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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 07.03.2002
Aktenzeichen: 20 W 522/01
Rechtsgebiete: BGB, PStG, AsylVfG, Genfer Flüchtlingskonvention


Vorschriften:

BGB § 1355
BGB § 1617 c
PStG § 15 c
PStG § 31 a
AsylVfG § 2 Abs. 1
Genfer Flüchtlingskonvention Art. 12
Nach der Neufassung des § 1355 BGB durch das KindRefG können anerkannte Asylberechtigte (hier: Pakistani islamischen Glaubens) zeitlich unbefristet einen von mehreren bisher geführten Eigennamen eines Ehegatten im Wege international privatrechtlicher Angleichung zum gemeinsamen Familiennamen (Ehenamen) bestimmen, ohne dass es einer vorherigen Rechtswahl des deutschen Rechts bedarf. Sind die gemeinsamen Kinder ebenfalls als Asylberechtigte anerkannt, so erstreckt sich dieser Ehename gemäß § 1616 c BGB auf unter 5jährige Kinder automatisch und auf ältere Kinder im Falle der Erklärung der Anschließung (§§ 1355, 1617 c BGB; §§ 15 c, 31 a PStG, § 2 Abs. 1 AsylVfG; Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention).
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS

20 W 522/01

Verkündet am 07.03.2002

In der Personenstandssache

betreffend ...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5) gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgericht Gießen vom 23. Oktober 2001 am 07. März 2002 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Gründe:

Die Beteiligten zu 1) bis 4) sind pakistanische Staatsangehörige, für die nach Anerkennung als Asylberechtigte vom Standesamt in Gießen auf Antrag ein Familienbuch angelegt wurde. Die Beteiligten zu 1) und 2), welche die im Rubrum aufgeführten Eigennamen nach pakistanischem Recht führen, erklärten am 01. Juli 1998 vor dem Standesbeamten in Gießen künftig den Namen M." als gemeinsamen Familiennamen führen zu wollen und gaben zugleich als gesetzliche Vertreter der Beteiligten zu 3) an, diese schließe sich der Namensführung an. Der Standesbeamte hatte Zweifel bezüglich der Eintragung dieser Namenserklärung im Familienbuch sowie im Geburtenbuch und legte die Sache dem Amtsgericht zur Entscheidung vor. Dieses erteilte die Anweisung, die Namenserklärung nach öffentlicher Beglaubigung durch einen Notar in das Familienbuch und im Wege eines Randvermerkes bezüglich des Beteiligten zu 4) in das Geburtenbuch zu übertragen sowie weitere Erklärungen bezüglich der verbliebenen Eigennamen zu Vornamen entgegen zu nehmen. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 5) wies das Landgericht den Standesbeamten an, in Spalte 10 des Familienbuches einzutragen, dass sich die Namensführung der Eheleute mit Wirkung vom 01.07.1998 nach deutschem Recht richtet, die Ehegatten den Ehenamen M." führen und der Ehemann weiterhin den Eigennamen Kh.", die Ehefrau weiterhin den Eigennamen Mu." führt und eine entsprechende Eintragung über den Familiennamen sowie im übrigen die Führung von Eigennamen bei dem Geburtseintrag des Beteiligten zu 3) vorzunehmen.

Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 5), mit der dieser die Herbeiführung einer obergerichtlichen Entscheidung erstrebt.

Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 48 Abs. 1, 49 PStG i. V. m. 22, 27und 29 FGG statthaft und auch sonst zulässig. Dem Beteiligten zu 5) steht als Aufsichtsbehörde gemäß § 49 Abs. 2 PStG ein von dem Vorliegen einer Beschwer unabhängiges Beschwerderecht zu, von dem er Gebrauch machen kann, um im Interesse einer geordneten Amtsführung strittige Rechtsfragen einer obergerichtlichen Klärung zuführen ( vgl.BGH StAZ 1993, 352; Hepting/Gaaz, PStG, § 49 Rn. 12; Johansson/Sachse, Anweisungs- und Berichtigungsverfahren in Personenstandssachen, Rn. 1443).

In der Sache führt das Rechtsmittel nicht zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts rechtlich nicht zu beanstanden ist.

