sind hinsichtlich der Auswahl des Betreuers gemäß §§ 69 i Abs. 6 FGG, 1897 BGB die gleichen Maßstäbe anzusetzen, wie bei der erstmaligen Betreuerbestellung. Der Vorrang verwandtschaftlicher Beziehungen (§1897 Abs. 5 BGB) ist auch bei der Betreuerauswahl im Rahmen des Verlängerungsverfahrens zu berücksichtigen.
Gründe:

Der Beschwerdeführer leidet seit langem an einer paranoid halluzinatorischen Psychose, deretwegen er medikamentöser Behandlung bedarf. Seit dem Jahre 1992 ist dem Betroffenen ein Betreuer bestellt. Die Betreuung wird seither von Rechtsanwalt A ausgeübt.

Im Dezember des Jahres 2004 heiratete der Betroffene die Beteiligte zu 2).

Mit Beschluss des Amtsgerichts Bad Arolsen vom 12.05.2005 (Bl. 68 ff. Bd. II d.A.) erweiterte das Amtsgericht den Aufgabenkreis des Betreuers um die Entscheidung über die Unterbringung, die Vermögenssorge sowie die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und sonstigen Institutionen. Darüber hinaus wurde ein Einwilligungsvorbehalt im Bereich der Vermögenssorge eingerichtet. Gleichzeitig verlängerte das Gericht die Betreuung und bestimmte, dass spätestens bis zum 12.05.2010 über die Aufhebung oder weitere Verlängerung der Betreuung zu entscheiden sei.

Gegen diesen Beschluss legte der Betroffene Beschwerde (Bl. 72 ff Bd II d.A.) ein; er wandte sich im Wesentlichen gegen die Erweiterung des Aufgabenkreises um die Vermögenssorge, darüber hinaus gegen den Aufgabenkreis der Aufenthaltsbestimmung. Weiter machte er geltend, dass er einer Betreuung nicht mehr bedürfe, da er von seiner Frau, der Beteiligten zu 2), die 16 Jahre jünger als er sei, versorgt werden könne und bat darum, den Beschluss zurückzuziehen. Ebenso wandte sich die Ehefrau des Betroffenen mit Schriftsatz vom 09.06.2005 (Bl. 90 d. A., Bd. II) gegen den Beschluss des Amtsgerichts. Sie führte im Wesentlichen aus, dass ihr Mann eine weitere Betreuung durch Herrn A nicht wolle, er wolle entweder von ihr oder einer anderen Person betreut werden. Sie sei dazu bereit, die Betreuung für ihren Mann zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass er immer seine Medikamente nehme.

Mit dem hier angegriffenen Beschluss vom 29.08.2005 (Bl. 91 ff. Bd. II d. A.) wies das Landgericht die Beschwerden weitgehend zurück.

Hinsichtlich der Frage der Betreuerauswahl führte das Landgericht im Wesentlichen aus, dass das Rechtsmittel der - vermeintlichen - Ehefrau des Betroffenen unbegründet sei. Hierbei könne dahinstehen, ob nach Maßgabe von § 69 g Abs. 1 FGG dieses zulässig sei, obwohl nach dem Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. B vom 01.06.2005 (Bl. 77 - 89 Bd. II d.A.) der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt seiner Eheschließung geschäftsunfähig und somit heiratsunfähig gewesen sein dürfte. Jedenfalls stehe der Umstand, dass die Beteiligte zu 2) sichtlich in Verkennung der zum Zeitpunkt der Eheschließung gegebenen akuten Krankheit des Beschwerdeführers die Ehe mit ihm einging, einer Übertragung der Betreuung auf sie entgegen. Angesichts dieser Verhaltensweise könne nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass sie in der Lage sei, die Angelegenheiten des Betroffenen sachgerecht zu erledigen.

Einer erneuten Anhörung des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren habe es nicht bedurft. Der Beschwerdeführer sei nicht nur am 29.05.2005 durch den Vormundschaftsrichter, sondern darüber hinaus am 11.01.2005 im Rahmen des Beschwerdeverfahrens hinsichtlich seiner Unterbringung durch den Vorsitzenden der Kammer als beauftragten Richter angehört worden. Weitere Erkenntnisse seien deshalb von einer neuerlichen Anhörung nicht zu erwarten.

