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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 04.12.2000
Aktenzeichen: 20 W 509/00
Rechtsgebiete: FGG, BGB, KostO


Vorschriften:

FGG § 70 g Abs. 3
FGG § 70 m Abs. 1
FGG § 19
FGG § 22
FGG § 70 m Abs. 3
FGG § 21 Abs. 2
FGG § 21 Abs. 1
FGG § 16 Abs. 3
FGG § 21
FGG § 69 g Abs. 5 Satz 3
BGB § 1906 Abs. 1 Ziffer 1
KostO § 131 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 509/00

3 T 622/00 LG Kassel

XVII 115/00 AG Rothenburg

Entscheidung vom 4.12.2000

In dem Unterbringungsverfahren

betreffend Frau ..., Betroffene und Beschwerdeführerin,

an dem weiter beteiligt sind:

1. Herr ...,Betreuer, 2. Herr ...,Verfahrenspfleger und weiterer Beschwerdeführer,

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde des Verfahrenspflegers gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 06. November 2000 am 04. Dezember 2000 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die sofortige Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Rotenburg/Fulda vom 20. Oktober 2000 (Unterbringungsgenehmigung) als unzulässig verworfen wird.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

Die vom Verfahrenspfleger form- und fristgerecht eingelegte sofortige weitere Beschwerde ist zulässig.

In der Sache führt sie jedoch nicht zu dem angestrebten Erfolg der Aufhebung der Unterbringungsgenehmigung des Amtsgerichts. Vielmehr war der Beschluss des Landgerichts dahingehend abzuändern, dass die sofortige Beschwerde der Betroffenen bereits als unzulässig zu verwerfen ist, da sie nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt wurde.

Gegen die auf Antrag des Betreuers erteilte vormundschaftsgerichtliche Genehmigung der geschlossenen Unterbringung ist gemäß §§ 70 g Abs. 3, 70 m Abs. 1, 19, 21, 22 FGG die sofortige Beschwerde eröffnet. Die sofortige Beschwerde kann gemäß §§ 21 Abs. 1, 70 m Abs. 3, 69 g Abs. 3 FGG bei dem Gericht, dessen Verfügung angefochten wird, bei dem Beschwerdegericht oder bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk der Betreute untergebracht ist, eingelegt werden. Die Einlegung der sofortigen Beschwerde erfolgt gemäß § 21 Abs. 2 FGG durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle eines der zuständigen Gerichte. Vorliegend hat die Betroffene die sofortige Beschwerde telefonisch beim Amtsgericht Rotenburg/Fulda eingelegt, wo sie in einem Vermerk durch den Vormundschaftsrichter zur Akte genommen wurde. Dies genügt weder dem Erfordernis der Schriftlichkeit, noch handelt es sich um eine Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle.

Der von dem Vormundschaftsrichter angefertigte Aktenvermerk kann nicht als Einreichung einer Beschwerdeschrift im Sinne des § 21 Abs. 2 FGG angesehen werden.

Bei der Beschwerdeschrift handelt es sich um ein Schriftstück, das von dem Beschwerdeführer selbst oder seinem Vertreter stammt und dem Gericht auch in dieser Form zugeht (vgl. BGH NJW 1981, 1627 m. w. N.; OLG Schleswig, ZIP 1984, 1017).