Das Landgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass auf den Sachverhalt deutsches Recht anzuwenden ist, ohne dass es hierzu -entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 5)- einer entsprechenden Rechtswahl der Beteiligten zu 1) und 2) gemäß Art. 10 Abs. 2 Ziffer 2 EGBGB bedarf. Denn mit der Anerkennung als Asylberechtigte haben die Beteiligten zu 1) bis 4) gemäß § 2 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 der Genfer Flüchtlingskonvention kraft Sonderanknüpfung ein neues Personalstatut und damit auch ein neues Namensstatut erworben (vgl. Hepting, StAZ 1996, 235/236 und StAZ 2001, 257, 261; OLG Hamm StAZ 1995, 238/239; siehe auch §§ 147, 148 DA).

Durch die Anwendung deutschen Rechtes ist den Beteiligten zu 1) und 2), die bisher keinen Ehenamen bestimmt haben, grundsätzlich die Möglichkeit zur Bestimmung eines gemeinsamen Familiennamens eröffnet. Denn nach der Neufassung dieser Vorschrift durch das zum 1. Juli 1998 in Kraft getretene KindRefG kann jetzt zeitlich unbefristet nachträglich ein gemeinsamer Familienname von allen Ehegatten bestimmt werden, die bisher noch keinen gemeinsamen Ehenamen führen ( vgl. Wax, FamRefK, § 1355 BGB Rn. 4 ). Dies gilt auch für Ausländer, die eine Ehe im Ausland geschlossen haben, soweit deutsches Recht Anwendung findet.

Nach § 1355 Abs. 2 BGB können die Ehegatten entweder den Geburtsnamen des Mannes oder den Geburtsnamen der Frau zum Ehenamen bestimmen. Dabei stellt sich im vorliegenden Falle allerdings die Problematik, dass die Beteiligten zu 1) und 2) als Pakistani islamischen Glaubens keine Vor- und Familiennamen und damit auch keine Geburtsnamen, sondern nach pakistanischem Recht erworbenen Eigennamen führen. Hieran hat sich auch durch den Statutenwechsel aufgrund der Anerkennung als Asylberechtigte ­ wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat ­ nichts geändert, weil der Name einer Person inhaltlich hierdurch nicht geändert wird, sondern weiter bestehen bleibt (vgl. BGHZ 121, 305; Hepting, StAZ 2001, 262; Palandt/Heldrich, BGB, 61. Aufl., Art. 10 EGBGB Rn. 10 m. w. N.). Danach scheidet zwar eine unmittelbare Anwendung des § 1355 Abs. 2 BGB aus.

Von der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass eine international privatrechtliche Angleichung der nach ausländischem Recht erworbenen Eigennamen erfolgen kann, um die sich aus dem Fehlen eines Familiennamens in fremden Rechtsordnungen ergebenden Probleme zu lösen. Der international privatrechtliche Grundsatz der Angleichung wurde von der Rechtsprechung entwickelt, um Widersprüche, Lücken und Spannungen zu überwinden, die sich ergeben können, wenn aufgrund des deutschen Kollisionsrechtes die Normen ausländischen materiellen Rechts im Inland anzuwenden sind. Die Angleichung geschieht dergestalt, dass auf der Grundlage der Funktionsadäquanz eine modifizierte Anwendung der Rechtsnormen vorgenommen wird (vgl. BGH StAZ 1989, 372 f; BayObLG IPRax 1990, 117 und StAZ 1999, 72, 74; MünchKomm/Sonnenberger, BGB-IPR, 3. Aufl., Einl. Rn. 437ff, 532 und 550 ff; Palandt/Heldrich, a.a.O., Einl. Vor Art. 3 EGBGB Rn. 32; Hepting, StAZ 2001, 258; Benicke StAZ 1996, 97, 103). Dabei ist es das Ziel der Angleichung, die sich aus der Anwendung unterschiedlicher Rechtsordnungen ergebenden Widersprüche auszuräumen und an die im hiesigen Bereich vorgegebenen Rechtsstrukturen unter Berücksichtigung des Zwecks der ausländischen Regelung anzupassen. Unter Rückgriff auf diese Grundsätze ist in der Rechtsprechung seit längerer Zeit anerkannt, dass bei Fehlen eines Geburtsnamens einer von mehreren gleichberechtigten Eigennamen eines Ausländers bei Anwendung des § 1355 BGB zum Ehenamen bestimmt werden kann (vgl. OLG Köln StAZ 1988, 296; BayObLG StAZ 1996, 41; OLG Hamm StAZ 1995, 238). Diesbezüglich hat das Landgericht zutreffend darauf abgestellt, dass nach dem nicht kodifizierten pakistanischen Namensrecht einer oder mehrere Eigennamen geführt werden (vgl. Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Pakistan, S. 78 ff), wobei jedenfalls der letzte dieser Eigennamen zumeist dem Familiennamen als am ehesten vergleichbar angesehen und deshalb auch zum Ehenamen bestimmt werden kann (vgl. Hepting/Gaaz, PStG, § 2 Rn. 13 h; OLG Köln a.a.0.). Hierbei hat das Landgericht rechtsfehlerfrei berücksichtigt, dass die im Familienbuch eingetragene Kennzeichnung des Namens des Beteiligten zu 1) als Eigenname mit Namenszusatz" nicht zutreffend ist, sondern es sich tatsächlich um zwei Eigennamen handelt (zur Charakterisierung solcher gesetzlich nicht geregelten Zusätze vgl. BayObLG StAZ 1999, 72, 73). Deshalb stellt sich im vorliegenden Falle nicht die Frage, ob auch nur ein einziger Eigenname nach deutschem Recht zum Ehenamen bestimmt werden kann (vgl. hierzu verneinend Hepting/Gaaz, a.a.0., § 2 Rn. 13 h; Kubitz, StAZ 1984, 319; OLG Oldenburg StAZ 1991, 254; OLG Jena StAZ 1996, 172). Somit haben die Beteiligten zu 1) und 2) nach dem Statutenwechsel durch nachträgliche und formgerecht öffentlich beglaubigte (§§ 1355 Abs. 3 S. 2 BGB, 15 c Abs. 1 Nr. 1 PStG) Erklärung gegenüber dem Standesbeamten in entsprechender Anwendung des § 1355 Abs. 2 und 3 BGB unter Berücksichtigung der Grundsätze der Angleichung in zulässiger Weise den Eigennamen M." des Ehemannes zu ihrem gemeinsamen Familiennamen (Ehenamen) bestimmt. Zu Recht hat deshalb das Landgericht den Standesbeamten angewiesen, diese Namenserklärung in Spalte 10 des Familienbuches einzutragen.

