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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 19.04.2005
Aktenzeichen: 20 W 50/05
Rechtsgebiete: LugÜ


Vorschriften:

LugÜ § 25
LugÜ § 27 Nr. 1
LugÜ § 31
1. Eine Anwendung der Klausel des Art. 27 Nr. 1 des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988 (Lugano-Übereinkommen) kommt zur Wahrung grundlegender (unverzichtbarer) Werte der Rechtsordnung des Zweitstaates nur in krassen Fällen in Betracht.

2. Nach dem Lugano-Übereinkommen sind grundsätzlich auch Kostenentscheidungen anerkennungsfähig, wenn sie die Kostenerstattungspflicht zwischen den Parteien rechtkräftig feststellen.


Gründe:

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat der Vorsitzende der 2. Zivilkammer des Landgerichts Limburg a. d. Lahn angeordnet, dass das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Zug vom 18.02.2004, Az.: A1 2002 15, hinsichtlich des Ausspruchs zu 3. mit der Teilvollstreckungsklausel zu versehen ist, in dem die Verpflichtung ausgesprochen wurde, dass der Schuldner an die Gläubigerin sFr 45.003,70 zu zahlen habe. Gegen diesen am 25.10.2004 zugestellten Beschluss hat der Schuldner mit am 25.11.2004 eingegangenem Schriftsatz, auf den gleichfalls verwiesen wird, Beschwerde eingelegt, mit der er die kostenpflichtige Zurückweisung des Antrags auf Erteilung der Vollstreckungsklausel begehrt. Er hat diese Beschwerde mit Schriftsatz vom 02.03.2005 weiter begründet. Zur Begründung wendet er im Wesentlichen ein, dass die für vollstreckbar erklärte Kostenentscheidung im Urteil des Kantonsgerichts unrichtig sei, weil Mehrwertsteuer vom Schuldner nicht geschuldet werde, die vor dem Kantonsgericht geltend gemachten Grund- als auch Erhöhungstatbestände einer rechtlichen Grundlage ermangeln würden und das Kantonsgericht in seinem Urteil das georgische Recht fehlerhaft angewendet hätte mit der Folge, dass die (Sach-) Entscheidung zugunsten des Schuldners mit der entsprechenden Kostenentscheidung zu Lasten der Gläubigerin hätte ergehen müssen. Letztendlich verweist er darauf, dass er mit Schreiben vom 12.06.2004 die Aufrechnung mit Gegenforderungen erklärt habe. Die Gläubigerin ist der Beschwerde entgegen getreten und hat deren Zurückweisung beantragt. Zur Begründung wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze vom 21.01.2005 und 17.03.2005 verwiesen.

Die Beschwerde des Schuldners ist gemäß Art. 36 des Lugano-Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.09.1988 (im Folgenden: Lugano-Übereinkommen) sowie den §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 b, 11 ff, 35 AVAG statthaft und auch ansonsten zulässig, so insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung liegen vor; weder fehlt es an den formellen Voraussetzungen, noch ist ein Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund gegeben.

Zu Recht hat das Landgericht angeordnet, dass das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Zug vom 18.02.2004 hinsichtlich des Ausspruchs zu 3. mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. Das bezeichnete Lugano-Übereinkommen ist für die vorliegende Vollstreckbarerklärung - auch in zeitlicher Hinsicht - die einschlägige Rechtsgrundlage; die Schweiz ist Vertragsstaat (vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozeßrecht, 7. Aufl., Einleitung Rz. 53). Das Übereinkommen vom 27.09.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) und die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) sind demgegenüber im Verhältnis zur Schweiz nicht anwendbar (Kropholler, a.a.O., Einleitung Rz. 14, 22). Da das bezeichnete Lugano-Übereinkommen auch das am 02.11.1929 in Bern unterzeichnete deutsch-schweizerische Abkommen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und Schiedssprüche ersetzt, Art. 55 des bezeichneten Lugano-Übereinkommens (vgl. Kropholler, a.a.O., Einleitung Rz. 70), hat das Landgericht seine Entscheidung zur Erteilung der Vollstreckungsklausel zutreffend auf dieses Übereinkommen gestützt.

Nach dem bezeichneten Lugano-Übereinkommen sind grundsätzlich Kostenentscheidungen anerkennungsfähig, wenn sie die Kostenerstattungspflicht zwischen den Parteien rechtskräftig feststellen (vgl. etwa Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1. Aufl., Art. 25 Lugano-Übereinkommen Rz. 36). Um eine solche Kostenentscheidung handelt es sich vorliegend, so dass eine Entscheidung im Sinne der Art. 25, 31 des bezeichneten Lugano-Übereinkommens vorliegt.

