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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 13.12.2005
Aktenzeichen: 20 W 535/05
Rechtsgebiete: WEG, ZPO


Vorschriften:

WEG § 43 I 1
WEG § 46 I
ZPO § 36 I 6
1. Bei einem negativen Kompetenzkonflikt zwischen einem Prozessgericht und einem Gericht der freiwilligen Gerichtsbarkeit findet § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nur entsprechende Anwendung, so dass die tatsächlichen als verbindlich gewollten Unzuständigkeitserklärungen als Voraussetzung der Zuständigkeitsbestimmung ausreichen und keine erfolglose Anfechtung der jeweiligen Abgabebeschlüsse erforderlich ist. Die Beteiligten müssen lediglich formlos über den Kompetenzkonflikt informiert worden sein.

2. Die Abgabe eines Beitreibungsverfahrens gegen bei Rechtshängigkeit bereits ausgeschiedene Wohnungseigentümer vom Prozessgericht an das Gericht für Wohnungseigentumssachen nach Änderung der BGH- Rechtsprechung zur Zuständigkeit ist trotz Verletzung des Grundsatzes der perpetuatio fori bindend.


Gründe:

Die Antragsteller, damals noch vertreten durch den Verwalter, erwirkten am 25.04.2002 Mahnbescheide des AG Hünfeld wegen rückständigen Wohngeldes von 2.509,79 € gegen die Antragsgegner, die bei Zustellung am 03.05.2002 bereits aus der Wohnungseigentümergemeinschaft ausgeschieden waren. Nach Klageerweiterung um 14.847,48 € wurde das Verfahren mit Verfügung vom 09.08.2002 antragsgemäß an das Landgericht Darmstadt -Zivilprozessabteilung- abgegeben, wo es am 15.08.2002 vorlag.

Die Antragsteller haben unter Hinweis auf den Beschluss des BGH vom 26.09.2002 -V ZB 24/02-, durch den der BGH seine bisherige Rechtsprechung, dass für die Entscheidung über die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Gemeinschaftsverhältnis gegen vor Rechtshängigkeit ausgeschiedene Wohnungseigentümer die Zivilprozessabteilungen der ordentlichen Gerichte zuständig seien, aufgegeben und die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte bejaht hatte, die Verweisung an das damals örtlich zuständige Amtsgericht - WEG -Abteilung - Hochheim- beantragt. Nach Anhörung der Antragsgegner hat sich das Landgericht Darmstadt mit Beschluss vom 28.06.2004 (Bl. 292- 295 d. A.) für unzuständig erklärt und antragsgemäß den Rechtsstreit verwiesen. Der den Verfahrensbevollmächtigten im Juli 2004 zugestellte Beschluss ist nicht angefochten worden. Das nach Auflösung des Amtsgerichts Hochheim nunmehr örtlich zuständige AG Wiesbaden hat sich nach Gewährung rechtlichen Gehörs für sachlich unzuständig erklärt und das Verfahren gemäß § 36 Abs. 1 Ziff. 6 ZPO analog dem OLG Frankfurt am Main zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Zur Begründung wird u. a. ausgeführt, wegen des Grundsatzes der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO, § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG) habe sich die Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auf die bei Rechtshängigkeit begründete Zuständigkeit ausgewirkt. Da sich die Antragsgegner bereits in ihrer Stellungnahme zu dem Verweisungsantrag auf diesen Grundsatz berufen hatten, ohne dass in der Begründung des Verweisungsbeschlusses darauf eingegangen wird, komme dem Verweisungsbeschluss keine Bindungswirkung zu. Der Vorlagebeschluss ist den Verfahrensbevollmächtigten zugestellt worden.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ist als das gemeinsame obere Gericht in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Entscheidung über den Zuständigkeitsstreit zwischen Prozessgericht und Wohnungseigentumsgericht berufen.

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Zwar setzt die Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO voraus, dass sich verschiedene Gerichte, von denen eines zuständig ist, rechtkräftig für unzuständig erklärt haben. Ob der Vorlagebeschluss, gegen den analog § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG die sofortige Beschwerde zulässig wäre (BayObLG NZM 2000, 388), angefochten worden ist, kann aber dahinstehen. Bei -wie vorliegend im WEG-Verfahren- nur entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO genügt die tatsächlich als verbindlich gewollte Leugnung der eigenen Zuständigkeit, es bedarf also keiner rechtskräftigen Entscheidung darüber. Es genügt, dass die Unzuständigkeitserklärung den Beteiligten - zumindest formlos- bekannt gemacht worden ist (OLG Brandenburg NJW-RR 2001, 429; BayObLGZ 1994, 91, 93; Senat Beschl. v. 05.06.2003 -20 W 182/2003-, Keidel/Kuntze/Winkler: FGG, 15. Aufl., § 14; Zöller- Vollkommer: ZPO, 25. Aufl., § 36, Rdnr. 25, jeweils mit weiteren Hinweisen).

Als das zuständige Gericht ist das Amtsgericht Wiesbaden -Wohnungseigentumsgericht- zu bestimmen.

In seinem Beschluss vom 26.09.2002 - V ZB 24/02- (NZM 2002, 1003) hat der BGH unter Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass die Zuständigkeit der Wohnungseigentumsgerichte auch dann gegeben ist, wenn Ansprüche aus dem Gemeinschaftsverhältnis gegenüber Antragsgegnern geltend gemacht werden, die bereits vor Rechtshängigkeit das Wohnungseigentum veräußert haben. Damit wäre das Amtsgericht Wiesbaden -Abteilung für Wohnungseigentumssachen- das nach § 43 Abs. 1 Nr. 1 WEG zuständige Gericht, wenn die streitgegenständlichen Ansprüche derzeit rechtshängig gemacht würden. Deshalb kann nicht die Rede sein von einer willkürlichen Abgabe, die die Bindungswirkung des Abgabebeschlusses (§ 46 Abs. 1 Satz 3 WEG) entfallen lassen würde, auch wenn das Landgericht bei seiner Abgabeentscheidung den Grundsatz der Fortdauer des Rechtswegs verletzt hat, da auch eine nachträgliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung nichts an der einmal begründeten Zuständigkeit ändert (Zöller/Gummer: GVG, 25. Aufl., § 17, Rdnr. 1; Zöller/Greger. ZPO, 25. Aufl., § 261, Rdnr. 12, jeweils mit weiteren Hinweisen). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die eine Bindung des Abgabebeschlusses entfallen ließe, ist dem Landgericht nicht vorzuwerfen.

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