Da der Beteiligte zu 4) das fünfte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erstreckt sich der nachträglich bestimmte Ehename als Geburtsname auf dieses Kind. Dies beruht entgegen der Auffassung des Landgerichts jedoch nicht auf der durch das KindRefG in Wegfall gekommenen Vorschrift des § 1616 a BGB, sondern auf der mit Wirkung zum 01.07.1998 zugleich neu eingeführten Vorschrift des § 1617 c Abs. 1 Satz 1 BGB, die im Falle einer Namensangleichung zum Zwecke der Bestimmung des Ehenamens entsprechend heranzuziehen ist (vgl. BayObLG StAZ 1998, 284, 285). Deshalb hat das Landgericht zu Recht die Anweisung zur Eintragung eines diesbezüglichen Randvermerkes beim Geburtseintrag angeordnet (vgl. Hepting/Gaaz, a.a.O., § 15 c Rn. 137).

Die von den Beteiligten zu 1) und 2) als gesetzliche Vertreter für die Beteiligte zu 3) in entsprechender Anwendung des § 1617 c Abs. 1 Satz 2 BGB abgegebene Erklärung über die Anschließung an die Namensgebung konnte von dem das Familienbuch führenden Standesbeamten zwar gemäß § 31 a Abs. 1 Nr. 5 PStG ­ wie geschehen- öffentlich beurkundet werden , materiell rechtlich erlangt sie Wirksamkeit aber erst, wenn sie von dem aufgrund der Geburt im Ausland zuständigen Standesbeamten I in Berlin gemäß § 31 a Abs. 2 Satz 3 PStG entgegengenommen wird. Da es hieran noch fehlt, kommt eine diesbezügliche Eintragung zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht in Betracht.

Letztlich ist es auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht mangels diesbezüglicher Erklärungen der Beteiligten zu 1) und 2) über eine Angleichung (zu deren Notwendigkeit vgl. BayObLG StAZ 1999, 72, 74) davon ausgegangen ist, dass sämtliche nicht zum Ehenamen bestimmten Eigennamen der Beteiligten nach pakistanischem Recht als solche bestehen bleiben und hat deshalb zutreffend zum Zwecke der Klarstellung die Eintragung der diesbezüglichen Kennzeichnung als Eigennamen durch entsprechende Zusätze angeordnet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 2 Kost0.

Ende der Entscheidung

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