Die formellen Voraussetzungen der Art. 31, 33 des Lugano-Übereinkommens liegen vor. Dies wird von der Beschwerde auch gar nicht in Zweifel gezogen, insbesondere nicht, dass die Entscheidung in der Schweiz vollstreckbar ist.

Die Einwendungen der Beschwerde greifen nicht durch.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass der Antrag auf Vollstreckbarerklärung nach Art. 34 Abs. 2 des Lugano-Übereinkommens nur aus einem der in Art. 27 und 28 angeführten Gründe abgelehnt werden kann. Nach Art. 34 Abs. 3 des bezeichneten Lugano-Übereinkommens darf die ausländische Entscheidung keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden.

Ein Vollstreckbarerklärungsversagungsgrund im Sinne der Art. 27 oder 28 des bezeichneten Lugano-Übereinkommens liegt nicht vor. Die Beschwerde beruft sich hierauf auch gar nicht konkret. Insbesondere kann dem Vorbringen des Schuldners im Beschwerdeverfahren nicht entnommen werden, dass die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung der schweizerischen Kostenentscheidung der öffentlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland widersprechen würde, vgl. Art. 27 Nr. 1 des Lugano-Übereinkommens. Dabei würde die Tatsache allein, dass ein ausländisches Gericht in seinem Urteil etwa zwingendes Recht der Bundesrepublik Deutschland nicht beachtet hätte - unterstellt dies wäre so -, nicht ausreichen, um diesen Versagungsgrund zu bejahen. Der ordre public-Vorbehalt greift zur Wahrung grundlegender (unverzichtbarer) Werte der Rechtsordnung des Zweitstaates nur in ganz krassen Fällen durch (vgl. im Einzelnen Geimer/Schütze, a.a.O., Art. 27 Lugano-Übereinkommen Rz. 14 m. w. N.). Ein solcher Fall kann den vom Schuldner in der Beschwerde geltend gemachten Einwendungen keinesfalls entnommen werden. Insbesondere wäre hierfür die Überlegung, dass der Schuldner Mehrwertsteuer gar nicht schulde, noch nicht ausreichend. Gleiches gilt für die übrigen Beanstandungen, mit denen der Schuldner die Richtigkeit der schweizerischen Entscheidung angreift, so etwa der Behauptung, dass die in der Schweiz gewählte Kostenentscheidung der Höhe nach dem hier geltenden Recht für Zivilsachen widerspreche oder für die Frage, ob das Schweizer Gericht im Rahmen seiner Sachentscheidung das georgische Recht richtig angewendet hat bzw. verpflichtet gewesen wäre, ein Sachverständigengutachten hierzu einzuholen (vgl. dazu etwa auch § 293 ZPO zum deutschen Prozessrecht). Ohnehin hätte es zur Berücksichtigungsfähigkeit im vorliegenden Verfahren bedurft, dass der Schuldner alle ihm zur Verfügung stehenden Rechtsmittel im erststaatlichen Verfahren ausgeschöpft hätte (vgl. im Einzelnen Geimer/Schütze, a.a.O., Art. 27 Lugano-Übereinkommen Rz. 30 m. w. N.); auch dies ist nicht der Fall.

Nach den obigen Ausführungen ist allerdings die schweizerische Entscheidung in der Sache ansonsten nicht zu überprüfen, Art. 34 Abs. 3 Lugano-Übereinkommen. Es spielt deshalb neben den bereits erwähnten Einwendungen des Schuldners auch keine Rolle, ob - wie der Schuldner meint - die Grund- und Erhöhungstatbestände "einer rechtlichen Grundlage entbehren", die geltend gemachten Gebühren die nach der BRAGO festzusetzenden Gebühren circa um das Dreifache übersteigen und der Schuldner keinen Anlass zur Festsetzung gegeben hat.

Auch die im Beschwerdeverfahren durch den Schuldner geltend gemachte Aufrechnung vermag der Beschwerde nicht zum Erfolg zu verhelfen.

Zwar ist eine Aufrechnung im vorliegenden Verfahren der Vollstreckbarerklärung grundsätzlich berücksichtigungsfähig. Gemäß § 12 Abs. 1 AVAG kann der Verpflichtete (hier der Schuldner) mit der Beschwerde, die sich so wie vorliegend gegen die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus einer Entscheidung richtet, auch Einwendungen gegen den Anspruch selbst insoweit geltend machen, als die Gründe, auf denen sie beruhen, erst nach dem Erlass der erststaatlichen Entscheidung entstanden sind.