Zwischenzeitlich betreibt der Betreuer die Aufhebung der vom Betroffenen mit der Beteiligten zu 2) geschlossenen Ehe.

Mit der weiteren Beschwerde (Bl. 116 ff Bd. II d.A.), die im Namen der Beteiligten zu 2) eingelegt wurde, wendet sich die weitere Beschwerdeführerin gegen die Ausführungen der Kammer des Landgerichts zur Frage der Auswahl des Betreuers. Der Betroffene wünsche ausdrücklich, dass die Beteiligte zu 2) seine Betreuerin werde. Es sei derzeit jedenfalls von einer wirksamen Ehe des Betroffenen mit der Beteiligten zu 2) auszugehen. Solange nicht die Aufhebung der Ehe gemäß § 1313 BGB rechtskräftig festgestellt sei, gelte die Beteiligte zu 2) als die Ehefrau des Betroffenen. Eine Heiratsunfähigkeit des Betroffenen sei im Übrigen zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht gegeben gewesen. Auch könne nicht, wie durch die Kammer, aus der Tatsache, dass die Beteiligte zu 2) die Ehe mit dem Betroffenen eingegangen sei, der Schluss gezogen werden, dass sie für eine Betreuung ungeeignet sei, da sie die Geschäftsunfähigkeit bzw. Heiratsunfähigkeit des Betroffenen nicht erkannt habe. Vielmehr sei die Ehegeschäftsfähigkeit des Betroffenen auch vom Standesbeamten des Standesamtes der Stadt O1 überprüft worden, der offensichtlich keine Zweifel an der Heiratsfähigkeit des Betroffenen gehabt habe. Wenn aber schon der geschulte Standesbeamte eine Ehegeschäftsunfähigkeit nicht erkannt habe, könne hieraus nicht gefolgert werden, dass die Ehefrau für eine Betreuung ungeeignet sei, weil sie wiederum diese nicht erkannt habe.

Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist zulässig; ihre Beschwerdebefugnis folgt aus § 69 g Abs. 1 FGG, da unabhängig von einer eventuell fehlenden Ehefähigkeit des Betroffenen bis zur rechtskräftigen Aufhebung der Ehe gemäß § 1313 BGB von ihrem Status als Ehefrau des Betroffenen auszugehen ist, denn bis zur Rechtskraft eines Aufhebungsurteils ist die geschlossene Ehe mit allen aus ihr folgenden Wirkungen vollständig gültig (Palandt-Brudermüller, BGB, § 1313 Rdnr. 7).

Auch konnte sie wirksam ihre weitere Beschwerde auf die Auswahl des Betreuers beschränken; es handelt sich hierbei um eine - auch den in § 69 g Abs. 1 FGG genannten nahen Angehörigen zustehende (OLG Hamm FamRZ 1996, 1372 f) - zulässige Teilanfechtung der die Bestellung und Auswahl umfassenden Einheitsentscheidung (BGH FamRZ 1996, 607 ff; OLG Zweibrücken Rpfleger 2003, 190; Keidel/Kuntze/Winkler-Kayser, FGG 15. Auflafe, § 69 g Rdnr. 13). Bestellung und Auswahl des Betreuers sind trennbare Teile der Einheitsentscheidung, denn die Frage der Auswahl des Betreuers kann losgelöst von der Erforderlichkeit einer Betreuung rechtlich und tatsächlich selbständig geprüft und beurteilt werden (BayObLG FamRZ 1996, 419f;).