Des weiteren handelt es sich bei dem aufgrund des Telefongesprächs niedergelegten Aktenvermerk des Vormundschaftsrichters nicht um die Einlegung einer Beschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle. Zwar ist auch die Einlegung der Erstbeschwerde zu Protokoll eines Richters für zulässig zu erachten, insbesondere wenn dies im Zusammenhang mit der Bekanntmachung einer Verfügung zu Protokoll gemäß § 16 Abs. 3 FGG erfolgt (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 21 Rn. 5). Eine Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle ist jedoch nur dann wirksam, wenn sie in persönlicher Anwesenheit des Erklärenden erfolgt. Denn nur bei körperlicher Anwesenheit des Erklärenden vor dem Urkundsbeamten kann der mit der gesetzlichen Regelung des § 21 Abs. 2 FGG angestrebte Zweck erreicht werden, eine genügend verlässliche Prüfung darüber zu ermöglichen, welche Person den Rechtsbehelf einlegt und welchen Inhalt dessen Erklärung hat. Ebenso wie die Schriftform soll dieses Formerfordernis des weiteren gewährleisten, dass der Erklärende seinen Entschluss über die Einlegung des Rechtsmittels im Hinblick auf dessen Tragweite ernstlich überdenkt. Darüber hinaus dienen die formellen Erfordernisse der Rechtsmitteleinlegung zu Protokoll der Geschäftsstelle oder in Schriftform auch Beweiszwecken, auf die im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nicht verzichtet werden kann (vgl. ebenso BGH, a.a.0. m. w. N.; BVerwG NJW 1964, 831; Jansen, FGG, 2. Aufl.,§ 21 Rn. 6 m.w.N.). Soweit in der Literatur teilweise die Auffassung vertreten wird, die Einlegung der Beschwerde könne auch per Telefon erfolgen, wenn die Geschäftsstelle ein Protokoll aufnehme, dieses vorlese und sich telefonisch genehmigen lasse (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, a.a.0., § 21 Rn. 4 m. w. N.; Bassenge/Herbst, FGG, 8. Aufl., § 11 Anm. 8; Bumiller/Winkler, FGG, 5. Aufl., § 21 Anm. 2b ) vermag der Senat sich dem nicht anzuschließen. Abgesehen davon, dass es im vorliegenden Falle an einer Verlesung und telefonischen Genehmigung jedenfalls fehlt, werden hierdurch die gesetzlich ausdrücklich vorgeschriebenen Formerfordernisse für die Einlegung eines Rechtsmittels in unzulässiger Weise aufgeweicht. Die telefonische Einlegung einer Beschwerde bei Gericht ermöglicht der aufnehmenden Urkundsperson keinerlei Identitätsüberprüfung des Anrufers. Dem Beweiszweck der Klarstellung, von welcher Person ein Rechtsmittel eingelegt wird, kann somit nicht genüge getan werden. Auch eine Kontrolle der Ernsthaftigkeit des Begehrens ist im Falle eines Telefonanrufes nicht gewährleistet. Darüber hinaus wird bei Zulassung der Einlegung eines Rechtsmittels durch einen Telefonanruf die Funktion des Formerfordernisses zur Gewährleistung einer gewissen Ernsthaftigkeit und der Verhinderung der übereilten Einlegung von Rechtsmitteln vereitelt, da gerade Telefonanrufe häufig auf spontanen Eingebungen beruhen. Erachtet man die telefonische Einlegung eines Rechtsmittels für zulässig, so wäre zugleich die jeweils angerufene Geschäftsstelle eines Gerichtes zu dessen Entgegennahme auch verpflichtet. Eine derartige Handhabung, die sich dann wohl auch auf die Begründung eines Rechtsmittels erstrecken müsste, ist mit den gesetzlich vorgeschriebenen Formerfordernissen für die Einlegung eines Rechtsmittels, die der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit dienen sollen, nicht vereinbar.

Anderes kann sich nicht aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ergeben, die ausnahmsweise die Einlegung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid zur Niederschrift der Verwaltungsbehörde fernmündlich zugelassen hat. Denn hierbei handelt es sich um eine nicht auf andere Rechtsmittel übertragbare Ausnahme, die auf den Besonderheiten dieses Rechtsbehelfes und des Bußgeldverfahrens beruht.

Allenfalls kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht kommen, wenn das zuständige Gericht bei der telefonischen Entgegennahme eines Rechtsmittels dem Erklärenden stillschweigend oder ausdrücklich bedeutet hat, dass damit alles Erforderliche veranlasst sei, sodass dieser sich hinsichtlich der Zulässigkeit des beabsichtigten Rechtsmittels in falscher Sicherheit wiegt.

Im übrigen bemerkt der Senat, dass im Falle einer formwirksamen Einlegung der Beschwerde die Entscheidung des Landgerichts zur Sache rechtlich nicht zu beanstanden wäre. Die tatrichterliche Würdigung, wonach die Voraussetzungen der § 70 Abs. 1 FGG, 1906 Abs. 1 Ziffer 1 BGB auch im Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung gegeben waren, weil die Betroffene an einer psychischen Erkrankung in Gestalt einer drogeninduzierten Psychose leidet und die Gefahr erheblicher gesundheitlicher Schadenszufügung besteht, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Das der Unterbringungsmaßnahme zugrundeliegende fachärztliche Gutachten ist nachvollziehbar, frei von Widersprüchen und steht im Einklang mit dem persönlichen Eindruck, den der Vormundschaftsrichter während der persönlichen Anhörung der Betroffenen gewonnen und in seinem Protokoll niedergelegt hat. Anhaltspunkte für die von der Rechtsbeschwerde behauptete Fehldiagnose sind nicht ersichtlich. Die Einholung eines neuen Sachverständigengutachtens durch das Landgericht war im Hinblick auf die nur kurz zurückliegende Erstbegutachtung gemäß §§ 70 m Abs. 3, 69 g Abs. 5 Satz 3 FGG entbehrlich. Im übrigen steht der mit der Rechtsbeschwerde begehrten Neubegutachtung bereits entgegen, dass es sich bei dem Verfahren der Rechtsbeschwerde nicht um eine neue Tatsacheninstanz handelt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 Abs. 3 Kost0.



Ende der Entscheidung

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