Es kann offen bleiben, ob diese Voraussetzungen hier vorliegen oder ob der auch für die Art. 31 ff des Lugano-Übereinkommens in der Literatur vertretenen Auffassung zu folgen wäre, dass § 12 AVAG mit diesen Vorschriften unvereinbar ist und mithin eine Reduktion auf liquide Einwendungen erforderlich ist (vgl. dazu Zöller/Geimer, ZPO, 25. Aufl., § 12 AVAG Rz. 4, Hub, NJW 2001, 3145, 3146/3147, je m. w. N.).

Ob diese Erwägungen vorliegend einer Berücksichtigung des Aufrechnungseinwands des Schuldners entgegen stehen könnten, kann deshalb dahinstehen, weil es für die hier geltend gemachte Aufrechnung jedenfalls bereits an einer hinreichenden Aufrechnungserklärung des Schuldners fehlt, vgl. § 388 BGB. Der Schuldner hat sich in seiner Beschwerde zur Erklärung der Aufrechnung ausschließlich auf das Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 12.06.2004 berufen. In jenem Schreiben an einen Rechtsanwalt RA1 ist jedoch erkennbar lediglich die Aufrechnung mit angeblichen Forderungen des Schuldners gegen eine Forderung der Gläubigerin aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.12.2001 in Höhe von ehemals 1.370,00 DM erklärt worden und gerade nicht gegen die hier maßgebliche Forderung der Gläubigerin, die auf einem Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Zug vom 18.02.2004 beruht. Letztere ist in jenem Schreiben nicht aufgeführt; Ziffer 1. des Schreibens setzt sich mit einem Urteil des Gerichtes in Zug lediglich in einem anderem Zusammenhang - nämlich zur Darstellung eigener Forderungen des Schuldners gegen die Verkäuferfamilie A - auseinander. Bei der in jenem Schreiben bezeichneten Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.12.2001 in Höhe von ehemals 1.370,00 DM handelt es sich also um eine gänzlich andere Forderung, als diejenige, die hier in Rede steht. Hierauf hat die Gläubigerin im hiesigen Verfahren in ihrem Schriftsatz vom 21.01.2005 zu Recht hingewiesen, ohne dass der Schuldner in seinem nachfolgenden Schriftsatz vom 02.03.2005 auf die Aufrechnung überhaupt noch eingegangen wäre, insbesondere hat er nicht etwa im vorliegenden Verfahren die Aufrechnung erklären lassen. Der bloße Hinweis des Schuldners auf das Schreiben vom 12.06.2004 vermag mithin eine für das vorliegende Verfahren durchgreifende Aufrechnung nicht zu begründen.

Damit kann dann auch dahinstehen, ob die angeblichen und von der Gläubigerin im vorliegenden Verfahren bestrittenen Forderungen des Schuldners gegen die Gläubigerin überhaupt hinreichend substanziiert dargelegt worden wären. Dies dürfte allerdings insgesamt nicht der Fall sein. Nach den Angaben im Schreiben vom 12.06.2004 handelt es sich zumindest teilweise offensichtlich um Forderungen des Schuldners gegen Dritte, so etwa die Verkäuferfamilie A, und nicht gegen die Gläubigerin, worauf letztere im vorliegenden Verfahren zu Recht hingewiesen hat. Damit wäre bereits die für die Aufrechnung erforderliche Gegenseitigkeit der Forderungen nicht ohne weiteres erkennbar. Diese wird auch von der Beschwerde in keiner Weise dargetan. Soweit sich der Schuldner in der Beschwerde darauf beruft, auf Grund der Anlage zum Kaufvertrag berechtigt zu sein, etwa die Provisionsforderung gegenüber der Gläubigerin direkt geltend zu machen, will er sich offensichtlich wiederum auf ein eigenes Forderungsrecht gegen die Gläubigerin berufen, das ihm die verfahrensgegenständliche Entscheidung des Kantonsgerichts des Kantons Zug vom 18.02.2004, mit der die auf die entsprechende Forderung gestützte Klage des Schuldners gegen die Gläubigerin gerade abgewiesen wurde, abgesprochen hat (vgl. Ziffer 3.4.3 der Erwägungen). Unabhängig von jeglicher Rechtskraftwirkung der Schweizer Entscheidung wäre die Berücksichtigung dieser Provisionsforderung jedenfalls zwingend damit verbunden, entgegen Art. 34 Abs. 3 des bezeichneten Lugano-Übereinkommens das verfahrensgegenständliche Urteil in der Hauptsache nachzuprüfen. Überdies wären die den angeblichen Forderungen des Schuldners zugrunde liegenden Tatsachen - soweit sie denn hinreichend dargelegt wären - auch gar nicht unter Beweis gestellt. Angesichts der obigen Ausführungen bedurfte dies alles jedoch eines diesbezüglichen rechtlichen Hinweises durch den Senat nicht mehr.

Der Schuldner hat die Kosten seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen, §§ 1 Abs. 1 Nr. 1 b, 13 AVAG, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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