In der Sache führt die weitere Beschwerde zu einem vorläufigen Erfolg, da die Entscheidungen des Amts- und Landgerichts der im weiteren Beschwerdeverfahren allein möglichen Überprüfung auf Rechtsfehler (§§ 27 Abs. 1 FGG, 550 ZPO) nicht stand halten.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 12.05.2005 nicht lediglich die bestehende Betreuung des Betroffenen erweitert, sondern gleichzeitig über die Verlängerung der Betreuung entschieden. Gemäß § 69 i Abs. 6 FGG sind bei einer Entscheidung über die Verlängerung der Betreuung die für die erstmalige Entscheidung geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Dies bedeutet, dass das Gericht bei der Verlängerung der Betreuung, da es sich um eine Einheitsentscheidung handelt, nicht nur die Grundlagen der Betreuungsbedürftigkeit neu zu überprüfen hat, sondern auch hinsichtlich der Betreuerauswahl wie bei einer Erstentscheidung die Grundsätze des § 1987 BGB zu beachten sind (vgl. OLG Zweibrücken, FGPrax 2002, 112; BayObLG FGPrax 2002, 117 f). Unter Beachtung dieser Grundsätze weisen sowohl der amtsgerichtliche als auch der Beschluss des Landgerichts Rechtsfehler auf.

Der Betroffene wurde zur Frage der Verlängerung der Betreuung nicht angehört. Obgleich bei einer Verlängerung der Betreuung die Anhörung des Betroffenen obligatorisch ist (OLG Hamm, BtPrax 1999, 238; Keidel/Kuntze/Winkler-Kayser, FGG, 15. Auflage, § 69 i, Rdnr. 13), wurde ausweislich des Anhörungsprotokolls des ersuchten Richters (Bl. 63 Bd. II d.A.) mit dem Betroffenen lediglich über die Erweiterung des Aufgabenkreise der Betreuung gesprochen, nicht jedoch über eine etwaige Verlängerung und die Person des Betreuers. Auch hat das Amtsgericht sich offensichtlich nicht mit der Frage befasst, welche Person für die Betreuung des Betroffenen in Frage kommt. Nachdem zwischenzeitlich - im Dezember 2004 - die Verehelichung zwischen der Beteiligten zu 2) und dem Betroffenen stattgefunden hatte und dies dem Amtsgericht auch bekannt war, hätte überprüft werden müssen, ob die Betreuung nicht nunmehr von der Beteiligten zu 2) hätte ausgeübt werden könne, da gemäß § 1897 Abs. 5 BGB Eltern, Kinder und Ehegatten bei der Betreuerauswahl besonders zu berücksichtigen sind. Zwar kann ein Ehegatte zur Führung der Betreuung durchaus ungeeignet sein, jedoch hat das erkennende Gericht dies zunächst einer Prüfung zuzuführen.

Diese Fehler der Entscheidung durch das Amtsgericht sind auch durch das landgerichtliche Verfahren nicht geheilt worden. Das Landgericht hat den Betroffenen unter Verweis auf die Anhörung durch das Amtsgericht und eine Anhörung im Rahmen des Unterbringungsverfahrens ebenfalls nicht mündlich angehört. In Anbetracht der Tatsache, dass eine Anhörung zur Verlängerung der Betreuung vom Amtsgericht - wie oben dargelegt - nicht durchgeführt wurde, durfte die Anhörung durch das Beschwerdegericht keinesfalls unterbleiben (§ 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG); hieran kann auch der Verweis auf die Anhörung durch das Landgericht im Unterbringungsverfahren nichts ändern, da auch diese Anhörung einen anderen Gegenstand hatte. Ebenso ist zu beanstanden, dass das Landgericht die mangelnde Geeignetheit der Beteiligten zu 2) als Betreuerin allein auf den Umstand stützt, sie habe den Betroffenen trotz fehlender Ehegeschäftsfähigkeit geheiratet, denn offensichtlich wurde dieser Mangel der Geschäftsfähigkeit auch vom zuständigen Standesbeamten nicht gesehen, so dass hierauf allein ihre mangelnde Eignung nicht gestützt werden kann.

Da die Entscheidungen beider Vorinstanzen letztlich auf dem gleichen Rechtsfehler - der fehlenden Anhörung des Betroffenen sowie der mangelnden Auseinandersetzung mit der Person des Betreuers - beruhen, war das Verfahren an des Amtsgericht zurückzuverweisen, da die notwendigen Ermittlungen von diesem zweckmäßiger vorgenommen werden können (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler- Meyer-Holz, FGG, § 27, Rdnr. 61).

Ende der Entscheidung

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